Saiten OstschweizerKulturmagazin Nr.272,November2017 FussballundGeld steigt in die Arena. GeorgGatsas:DerManor-Preisträger Lichtensteig:DiePolitikziehtaus, JulianAssange:RISK,dasKinoporträt imGesprächmitDorotheeElmiger.(S.48) dieKulturziehtein.(S.40) einesGetriebenen.(S.56) EDITORIAL Fussball. Ach, wie bewegt er doch die Gemüter! Nicht nur, wenn es ums Gewin- nen oderVerlieren geht, um ganz eindeutige Schwalben, verpasste Chancen oder vermeintlich unfähige Trainer. Auch das ewige Thema Geld sorgt für rote Köpfe, vor allem dann, wenn wiedermal eine WM fragwürdig vergeben wird, irgendein Goldfuss für dreistellige Millionensummen den Club wechselt oder beim Lieblingsverein Köpfe rollen, weil Macht und Aktienpakete neu verteilt werden. «Trikotmillionen! Fernsehmilliarden! Immer wieder will man es uns weismachen: Der Fussball treibt die Weltwirtschaft an», schreibt das Fussball- magazin «Zwölf» im Mai 2015. «Wenn selbst der FC Basel die ‹100-Millionen- Schallmauer› durchbricht, klingt es ja tatsächlich danach. Doch die Relationen sind andere. Während Real Madrid und Manchester United von Big Business schwadronieren, lachen sich einige krumm: zum Beispiel der Volg.» Zur Erklä- rung lieferten die «Zwölf»-Macher um Mämä Sykora ein paar interessante Zahlen: Real Madrid zum Beispiel, der reichste Fussballclub der Welt, läge in der Liste der umsatzstärksten Schweizer Firmen mit 580 Millionen Franken Umsatz im Jahr 2014 «nur» auf Rang 256. Der Volg belegt mit 1,4 Milliarden Rang 124, Nestlé lag 2014 mit 92,9 Milliarden Umsatz auf Platz 6. Wollte man Manchester United kaufen, würde das 2,7 Milliarden Franken kosten, für den Schweizer Lifthersteller Schindler müsste man hingegen satte 18 Milliar- den hinblättern. Zu guter Letzt: Der FC Basel hatte 2014 205 Angestellte, die Fifa 452, das Baudepartement des Kantons St.Gallen 600. So viel zu den Relationen. Was natürlich nicht heisst, dass der Fussball kein Geldproblem hat, im Gegenteil. Oben gibt es vielfach zu viel davon, in den unteren Ligen zu wenig. Unser Ansatz: Verstaatlichen wir den Fussball! Oder zumindest den FCSG. Denn wenn, wie bei den jüngsten Krächen in der St.Galler Klubführung, den Fans nichts übrig bleibt, als die Faust im Sack zu machen, und die Öffentlichkeit auf die Loge starrt wie das Kaninchen auf die Schlange, ist etwas faul am System. Mehr demokratische Kontrolle? Laut darüber nachzudenken lohnt sich zumindest. Stürmer Hans Fässler greift in dieser Sache an, findet aber in Daniel Kehl einen abwehrstarken Gegen- spieler. Chefcoach Etrit Hasler erklärt, was der Neymar-Transfer mit dem Kapi- talismus zu tun hat, das Senf-Kollektiv blickt zurück auf die Anfänge des reichen Sports und liefert aus der Kurve Fakten zu den Kosten des Fan-Daseins. Claudio Bucher zeichnet die Chronik zum Investorendebakel beim FC Wil nach und Michèle Kalberer hat sich in den Zweikampf mit Ex-Fifa-Kommuni- kator Alexander Koch gestürzt. Die Preisklassen im Kybunpark hat Till Forrer fotografiert. Ausserdem in der Oktober-Auswahl: neun Seiten Georg Gatsas, Isuf Sherifi, der neue Dokfilm von Laura Poitras und alles zum kulturell torreichen November. CorinneRiedener SaitenOstschweizerKulturmagazin Sekretariat:IreneBrodbeck, Vertrieb:8daysaweek,RubelVetsch 272.Ausgabe,November2017, [email protected] Druck:NiedermannDruckAG,St.Gallen 24.Jahrgang,erscheintmonatlich Kalender:MichaelFelixGrieder, Auflage:6000Ex. Herausgeber:VereinSaiten,Verlag, [email protected] Anzeigentarife:sieheMediadaten2015/16 Frongartenstrasse9,Postfach556, Gestaltung:SamuelBänziger,LarissaKasper, Saitenbestellen:StandardbeitragFr.85.–, 9004St.Gallen,Tel.0712223066 RosarioFlorio,KarimBänzima UnterstützungsbeitragFr.125.–,Gönner- Redaktion:CorinneRiedener,PeterSurber, grafi[email protected] beitragFr.350.–,PatenschaftFr.1000.– ClaudioBucher,[email protected] Korrektur:PatriciaHolder, Tel.0712223066,[email protected] Verlag/Anzeigen:MarcJenny,PhilipStuber, EstherHungerbühler Internet:www.saiten.ch [email protected] Vereinsvorstand:ZoraDebrunner, HeidiEisenhut,ChristineEnz,PeterOlibet, ChristophSchäpper,Hanspeter Spörri(Präsident),RubelVetsch POSITIONEN TITEL 7 Reaktionen 16 Verstaatlichen wir den FC! 8 Redeplatz Ein Plädoyer für die «Volkseigenen Ballbetriebe MITROLANDSTIEGER 9 Stimmrecht St.Gallen». VONGÜLISTANASLAN VONHANSFÄSSLER 10 IneigenerSache:Du! 18 «Spitzenfussball ist kein Service public» 12 HerrSuttersorgtsich… Daniel Kehl will die Politik heraushalten – VONBERNHARDTHÖNY 12 EvilDad aber den Breitensport fördern. VONMARCELMÜLLER VONPETERSURBER 13 Blickwinkel 21 Zum Beispiel Neymar VONHUBER.HUBER Was der Sport mit dem Kapitalismus zu tun hat. VONETRITHASLER 26 Das grosse Geld Der FCWil neun Monate nach Günal – eine Chronik. VONCLAUDIOBUCHER 28 Vom Sport der Reichen zum reichen Sport «Senf» über die Anfänge der Professionalisierung. VOMSENF-KOLLEKTIV 30 Cashcow Fussballfan Geht oft vergessen: Wie viel das Fan-Dasein kostet. VONCURDINCAPOL 34 «Wie wäre es, wenn die Fifa-Räte auf ihre 250’000 Dollar Lohn verzichten würden?» Ex-Fifa-Kommunikator Alexander Koch im Interview. VONMICHÈLEKALBERER DieStadion-BilderzumTitelthemahatTillForrerfotografiert. 4 INHALTSVERZEICHNIS SAITEN11/2017 AndieserAusgabehabenmitgearbeitet: MichèleKalberer,DanielKehl, ©2017:VereinSaiten,St.Gallen.AlleRechte GülistanAslan,LadinaBischof,Curdin StefanKeller,FredKurer,A.L., vorbehalten.Nachdruck,auchauszugs- Capol,DorotheeElmiger,HansFässler, MarcelMüller,NiklausReichle, weise,nurmitGenehmigung.DieUrheber- DarioForlin,TillForrer,GeorgGatsas, Senf-Kollektiv,BernhardThöny rechtederBeiträgeundAnzeigenentwürfe TobiasGerosa,PhilippGrob,EtritHasler, bleibenbeimVerlag.KeineGewährfür MarcelHörler,RenéHornung,huber.huber, unverlangteingesandteManuskripte,Fotos undIllustrationen. PERSPEKTIVEN KULTUR KALENDER 38 FlaschenpostausIran 48 Manor-Kunstpreis-Träger 63 November-Kalender GeorgGatsasimGespräch. VONNIKLAUSREICHLE 85 Kiosk VONDOROTHEEELMIGER 53 MantheRibane&Co.: ABGESANG SüdafrikasAnti-Virus-Programm. VONCLAUDIOBUCHER 87 KehlbuchstabiertdieOstschweiz 54 Sgt.Pepper’sLonelyHeartsClub 88 KellersGeschichten inSchweizerdeutsch. 89 Kreuzweiseworte VONTOBIASGEROSA 91 Boulevard 55 IsufSherifiundseinGedicht- bandDieweisseFilzkappe 38 Dogo:künstlerische VONFREDKURER Nachwuchsförderungim RathausLichtensteig. 56 RISK:LauraPoitras’neuerFilm überJulianAssange. VONMARCELHÖRLER VONCORINNERIEDENER 57 Kulturparcours–querdurch dieOstschweiz 61 Mixologie VONNIKLAUSREICHLEUNDPHILIPPGROB 61 AmSchalterimNovember: DarioForlin,Illustrator SAITEN11/2017 INHALTSVERZEICHNIS 5 REAKTIONEN «JedesOhr,dasunsfindet,isteinGeschenk», schreibtBarbaraCamenzindimneuenSaiten. EinmutigesHeftüberdenklassischenMusik- betrieb.MitvielenThurgauern.EtwaGabriel Estarellas Pascual oderAndreas Schweizer. Danke! BrigittaHochuli,Bottghofen …eine unglaublich spannende Lektüre – sehrtiefsinnigundgutdurchdacht. KarlSchimke,St.Gallen DasOktoberheftzur«Klassik»istgrossartig! DanielFuchs,St.Gallen SaitenNr.271,Oktober2017 Vielgeklickt SaitenkorrigiertseineTextenachwievorselbst,oderbesser:unserTeamanFreelancerin- nen, altmodischanalogmitRotstiftim gleichenRaumwiedieRedaktion.DerNZZ-Me- diengruppeistdasKorrektoratihrerLokal-undRegionalseiteninZukunft13Franken50 proStundewert.Dasklingtnachwenig,istjedochzweifellosstandortgerecht:Storieswie dieEntstehungsgeschichtedesKrönchensfürdieThurgauerApfelköniginwerdeninZu- kunftimbosnischenBanjaLukaaufSchreibfehlergeprüft,einerStadtmiteinemdurch- schnittlichenMonatslohnvonetwa700Franken.Spardruckgerechtwerdenhierzulande neunStellengestrichen. DochwasbedeutetdasfürdieLeserinnen?EinigenLese-Ärger,befürchtetSaiten- redaktorSurberimvielgeklicktenArtikelzumThema,unddies«ausgerechnetimRegio- nalteil,dernahbeidenLeutenunddamitauchbeiihrenSprach-Sensibilitätenseinwill undseinmuss.»Mehrunter:saiten.ch/tagblatt-strategie-made-in-cirih/. EndeSeptemberdiskutiertendreiMännerüberdieEurokrise,äusserstredaktionsnahim EinsteinKongresszentrum,quasieinenSteinwurfentfernt.NichtsErwähnenswertes,wäre danichtdiefragwürdigeWahldesReferenten:RechtspopulistThiloSarrazin,derDeutsch- landschonvorderEroberungdurchTürkenundständig«neuenkleinenKopftuchmäd- chen»warnte.EingeladenzurDiskussionhattedas«Tagblatt»undder(nochinSt.Gallen korrigierten)GeschichtegleichzeitigvielRaumindereigenenZeitunggegeben. «DasTagblattschafftsichab!»liessdaraufhineinegemeinsameMedienmitteilung derAktionZunder,derJusoundderJungenGrünenverlauten.Siekritisierten,dieZeitung mache «offen rassistische Personen salonfähig». Saiten berichtete, und Pascal Hollen- stein, LeiterPublizistikder NZZ Regionalmedien, forderte in einem Kommentardarauf hin, doch auch die kritisierte Gegenseite zu befragen, also ihn. In der eigenen Zeitung wurdedieDebattehingegenimKeimerstickt:KeinWortüberdieimmerhinvondreijun- genVertretergruppenderStadtsolidarischverfassteKritikwurdeinsKorrektoratundan die eigene Leserschaft geschickt. Nachzulesen auf: saiten.ch/brauner-sud-mit-wutbuer- gerkloesschen/. RedaktionsnahkonnteimOktoberbeobachtetwerden,wiediezweiletztenZeitzeugendes einstigen Handwerkerquartiers Bleicheli mit geschickter Bagger-Technik, Staubwolken und knirschendenWohnbalken Geschichtewurden. Nach siebenJahren Planungsarbeit müssendieunbewohnbargewordenenHäuschenvis-à-visdestemporärenSaiten-Konsu- latseinemgemischtgenutztenGebäudemitWohnungenundBürosPlatzmachen.René HornungsagteschonimSommer2015«bye-byeBleicheli»undlieferteBilderundHinter- gründeauf:saiten.ch/bye-bye-bleicheli/. Im November auf saiten.ch: Showdown im Stadtrats-Wahlkampf +++ Vadianisches zum Sieärgernsich?Siefreuensich?Kommentieren SieunserMagazinundunsereTexteauf Reformationsjubiläum +++ Sibylle Elams aufrüttelndes Erinnerungsbuch Es solldortsehr saiten.choderschreibenSieunseinenLeserbrief gutsein+++NeuesZwischennutzungs-LebenimUG24undimBahnhofBruggen+++ [email protected]. SAITEN11/2017 POSITIONEN 7 REDEPLATZ «Man kann auch ohne Comic Sans Wärme in einen Text bringen» Roland Stieger vom Projektteam der Tÿpo St.Gallen über unterbewusste Kaufentscheide, den Wert von Grenzüberschreitungen und Typografie im Alltag. INTERVIEW:CORINNERIEDENER,BILD:LADINABISCHOF Saiten:ResonanzistdasThemaderdiesjährigenTÿpoSt.Gallen. ausgewählt. Bisher stand das Tagungsthema – 2011 war es InderVorschauheisstes:«Wirbrauchendochalleeinbisschen «TypischSchweiz?»,2013«Weissraum»und2015beschäftig- Zuspruch.»HabtihrdasGefühl,dieGrafik-undTypografieszene tenwirunsmitdemThema«Tempo»–fürunserenGeschmack hierhatzuwenigResonanz? etwaszuwenigimFokus.DiesesJahrsollesanderssein. RolandStieger:Einbisschenmehrdarfesnatürlichimmer sein,aberdasThemaistgarnichtsosehrausdiesemFokus Wenhabtihreingeladen? heraus entstanden. Es gehtvielmehrdarum, dass man mit Das Spektrum ist breit: Wir haben Gäste, die reines Type- allem, was man tut, Resonanz auslöst. Man kann alles im designmachenwiezumBeispielNinaStössinger,aberauch Leben durch diese «Resonanz-Brille» betrachten, so unge- solche,dievonanderenGebietenherkommen,etwadieIllus- fährbeschreibtesauchHartmutRosainseinemBuchReso- tratorinSiljaGötz,denBuchcover-SpezialistenDavidPearson nanz – eine Soziologie der Weltbeziehung. Resonanz ist in der oderdenSchauspielerMatthiasFlückiger,dereinStücküber MusikeinThema,inderArbeitswelt,inzwischenmenschli- verloreneBuchstabenrezitierenwird.AuchMusikistnatür- chenBeziehungenusw.–undselbstverständlichauchinder lich ein Thema, Ohr undAuge gehören schliesslich zusam- GrafikundimDesign. men;amSamstagistRemoCaminadazuGast.ErhatInter- action Design und Visuelle Gestaltung studiert und vor Inwiefern? kurzemnocheinStudiuminGesangundKompositionange- Es gibt zum Beispiel Agenturen, die argumentieren, dass hängt.BeimThemaResonanzmussteereinfachdabeisein, Kaufentscheidezu90ProzentaufgrunddesvisuellenEin- zumal es gerade in der Gestaltung auch oft um Rhythmus drucksgefälltwerdenundnurzuzehnProzentlogischbe- geht. Und am Samstag feiern wir noch die Vernissage des gründet werden können. Ich selber bezweifle zwar, dass BuchsZusammenklangvonKarlSchimke,derletztesJahrzu- diesesVerhältniswirklichsokrassist,binaberauchüber- sammenmitNataljaMarchenkova-FreidasKonzertmitallen zeugt,dassDesignundGrafikmitihrerintuitiven,unterbe- Kirchenglockenkomponiertundorganisierthat. wussten Komponente einen fundamentalen Einfluss auf unsMenschenhabenundimmerzu«mitschwingen». WosinddieOstschweizerinnenundOstschweizer–abgesehen vomBuchgestalterJostHochuli,derjazudenStammgästen GehteseherpunktuellumResonanzoderstehtsiebeiallen gehörtanderTÿpoSt.Gallen? FachvorträgenimZentrum? BerechtigteFrage.WirhabenallemöglichenAspektezube- UnserWunschwäre,dassalleReferentinnenundReferenten rücksichtigenversucht:Alter,Themen-undArbeitsgebiete, daraufBezugnehmen,dementsprechendhabenwirsieauch Herkunft und natürlich auch das Geschlecht – diesesJahr 8 POSITIONEN SAITEN11/2017 STIMMRECHT sind über 50 Prozent der Gäste Frauen.Was die Herkunft Ein Camp nur angeht,waresetwasschwieriger.Weilwirirgendwannge- merkt haben, dass ein grosser Teil unserer Referentinnen für Frauen undReferentenheutenichtmehrdortwohnt,wosieaufge- wachsensind.DasziehtsichfastwieeinroterFadendurchs Programm:WirhabenzumBeispielBasler,dieheuteinNew YorkoderWienleben,eineWienerin,dieursprünglichaus dem Voralberg kommt und eine Moskauerin, die in Mün- chen wohnt, die Illustratorin aus Bayern, die in Spanien wohnt.RemoCaminadaistBündnerundeinOstschweizer imweiterenSinn,lebtzurzeitallerdingsinItalien.DieOst- schweiz ist also vor allem mit Jost Hochuli, Hans Peter Kaeser, dem Sitterwerk und unserem Rundgang in der StiftsbibliothekamSonntagvertreten. AngesichtsdervielenBesucherinnenundBesucherausdem umliegendenAuslandbrauchtdieTÿpoSt.Gallenvielleichtjagar EndeSeptembermachtensich180Frauenund25Kin- nichtsovielOstschweiz-Bezug? derausverschiedenenRegionenderSchweiz(darunter Sokönntemanauchargumentieren,ja.Michpersönlichin- 37 Frauen und 12 Kinderaus derOstschweiz) auf den teressiertederSchrittüberdieGrenzeschonimmersehr– WegundverbrachtendreiTageimRahmeneinesexklu- einabsolutesHerzensthema.SchauenwireinigeJahrzehnte siven Frauencamps in Adelboden, wo sie unter sich zurück:DieSchweizerTypografiewäreniemalszudemge- bleiben konnten, um sich in aller Ruhe miteinander worden,wassieheuteist,wärenimZweitenWeltkriegnicht undmitsichselbstzubeschäftigen. sovieleKreativeindieSchweizgekommen,diesichmitden DieStimmungwaräusserstfriedlich,dasichdie Einheimischen«verbündet»undneueKräftefreigesetztha- Frauen ohne Druck des feudalistischen, männlichen ben.Dasfunktioniertbisheuteso. GeschlechtesmitihrereigenenIdentitätauseinander- setzenkonnten.ImTagesprogrammwurdennatürlich DieTÿpoSt.GallenistalsovorallemaucheineguteGelegenheit, auchThemenwiedieFreiheitderFrauundderDruck sichmalnichtimeigenenSaftzudrehen. der feudalistischen Männer behandelt, daneben auch Klar! Die eigene Perspektive zu erweitern ist ohnehin ext- das Verhältnis zwischen Mutter und Kind sowie das remwichtig.MeinersterBesuchanderTÿpoBerlinimJahr BildderFrauinderGesellschaft. 2000beispielsweisewareinkreativerMeilenstein.Seither EinerderwichtigstenPunktewar,dassdaskapi- besucheichregelmässigKonferenzenimIn-undAusland, talistische System der Gesellschaft, insbesondere bei nichtzuletzt,weilesauchdabeihilft,sicheinNetzwerkauf- den Männern, ein spezifisches Bild der Frau in den zubauenunddieseszupflegen. Kopfsetzt.WerbestimmtdieSchönheitderFrau?Wie musssichdieFrauinderGesellschaftverhalten?Wer BleibenwirbeiderGrenzüberschreitung:Wasistdasfürein bestimmtdas? Buchprojekt,dasJostHochuliamFreitagvorstellt? Diese Fragen beeinflussen sowohl das System Das Alphabet der guten Nachbarschaft ist in Zusammenarbeit wieauchdieGedankenderMenschen.Darüberhaben mitderPotentialeentstanden,demFestivalzurStadtraum- die Frauen stundenlang vertieft und angeregt disku- gestaltunginFeldkirch,dasdiesesJahreinenSchwerpunkt tiert.VieleTeilnehmerinnenhabenauchvonihrereige- Typografie hat. Das Buch erzählt in 26 Kurzgeschichten, nenLebenssituationerzählt,vondenLebenserfahrun- wasdieOstschweizmitdemVorarlbergverbindetundum- gen mit dem Ehemann, dem Partner, dem Chef, dem gekehrt.JostHochulihatdieBuchgestaltunggemacht,ich VateroderdemgrossenBruder. habeihninderOrganisationundKoordinationunterstützt. WeiterwurdenMethodenderSelbstverteidigung ImRahmendieserZusammenarbeithabenwiram26.Okto- fürFrauenvorgestellt, damit sich die Frauen in ihrem beraucheinen«TypotagfürdieganzeFamilie»organisiert. Alltag verteidigen können, sprachlich wie körperlich. Dieser Bereich interessiert mich sehr,weil ja jede Person, AusserdemhabensieindenTagenauchmiteinerSän- die beispielsweise mitWord arbeitet, ebenfalls Typografie gerinzusammenLiedergesungenundgetanzt. macht.Fastalleüberlegensich,wiemandenTitelgestaltet, AlldashalfdenTeilnehmerinnen,mehrSelbst- welche Schriftgrösse man für den Lauftextwählt oderwie vertrauenundeinGefühlderSicherheitzugewinnen. man Zwischentitel und anderes abheben kann usw. Oder Ein guter Anfang, darum braucht es mehr solche andersgesagt:Ichwillzeigen,dassmanauchWärmeinei- Camps! nenTextbringenkann,ohneComicSanszuverwenden. GülistanAslan,1979,istvorzweiJahrenausBitlis(Kurdistan)in TÿpoSt.Gallen2017:10.bis12.November,GewerblichesBerufs-und dieSchweizgekommen,lebtinHerisauundistCo-Präsidentindes WeiterbildungszentrumSt.Gallen,Anmeldungerforderlich DemokratischenKurdischenGesellschaftszentrumsSt.Gallen undTeildeskurdischenFrauenbürosfürFriedene.V.Sieschreibt typo-stgallen.ch seitAnfangJahrdieStimmrecht-KolumneinSaiten,dieTexte Potentiale2017:bis12.November,PulverturmFeldkirch werdenübersetzt. potentiale.at SAITEN11/2017 POSITIONEN 9 INEIGENERSACHE Saiten sagt Du. Und Danke. Drei Generationen, drei Du-Geschichten. Sie erzählenvomWandel einerKultur– nicht gerade der weltbewegendsten, aber einer im zwischenmenschlichen Umgang symbol- trächtigenKultur. DieersteGeschichtehandeltvonzweialten,jauraltenFreunden,überachtzigbei- de.SiesindgegenseitigimmerbeimSiegeblieben,trotzgemeinsamerUrlaubsreisen,ge- meinsamerHandwerkerei,lebhafterFreundschaftundHerzensnähe.Trotzalldemoder geradedeshalbhatdereinederbeidenlebenslänglich(eristkürzlichgestorben)aufdem Siebeharrt,alsAusdrucknichtderDistanz,sondernbesondererWertschätzung.Einselte- nerFall,gewiss. DiezweiteGeschichtehandeltvonmeinerGeneration,circaMittelalter.AlsHeran- wachsendeinden60er-,70er-Jahrenwarfürunsklar:Erwachsene,sofernnichtzurFamilie gehörig,werdengesiezt,aberabwelchemZeitpunktsiezensiemichzurück?Daswarinder Stadt;vielleichtwardieSchwellezumDuaufdemLanddamalsschontiefer,fürunswarsie hoch.HeutegiltfürmichhingegenweitherumimBerufs-undPrivatlebenundimDorferst recht:GrundsätzlichistmanperDu.DasSieistjedochnichtveraltet,sondernwillkommen undmanchmalsogarnotwendiginprofessionellenBeziehungen:Eshilft,nichtinKumpa- neizuverfallenundinhygienischerDistanzzumGesprächspartnerzubleiben. DiedritteGeschichteerzählteine24-jährigeJunglehrerin:DasDuistinihremAll- tagallgegenwärtig,nichtnurunterGenerationsgenossinnen,auchgegenüberdenEltern derSchulkinderundinbeinahallenbeliebiganderenSituationen.Siezenseibeiihrnur noch gelegentlich, bei Begegnungen mit zumeist älteren und unbekannten Personen in Gebrauch.Sie,dassignalisiert:Wirsindunsfremd. DieGeschichtenillustrierendieTatsache,dasssichüberrunddreiGenerationen aufdemGebietdesSiezenseinstarkerKulturwandelabgespielthat.DieDu-Kulturhatsich jedenfallsinderSchweiz(inDeutschlandistdasSiesehrvielresistenter)rasantausgebrei- tet.DenKeimlegtenimBerufslebenBranchenmitflachenoderfehlendenHierarchien, vondenHandwerkernbiszudenKulturschaffenden;geduztwurdeseitjeherinalternati- venundsonstwieprogressiven,aberauchinbäuerlich-ländlichenKreisen.UndimRhintl. InzwischenziehtaberauchdieWirtschaftmit,selbstindenKrawatten-undTeppicheta- genundnichtnurinStart-ups.BeiderSwisscomgiltseit2008Du-Zwang,zahlloseandere Unternehmen,darunterMicrosoft,IkeaoderdasZürcherEWZpraktizierendasDuüber alleHierarchiestufenhinweg.DasseisinnbildlichfürflacheHierarchien,kooperativeAr- beitsmodelleundeingelebtesWir-Gefühl,heisstdiegängigeBegründung. Ob es allerdings die Diskussions- und Konfliktkultur fördert oder eher hindert, wennsichmänniglichduzt,istnochunerforscht.DieMeinungengehenauseinander,auch wennmanimFreundeskreisnacheinschlägigenErfahrungenfragt:DasDuöffnetTüren –etwazumStadtrat,dersichschonbeidererstenBegegnungals«deKöbi»vorstellt.Aber eserhöhtauchdieKritik-Hemmschwelle,geradeinkleinräumigenVerhältnissen.DasDu lässtrascherpersönlicheGesprächezu–abereskannaucheineVertrautheitvorgaukeln, dienichtderrealenBeziehungsqualitätentsprichtundaufdünnemFundamentgebautist. Sooderso:Wenneshartaufhartgeht,hilftwederDu-nochSie-Kultur.«SieArschloch» tutgenausowehwie«DuArschloch».BeiangenehmerenGefühlenistesanders:«Ichliebe Sie»wird(heutzutage)kaumnocheineJuliaihremRomeoinsOhrflöten. LangeEinleitungzueinemkurzenFazit:SaitensagtDu.DuzuseinenAbonnenten, korrekt gesagt: zu den Mitgliedern, Gönnerinnen und Unterstützern unseres Magazins. SaitensagtDuzuDir.UndwilldamitzumAusdruckbringen:AlsunabhängigesMagazin lebenwirvonunserenLeserinnenundLesern–ideellvonallen,finanziellabervonjenen, diemitihremMitgliederbeitragSaitenunterstützen.Siealle–Ihralle–seiddieCommu- nityoderschönergesagt:derExistenzgrundvonSaiten.EuchallensagenwirgerneDu, nichtausAnbiederung,sondernweilesdiepassendeTonalitätistfürdieanspruchsvolle Aufgabe,inderaufgewühltenMedienlandschaftgemeinsamzubestehenundWirkungzu haben.FürdieseAufgabenämlichbrauchtSaiten–Dich. PeterSurber DasAbogibteshier:saiten.ch/abo.MehrzumThemasagtdieSchlange ineinemTeilderAuflageabSeite16. 10 POSITIONEN SAITEN11/2017
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