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Sagen und Meinen: Paul Grices Theorie der Konversations-Implikaturen PDF

268 Pages·1994·12.397 MB·German
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Eckard Rolf Sagen und Meinen Eckard RoH Sagen und Meinen Paul Grices Theorie der Konversations-I mplikaturen Westdeutscher Verlag Alle Rechte vorbehalten © 1994 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt ins besondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt Gedruckt auf säurefreiem Papier ISBN 978-3-531-12640-1 ISBN 978-3-663-01456-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-01456-0 INHALTSVERZEICHNIS Vorbemerkung •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 7 1 Grices Sprachtheorie •••••.••••••••••••••••.••••••••••••.•• 9 1.1 Eine Art Konversationsethik .............................. 9 1.2 Notiz zu Person und Werk von Paul Grice .................... 14 l.3 Bedeutung und Implikatur: Die Architektur der Griceschen Sprachtheorie 16 NN 2 Das Konzept der nicht-natürlichen Bedeutung ••••••••••••••••••••• 23 2.1 Kriterien für natürliche und nicht-natürliche Bedeutung ............. 23 2.2 Zur intentionalen Erklärung der nicht-natürlichen Bedeutung ......... 30 2.2.1 Stevensons Bedeutungstheorie ............................. 31 2.2.2 Grices Stevenson-Kritik ................................. 33 2.2.3 Die intentionale Bedeutungserklärung ........................ 35 2.3 Zum Handlungscharakter des Griceschen Bedeutungskonzepts ......... 44 2.3.1 Was ist eine Handlung? ................................. 49 2.3.2 Grices Bedeutungstheorie als Theorie kommunikativen Handeins ..... . .. 52 2.3.3 Ist das Kommunikationsverhalten der Tiere kommunikatives Handeln? .... 56 2.4 Über Problematisierungen des Griceschen Analysans .............. 62 2.4.1 Über Beispiele, denen zufolge das Analysans nicht hinreichend ist ....... 62 2.4.2 Repräsentationsabsichten und Kommunikationsabsichten ............. 78 2.4.3 Über Beispiele, denen zufolge das Analysans nicht notwendig ist ....... 83 2.5 Das 'Gricesche Programm' .............................. 90 2.5.1 Die Herieitung zeitunabhängiger Bedeutung ................. . . .. 90 2.5.2 Die Reduktion des Semantischen auf Psychisches ................. 93 3 Die Theorie der Implikaturen 103 3.1 Hintergrund und Kern der Theorie 103 3.2 Sagen und Meinen .................................. 110 3.3 Merkmale konversationaler Implikaturen ..................... 113 3.4 Arten von Implikaturen ............................... 119 3.4.1 Konventionale Implikaturen ............................. : 125 3.4.2 Nichtkonventionale Implikaturen .......................... 127 6 Inhaltsverzeichnis 3.4.2.1 Nichtkonversationale Implikaturen ................... 127 3.4.2.2 Konversationale Implikaturen: M-und U-Implikaturen ............................... 128 3.4.2.2.1 Partikularisierte Implikaturen ................ 128 3.4.2.2.2 Generalisierte Implikaturen ................. 133 3.4.2.2.2.1 Skalare Implikaturen ............ 137 3.4.2.2.2.2 Klausale Implikaturen ............ 142 3.4.2.2.3 Q-und R-bzw. I-Implikaturen ............... 142 3.5 Der Hintergrund des Hintergrunds der Implikaturen .............. 144 3.5.1 Was den Konversationsmaximen zugrunde liegt ................. 144 3.5.2 Die der K. u. K.-Konzeption innewohnende Rationalität ............ 156 3.5.3 Was sind Maximen, was heißt 'Prinzip'? 162 3.5.4 Bezugsgrößen der Konversationsmaximen ..................... 169 3.6 Risiken und Gefahren der Kommunikation ............... 170 3.6.1 Risiken des Sprechers: Redecharakterisierung als selbstkritische Sprachreflexion ..................................... 170 3.6.2 Gefahren für den Adressaten ............................. 178 3.7 Konversationsmaximen und Geltungsansprüche ................. 183 4 Eine VeraUgemeinenmg der Griceschen Theorie der Implikaturen 193 4.1 Zum Erklärungspotential der Griceschen Theorie .... . . . . . . . . . . .. 194 4.1.1 Vermeintliche Problemfälle .............................. 194 4.1.2 Wirkliche Problemfälle 211 4.2 Vandervekens Verallgemeinerungsvorschlag 214 4.3 Weitere Maximen für sprachliches Handeln ......... . 221 4.4 Weitere Beispiele für Implikaturen ....................... . 235 4.5 Zur Frage der Reduktion der Konversationsmaximen 248 Literaturverzeichnis 255 Namenverzeichnis 267 Vorbemerkung 'Und Sie geben ihm kein Geld?' 'Fürst! Durchlauchtigster Fürst! Diesem Menschen würde ich nicht nur Geld, sondern sozusagen sogar mein Leben [ ... ] Geld ... ist nicht der Rede wert!' , Also geben Sie ihm doch Geld?' 'N-n-ein, Geld habe ich ihm nicht gegeben'. (Dostojewski, Der Idiot. München 1980, S. 686) Wer eine notwendige Wahrheit ausspricht - wer, etwa hinsichtlich eines sich verspätenden Gastes, sagt: Entweder er kommt, oder er kommt nicht -, ist nicht sonderlich informativ; das Gesagte drückt dennoch eine (vielleicht sogar hilfreiche) Stellungnahme aus. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Gesprächsteilnehmer in einer auffalligen Weise das Thema wechselt: was er sagt, mag auf den ersten Blick als irrelevant erscheinen, nichtsdestotrotz wird dem Gesagten ein wichtiger Hinweis zu entnehmen sein. In Situationen wie diesen werden bestimmte Gesprächs 'regeln , verletzt. Andersartigen Erwartungen entgegen, ist letzteres recht verbreitet. Es scheint jedenfalls auch für die Äußerungen des 'Hörers' H in den folgenden drei Fällen zu gelten: (i) S: Spielen Sie Schach? H: Ich spiele Skat. (ii) S: MOchtest du noch mit nach oben kommen? H: Ich muß morgen ganz.fri1h raus. (iii) S: Düifte ich mal das Fenster OjJnen? H: Der Zug Mit in zwei Minuten. Hs Antworten legen nahe, daß er die von S (in (i) und (ii» jeweils gestellte Frage verneinen bzw. daß er ihm die (in (iii» geäußerte Bitte abschlagen muß. Äußerungssequenzen der erwähnten Art zeigen, daß negative Bescheide auf Fragen oder Bitten durch Feststellungen erfolgen können, die selbst kein Negationselement enthalten. (Das Umgekehrte gilt jedoch auch: H könnte auf die in (i) gestellte Frage antworten: Nicht gut; er hätte dann einen Negationsausdruck verwendet - aber dennoch einen positiven Bescheid erteilt.) Man kann also dadurch, daß man das-und-das sagt, Inhalte zum Ausdruck bringen, die in dem Gesagten, dem Diktum (soweit dieses wort wörtlich verstanden wird), gar nicht enthalten sind. In einer entsprechenden Weise vorzugehen hat viele Vorteile. H beispielsweise kann in allen drei der obigen Fälle durch dieJit~nennung eines positiven Tat!>~sta!l(ls dem aufg rund der Negation - hüben oder drüben - drohenden 'Gesichtsverlust' entgegenwirken. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß, was übermittelt wird, das Gemeinte oder das. Implikatum, gerade weil es nicht wortwörtlich zum Ausdruck gebracht wird, atmulliert werden kann. So kann H, wenn S sich durch die Äußerung Sie spielen also nicht Schach zu vergewissern Die sucht, antworten: Doch, aber ich spiele lieber Ska!. Möglichkeit der Annullierung ist ein wichtiges, wenn nicht sogar das entscheidende Merkmal von Fällen, in denen Diktum und Implikatum auseinandertreten. Daß sie es können, ist bekannt auch aus der Literatur. Goethe z. B. bringt dadurch, daß er für seine -in Reaktion auf die Französische Revolu tion geschriebenen - "Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten" die Form der Boccaccio Novellistik wählt, zum Ausdruck, daß er das gesellschaftlich-politische Ereignis für ein -mit einer Seuche wie der Pest - gleichzusetzendes Naturereignis hält. "Das 'Naturereignis', das die Flüchtlinge aus ihrer Heimat vertreibt, ist hier die Französische Revolution." (Goethe, 8 Vorbemerkung Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. I. Abteilung, Bd. 9, Kommentar, S. 1553). Wäre man aufgefordert zu zeigen, an welcher Stelle der "Unterhaltungen" die ver meintliche Gleichsetzung der Französischen Revolution mit einer Seuche wie der Pest zum Ausdruck gebracht sei,- man könnte keine derartige Textstelle benennen. In solchen Fällen sagt man, der fragliche Inhalt stehe 'zwischen den Zeilen'. "Qher das Gesagte hinausgehende Inhalte sind oftmals als solche intendiert, und wenn sie nicht intendiert sind, dann können sie, unter bestimmten Voraussetzungen, immer noch in das Gesagte (bzw. Geschriebene) hineingelesen werden. So jedenfalls verhält es sich mit dem Phänomenbereich, um den es hier gehen wird: um das, was zwischen den Zeilen steht oder auch mit einer einzelnen Zeile über diese hinaus gesagt wird; um den 'Wink mit dem Zaunpfahl'; um das, was sozusagen 'durch die Blume' gesagt wird: um Fälle nichtwtJrtlicher Bedeutung, um Fälle indirekter Kommunikation. Phänomene wie diese sind häufig zu beobachten - auch und gerade im Alltag (und bestimmt nicht nur beim Lesen). Niemand bisher hat sie mit so viel Erfolg thematisiert wie der Philosoph Paul Grice. Grice widmet sich den obigen Phänomenen in Gestalt seiner Theorie der Konversations Implikaturen. Implikaturen dieser Art ergeben sich aufgrund der Existenz bestimmter Gesprächsregeln -sie setzen einen spezifischen Hintergrund voraus: das Gricesche Koopera tionsprinzip und die von ihm aufgestellten Konversationsmaximen. Wie Grice selbst sagt, hat er die Maximen nur hinsichtlich eines maximal effektiven Informationsaustauschs formuliert - wohl wissend, daß sein System verallgemeinert werden muß, um auch anderen Arten des Sprachgebrauchs gerecht zu werden. Wie eine solche Verallgemeinerung aussehen könnte, das soll hier dargelegt werden. Doch bevor dies geschehen kann, ist - mit einer Diskussion des Konzepts der nicht-natürlichen Bedeutung beginnend - darzustellen, was es mit der Griceschen Sprach theorie auf sich hat, was seine Kritiker geltend gemacht und was seine Anhänger, insonderheit die Neu-Griceaner, herausgefunden haben. 1 Grices Sprachtheorie 1.1 Eine Art Konversationsethik Wenn jemand durch das, was er sagt, in einer offensichtlichen Weise bestimmten Gesprächs regeln zuwiderhandelt, gibt er seinem Adressaten auf indirekte Weise etwas Bestimmtes zu verstehen. Dem Adressaten wird eine spezielle Folgerung nahegelegt. Solch eine - nahege legte - Folgerung kann als durch den Sprachgebrauch, kann als pragmatisch bedingt an gesehen werden; sie wird gewöhnlich als konversationale oder einfach als Konversations Implikatur bezeichnet. Konversations-Implikaturen werden im allgemeinen alsjlagrante, als solche erkennbar gemachte VerstlJße gegen eine Konversationsmaxime angesehen. Beabsichtigte Verstöße dieser Art müssen jedoch nicht immer gegeben sein, damit vom Vorliegen einer Konver sations-Implikatur gesprochen werden kann: Es gibt auch generalisierte Konversations Implikaturen; in bezug auf diese aber ist, das eine in dieser Untersuchung vertretene These, anzunehmen, daß sie, obwohl auf seiten des Sprechers grundsätzlich in Rechnung zu stellen, als solche nicht beabsichtigt sein müssen. Implikaturen, die nicht beabsichtigt sein müssen, sollen hier als Äußerungs-Implikaturen bezeichnet werden. Sie sind von den Sprecher Implikaturen zu unterscheiden; im Hinblick auf diese ist anzuznehmen, daß sie als solche intendiert sind. Implikaturen treten nicht nur gelegentlich in Erscheinung, sie kommen, im Gegenteil, eher häufig vor. Angenommen, Monika hat die ersten drei Kapitel ihrer Dissertation fertig und diese Klaus, einem guten Bekannten, der eine AssistentensteIle an der Uni hat, zu lesen gegeben. Beide sind zum Mittagessen in einem neueren Restaurant verabredet, und Monika ist gespannt auf das, was Klaus ihr erzählen wird. Sie bestellen jeweils einen Salat. Sich an Monika wendend, fragt die Kellnerin: MOchten Sie etwas Salatdressing ? Monika: (a) Aber bitte kein lJIhaltiges. Klaus sagt auf die an ihn gerichtete Frage: Und Sie, jar Sie vielleicht etwas Vinaigrette? mit leichtem Zögern: (b) Ich hatte gern etwas Salatdressing.- Nach einer gewissen Weile erkundigt sich Monika vorsichtig nach dem Stand der Lektüre; sie fragt: Hast du schon einmal in meine Arbeit hineingesehen? Antwort: (c) Ich habe das dritte Kapitel gelesen.- Monika möchte Klaus einladen, doch dieser lehnt galant ab. Als die Kellnerin mit der Rechnung kommt und den zu zahlenden Betrag nennt, sagt Klaus: (d) Ich mOchte mit American Express bezahlen. In all diesen Fällen wird etwas zu verstehen gegeben, was sich von dem, was mit den jeweiligen Äußerungen gesagt wird, unterscheidet. In all diesen Fällen liegen - angesichts dessen, was mit den jeweiligen Äußerungen eigentlich gesagt, d. h. was mit ihnen de facto zu verstehen gegeben wird - Implikaturen vor. Nach Hirschberg (1991, 126ff.) handelt es sich dabei um skalare Implikaturen. Skalare Implikaturen werden als Spezialfälle der 10 1. Grices Sprachtheorie generalisierten Konversations-Implikaturen betrachtet (vgl. Horn 1972, Harnish 1976/1991 und Gazdar 1979). Was durch eine Äußerung wie (a) zu verstehen gegeben wird, ist, daß es weder italienische Salatsauce noch Vinaigrette sein soll. (b) scheint, im obigen Kontext, ebenfalls darauf hinauszulaufen, daß es eher eine rahmhaltige Salatsauce ist, die gewünscht wird. Der Äußerung (c) kann Monika entnehmen, daß Klaus die ersten beiden Kapitel ihrer Arbeit noch nicht gelesen hat. Und die Kellnerin weiß in Anbetracht der Äußerung (d), daß sie kein Bargeld (und vielleicht sogar auch kein Trinkgeld) in Empfang nehmen wird. Daß Äußerungen wie die obigen überhaupt möglich sind, ist alles andere als vorausset zungslos. Wie Hirschberg darlegt, stehen Ausdrücke wie (i) Salatdressing; (ii) rahmhaltig vs. lJlhaltig; (iii) Vinaigrette vs. ltalian vs. . .. in einer hierarchischen Anordnung: Es gibt höhere «iii», niedrigere «i» und alternierende «ii) bzw. (iii» Werte, und man kann davon ausgehen, daß auf solche Hierarchieverhältnisse Bezug genommen wird, wenn Äußerungen der obigen Art gemacht werden. Nach Hirschberg (1991, 65ff.) gehört es zu den die skalaren Implikaturen betreffenden Konventionen, daß die Affirmation eines niedrigeren Wertes die skalare Implikatur lizensiert, daß alle höheren Werte nicht zutreffen; und daß die Verneinung eines höheren Wertes die skalare Implikatur lizensiert, daß alle niedrigeren (oder gleichrangige) Werte gelten sollen. Bezogen auf die Beispiele (a) und (b) heißt das: Als Affirmation des niedrigen Wertes Salatdressing impliziert (b) das Nichtzutreffen insbeson dere solcher vergleichsweise hohen Werte wie ltalian bzw. Vinaigrette; und als Verneinung des höheren Wertes Olhaltig impliziert (a) die Bejahung niedrigerer oder gleichrangiger Werte, hier rahmhaltig. Konversations-Implikaturen sind eine Art nichtlogischer bzw. nichtwahrheitsfunktionaler Folgerungen. Sie sind zudem kontextabhängig -jedenfalls dann, wenn sie panikularisien sind. (Letzteres unterscheidet die konversationalen von den konventionalen Implikaturen, die - kontextunabhängig - mit der Bedeutung bestimmter Wörter wie aber oder infolgedessen verbunden sind.) Vornehmlich diejenigen Bedeutungsaspekte von Äußerungen, die als Konversations-Implikaturen zu bezeichnen sind, stellen eine wahrheitsfunktionale Semantik vor unlösbare Probleme. Eine wahrheitsfunktionale Semantik wird z. B. nicht mit dem Umstand fertig, daß eine Konjunktion wie und asymmetrisch verstanden werden kann. Wenn von jemandes Krankheit, der von Karins Großvater z. B., und im Zusammenhang damit von einer Einlieferung in eine Klinik die Rede ist, dann geschieht das gewöhnlich in Gestalt einer Äußerung wie der folgenden: (1) Karins Großvater ist krank geworden, und er ist in die Klinik eingeliefen worden. Nicht selten aber ist in derartigen Fällen auch das Umgekehrte zu hören, also: (2) Karins Großvater ist in die Klinik eingeliefen worden, und er ist krank geworden. Eine wahrheitsfunktionale Semantik würde (1) und (2) als bedeutungsgleich betrachten. Es dürfte aber offensichtlich sein, daß mit (2) etwas ganz anderes - und weitaus Brisanteres - zu verstehen gegeben wird als mit (1): nämlich, daß Karins Großvater (dem es bis zu seiner Einlieferung zwar nicht besonders gut, aber auch nicht allzu schlecht ging) in der Klinik 1.1 Eine Art KODV~OIIIethik 11 (richtig) krank geworden ist. Die Reihenfolge, in der von zwei ansonsten identischen Sachverhalten gesprochen wird, scheint offenbar signifikant zu sein. Genau dieser Umstand findet im Rahmen der Theorie der Konversations-Implikaturen die Beachtung, die er verdient. Eine Erklärung für das, was mit einer Äußerung wie (2) eigentlich übermittelt wird, braucht nicht auf die Bedeutung (oder den Gebrauch) eines der verwendeten Aus drücke, im vorliegenden Fall auf und Bezug zu nehmen, es kann in einer allgemeinen, auf Gesprächs'regeln' Bezug nehmenden Weise, es kann unter Bezugnahme auf eine der von Grice aufgestellten Konversationsmaximen, d. h. pragmatisch, erklärt werden: Das Impli katum von (2) wird mit der vierten Maxime der Modalität in Verbindung gebracht, die, 'Der Reihe nach' lautend, eine Beachtung der Reihenfolge fordert, in der über Ereignisfolgen zu berichten ist. Konversations-Implikaturen (bzw. die ihnen zugrundeliegenden Verhaltensvorkommen) stellen, zumindest dann, wenn sie partikularisien sind, Beispiele dar für das, was Grice meaning nicht-natarliche Bedeutung, nennt (s. dazu auch 1.3). Was Grice unter diesem NN, Stichwort analysiert, kann im Sinne eines kommunikativen Handeins verstanden werden (vgl. Meggle 1981); letzteres scheint gar nicht stark genug betont werden zu können: Das Grire sche Bedeutungskonzept wird eher mißverstanden, wenn angenommen wird, es bezöge sich direkt auf sprachliche bzw. lexikalische Bedeutung. Zwischen dem (früheren) Konzept der nicht-natürlichen Bedeutung und dem (später entwickelten) Konzept der Konversations Implikaturen bestehen wichtige Verbindungen (vgl. z. B. Neale 1992, 511): Auch die (partikularisierten) Konversations-Implikaturen bzw. die ihnen zugrundeliegenden Verhal tensvorkommen sind als kommunikative Handlungen anzusehen. J;>as Studium der Struktur einer Sprache ist zu unterscheiden von dem Studium ihres Gebrauchs (vgl. z. B. Martinich 1984, 7). Was die Erforschung des Sprachgebrauchs, was die Pragmatik anbelangt, so ist zu konzedieren, daß sie vornehmlich von Grice - und von niemandem so sehr wie von ihm - beeinflußt worden ist. Grice ist "the centraI figure of early work in pragmatics" (Kempson 1988, 140). Wie angesichts der sogenannten Relevanz Theorie (vgl. Sperber/Wilson 1986) zu beobachten, ist Grices Erklärungsmodell zwar nicht unumstritten; in welchem Ausmaß und Umfang es aber zu unverlierbaren Einsichten geführt hat, das zeigt vor allem die Theorie der skalaren Implikaturen (s. dazu vor allem Horn 1984, Horn 1989 sowie Hirschberg 1991). Kommunikation ist, wie Chomsky (1977, 87) bemerkt, "nur eine Funktion von Sprache" . Vom kommunikativen Gebrauch einer Sprache läßt sich beispielsweise deren rein kognitiver oder mentaler Gebrauch unterscheiden. Dascal (1983, 45) spricht hinsichtlich des ersteren von Soziopragmarik, hinsichtlich des letzteren von Psychopragmarik. Es ist die Sozioprag matik, die von Grices Überlegungen entscheidende Impulse erhalten hat. Grice hat sich, was seine diesbezüglichen Ausführungen anbelangt, im wesentlichen um zweierlei bemüht: zum einen um eine Analyse dessen, was es überhaupt heißt, wenn jemand etwas Bestimmtes sagt. Grices Analysevorschläge sind dabei zunächst nicht auf sprachliches Verhalten eingeschränkt, sie sind, im Gegenteil, dadurch gekennzeichnet, daß sie auch

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