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S. Andrea al Quirinale PDF

694 Pages·2017·3.71 MB·German
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S. Andrea al Quirinale Die Entstehung von Gian Lorenzo Berninis römischer Ovalkirche Von der Fakultät für Architektur der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Ingenieurwissenschaften genehmigte Dissertation vorgelegt von Tobias Glitsch Berichter: Universitätsprofessorin Dr.-Ing. Anke Naujokat Universitätsprofessor Dr. phil. Alexander Markschies Tag der mündlichen Prüfung: 06. Juni 2018 I. Text Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar Inhaltsverzeichnis BAND I: TEXT 1.  Einführung 9  1.1.  S. Andrea al Quirinale – ein Forschungsdesiderat? 9  1.2.  Überblick über den Forschungsstand 12  1.3.  Aufbau und methodischer Ansatz der Arbeit 24  1.4.  Erhaltene Schrift- und Bildquellen 32  2.  Das Gebäude und seine Funktion 42  2.1.  Die Lage und der städtebauliche Kontext 42  2.1.1.  Die städtebauliche Grundstruktur des Quirinalshügels und die Wahl des Noviziatsstandorts 42  2.1.2.  Die Profanbauten entlang der Strada Pia 44  2.1.3.  Die Konventsanlagen in der Nachbarschaft des Noviziats 45  2.2.  Das Anwesen der Jesuiten vor Errichtung der neuen Kirche 47  2.2.1.  Die Gebäude und Gärten auf dem ursprünglichen Noviziatsgrundstück 47  2.2.2.  Die Gebäude und Gärten auf dem Grundstück der Vigna Bandini 50  2.2.3.  Die Neustrukturierung des Baukomplexes nach Ankauf der Vigna Bandini 53  2.3.  Die architektonische Gesamtkomposition 55  2.4.  Die Straßenfassade 58  2.4.1.  Die primäre Fassadenebene 58  2.4.2.  Die Portikus 62  2.4.3.  Die seitlichen Kulissenwände und der Vorplatz 66  2.5.  Die Flanken des Außenbaus und der tiburio 68  2.5.1.  Die Grundstruktur der Seitenansicht 68  2.5.2.  Die vorderen Quadranten des Kapellenkranzes 69  2.5.3.  Die hinteren Quadranten des Kapellenkranzes und die angrenzende Bebauung 73  2.5.4.  Der tiburio, die Strebevoluten und die Seitenwände des Fassadenblocks 77  2.6.  Die zentrale Rotunde und der Eingangsbereich 79  2.6.1.  Die Grundform des Hauptraums und die Pilastergliederung der Wandzone 79  2.6.2.  Die Prospekte der Kapellen- und coretto-Segmente 81  2.6.3.  Die Fassung der Presbyteriumsöffnung 86  2.6.4.  Die Wandzone des Eingangsbereichs 90  2.6.5.  Das Register der Architektursprache 94  2.6.6.  Die Grundstruktur, Gliederung und architektonische Dekoration der Kuppel 98  2.6.7.  Das Figurenprogramm der Kuppelzone 103  2.6.8.  Die Okuluslaibung und die Laterne 105 2.6.9.  Das Gewölbe des Eingangsbereichs 107  2.6.10.  Der Bodenbelag 109  2.6.11.  Die Nutzung des Kirchenraums 113  2.7.  Der Altarraum 121  2.7.1.  Der Aufbau der Wandzone 121  2.7.2.  Das Altarensemble 126  2.7.3.  Das Deckengewölbe 131  2.7.4.  Die Laterne 132  2.7.5.  Die Mitwirkung der Novizen am Geschehen im Altarraum 135  2.8.  Die Seitenkapellen und die biapsidialen Nebenräume 143  2.8.1.  Die architektonische Hülle der Seitenkapellen 143  2.8.2.  Die Kapellenaltäre und das ikonographische Programm 149  2.8.3.  Die Nutzung der Seitenkapellen 156  2.8.4.  Die Grundstruktur der biapsidialen Räume 160  2.8.5.  Die Nutzung und Ausstattung der biapsidialen Räume 164  2.8.6.  Die Kruzifixkapelle 167  2.9.  Die angrenzenden Räume des Hauptgeschosses und die vertikale Erschließung 170  2.9.1.  Der Umgang um den Südquadranten 170  2.9.2.  Der epistelseitige Zwickelraum 175  2.9.3.  Die Treppenhäuser an den Enden der Querachse 175  2.9.4.  Der Sakristeiflügel 178  2.9.5.  Die Verbindung zum Konvent und das Erdgeschoss des Bandini-Flügels 183  2.10.  Die Grablege im Untergeschoss 185  2.10.1.  Die Grundstruktur und die Außenwand des Hauptraums 185  2.10.2.  Die zentrale Stützwand und die Gesamtdisposition der Sarkophage 192  2.10.3.  Das Hauptraumgewölbe und der Fußboden 193  2.10.4.  Die Grabkammern 195  2.10.5.  Die offenen Anräume unter der nördlichen und der westlichen Seitenkapelle 198  2.10.6.  Die Revisionskammer unter der Eingangszone 203  2.10.7.  Die Nutzung als Grablege 205  2.11.  Das System der Choremporen 213  2.11.1.  Die Grundstruktur und die Verbindungsgänge an den Enden der großen Ovalachse 213  2.11.2.  Die Andachtskammern über den Seitenkapellen 215  2.11.3.  Die coretti 218  2.11.4.  Die Zwickelräume 224  2.11.5.  Die angrenzenden Konventsräume und die Zugänglichkeit des Emporensystems 227  2.11.6.  Die Nutzung als Andachtsbereiche und Musikeremporen 231  2.12.  Die Dachzone und die Laternen 236  2.12.1.  Der Dachraum über dem südlichen coretto und sein Zugang vom Emporensystem 236  2.12.2.  Die Außenansicht der Altarlaterne und die Dachhaut des Kapellenkranzes 239  2.12.3.  Das Innere des Fassadenblocks und die Erschließung der Kuppel 241  2.12.4.  Das Kuppeldach und das Äußere der Hauptlaterne 246  3.  Der Ablauf von Planung und Realisierung 252  3.1.  Die Vorgeschichte und der Neubaubeschluss 252  3.1.1.  Die Gründung und der allmähliche Ausbau des Noviziats 252  3.1.2.  Die ersten Stiftungsangebote für eine neue Kirche 255 3.1.3.  Der Ankauf der Vigna Bandini 257  3.1.4.  Die Baugenehmigung des Papstes 260  3.1.5.  Die Klärung der Finanzierungsmodalitäten 262  3.2.  Der Beginn der Planung 266  3.2.1.  Die Wahl Berninis als Architekt 266  3.2.2.  Das Fünfeckprojekt aus dem Archivio Doria-Pamphilj 272  3.2.3.  Die ersten Überlegungen zum Queroval in der Zeichnung der Royal Library 277  3.2.4.  Die Vorstufe zum Approbationsentwurf und der Erste Chirograph 280  3.3.  Der Rohbau und die ersten Ausstattungselemente 286  3.3.1.  Die Vorbereitungen für die Bauarbeiten und der Beginn der Ausschachtung 286  3.3.2.  Die Grundsteinlegung und die Errichtung des Untergeschosses 291  Exkurs: Die Konstruktionstechnik der volte sopra terra 292  3.3.3.  Die Ausführung der oberirdischen Rohbaupartien 305  3.3.4.  Die Überarbeitung des Entwurfs und die Errichtung der Hauptlaterne 313  3.3.5.  Der Zweite Chirograph und die Skizzen zur Laternenkuppel 317  3.3.6.  Die Konzeption und Finanzierung der Hauptraumdekoration 324  3.3.7.  Die Verkleidung der Rotundenwand 328  3.3.8.  Der Einbau der Treppen und der Innenausbau der coretti 335  3.3.9.  Die Stuckausstattung von Hauptlaterne und Kuppelzone 336  3.4.  Die Fertigstellung der Haupträume, die Fassade und der Sakristeiflügel 345  3.4.1.  Das Legat Camillo Pamphiljs und die Wiederaufnahme des Baus unter dessen Erben 345  3.4.2.  Die Altarlaterne und die Ausstattung des Altarraums 349  3.4.3.  Die Realisierung des Sakristeiflügels und die erste Idee einer „buona piazza“ 358  3.4.4.  Die Travertinfassade, der Fußboden und die Fertigstellung der Hauptraumdekoration 364  3.4.5.  Die Inbesitznahme der Kirche durch die Jesuiten 376  3.5.  Die Vollendung der Kirche und die Einbindung in den Stadtraum 382  3.5.1.  Die Dekoration der Seitenkapellen 382  3.5.2.  Die Freistellung der Fassade und die Schaffung des Vorplatzes 394  3.5.3.  Die Weihe, die Fertigstellung der Originalausstattung und die ersten Veränderungen 400  4.  Die Herkunft zentraler Entwurfselemente 406  4.1.  Das Queroval und die Anordnung der Kapellen 406  4.1.1.  Die Einführung des Ovals in den architektonischen Formenkanon 406  4.1.2.  Die Querovale der 1630er- und 1640er-Jahre 411  4.1.3.  Die Ovalprojekte Carlo Rainaldis 416  4.1.4.  Das dynamische Gleichgewicht der Elemente als Kompositionsprinzip 421  4.2.  Das Deckengewölbe und seine Stuckierung 422  4.2.1.  Die Einwölbung früherer Ovalbauten 422  4.2.2.  Die echten und vermeintlichen Schirmgewölbe der Antike 423  4.2.3.  Die Gewölbe a creste e vele der Renaissance und des Barock 426  4.2.4.  Die kassettierten Rippenkuppeln 430  4.2.5.  Die Kombination von Dekorations- und Wölbschema durch Bernini 437  4.3.  Die Skulpturenausstattung des Hauptraums 439  4.3.1.  Die ephemeren Apparate und die Idee des Gesamtkunstwerks 439  4.3.2.  Die Einzelskulpturen in Sakralbauten des römischen Seicento 442  4.3.3.  Die ignudi, Engel und Famafiguren in Festdekorationen und Sakralräumen 445 4.4.  Der Altarraum 450  4.4.1.  Die Altäre in Apsiden und Familienkapellen des 17. Jahrhunderts 450  4.4.2.  Die verdeckte Beleuchtung bei Kapellen und Bühnenarchitekturen 459  4.4.3.  Die Engelsglorien und die Quarant’ore-Apparate 465  4.4.4.  Der Altarraum von S. Andrea al Quirinale als begehbares Retabel 472  4.5.  Die coretti und ihre Einbindung in Kirche und Konvent 474  4.5.1.  Die Sänger- und Musikeremporen in römischen Kirchen 474  4.5.2.  Die Privatoratorien adliger Würdenträger 482  4.5.3.  Die verborgenen Andachtsräume in Klosterkirchen 488  4.5.4.  Die coretti in der Architektur der Jesuiten 494  4.5.5.  Die Rezeption und Verknüpfung der Emporentypologien im römischen Hochbarock 506  4.6.  Die Grablege 508  4.6.1.  Die Kirche als Ort für Begräbnisse 508  4.6.2.  Die Krypten und Unterkirchen des römischen Seicento 516  4.6.3.  Die Katakomben und ihre neuzeitlichen Kopien 521  4.6.4.  Das Untergeschoss von S. Andrea al Quirinale als fingierte Katakombe 531  5.  Die Geometrie 536  5.1.  Die geometrische Durcharbeitung des Entwurfs als Vorstufe zur Ausführung 536  5.2.  Die Oval- und Ellipsengeometrien in der Architektur des 17. Jahrhunderts 537  5.2.1.  Die mathematischen Grundlagen von Oval und Ellipse 537  5.2.2.  Die Behandlung von Oval und Ellipse in den Traktaten 539  5.2.3.  Die Abgrenzung zwischen Oval und Ellipse und die Frage nach der idealen Form 544  5.2.4.  Die Eignung von Oval und Ellipse für den Bauprozess 547  5.2.5.  Die Anwendung von Oval und Ellipse in konkreten Gebäuden 549  5.3.  Die Entwicklung von Grundrissfigur und Höhengliederung in den Plänen zu S. Andrea al Quirinale 553  5.3.1.  Die Zeichnungen als Quelle für den Ablauf der geometrischen Durcharbeitung 553  5.3.2.  Die Ovalskizze aus der Royal Library 553  5.3.3.  Die Vorstufe des Approbationsprojekts 555  5.3.4.  Der Erste Chirograph 561  5.3.5.  Der Zweite Chirograph 565  5.3.6.  Der „Fußbodenplan“ 570  5.4.  Die Geometrie des realisierten Gebäudes 576  5.4.1.  Die Grundrissgeometrie des Untergeschosses 576  5.4.2.  Die Ovalgeometrie des Hauptgeschosses 579  5.4.3.  Die Abmessungen im Kapellenkranz 585  5.4.4.  Die Höhenentwicklung in Innenraum und Außenbau 588  5.4.5.  Die Geometrie des Fußbodenbelags und der Frontfassade 592  5.5.  Die Gebäudegeometrie zwischen Oval und Ellipse, Modul und palmo 596  6.  Die Deutungsmöglichkeiten 601  6.1.  Die Verknüpfung unterschiedlicher Bedeutungsschichten als Entwurfsprinzip 601  6.2.  Das Gebäude als Rahmen für die Verbildlichung des Andreasmartyriums 602  6.3.  Die Kirche als Friedens- und Tugendtempel der Pamphilj 605 6.4.  Der Hauptraum als Abbild einer überzeitlichen, kosmischen Ordnung 609  6.5.  Der Altarraum als Bühne für das theatrum sacrum des Messgeschehens 611  6.6.  Die Grablege als Symbol der Ordensidentität 613  Anhang 615  A.  Maß- und Gewichtseinheiten im Rom der frühen Neuzeit 615  B.  Erläuterung der relevanten geometrischen Verfahren und Rechenmethoden 617  C.  Anmerkungen zum Aufmaß 633  Typographische Notiz 645  Abkürzungen 646  Quellenangaben 649  A.  Originalzeichnungen 649  B.  Archivquellen 649  C.  historische Drucke 651  D.  Sekundärliteratur 658  E.  Lexika und Handbücher 691  BAND II: ABBILDUNGEN UND PLÄNE Vorbemerkung 7 Abbildungsteil 9 Tafelteil 557 Abkürzungen 585 Abbildungsverzeichnis 587 1. Einführung 1.1. S. Andrea al Quirinale – ein Forschungsdesiderat? ‚Figlio, di questa sola Opera di Architettura io sento qualche particolar compiacenza nel fondo del mio cuore, e spesso per sollievo delle mie fatiche io quì mi porto a consolarmi col mio lavoro.‘ soll Gian Lorenzo Bernini geantwortet haben, als ihn sein Sohn und späterer Biograph Domenico eines Tages in der Kirche Sant’Andrea al Quirinale antraf und ihn dabei beobachtete, wie er zufrie- den den Blick durch den Kirchenraum schweifen ließ.1 Bereits diese Episode, von der Domenico Bernini in der Lebensbeschreibung seines Vaters berich- tet, unterstreicht, welch besondere Stellung S. Andrea selbst für seinen Schöpfer innerhalb des eige- nen Werks einnahm. Und in der Tat gilt der Bau, den Bernini ab 1658 für das römische Jesuiten- noviziat errichtete und der in den Folgejahren dank großzügiger Stiftungen Camillo Pamphiljs und seiner Erben eine umfangreiche Stuck-, Gemälde- und Marmorausstattung erhielt, bis heute als ein, wenn nicht sogar als der Gipfelpunkt von Berninis architektonischem Schaffen. Zugleich bildet das Gebäude aber auch unabhängig von seiner Bedeutung für Berninis Œuvre ein zentrales Werk des römischen Hochbarock. So bündelt S. Andrea al Quirinale mit seiner durch die halbrunde Portikus und die seitlichen Kulissenwände in den Stadtraum hineinwirkenden Fassade, mit seinem durch die Grundrissdisposition, die Form des Kuppelgewölbes und die Skulpturen dy- namisierten Innenraum und mit seinem Ansatz, Architektur, Skulptur und Malerei, Raumein- druck, Farbe, Licht und figürliche Elemente zur Inszenierung eines sakralen Schauspiels zu verbin- den, nicht nur eine ganze Reihe von die Architekturproduktion im Rom des 17. Jahrhunderts prä- genden Tendenzen und eignet sich daher nicht nur für sich genommen in geradezu idealer Weise dazu, die Merkmale der römischen Barockarchitektur aufzuarbeiten. Wie bei einer genaueren Ana- lyse deutlich wird, führt Bernini bei seiner Kirche vielmehr auch eine ganze Reihe gestalterischer und kompositorischer Motive zusammen, die sich, von S. Andrea ausgehend, oft bis in die Zeit unmittelbar nach Ende des Konzils von Trient zurückverfolgen lassen und anhand derer es somit möglich wird, die allmähliche Herausbildung barocker Gestaltungsideen nachzuzeichnen. Und schließlich wurde das Gebäude bereits im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert als vorbildhaft erkannt und von nachfolgenden Architekten, darunter etwa Nicodemus Tessin d. J., Filippo Juvar- ra oder Johann Conrad Schlaun, intensiv studiert oder sogar, wie etwa durch die Aufgabenstellung des Concorso Clementino des Jahres 1706, mehr oder weniger offiziell in den Ausbildungskanon aufgenommen.2 Ähnlich wie Bernini an S. Andrea die Einflüsse der vorangegangenen Jahrzehnte rezipiert, bildet der Bau daher seinerseits auch wieder eine wichtige Referenz und Inspirationsquelle für nachfolgende Architektengenerationen und deren eigene Entwurfstätigkeit. Lücken der Forschung Angesichts einer derart prominenten Stellung innerhalb der abendländischen Architekturgeschichte wäre eigentlich zu erwarten, dass nach inzwischen beinahe einhundertzwanzig Jahren Bernini- Forschung keine wesentlichen Forschungsdesiderate mehr bestehen. Trotz einer beeindruckenden Bibliographie zeigt sich allerdings, dass zu S. Andrea al Quirinale nicht nur bis heute eine ernstzu- 1 BERNINI 1713, S. 108 f. 2 MARCONI et al. 1974, I, S. 8 und Abb. 170 ff.; MILLON 1984, S. 200 f. und 243 f.; KIEVEN 1995, passim, insbes. S. 140, 144 und 156; OLIN - HENDRIKSON 2004, Kat.-Nr. 4, 28 ff. und 253 f. 9 nehmende Monographie fehlt und dass in der dementsprechend im Wesentlichen auf einzelne Ar- tikel oder Buchkapitel beschränkten Literatur zahlreiche zentrale Aspekte, darunter die komposito- rischen Details, die Funktion, die späteren Veränderungen, die Inspirationsquellen der gestalteri- schen Grundideen, die geometrische Durcharbeitung des Entwurfs und die genaue Maßfigur des realisierten Gebäudes, bisher nicht mit der gebotenen Systematik und Genauigkeit aufgearbeitet werden oder sogar gänzlich unbehandelt bleiben. Und auch von der physischen Substanz des Baus waren zu Beginn der im Rahmen dieser Arbeit vorgestellten Forschungen nur die für Besucher frei zugänglichen Bereiche, also die Straßenfassade, der eigentliche Kircheninnenraum sowie – mit ge- wissen Abstrichen – die Sakristei und das im späten 19. Jahrhundert an den heutigen Ort translo- zierte Sterbezimmer des Hl. Stanislaus Kostka bekannt. Ziel der Arbeit Ausgehend von der Frage nach dem Entstehungsprozess des Gebäudes möchte die vorliegende Stu- die daher zum einen die Voraussetzungen und Abläufe nachzeichnen, vor deren Hintergrund S. Andrea al Quirinale seine finale, architekturgeschichtlich so bedeutende Gestalt erhielt. Zum ande- ren verfolgt sie dabei das Ziel, die bauliche Struktur der Kirche erstmals in ihrer Gesamtheit in den Blick nehmen. Die Arbeit beginnt daher mit einer ausführlichen Vorstellung des Gebäudes, die zu- gleich erste kompositorische Zusammenhänge beleuchtet, die ursprüngliche Konzeption von späte- ren Zutaten scheidet sowie die Nutzung der einzelnen Raumeinheiten herausarbeitet. In einem zweiten Hauptkapitel mündet diese Betrachtung des eigentlichen Bauwerks in eine Darstellung der Baugeschichte, die in prinzipiell chronologischer Abfolge die einzelnen Planungs-, Genehmigungs- und Realisierungsetappen nachzeichnet. Auf der Grundlage jenes auf eine gewisse Vollständigkeit hin angelegten Überblicks über das Ge- bäude und seine Entstehungsgeschichte werden dann zwei zentrale gedankliche Schritte innerhalb des Entwurfsprozesses nochmals besonders herausgegriffen und genauer untersucht. So verfolgt der dritte Hauptabschnitt der Arbeit das Ziel, einige der für S. Andrea besonders prägenden gestalteri- schen Motive in der Architekturtradition des späten 16. und 17. Jahrhunderts zu verorten und auf- zuzeigen, wie Bernini die in früheren Bauten enthaltenen Ansätze aufgreift, umformt und durch ge- schickte Kombination in ihrer Wirkung steigert. Der vierte Abschnitt widmet sich dann der geo- metrischen Durcharbeitung des Entwurfs und betrachtet damit den gerade angesichts des arbeits- teiligen Charakters der Baustelle im Entstehungsprozess eines Gebäudes fundamentalen Übergang von einer ersten gedanklichen Vorstellung des Architekten – Domenico Bernini spricht im Kontext der erwähnten Episode von einem „[...] bello, che conosceva, e concepiva nella mente [...]“ – in ein mithilfe mathematischer Konstruktionen in unterschiedlichen Maßstäben reproduzierbares Grund- und Aufrissschema. Und schließlich kehrt die Studie in einer Art ausführlicherem Schlusswort nochmals zum fertigen Gebäude zurück und fragt, auch vor dem Hintergrund der in den anderen Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse, nach den inhaltlichen Intentionen des Baus, die dessen Gestal- tung am Ende ebenso sehr prägten wie die konkreten Nutzungsanforderungen, das im Baubestand wurzelnde gestalterische Repertoire, das der Maßfigur zugrunde liegende geometrische Wissen und die praktischen Zwänge des Bauablaufs. Danksagung Wie jede wissenschaftliche Arbeit konnte auch die vorliegende Untersuchung nur entstehen dank der Unterstützung und Hilfsbereitschaft einer Vielzahl von Personen und Institutionen, denen ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen möchte. Zunächst einmal danke ich meinen Doktoreltern, Prof. Dr.-Ing. Jan Pieper, der die erste Phase meiner Arbeit kenntnisreich begleitet und mir so einen ersten Einstieg in die bauhistorische For- 10

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aufgenommen.2 Ähnlich wie Bernini an S. Andrea die Einflüsse der fang und Mitte 1668 stammenden, ebenfalls eigenhändigen Studienblätter
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