Rontgenpathologie der Lungentuberkulose Von E. Zdansky Unter Mitarbeit von E. Endrei Mit 85 Abbildungen (199 Einzeldarstellungen) 1968 Springer-Verlag Wien . New York Dr. Erich Zdansky em. o. Professor fUr medizinische Radiologie an ·der Universitat Basel Dr. E. Endrei Oberarzt am Institut fUr Rontgendiagnostik und Strahlentherapie der Universitat Basel ISBN-13:978-3-7091-5103-7 e-ISBN-13 :978-3-7091-51 02-0 DOl: 10.1007/978-3-7091-5102-0 AUe Rechte vorbehalten Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Springer-Verlages iibersetzt oder in irgendeiner Form v.ervieWiltigt werden © 1968 by Springer-Verlag/Wien Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1968 Library of Congress Catalog Card Number 68-19903 Titel-Nr. 9232 Vorworl Der Riickgang der Lungentuberkulose hat dazu gefiihrt, daB diese Krank heit aus dem Blickfeld der Laien riickte und selbst in Krztekreisen an Inter esse eingebiiBt hat. niese Einstellung ist nach dem iibereinstimmenden Urteil aller Kenner des Tuberkuloseproblems .bedenklich. Denn wenn auch die Krankheit den Charaktereiner Volksseuche verloren hat, so ist sie doch selbst unter hygienisch und okonomisch giinstigen Bedingungen latent endemisch geblieben. Sie ist heute - wenn man von tempodiren Seuchenziigen ab sieht - noch immer die Infektionskrankheit mit der hochsten Mortalitat und unter ungiinstigen Lebensbedingungen eine der haufigsten Todesursachen iiber haupt. ner Kampf gegen die Tuberkulose erfordert daher immer noch die volle Aufmerksamkeit. Vnter den MaBnahmen, die an der Eindammung der Lungentuberkulose beteiligt sind, kommt der Rontgendiagnostik als Reihen untersuchung groBer Kollektive, als subtiler Untersuchung des Einz.elfalles und als Kontrolle der Therapieerfolge groBe Bedeutung zu. Das rontgenolo gische Interesse an dem immer faszinierenden und oft ganz unber,echenbaren Verlauf der Lungentuberkulose muB daher lebendig erhalten bleiben. Es ist das Anliegen dieses Buches, clem Leser in gedrangter Form die wertlvollen Moglichkeiten, aber auch die Grenzen der rontgenologischen Erfassung der Anatomie und Pathogenese der tuberkulosen Lungenprozesse und ihrer verschiedenen Phasen und Verlaufsformen vorzufiihren. Die Dar legungen beziehen sich auf die Verhaltnisse einer sozialhygienisch und -okono misch hochentwickelten Population, in welcher Spaterstinfektionen und Exa zerbationen latenter Prozesse, die oft erst in vorgeriickten Lebensjahren erfol gen, besondere Bedeutung fiir das endemische Fortbestehen der Lungentuber kulose zukommt. Die Darlegungen stehen Ferner im Zeichen der modernen Chemotherapie und chirurgischen Behandlung der Krankheit und illustrieren die erstaunlichen Erfolge, aber auch die Grenzen dieser MaBnahmen. . Die Differentialdiagnostik gegeniiber anderen Lungenkrankheiten konnte in dem gegebenen Rahmen nur insoweit heriicksichtigt werden, als bei den ver schiedenen Erscheinungsformen der Lungentuberkulose auf die differential diagnostisch in erster Linie in Betracht kommenden Prozesse hingewiesen wurde. IV Vorwort Die Rontgenbefunde des Abbildungsteils stammen hauptsachlich aus dem Krankengut des Instituts fiir Rontgendiagnostik und Strahlentherapie der Uni versitat Basel, dessen Leitung ich bis 1965 innehatte. Meinem Nachfolger im Amte, Herrn Professor H. Hartweg, mochte ich meinen besten Dank dafiir aussprechen, daB er mir das Archiv und die Einrichtungen des Instituts zur Verfiigung gestellt hat. Viele Befunde verdanke ich Herrn Dr. E. Endrei, dem ehemaligen leitenden Arzt der friiheren Heilstatte Grimmialp; er hat mich bei der Abfassung des Buches wertvoll unterstiitzt. Eine Anzahl von Abbildungen wurde aus meiner Monographie "Die Entwicklung der Lungentuberkulose im Rontgenbild" iibernommen. Herr Professor F. Gloor, Prosektor am patho logisch-anatomischen Institut der Universitat Basel, hat in dankenswerter Weise das Manuskript yom Standpunkt des Pathologen durchgesehen. Frau Szekely gebiihrt mein Dank, daB sie keine Miihe gescheut hat, bei der Her stellung der Kopien das Optimum aus den Rontgenfilmen herauszuholen. Zu besonderem Danke bin ich schlieBlich dem Springer-Verlag, Wien, fiir die sorgfaltige Drucklegung und Ausstattung des Buches verpflichtet. Bas e 1, im Mai 1968 E.Zdansky Inhaltsverzeichnis Seite A. Allgemeiner Tell A. I. Die Stadieneinteilung der Lungentuberkulose im Lichte der Rontgenbefunde A. II. Moglichkeiten und Grenzcn der rontgenologischen Qualitatsdiagnostik der tuberkulosen Lungenherde ....... 3 A. II. 1. Der iiberwiegend exsudative Lungenherd . . . . . 5 A. II. 2. Der iiberwiegend produkcive Lungenherd (Tuberkel) . 8 A. II. 3. Die kasige Nekrose der Lungen- und Lymphknotenhel"de und deren Folgen . . . . . . . . . 9 A. II. 3. 1. Die Kaverne 10 A. II. 3. 2. Die Lymphknotenperforationen 16 A. II. 3.3. Die bronchogenen Streuherde 16 A. II. 3.4. Der tuberkulose Rundherd (Tuberkulom) 18 A. II. 3. 5. Der groBe Konglomerattuberkel 22 A. II. 3. 6. Verkalkungen und Verknocherungen. . 22 A. II. 4. Die narbig-fibrosen Residuen der tuberkulosen Lungenherde 23 A. II. 5. Die perifokale Reaktion . . . . . 25 A. III. Lobar.e und segmentare Prozesse der Lungentuberkulose . 27 B. Spezieller Teil B.I. Der pulmonale Primarkomplex 28 B. II. Die Progression des pulmonalen Primarkomple~es. . . 34 B. II. 1. Die Progression des pulmonalen Primarherdes 34 B. II. 2. Die lymphohamatogenen Friihstreuungen nach Durchbrechung der regionaren Lymphknotenschranke . . . . . . . . . . 35 B. II. 3. Die lymphadenobronchogenen Friihstreuung.en durch Einbruch tuberkuloser Lymphknoten in Bronchien. . . . . . . . 37 B. II. 4. Der Einbruch verkast·er Lymphknoten In das parahilare und para- mediastinale Lungenparenchym . 39 B. III. Die Exazerbation des Primarkomplexes . 40 B. III. 1. Die Exazerbation des pulmonalen Primarhcl'des 40 B. III. 2. Die Exazerbation der Lymphknotenherde und die Lymphknoten- durchbriiche . . . . . . . . . . . . . 41 B. IV. Der sogenannte hamatogene Formenkreis der Lungentuberkulose. . 47 B. IV. 1. Die dis&eminierte Miliartuberkulose ..... 48 B. IV. 2. Die chronische bilateral-symmetrische Oberlappentuberkulose 51 B. IV. 3. Die chronische bilateral-symmetrische diffuse tuberkulose Lungen- fibros.e (Tuberculosis fibrosa diffusa). . . . 53 B. IV. 4. Die retikulare Form der Lungentuberkulose . 55 B. IV. 5. Die grobknotigen hamatogenen Spatstreuungen 56 VI Inhal tsverzeichnis Seite B. V. Die Bronchien bei Lungentuberkulose 57 B. VI. Die Lungenphthise 59 B. VI. 1. Die sogenannten Friihinfiltrate 60 B. VI. 2. Die sogenannten Spatinfiltrate 63 B. VI. 3. Die akute kasige Pneumonie . 66 B. VII. Die Spat- und Endphasen der chronischen Lungentuberkulose 67 Abbildungen . 71 L i t,e rat u r v e r z e i c h n i s 244 Sachverzeichnis 248 1 A. Allgemeiner Teil A. I. Die Stadieneinteilung der Lungentuberkulose im Lichte der Rontgenbefunde Es gibt kaum eine Infektionskrankheit, bei der man sich in annahernd gleichem MaBe und mit geringerem Erfolg urn eine Einteilung in Stadien bemiiht hatte, wie die Lungentuberkulose. Die jahrzehntelange Diskussion ging insbesondere urn die Rankesche Stadienlehre, die nach anfanglicher Zustimmung alsbald Kritik, Einschrankungen, Modifikationen und Ableh nung von pathologischer, rontgenologischer und klinischer Seite erfahren hat. Wenn man gleichwohl heute noch in Handbuchartikeln und Einzelpublika tionen den Termini dieser Stadienlehre in verschiedenen Abwandlungen begegnet, entspringt das der Neigung, an eingewurzelten Begriffen festzu halten, auch wenn sie den tatsachlichen Verhaltnissen nicht gerecht werden. Die Rankesche Lehre beruht auf der Vorstellung, daB die Tuberkulose in immunisatorisch bedingten, zeitlich aufeinanderfolgenden Stadien verlaufe. Doch wenn auch zweifellos zellular gebundene Antikorper und allergische Reaktionen an der Qualitat der Lungenherde und am Verlauf des Lungen prozesses beteiligt sind, so ist doch der Nachweis nicht zu erbringen, daB die Krankheit jenseits des Primarinfekts einen Verlauf von der Art nahme, daB sich daraus klinisch, anatomisch oder rontgenologisch charakterisierte Stadien ableiten lieBen. Schon rontgenologische Verlaufsuntersuchungen zeigen, daB ein Lungen herd nach seiner Regression und anscheinenden Stabilisierung eine Reaktivie rung erfahren kann, wahrend gleichzeitig andere Herde gleicher Genese und gleicher Qualitat in Ruhe verharren oder neue Herde derselben Genese eine fortschreitende Lungentuberkulose einleiten, aber auch wieder in eine Phase der Latenz oder in Heilung iibergehen konnen. Die Verschiedenheit der Weiterentwicklung gleichzeitig vorhandener Lungenherde laBt darauf schlieBen, daB zum mindesten nicht nur die durch spezifische humorale und zellulare Antikorper bedingte Infektabwehr iiber das Schicksal des einzelnen Lungenherdes entscheidet, sondern daB auch Fak toren im Spiele sind, die von Herd zu Herd verschieden sein konnen. In dieser Situation bleibt als einziges pathogenetisch, immunologisch und anatomisch wohldefiniertes Stadium der Lungentuberkulose der Primarinfekt, 1 Zdansky, Rontgenpathologie 2 Die Stadieneinteilung der Lungentuberkulos·e der sich nach Haftung des Tuberkelbakteriums in der Lunge eines bislang tuberkulosefreien Organismus entwickelt oder der - was weitaus seltener ist - nach volliger Abheilung eines Erstinfekts durch eine neuerliche exogene Infektion (Reinfekt) ausgelOst wird. Der Primarinfekt hat eine Allergisierung gegen Tuberkulin und Knderun gen der Zell- und Gewebsreaktionen auf das Tuberkelbakterium zur Folge, die beim Menschen in der groBen Mehrzahl ,der Falle mit der lokalen Begren zung und klinischen Latenz des Infekts oder mit dessen Heilung abschlieBen. Er allein ist daher als echtes Stadium zu bezeichnen, wenn auch das Ziel der Heilung nicht immer erreicht wird und wenn sich auch aus ihm - ohne oder mit Latenz - eine akute oder chronische Lungentuberkulose mit oder ohne Streuung in Organe des Korperkreislaufs entwickeln kann. Welche uniiberwindlichen Schwierigkeiten einer Stadieneinteilung der Lungentuberkulose entgegenstehen, kann man schon aus der rontgeno logischen Mannigfaltigkeit der Folgen des Primarkomplexes entnehmen. So kann der Primarherd des rezenten, progressiven oder exazerbierenden Pri markomplexes nach Verkasung und Sequestrierung der erweichten kasigen Nekrose durch bronchogene Propagation unmittelbar, also ohne Zwischen schaltung eines "Sekundarstadiums", in eine Primarherdphthise iiberfiihren, die nach der Stadienlehre dem "Tertiarstadium" zuzuzahlen ware. Oder es kann sich eine kavernose Phthise durch Einbruch progressiv oder exazerbie rend kasig erweichter bronchopulmonaler Lymphknotenherde in den Bron chialbaumentwickeln (Kap. B. II. 3.). Auf verschiedenen Wegen kann sich also aus dem Primarkomplex ohne Durchlaufeneines s~genannten "Sekundarstadiums" eine "tertiare" kaver nose Phthise entwickeln. Andererseits kann es nach Regression einer Primar herdkaverne oder eines Lymphknoteneinbruchs zu einer lympho-hamatogenen Propagation (Kap. B. II. 2.) kommen, die dem Rankeschen Sekundarstadium zugezahlt werden miiBte. Weitaus am haufigsten erfolgt allerdings die Weiterverbreitung des Infekts aus dem pulmonalen Primarkomplex ohne oder mit Latenz zunachst auf lymphohamatogenem Wege hauptsachlich in die Lungen, seltener in Organe des Korperkreislaufs. Doch auch diese hamatogenen Streuungen sind nicht der Ausdruck eines immunisatorisch charakterisierten Sekundarsta diums, denn die in die Lungen gleichzeitig gestreuten Herde zeigen sehr ver schiedenes Schicksal. Wahrend ein Herd durch fortschreitende Verkasung und Erweichung kavernos zerfallen und zum Ausgangspunkt einer progredienten kavernosen Phthise werden kann, bleiben andere Herde stationar oder kon nen sich produktiv umwandeln und narbig konsolidieren. Auch das spricht dagegen, daB der Verlauf einer Lungentuberkulose restlos immunologisch determiniert ist. Es ist nicht daran zu zweifeln, daB er auch durch die beson dere anatomische Beschaffenheit der einzelnen Her,de, ihren Gchalt an ver- Moglichkeinen und Grenzen der rontgenologischen Qualitatsdiagnostik 3 mehrungsHihigen Tuberkelbakterien und ihre Lokalisation in der Lunge maB gelblich beeinfluBt wird. Auch das verschieden haufige Vorkommen extrapulmonaler Herde stutzt die immunisatorische Unterscheidung eines Sekundar- und Tertiarstadiums der Tuberkulose nicht. Denn daB bei Lungentuberkulosen des sogenannten hamatogenen Formenkreises (Kap. B. IV.) Streuungen in Organe des Korper kreislaufs haufiger sind als bei der kavernosen Phthise, ist begreiflich, da bei ersterer eine in die Blutbahn durch langere Zeit oder rezidivierend streuende Quelle vorhanden zu sein pflegt, wahrend bei letzterer diese langst versiegt sein oder nur noch gelegentlich flieBen kann. An die Stelle der hama togenen tritt dann die kanalikulare Metastasierung in ,die Lunge, in die oberen Luftwege und in den Darmtrakt in den Vordergrund, obzwar auch dann noch hamatogene Streuungen in die Lunge und in Organe des Korperkreis laufs nicht zu den Seltenheiten gehoren (s. S. 50). Der wechselhafte Verlauf der chronischen Lungentuberkulose verbietet also die Einteilung in Krankheitsstadien, aenn diese muBten durch charak teristische, nur ihnen zugehorige Merkmale gekennzeichnet sein und in gesetz maBig gerichtetem Verlauf aufeinander folgen. Birkhiiuser betont auf Grund klinischer Erfahrung, daB die Bedingungen, die fur den Verlauf der Tuber kulose verantwortlich sind und ihren oft schubweisen Verlauf bestimmen, noch unbekannt sind. Sie sind zweifellos verschiedener Natur. Jedenfalls hat man ,den Eindruck, daB fur den Verlauf eines tuberkulosen Lungenprozesses nicht die gesetzmaBige Folge immunisatorischer Stadien, sondern eine kon stitutionell determinierte Resistenz und verschiedene konditionelle Fakto 1 ren von Bedeutung sind, die teils tuberkulosehemmend, teils -fordernd sein konnen. Die Entwicklung der Tuberkulose birgt noch viele ungeloste Ratsel. A. II. Moglichkeiten und Grenzen der rontgenologischen Qualitatsdiagnostik der tuberkulOsen Lungenherde Der tuberkulose Lungenherd kann bei Haften der Erreger im Alveolar system als exsudative Anschoppung mit Epitheldesquamation und Zell immigration in die Alveolen erfolgen. Dies trifft vor all em fur den Primar herd und fur Streuherde zu. Der spezifische pneumonische Herd kann spon tan und besonders unter Chemotherapie resorbiert werden, weshalb man ront genologisch oft den Schwund selbst groBer Anschoppungen beobachten kann. Das tuberkulose Exsudat hat allerdings die Tendenz zur kasigen Nekrose, die rasch auf das Lungengerust ubergreifen kann, sowie zur Entwicklung des spezifischen epitheloidzelligen Granulationsgewebes, wodurch azino- 1 Wir verstehen unter Kondition die Summe der durch innere oder auBere unspezifische Einfliisse bestimmten oder modifizierten Eigenschaften, also auch Knderungen aer Infekt abwehr. 1* 4 Moglichkeiten und Grenzen der rontgenologischen Qua1iditsdiagnostik nodose, zentral mehr oder weniger ausgedehnt verkaste Herde und groBere Konglomerattuberkel zustandekommen. Bei Ausbreitung der Erreger in den interstitiellen Gewebsspalten kann die Exsudation in den Hintergrund treten und die zellige Reaktion mit Bil dung interstitieller produktiver Tuberkel stark iiberwiegen. Die vollstandige Riickbildung produktiver und partiell verkaster Lungenherde ist ohne ana tomische Residuen nicht moglich. Doch sind die zuriickbleibenden fibrosen N arben oft so klein, daB sie dem ,direkten rontgenologischen Nachweis nicht zuganglich sind. Oft bleibt nur durch Narbenbildung und Ventilations storungen eine abnorme HeIligkeit und Strukturarmut des betroffenen Lun genabschnitts zuriick, die auf ein Narbenemphysem zu beziehen sind. Der Anteil an Exsudation, kasiger Nekrose, spezifischem Granulations gewebe und fibrosem Narbengewebe kann also in den tuberkulosen Herden sehr verschieden sein und ist fiir deren Qualitat bestimmend. Mancher tuber kulos-pneumonische und kasig-nekrotisierende Herd erreicht die Phase des produktiven Tuberkels nie, sondern kann ohne oder mit Hinterlassung einer Fibrose resorbiert werden, oder nach Erweichung der kasigen Nekrose kaver nos zerfallen oder sich auch bindegewebig abkapseln. Oft kann die kasige Nekrose nur gering sein oder ganzlich fehlen und die Entwicklung des spe zifischen Granulationsgewebes ganz im Vordergrund stehen. Da es sich also urn Phasen handelt, die der Herd durchlaufen kann, jedoch nicht durchlaufen muB oder zur Zeit der Untersuchung noch nicht erreicht hat, und da diese Phasen sehr verschieden entwickelt sein konnen, kann man grobmorphologisch jeweils nur von uberwiegend exsudativen, uber wiegend produktiven, uberwiegend narbig-fibrosen und fibros abgekapselten Herden sprechen. Die iiherwiegende Qualitat eines tuberkulosen Lungenherdes wird durch seine Lokalisation, durch die angeborene und konditionelle Infektabwehr, durch die Masse und Virulenz der im Herd vorhandenen Erreger und seine GroBe bestimmt. Die Herdqualitat ist also fiir die wahrscheinliche Entwick lung der Krankheit bedeutungsvoll, und es muB das besondere Anliegen der Rontgendiagnostik sein, nicht nur das Vorhandensein und die Ausdehnung tuberkuloser Lungenherde, sondern womoglich auch deren iiberwiegende Qualitat zu ermitteln. Die Kriterien, die fUr die rontgenologische Qualitatsdiagnostik maB gebend sind, ihre Beweiskraft und ihre Problematik sollen im folgenden behandelt werden. Eine unerlaBliche Voraussetzung fiir die rontgenologische Qualitats diagnostik der Lungentuberkulose ist es, daB es sich im gegebenen FaIle tat sachlich urn einen tuberkulosen und nicht urn einen andersartigen ProzeB handelt. Die tuberkulose Natur ist namlich dem einzelnen Herd nicht anzu sehen; sie ist nur dann mit groBer, oft mit an Sicherheit grenzender Wahr scheinlichkeit anzunehmen, wenn der rontgenologische Gesamtbefund der