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Romane für die Unterschicht: Groschenhefte und ihre Leser PDF

123 Pages·1981·12.171 MB·German
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Texte Metzler 27 1682 Peter N usser Romane für die Unterschicht Groschenhefte und ihre Leser 5., mit einer erweiterten Bibliographie und einem Nachwort versehene Auflage J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung Die in [ ] erscheinenden Zahlen verweisen auf die Anmerkungen. 1.- 3. Tausend März 1973 4.- 6. Tausend November 1973 7.- 9. Tausend September 1974 10.-11. Tausend Juli 1976 12.-13. Tausend Januar 1979 14.-15. Tausend Januar 1981 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Nusser, Peter: Romane für die Unterschicht: Groschenhefte u. ihre Leser/ Peter Nusser. - 5., mit e. erw. Bibliogr. u. e. Nachw. vers. Aufl., 14.-15. Tsd. - Stuttgart: Metzler, 1981. (Texte Metzler; 27) ISBN 978-3-476-00465-9 ISBN 978-3-476-00465-9 ISBN 978-3-476-03147-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03147-1 ©Springer-Verlag GmbH Deutschland 1981 Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1973/81 Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeine Angaben zur Produktion und Konsumtion von Groschen- romanen. Zielsetzung und Methode der Untersuchung . . . . . . . 7 2. Sozialbeziehungen, Orientierungsmuster, Sprachverhalten der Unter- und Mittelschicht . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.1. Zum Begriff der >sozialen Schicht< . . . . . . 12 2.2. Sozialbeziehungen der Unter- und Mittelschicht 14 2.2.1. Die Situation am Arbeitsplatz . . 14 Q .!.'!,. Primär- und Sekundärbeziehungen 15 4.~.3. Die personale Organisation . . . 18 2.2.4. Erziehung . . . . . . . . . . . 19 2.3. Orientierungsmuster der Unter- und Mittelschicht 22 2.4. Das Sprachverhalten der Unter- und Mittelschicht 24 3. Groschenromane in ihrer Beziehung zu den psychologisch und soziolo- gisch erklärbaren Einstellungen ihrer Rezipienten . . . . . 27 3.1. Die Darstellung von Personen in Groschenromanen . . . . . . 27 3.1.1. Allgemeine Kennzeichen der Personendarstellung . . . . 27 3.1.2. Personendarstellung und psychologisch erklärbare Einstel- lungen der Leserzielgruppe . . . . . . . . 29 3.1.3. Personendarstellung im Frauenroman 32 3.1.3.1. Die äußere Erscheinung der Personen 32 3.1.3.2. Die inneren Qualitäten der Personen 34 3.1.3.2.1. Exkurs über die Wunschziele im Frauen- roman . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.1.3.3. Die Personendarstellung im Frauenroman und die soziologisch erklärbaren Einstellungen der Leser- zielgruppe . . . . . . . . . . . . 45 3.1.4. Personendarstellung im Abenteuerroman . . 51 3.1.4.1. Die äußere Erscheinung der Personen 51 3.1.4.2. Die inneren Qualitäten der Personen 53 3.1.4.3. Die Personendarstellung im Abenteuerroman und die soziologisch erklärbaren Einstellungen der Leser zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.2. Gegenstände in Groschenromanen . . . . . . . . . . . . . . 66 3.2.1. Allgemeine Kennzeichen und Funktionen der dargestellten Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.2.2. Die allgemeinen Kennzeichen und Funktionen der darge stellten Gegenstände und psychologisch erklärbare Einstel lungen der Leserzielgruppe . . . . . . . • . . . . . . 68 5 3.2.3. Inhaltliche Analyse häufig beschriebener Gegenstände . . 69 3.2.4. Dargestellte Gegenstände und soziologisch erklärbare Ein- stellungen der Leserzielgruppe . . . . 74 3.3. Die Handlung in Groschenromanen . . . . . . . . . . . . . 76 3.3.1. Allgemeine Kennzeichen der Handlung . . . . . . . . . 77 3.3.1.1. Typische Handlungsmuster in Frauen- und Aben- teuerromanen . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.3.1.2. Die erzählerische Anordnung der Vorgänge in Frauen- und Abenteuerromanen . . . . . . . . 79 3.3.2. Die allgemeinen Kennzeichen der Handlung und psycho logisch erklärbare Einstellungen der Leserzielgruppe . . . 81 3.3.3. Die allgemeinen Kennzeichen der Handlung und das Pro- blem der Aggressivität . . . . . . . . . . . . . . 84 3.4. Die Sprache der Groschenromane . . . . . . . . . . . . . . 88 3.4.1. Quantitative Analyse der Sprache der Groschenromane (Wortschatz, Syntax). Beziehungen zum Sprachverhalten der Unterschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.4.2. Qualitative Analyse der Sprache der Groschenromane am Beispiel von Redensarten und Sentenzen. Beziehungen zum Sprachverhalten der Unterschicht 90 4. Interpretation der Ergebnisse 97 5. Anmerkungen . . . 103 6. Lit<'raturverzeichnis 112 7. Nachwort zur vierten Auflage 121 8. Nachwort zur fünften Auflage 123 6 1. Allgemeine Angaben zur Produktion und Konsumtion von Groschenromanen. Zielsetzung und Methode der Untersuchung In der Bundesrepublik Deutschland kommen wöchentlich ungefähr 6 Millionen Heftromane auf den Markt [ 1], die hauptsächlich an Zei tungskiosken und in Bahnhofsbuchhandlungen vertrieben werden. [2] Die Produktion der Hefte liegt im wesentlichen in den Händen einiger großer Verlage (Bastei, Kelter, Marken, Moewig, Pabel). Diese Verlage produzieren in verschiedenen Heftreihen und unter verschiede nen Markennamen alle Gattungen der Groschenromane, die sich in zwei große Gruppen einteilen lassen. Zur ersten Gruppe, zu den Liebes oder Frauenromanen, gehören die Schicksals-, Adels- und Schloß romane, die Arztromane und die Heimatromane; zur zweiten Gruppe. zu den Abenteuerromanen, gehören die Wildwest-, Landser-, Kriminal und Zukunftsromane. [3] Die höchsten Produktionsziffern liegen bei den Frauen-Schicksalsromanen und den Kriminalromanen. [ 4] Jedes der ca. 6 Millionen verkauften Hefte findet durchschnittlich 6 Leser. [5] In der BRD zäh'rt sich rund 30 % der erwachsenen Be völkerung (ab 16 Jahren) zu den regelmäßigen oder häufigen Lesern von Romanheften [6]; bei den jüngeren Altersgruppen dürfte der Prozentsatz höher liegen. [7] Abenteuerromane werden vornehmlich von Männern gelesen, und zwar vor allem zwischen dem 16. und 39. Lebensjahr; Frauenromane werden vornehmlich von Frauen gelesen. und zwar vor allem zwischen dem 30. und 59 Lebensjahr. [8] Über die Verbreitung der Heftromane in einzelnen sozialen Schich ten der Bevölkerung lassen sich aufgrund zweier im Auftrag des Bastei Verlages durchgeführter Untersuchungen des Instituts für Demoskopie Allensbach (1964) [9) und der Marplan Forschungsgesellschaft für Markt und Verbrauch mbH (1969) [10) ziemlich exakte Aussagen machen. Beide Untersuchungen stellten fest, daß sich die Leserschaft der Bastei-Romane (der Bastei-Verlag produziert sowohl Frauenromane wie Abenteuerromane) vorwiegend aus Arbeitern. Facharbeitern und Angestellten rekrutiert [ 11]: 7 Allensbach (1964) Marplan (1969) - Selbständige in Handel - Inhaber/Leiter von Unter- und Gewerbe, freie Berufe 5% nehmen, freie Berufe 6,7 % - selbständige Gewerbe- treibende 8,2% - Beamte 4% - leitende Angestellte und Beamte 5,5 % - Angestellte 21 % - sonstige Angestellte und Beamte 32 % - Facharbeiter und nicht- - Facharbeiter 36,2% selbständige Handwerker 43% - andere Arbeiter 24% - sonstige Arbeiter 9,8% - Landwirtschaftliche Berufe 3% - Landwirtschaftliche Berufe 0,6% Die Marplan Forschungsgesellschaft erfaßte außerdem den Bildungs stand der Bastei-Roman-Leser, gemessen am Schulabschluß. (12] Von den Lesern haben absolviert: - Abitur, Hochschule, Universität 4,3% - Mittelschule 18 % - Volksschule mit Lehre 58,8 % - Volksschule ohne Lehre 18,9 % 77,7 °/o der Leser haben also lediglich die Volksschule besucht. In beiden Untersuchungen wurde auch das Einkommen der Bastei Roman-Leser rubrifiziert. 1964 verdienten (nach Allensbach) 86 % der Leser unter DM 1000,- im Monat, 1969 verdienten (nach Marplan) 36 % der Leser unter DM 1000,- im Monat, 57,6 % der Leser zwi gooo,- schen DM 1000,-und DM im Monat. (13] Da in der Sozialisationsforschung die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht üblicherweise an den Kriterien des Berufs, bzw. der Stellung in der Prestigeskala, am Einkommen und am Bildungsniveau gemessen wird, belegen die voranstehenden Zahlen deutlich, daß mindestens 75 °/o der Leser den unteren sozialen Schichten (untere, mittlere, obere Unterschicht, untere Mittelschicht) angehören. Groschenheftromane werden also in erster Linie von der sozialen Unterschicht konsumiert und für sie geschrieben. Daß Groschenromane zum geringeren Teil auch in der Mittel- und Oberschicht gelesen werden, mag aus der Durchlässigkeit zwischen den sozialen Schichten zu erklären sein (hohes Einkommen und freier Beruf schließen beispielsweise nicht aus, daß ein Leser den Orientierungs mustern der Unterschicht verhaftet ist); im individuellen Fall werden 8 auch psychologische Ursachen für die Bevorzugung dieser Lektüre maß geblich sein. Für die weite Verbreitung der Groschenromane in der Unterschicht lassen sich zunächst einige äußere Ursachen nennen. Zweifellos spielt es eine Rolle, daß Groschenromane billig sind, daß sie an Kiosken zu kau fen sind und nicht in Buchhandlungen, die von Angehörigen der Unter schicht nur ungern bzw. gar nicht betreten werden [14], daß sie in öffentlichen Verkehrsmitteln leicht gelesen werden können, nicht zuletzt weil sie nicht pfleglich behandelt werden müssen, daß sie ein >reizvolles< oder >sensationelles< Titelblatt haben, usw. Die eigentlich entscheidenden Ursachen dürften jedoch in einer Affi nität zwischen den Inhalten, der Struktur, der Sprache der Romane einerseits und andererseits den Sozialbeziehungen, den aus ihnen resul tierenden kognitiven und affektiven Einstellungen und dem Sprach verhalten der Individuen aus den unteren Schichten zu suchen sein. Derartigen Beziehungen zwischen den Romanen und ihrer wichtigsten Lesergruppe nachzugehen, setzt sich die vorliegende Untersuchung zum Ziel. Sie geht von der Hypothese aus, daß diese Beziehungen bestehen. Sie hofft durch die Klärung dieser Beziehungen etwas über die gesell schaftliche Wirkung der Groschenromane aussagen zu können. Es geht also nicht um die Erhärtung der Feststellung, daß Groschenromane vorwiegend in der Unterschicht gelesen werden, sondern um die Be antwortung der Frage, warum dies so ist. Mit der bloßen Tatsache be gnügen sich nicht einmal die Produzenten, die ihre Produkte an den Mann bringen wollen; mit der Erklärung ist vor allem denen gedient. die über diesen Teil der Bewußtseins-Industrie aufzuklären haben. Das methodische Verfahren dieser Untersuchung ist ein hermeneu tisches. Eine mit zulänglichen Kriterien arbeitende empirische Wir kungsforschung existiert bisher noch nicht. Die zum Teil bereits refe rierten empirisch ermittelten Angaben der Meinungs- und Marktfor schungsinstitute geben lediglich einen oberflächlichen Einblick in die Produktion und Verteilung der Groschenromane, können aber nichts über ihre tatsächliche Wirkung aussagen. Ein hermeneutisches Verfah ren, das diese Wirkung aus der Analyse der Textmerkmale und der Analyse der schichtenspezifischen Sozialbeziehungen, Orientierungs muster sowie des schichtenspezifischen Sprachverhaltens der Leser zu er schließen sucht, bleibt notwendigerweise den Beweis schuldig und muß sich damit begnügen, Zusammenhänge evident, d. h. durch Erklärun gen allgemein nachvollziehbar zu machen. Empirische Ermittlungen werden jedoch zum Beispiel im Kapitel über die Sprache der Groschen romane zur Unterstützung der Hypothese herangezogen. Vor allem sollen Erkenntnisse Hilfe leisten, die von der mit empiri- 9 sehen Methoden arbeitenden Sozialisationsforschung und der Sozio linguistik bei der Analyse schichtenspezifischer Sozialisationsprozesse und schichtenspezifischen Sprachgebrauchs gewonnen wurden. Es ist deutlich, daß dieser methodische Ansatz sowohl über eine im ästhetischen Bereich verharrende Beschreibung und Bewertung der tri vialen Texte als auch über Untersuchungen der empirischen Literatur soziologie hinausgeht, die lediglich am Warencharakter der Groschen romane interessiert sind und die Interaktionen der an ihrer Herstellung und Konsumtion beteiligten Personen statistisch erfassen. Die Mängel dieser einseitigen Fragestellungen sind bereits häufig genug kritisiert worden. [15] Aber auch das - gerade im Hinblick auf triviale Texte - weit frucht barere Vorgehen einer >funktionalen Ästhetik•, das von Davids am Beispiel der Wildwestromanhefte glänzend vorgeführt [16] und von Waldmann am Beispiel des Frauenromans weiterentwickelt wurde [ 17]. kann durch den Ansatz der vorliegenden Untersuchung zumindest er gänzt werden. Während Davids nach der »Machart der Texte« fragte. »um bewußtseinstragende und bewußtseinsbildende Funktionen zu er hellen, Beeinflussungen des Lesers zu entdecken« [18], ging Wald mann noch weiter, indem er versuchte, »die Wirkungsintentionen des Textes in bezug auf den intendierten Leser (den ästhetischen Informan ten), d. h. die durch den bestimmten Zeichensektor entworfenen Leser rollen zu beschreiben und die über sie bewirkten möglichen Bewußt seinsinduktionen des Lesers insbesondere in ihrer gesellschaftlichen Be deutung anzuzeigen.« [19] In beiden Untersuchungen aber wurde vom Text auf den Leser ge schlossen. Die die Rezeption der Texte determinierende Wirklichkeit des Lesers trat als ein eigener Untersuchungsbereich zurück. Waldmann erarbeitete die vom Text »entworfene Leserrolle«, er verdeutlichte, daß die Produzenten nicp.t nur die Romane, sondern auch die Weise ihrer Konsumtion bestimmen, den Konsumenten in Kenntnis seiner Erwar tungshaltungen manipulieren. Aber es gibt nicht nur den >produzier ten Leser•, sondern auch den >sich aneignenden Leser< [20], den Texte subjektiv verwirklichenden Leser, dessen Sozialbeziehungen und Orien tierungsmuster unabhängig von den Texten beschrieben werden müs sen, wenn man das gegenseitige Bedingungsverhältnis von Produktion und Konsumtion ganz erfassen will, wenn es gelingen soll, »die gesell schaftlichen Gründe für literarische Publikumserfolge zu erfassen«. [21] Es ist richtig, daß gerade triviale Texte um des Profitstrebens ihrer Produzenten willen auf die Erwartungshaltungen ihrer Leserzielgrup· pen spekulieren. Ob aber die Spekulation richtig ist, d. h. ob sie den ge sellschaftlichen Bedingungen der Konsumenten entspricht, und in wel- 10

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