Resilienz im Sozialen Martin Endreß • Andrea Maurer (Hrsg.) Resilienz im Sozialen Theoretische und empirische Analysen Herausgeber Martin Endreß Andrea Maurer Universität Trier, Deutschland ISBN 978-3-658-05998-9 ISBN 978-3-658-05999-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-05999-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio- nalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 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Auf dem Weg zu einer soziologischen Th eorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Martin Endreß und Benjamin Rampp Disruptiver sozialer Wandel und das Problem der Resilienz . . . . . . . . . . . . . . 57 Michael Schmid B Empirische Analysen 1: Resilienz in gesellschaft sanalytischer Absicht Formen des Umgangs mit Diskriminierung und soziale Resilienz im Neoliberalismus. Die Vereinigten Staaten im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Michèle Lamont, Jessica S. Welburn und Crystal M. Fleming Zur sozialwissenschaft lichen Konzeption von Vulnerabilität und Resilienz. Konzeptionelle Überlegungen und empirische Betrachtungen am Beispiel von Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Gabriela B. Christmann, Karsten Balgar und Nicole Mahlkow 6 Inhalt B Empirische Analysen 2: Resilienz in ökonomischen Kontexten Verbraucherorganisationen als Resilienz- und Vulnerabilitätsfaktor von Markterwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Sebastian Nessel Resilienzpotenziale traditioneller Lebensmittelhändler in Dhaka vor dem Hintergrund aufkommender Supermärkte ..................... 181 Markus Keck Vorsicht, Sackgasse! Anpassung und Anpassungsfähigkeit in volatilen Arbeitsmärkten. Das Beispiel Musicaldarsteller ........................ 207 Oliver Ibert und Suntje Schmidt B Empirische Analysen 3: Resilienz in politischen Handlungsfeldern Urbane Resilienz und endemische Gewalt ............................. 245 Peter Imbusch Chancen des Resilienzbegriffs für eine soziologische Armutsforschung ... 265 Markus Promberger, Lars Meier, Frank Sowa und Marie Boost Resilienz als Sicherheitsprogramm. Zum Janusgesicht eines Leitkonzepts .................................................. 295 Stefan Kaufmann Autorinnen und Autoren ............................................. 313 Einleitung Martin Endreß und Andrea Maurer Das Konzept „Resilienz“, das ursprünglich aus der psychologischen bzw. sozial- und human-ökologischen Forschung stammt, erfährt seit wenigen Jahren in der Soziologie eine bemerkenswerte Resonanz. Dabei fi rmieren unter dem Begriff „Resilienz“ in der aktuellen sozialwissenschaft lichen und soziologischen Forschung zwar heterogene Zugänge und verschiedene theoretische Ansätze, es lassen sich aber doch auch Ver- bindungslinien identifi zieren: Resilienz wird für die Analyse von Phänomenen und Prozessen der ‚Widerständigkeit‘ und der ‚Widerstandsfähigkeit‘ in verschiedenen Kontexten und Situationen angesichts besonderer Gefährdungslagen genutzt. Da diese wirtschaft licher, sozialer, politischer bzw. auch institutioneller oder organisationaler Natur sein können, lässt sich Resilienz als Zugang zu besonderen Herausforderungen verstehen, denen sich Akteure in verschiedenen Handlungsfeldern gegenüber sehen. Entsprechend ist Resilienz oft mals mit verwandten Forschungsthemen wie denen der Vulnerabilität, des Risikos, der Stressbewältigung, der Krise oder Katastrophe verbunden und es werden auch verschiedene Resilienzaspekte wie etwa die der Nachhaltigkeit oder Zukunft sfähigkeit thematisiert (vgl. Bürkner 2010; Christmann et al. 2012; Lorenz 2013). Generell stellt das leitende Begriff sverständnis auf die Identifi kation und Analyse unterschiedlicher Potentiale ab – die als Ressourcen, Fähigkeiten, Dispositionen, Strategien etc. beschrieben werden–, die es einer sozi- alen Einheit ermöglichen können oder aber bereits ermöglicht haben, disruptive Veränderungen wie Krisen, Schocks, Katastrophen, Epidemien, Traumata etc. relativ gut zu begegnen und den eigenen Bestand zu sichern. Angesichts dieser Forschungslage sehen die Herausgeber erheblichen Bedarf für den Versuch einer vorläufi gen Bestandsaufnahme in diesem gegenwärtig hochdynamischen Feld. Insbesondere ist das Anliegen aber, innerhalb der Sozi- alwissenschaft en sowie der Soziologie – darauf konzentriert sich vor dem Hin- tergrund der interdisziplinären Debatten der vorliegende Band –, theoretische Entwicklungsfähigkeiten und empirische Anwendbarkeiten des Resilienz-Konzepts M. Endreß, A. Maurer (Hrsg.), Resilienz im Sozialen, DOI 10.1007/978-3-658-05999-6_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 8 Martin Endreß und Andrea Maurer für die Soziologie zu diskutieren. Unter dem Titel „Resilienz im Sozialen“ führt er Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Forschungsfeldern zusammen, die sich aus soziologischer Perspektive mit dem Konzept Resilienz beschäftigen und an der Übertragbarkeit und Aufnahme des Konzepts in das analytische Instrumentarium der Soziologie arbeiten. Der Band wird im ersten Teil mit drei theoretischen Beiträgen eröffnet, die Potentiale und Problemstellungen einer Aufnahme des Konzepts Resilienz in die sozialwissenschaftliche wie soziologische Forschung erörtern. Im zweiten Teil finden sich acht empirische Analysen, die mit dem Konzept der Resilienz sozialwis- senschaftliche wie soziologische Fragestellungen und Analysen vorlegen und das Resilienz-Konzept auf drei unterschiedliche soziale Handlungsfelder: Wirtschaft, Politik und Soziales übertragen. Den ersten Teil „Soziologische Theorien und Perspektiven“ leitet Wolfgang Bonß (München) mit einem Überblick zur bisherigen „Karriere“ des Resilienz-Begriffs ein. Bonß identifiziert die bislang zentralen Bezugspunkte von Forschungen zu Resilienz und fragt vor diesem Hintergrund nach dem analytischen Kern und der soziologischen Heuristik des Konzepts. Vor dem Hintergrund eigener langjähriger Forschungen zu Risiko in der reflexiven Moderne führt er mit der Unterscheidung von „einfacher“ und „reflexiver Resilienz“ eine begriffliche Differenzierung ein, die den gesellschaftstheoretischen Gehalt des Resilienz-Konzepts in der Soziologie aufzeigt. Im Anschluss geben Martin Endreß und Benjamin Rampp (Trier) einen Überblick über die aktuelle Aufnahme des Resilienz-Konzeptes und die Debatte um dieses in der Soziologie. Die beiden Autoren konzentrieren sich auf die Identi- fizierung zentraler theoretisch-konzeptioneller Frage- und Problemstellungen, die mit einer Übernahme des Konzeptes in das analytische Repertoire der Soziologie verbunden sind. Zum Abschluss des ersten Teiles des vorliegenden Bandes widmet sich Michael Schmid (München) dem spezifischen Problem disruptiven sozialen Wandels. Die Plötzlichkeit und das erhebliche Ausmaß sozialer Veränderungen bis hin zum – zumindest potentiell drohenden – Zusammenbruch sozialer Einheiten gelten vielfach als Folie, vor deren Hintergrund sich die Frage von Resilienz im Sozialen stellt. Entsprechend erörtert er in seinem Beitrag das Potential klassischer Theorien sozialen Wandels (v. a. Parsons), diskutiert vor diesem Hintergrund dis- ruptive Wandlungsformen und plädiert für einen handlungstheoretisch fundierten Zugang zu dynamischen Systemanalysen. Im zweiten Teil des Bandes zeigen „empirische Analysen“, wie eine sozio- logische bzw. sozialwissenschaftliche Resilienzforschung angelegt sein könnte und welche neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, die geeignet erscheinen, den klassischen Forschungs- und Erkenntnisstand herauszufordern. Die Beiträge sind zu drei Themenfeldern gebündelt: Beiträge zu „Resilienz in gesellschaftsanalyti- Einleitung 9 scher Absicht“ (Lamont et al., Christmann et al.), zu „Resilienz in ökonomischen Kontexten“ (Nessel, Keck, Ibert und Schmidt) und zu „Resilienz in politischen Handlungsfeldern“ (Imbusch, Promberger et al., Kaufmann). Unter dem Titel „Re- silienz in gesellschaftsanalytischer Absicht“ analysieren zunächst Michèle Lamont, Jessica S. Welburn und Crystal M. Fleming (Harvard)1 auf der Basis internationaler komparativer Studien Formen des Umgangs mit Diskriminierungserfahrungen bei AfroamerikanerInnen, Israelis sowie AfrobrasilianerInnen. Ihr Beitrag will die für diese sozialen Gruppen spezifische Ambivalenz aufzeigen, sozialen Dis- kriminierungen durch neoliberale Deutungsmuster ausgesetzt zu sein und dabei zugleich über durch diese Deutungsmuster generierte Formen des Umgangs mit Diskriminierungen zu verfügen. Im anschließenden Beitrag legen Gabriela Christmann, Karsten Balgar und Nicole Mahlkow (Erkner) die Ergebnisse von vergleichenden Fallstudien zu Formen sozialräumlicher Resilienz vor. Sie wenden die aus der Sozial- und Humanökologie in die Soziologie übertragenen Konzepte Resilienz und Vulnerabilität vor dem Hintergrund früherer vergleichender Unter- suchungen der zwei deutsche Küstenstädte Lübeck und Rostock auf einen dritten Fall, Hamburg-Wilhelmsburg, an. So können sie in den ersten beiden Fällen die Folgen des Klimawandels als spezifische Herausforderung für soziale Resilienz und im dritten Fall einen allgemeinen städtischen Entwicklungsbedarf angesichts multipler sozialer Problemkonstellationen unter Resilienzaspekten konturieren. Die drei folgenden empirischen Beiträge widmen sich „Resilienz in ökonomi- schen Kontexten“. So untersucht Sebastian Nessel (Graz) Verbraucherorganisationen auf der einen Seite als Auslöser von Vulnerabilitätsprozessen auf Märkten, auf der anderen Seite zeigt er mit empirischen Daten, inwiefern und in welchem Ausmaß Verbraucherschutzorganisationen selbst wiederum die Resilienz von Märkten stärken. Er analysiert Verbraucherschutzorganisationen im Hinblick auf die damit verbundene Wiedergewinnung von Konsumenten- und Unternehmenserwartungen und den Abbau wechselseitiger Unsicherheiten. Soziale Gruppen und Bewegungen werden so als Faktoren der Vulnerabilität und Resilienz in der Wirtschaft und speziell auf Märkten kenntlich. Markus Keck (Göttingen) untersucht im Rahmen einer Fallstudie zum Lebensmittelhandel in Dhaka, wie sich seit der Einführung von Lebensmittel-Supermarktketten der städtische Markt für Lebensmittel in Bangladesch rasant verändert hat und der traditionelle Lebensmittelhandel zuneh- mend ge- oder zerstört wurde. Die Vulnerabilität der lokalen Händler und deren potentielle Resilienzstrategien stehen im Mittelpunkt dieses Beitrages, der mit Hilfe von Netzwerkanalysen deutlich macht, wie soziale Beziehungen Resilienzprozesse 1 Wir bedanken uns bei den Autorinnen und beim Verlag (Cambridge University Press) für die Genehmigung des Abdrucks der Übersetzung dieses Beitrages, der als englischer Originalbeitrag in Hall und Lamont (2013, S. 129-157) erschienen ist. 10 Martin Endreß und Andrea Maurer in Gang setzen und stabilisieren können. Oliver Ibert und Suntje Schmidt (Erkner) betrachten den prekären Arbeitsmarkt für MusicaldarstellerInnen im Hinblick auf die Stabilisierung von Beschäftigungssicherheit: Während die wichtigste Her- ausforderung zu Beginn des Arbeitslebens oftmals darin besteht, sich den Markt- anforderungen möglichst gut anzupassen, gewinnt in der zweiten Karrierehälfte die Anpassungsfähigkeit gegenüber einem breiteren Spektrum von Möglichkeiten (einschließlich Austritt-Szenarien) an Bedeutung. Auch diese Studie belegt die Bedeutung von Netzwerkstrategien, die KünstlerInnen zur Bildung von Berufs- identitäten und wichtigen Anpassungsstrategien nutzen und so Resilienzprozesse in einem prekären Segment der Ökonomie, der Kreativwirtschaft, ermöglichen. Den dritten und abschließenden Teil bilden drei Beiträge, die sich unter der Rubrik „Resilienz in politischen Handlungsfeldern“ ausgeprägten sozialen Ungleichheits- und Gewaltkonstellationen zuwenden. Peter Imbusch (Wuppertal) beschäftigt sich im Anschluss an konzeptionelle Überlegungen zur Konturierung eines spezifischen Begriffs von „sozialer Resilienz“ mit dem Problem von Gewalt in urbanen Räumen und veranschaulicht dieses am Beispiel endemischer Gewaltverhältnisse in latein- amerikanischen Gesellschaften. Mögliche Resilienzstrategien angesichts dieser Gewaltkonstellationen erörtert er daraufhin für verschiedene gesellschaftliche Handlungsebenen. Im folgenden Beitrag stellen Markus Promberger, Lars Meier, Frank Sowa und Marie Boost (Nürnberg) den möglichen Gewinn der Einführung einer Resilienzperspektive in die soziologische Armutsforschung dar. Kontrastiv zu einem Fall sozialen Abstiegs und der Verfestigung von Armut untersuchen sie anhand empirischer Daten Fälle der eigenständigen Überwindung von Armut und des sozialen Wiederaufstiegs im Hinblick auf potentielle und faktisch wirksame Resilienzressourcen. Im abschließenden Beitrag dieser Rubrik wie des vorliegenden Bandes nimmt Stefan Kaufmann (Freiburg) die Karriere des Resilienz-Konzeptes in der Sicherheitsforschung in den Blick und arbeitet Entstehungskontexte, aktuelle Verwendungszusammenhänge und potentielle Entwicklungsmöglichkeiten für die Anwendung des Konzepts im Bereich von Sicherheitspolitik und -forschung heraus. Das Resilienz-Konzept scheint für die Sozialwissenschaften allgemein und die Soziologie im Besonderen eine interessante und vielversprechende neue Zugangs- weise zu zentralen gesellschaftlichen Themen und Handlungsfeldern zu bieten. Keineswegs jedoch können mit diesem Band alle konzeptionellen Aufgaben, die sich einer soziologischen Resilienzforschung aktuell stellen, behandelt oder auch nur ansatzweise beantwortet werden. Gleichwohl liegt mit dieser Buchpublikation erstmals ein umfassender Versuch vor, die soziologische Resilienzforschung im deutschsprachigen Raum vorzustellen und zugleich auch eine erste Kartierung dieses Forschungsfeldes zu leisten. Unser Ziel ist es, theoretische Entwicklungs- und Einbettungsmöglichkeiten kenntlich zu machen und den Horizont für weitere For-
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