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Rembrandts Jacobssegen: Überlegungen zur Deutung des Gemäldes in der Kasseler Galerie PDF

96 Pages·1976·3.374 MB·German
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ABHANDLUNGEN DER RHEINISCH-WESTFALISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN BAND 60 ur stit n sti n u K s e h c s el d ä St n, ai M m a urt kf n a Fr g, n u d n e Bl s n si m Si dt, n a br m e R 5 ABHANDLUNGEN DER RHEINISCH-WESTFÄLISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN BAND 60 Rembrandts Jacobssegen überlegungen zur Deutung des Gemäldes in der Kasseler Galerie Von Reiner Haussherr Rembrandts Jacobssegen Überlegungen zur Deutung des Gemäldes in der Kasseler Galerie Von Reiner Haussherr Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Das Manuskript wurde der Rheinisdt-Westfälisdten Akademie der Wissensdtaften am 16. April 1975 von Herbert von Einem vorgelegt Herausgegeben von der Rheinisdt-Westfälisdten Akademie der Wissensdtaften © 1976 by Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprtlnglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1976 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1976 ISBN 978-3-663-01841-4 ISBN 978-3-663-01840-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-01840-7 Herbert von Einem zum siebzigsten Geburtstag Vorwort Daß eine erneute Beschäftigung mit Rembrandts Kasseler J acobssegen zu einer Differenzierung der bislang vorliegenden Deutungen führen könnte, wurde dem Autor bei der Lektüre von Herbert Schöfflers Aufsatz über den "Jungen Goethe und das Englische Bibelwerk" (vgl. Anm.98) klar. So wurde ein Schüler Herbert von Einems, der wegen dessen Kunstbrief über den Jacobssegen nach Bonn zu von Einem gegangen war, zu dem Versuch geführt, die Anschauungen des 17 . Jahrhunderts über den Segen der Söhne Josephs durch Jacob für die Auslegung von Rembrandts Bild nutzbar zu machen. Als ich erfuhr, daß Hans van de Waal eine Arbeit über das Kasseler Ge mälde vorbereitete, wurde der Arbeitsplan zurückgestellt und erst wieder aufgegriffen, nachdem van de Waal vor seinem frühen Tode nicht mehr zur Ausarbeitung seiner Studie gekommen war. Ich gedenke dankbar des Interesses, das Günter Bandmann an der Ent stehung und den ersten Phasen dieser Arbeit zeigte. Erst nach ihrer Nieder schrift wurde mir durch einen Hinweis von Werner Busch deutlich, wie eng sich manche Gedankengänge des ersten Teiles mit Fragestellungen berühren, die Bandmann in seinem Buche "Melancholie und Musik" (Wissenschaftliche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nord rhein-Westfalen 12, Köln/Opladen 1960, S. 15) an läßlich von Rembrandts Gemälde "David und Saul" (Den Haag, Mauritshuis, Bredius-Gerson Nr. 526) entwickelte. Für Hinweise und Unterstützung möchte ich Adele Starensier (New Y ork), Prof. Dr. Florentine Mütherich (München), Prof. Dr. Erika Simon (Würzburg) und Prof. Dr. Otto Pächt (Wien) sowie Dr. Friedrich Lahusen und Dr. Jürgen Lehmann (Kassel, Staatliche Kunstsammlungen, Gemälde galerie) sehr danken. Bei der Beschaffung der Abbildungsvorlagen waren außer den Sammlern und Museen behilflich Dr. Adelheid Heimann (Lon don), Dr. Lieselotte Kötzsche-Breitenbruch (Berlin), Prof. Dr. Jan Bialo stocki (Warschau), Prof. Dr. Helmut Buschhausen (Wien), Prof. Dr. Otto Pächt (Wien) und Prof. Dr. R. W. Schell er (Amsterdam). 8 Reiner Haussherr Herbert von Einem verfolgte die Beschäftigung mit einem seiner Themen mit Wohlwollen und Interesse und legte die Arbeit der Rheinisch-Westfäli schen Akademie der Wissenschaften in Düsseldorf vor. Bonn, im Januar 1976 Reiner Haussherr Versucht man, sich einen überblick über die wissenschaftliche Erforschung von Rembrandts Werk in den letzten Jahrzehnten zu verschaffen, so wird man feststellen, daß neben der Abgrenzung seiner Gemälde und Zeichnungen gegen die Arbeiten seiner Schüler und Nachahmer und neben der chronologi schen Ordnung seines CEuvre die Darstellungen historischer, vor allem bibli scher Stoffe im Vordergrund des Interesses standen. Was Rembrandt in Ge mälden, Radierungen und Zeichnungen an biblischer Geschichte wiedergab, wurde auf die Herkunft der ikonographischen Schemata aus der Bildtradi tion befragt; vor allem aber ging es um den Sinn, den Rembrandt durch eine besondere Ausformung einzelnen wohlvertrauten Historien gab. Bei manchen Bildern ist auch bis heute unklar, was der Meister eigentlich dar stellen wollte. Einige Gemälde - und gerade die rätselhaftesten unter ihnen wie etwa das Leningrader Haman-Bild (Bredius-Gerson Nr. 531)1 sind für Deutungen sehr verlockend gewesen - wurden Anlaß zu einer nur noch mit Mühe übersehbaren Folge ikonographischer Untersuchungen. Zu ihnen ge hört auch der Jacobssegen (Bredius-Gerson Nr. 525), der 1656 entstand und der sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in der Gemäldegalerie in Kassel befindet2• Es bestände keine Veranlassung, sich mit diesem vielbehandelten 1 Zuletzt Jan Bialostocki, Der Sünder als tragischer Held bei Rembrandt, Neue Beiträge, S. 138-144. 2 Leinwand, 175,5: 210,5 cm. Signatur und Jahreszahl sind nicht von Rembrandt selbst, doch gehen sie anscheinend auf eine "originale Bezeichnung" zurück. So Werner Su mowski in den Anmerkungen zu Richard Hamann, Rembrandt, 2. Aufl., Berlin 1969, S. 456 Anm. 1 zu S. 370. Ähnlich bereits Gerson bei Bredius-Gerson Nr. 525 und Gerson Nr. 277. Schon Bauch Nr. 34 bezweifelte die Echtheit der Signatur. In den älteren Kata logen der Gemälde Rembrandts: Smith Nr. 17, Bode-Hofstede de Groot Nr. 404, HdG Nr. 22. - In den Katalogen der Kasseler Galerie und einigen anderen Veröffent lichungen Kasseler Bilder: Aubel, Verzeichniß der in dem Lokale der Gemälde-Gallerie zu Cassel befindlichen Bilder, Cassel o. J. (1845), Nr.367; Oscar Eisenmann, Katalog der Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel, Cassel 1888, Nr. 227; Georg Gronau, Kata log der Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel, Berlin 1913, Nr.249; Hans Vogel, Katalog der Staatlichen Gemäldegalerie zu Kassel, Kassel 1958, Nr.249 S.122; Die Galerie zu Cassel in ihren Meisterwerken - 40 Radierungen von William Unger, Text von Wilhelm Bode, Leipzig 1872, S. 17-18; Oscar Eisenmann - Adolph Philippi, Album der Casseler Galerie, Leipzig, 1. Aufl. 1907,2. Aufl. o. J. (um 1925), Nr. 15; Die staat- 10 Reiner Haussherr Gemälde erneut zu beschäftigen, wenn es nicht möglich wäre, neue über legungen zu seiner Deutung beizutragen, die vielleicht einen Ausgangspunkt darstellen könnten, der Diskussion über Rembrandts Historienbilder über haupt und über Rembrandts Stellung zu den religiösen Strömungen seiner Zeit Anregungen zu geben. I. Die Interpreten haben sich Rembrandts Historien unter mehreren, kaum miteinander in Einklang zu bringenden Grundanschauungen genähert. Zum einen betrachtete man sie als persönliche Bekenntnisse des Künstlers, als Ausdru<k seiner speziellen persönlichen Erfahrungen, als Transponierung von Erlebnissen des Malers in die Welt der Bibel, des Mythos und der Ge schichte. Mit anderen Worten: Man deutet sie biographisch, sie wurden als Widerspiegelung des persönlichen Schicksals Rembrandts angesehen; der Aus dru<k seiner Haltung zu sich selbst, zu seiner Familie und zu seiner Umwelt wurde in ihnen gesucht. So hat jüngst Hans Kauffmann die beiden Darstel lungen des Isaakopfers aus den mittleren dreißiger Jahren (Bredius-Gerson Nr. 498)3 als Reaktion auf den Tod von Rembrandts erstem Sohn angespro chen und die Darstellung der Anklage Josephs vor Potiphar durch dessen Frau von 1655 (Bredius-Gerson Nr. 523-524) mit der Anklage der Hen dri<kje Stoffels durch den Amsterdamer reformierten Kirchenrat in Zusam menhang gebracht, wobei er auch dem Jacobssegen eine biographische Pointe gab: als Darstellung einer "gnädigen Wendung" des Schicksals4• Mehr aufs Psychologische zielen Madlyn Kahrs Ausführungen über Darstellungen Sam sons aus den dreißiger Jahren, in denen sie Samson als Opfer eines fremden Weibes gezeigt sieht, was Rembrandts Haltung zu seiner Frau Saskia, seine Unsicherheit gegenüber Frauen spiegele - um es ganz verkürzt zusammenzu fassen5• Insgesamt sind aber solche Deutungen heute seltener geworden, viel leicht auch, weil man bei einem Gemälde kaufenden Publikum des 17. Jahr- liche Gemäldegalerie zu Cassel, Bd.l Holländische Meister (Taschenbücher der Kunst Reihe 1) Stuttgart 1922, S. 66; Erich Herzog, Holländische Meister des 17. Jahrhunderts aus den Beständen der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, Kassel 1965, Text zu Tf.I6-19 unpaginiert; ders., Die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, Hanau 1969, Text zu Tf. XII S.74 ("erworben wahrscheinlich Ende 1751 oder Anfang 1752 für Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen"). - Katalog Rembrandt 1669/ 1969, Amsterdam 1969, Nr. 18. a Vgl. Ernst Brochhagen, Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts, Alte Pinakothek München Katalog 3, München 1967, S. 72ff. , Anmerkungen zu Rembrandts Potipharbildem, Neue Beiträge S. 50-57. G Rembrandt and Delilah, Art Bulletin 55, 1973, S. 240-259, hier vor allem der Schluß S. 258 herangezogen. Rembrandts Jacobssegen 11 hunderts nicht mit einem größeren Interesse an einer biographie intime, einge kleidet in biblische Historien, rechnet. Natürlich ist man andererseits immer noch geneigt, Rembrandts Werke als Zeugnisse einer Bekenntniskunst zu lesen. Seit Julius Helds Arbeit über den Polnischen Reiter der Frick Collection in New York (Bredius-Gerson Nr. 279) und Herbert von Einems Deutung des Kasseler Jacobssegens6, beides Werke Rembrandts aus den mittleren fünf ziger Jahren, sah eine Gruppe von Forschern insbesondere in den späten Historien des Meisters Darstellungen von etwas Allgemeinerem, das den Gehalt 'der einzelnen Szene gleichzeitig einbegreift und übersteigt. Man kann die Grundauffassung, von der diese Spielart der Rembrandtdeutung ausgeht, nicht besser formulieren, als es Jan Bialostocki getan hat: "In der Spätperiode Rembrandts sind sein Homer, sein segnender Jacob, seine Juden braut, seine Apostel, Regenten, Reiter, Dichter und Götter nicht mehr zeit oder raumgebunden. ,Die Gnade', ,die Liebe', ,Der Gnadenlose', ,Der Held' so ungefähr könnte man den Inbegriff der Spätbilder Rembrandts auffassen . . . . Die Bilder als ganzes werden zu Symbolen; sie bezeichnen eine grund sätzliche Knderung in der Kunst- und Weltanschauungsentwicklung. " Bialo stocki betonte außerdem die Mehrdeutigkeit von vielen Spätwerken Rem brandts: " ... so haben wahrscheinlich die von uns empfundene Tiefe, der Reichtum der letzten Bilder Rembrandts gerade in diesen inhärenten Mög lichkeiten der verschiedenartigen Deutung ihre Quelle."7 Eine solche An sicht sieht sich bestätigt durch die bis heute nicht abreißende Folge von Ar beiten zu einzelnen späten Historienbildern des Meisters. Dennoch bedarf sie der Einschränkung und Differenzierung. Kurt Bauch und Christian Tümpel unterstrichen mehrfach - und nun für Rembrandts ganzes Schaffen auf dem Felde biblischer und anderer Historie -, daß es Rembrandt immer um die Darstellung eines bestimmten Ereignisses oder einer einzelnen, bekannten, wenn auch für uns nicht immer sicher benenn baren Gestalt ging. Mithin ist jetzt Szene oder historische Person bestimmbar. Außerdem konnte Tümpel zeigen, wie stark Rembrandts Abhängigkeit von der ikonographischen Tradition, insbesondere der Graphik des 16. Jahrhun- 8 Julius Held, The "Polish" Rider, Art Bulletin 26, 1944, S. 246-265, jetzt in: ders., Rem brandt's Aristotle and Other Rembrandt Studies, Princeton 1969, S. 45-84; Herbert von Einem, Der Segen Jakobs von Rembrandt van Rijn, Der Kunstbrief 54, Berlin 1948, Neubearbeitung: Werkmonographien zur bildenden Kunst 110, Stuttgart 1965; ders., Rembrandt - Der Segen Jakobs, Bonner Beiträge zur Kunstwissenschaft 1, Bonn 1950 (nach dieser Fassung wird zitiert, wenn nicht anders angegeben). 7 Ikonographische Forschungen zu Rembrandts Werk, Münchner Jahrbuch 3. F. 8, 1957, S. 195-210, auch in: Jan Bialostoc:ki, Stil und Ikonographie - Studien zur Kunstwissen schaft, Fundus-Bücher 18, Dresden 1966, S. 126-155, die Zitate S. 140.

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