Barbara Keller Rekonstruktion von Vergangenheit Barbara Keller Rekonstruktion von Vergangenheit Vom Umgang der "Kriegsgeneration" mit Lebenserinnerungen Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Keller, Barbara: Rekonstruktion von Vergangenheit: vom Umgang der nKriegsgeneration" mit Lebenserinnerungen / Barbara Keller. - Opladen: Westdt. Ver!., 1996 ISBN 978-3-531-12864-1 ISBN 978-3-322-95657-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-95657-6 D 16 Alle Rechte vorbehalten © 1996 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfäl tigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt Gedruckt auf säurefreiem Papier Daß dieses Buch nun erscheinen kann, ist vielfältiger Unterstützung und Ermutigung zu verdanken: Herr Prof. Dr. C. F. Graumann hat meine Dissertation am Psycholo gischen Institut der Universität Heidelberg betreut. Ihm danke ich fiir zahl reiche Anregungen sowie fiir die engagierte Diskussionsbereitschaft und konstruktive Kritik, mit der er dieses etwas ungewöhnliche Projekt stets be gleitet hat. Daran schließt sich ein Dank an die Kolleginnen und Kollegen des von ihm initiierten und geleiteten Doktorandenseminars, in dessen Rahmen ich meine Ausführungen in verschiedenen Stadien ihrer Entwick- 1ung zur Diskussion stellen konnte. Frau Prof. Dr. M. Wintermantel, Universität des Saarlandes, Saar brücken, hat dieser Arbeit von Anfang an Interesse gewidmet und Zeit, Kri tik und wertvolle Hinweise zur Verfügung gestellt. Für ihre freundliche Unterstützung danke ich herzlich. Herr Manfred Müller vom Westdeutschen Verlag hat schließlich fiir die Veröffentlichung gesorgt. Meinem Mann, Roland F. FeIlhauer, schulde ich Dank fiir seine zu verlässige Unterstützung - fiir mehr, als ich hier aufzählen könnte oder möchte. Insbesondere fiir sein Engagement bei der Vorbereitung der Druck legung sei ihm aber hier ganz öffentlich gedankt. Danken möchte ich auch Frau Dr. Gabriele Herbst, Mannheim, dafiir, daß sie den Text durchgesehen und nicht nur grammatikalisch korrekte son dern auch leserfreundliche Verbesserungen vorgeschlagen hat. Herr Norbert Jäger hat die Gestaltung der Abbildungen entscheidend verbessert. Ferner gilt mein Dank all den Freundinnen und Freunden, die mich während der langen Bearbeitungszeit auf vielfältige Weise unterstützten. Meiner Familie, insbesondere meinen Eltern Hanna und Egon Keller danke ich fiir ihr Vertrauen in mein Vorhaben und fiir vielfältige, nicht zuletzt materielle, Förderung. Ganz besonderen Dank aber schulde ich den Menschen, die sich bereitfanden, mit mir über ihre Vergangenheit und ihren Umgang mit ihren Erinnerungen zu sprechen. Geldern, im Januar 1996 Barbara Keller Inhalt Vorwort .................................................................................................... 13 Einleitung ................................................................................................. 15 1. Autobiographisches Gedächtnis ................................................... 23 1.1. Die Untersuchung des autobiographischen Gedächtnisses in der Psychologie .................................................................................... 24 1.1.1. Zur Erinnerung: Ein kurzer Rückblick .................................. 24 1.1.2. Aktuelle Definitionen und Forschungsansätze ....................... 28 1.1.3. Zwei Forschungsziele ........................................................... 31 1.2. Das "klassische" Erkenntnisinteresse: Die Zuverlässigkeit des autobiographischen Gedächtnisses .................................................. 32 1.3. Die ökologische Erweiterung: Funktionen des Erinnerns im Kontext der Gegenwart ................................................................... 40 1.4. Erinnern und Perspektivität ............................................................ 42 Zusammenfassung .......................................................................... 46 2. Die soziale Verfaßtheit von Erinnenmgen ................................... 49 2.1. Erinnern und Identität .................................................................... 50 2.2. Individuelle Erinnerungen und Geschichte ..................................... 53 2.2.1. Biographische Kontinuität und gesellschaftliche Diskontinuität ...................................................................... 5 5 2.2.2. Geschichtsschreibung und gesellschaftliche Diskontinuität ... 56 2.2.3. Erinnerungsgestaltung .......................................................... 57 2.3. Entwicklung des Erinnerns im Verlauf der Lebensspanne .............. 59 2.4. Erinnerungen im Alter ................................................................... 62 2.5. Autobiographisches Erinnern im historisch-sozialen Kontext ......... 65 2.5.1. Erinnerungen im Alter und gesellschaftlicher Wandel .......... 67 Zusammenfassung .......................................................................... 68 8 Inhalt 3. Sprache und Veränderung ............................................................ 71 3.1. Realitätskontrolle durch Sprachlenkung oder Wiedersehen mit Orwell ............................................................................................. 74 3.2. Der Diskurs und die Subjekte: Wer spricht? .................................... 77 3.3. Diskurswandel: Wer behält das Wort? ............................................. 78 3.4. Wechselnde Repertoires und die Artikulation der persönlichen Erfahrung ........................................................................................ 80 3.5. Sozialer Kontext, öffentlicher und privater Diskurs ......................... 81 3.6. Wechselrahmen und Kippfiguren: Veränderte Bewertungen zeitgeschichtlicher Epochen und Kontinuität in individuellen LebenserzähIungen .......................................................................... 83 3.7. Individuelle Rekonstruktionen im sozialen Rahmen ........................ 86 3.8. Die Suche nach Verständigung im Gespräch ................................... 87 3.8.1. Erläuterungen zu damaligen Einrichtungen durch Gleichsetzung mit heutigen ................................................... 87 3.8.2. Historische Lokalisierungen und Wissensbestände ................. 88 3.8.3. Geographische Lokalisierung und Bezeichnung ..................... 89 3.8.4. Erklärung von Organisationsbezeichnungen, Orientierungen amtlichen Vorgängen, Qualifikationen .................................. 89 3.8.5. Erklärung ironischer Bezeichnungen ..................................... 90 3.8.6. Vorstellung von Personen, die damals eine Rolle spielten ...... 90 3.8.7. Rituale ................................................................................... 91 Zusammenfassung ........................................................................... 91 4. Erinnern und Ablegen von Rechenschaft ..................................... 94 4.l. Der Ausgangspunkt: Erklärungen für Delinquenz ........................... 95 4.2. Die Erweiterung: Abweichendes Verhalten begründen .................... 97 4.3. Account-Typologien ...................................................................... l 02 4.4. Ein Validierungsversuch ............................................................... 104 4.5. Wann wird Rechenschaft verlangt? ............................................... 105 4.6. Ansätze zur Erweiterung der Fragestellung ................................... 105 4.7. Ein transaktionales Account-Modell .............................................. 107 4.8. Erzählen und erklären, beschreiben und begriinden ....................... 109 Zusammenfassung ......................................................................... 111 Inhalt 9 5. Sprechen und Erinnern: Erzählungen über das eigene Leben während des ID. Reiches und des IL Weltkrieges ...................... 115 5.1. Die neuere deutsche Geschichte als Anliegen der Oral History ...... 116 5.2. Erzählkultur und Generationenkonflikt: Erkenntnisse aus der Erzählforschung ............................................................................ 116 5.3. Psychotherapeutische Beobachtungen zum innerfamiliären Umgang mit der Zeitgeschichte ..................................................... 117 5.4. Frageverbot oder Enthüllungsverbot? ............................................. 118 5.5. Unterschiedliche Perspektiven auf "moralische Situationen" .......... 121 5.6. Zeit zum Erinnern: Enttabuisierung des NS als Gesprächsthema? .......................................................................... 127 Zusammenfassung ......................................................................... 129 6. Erinnerungszentrierte Interviews ............................................... 131 6.1. Vorbemerkung zur Gretchenfrage der empirischen Sozialwissenschaften oder Wie hältst du's mit den Daten? ............. 131 6.2. Der Interviewleitfaden ................................................................... 135 6.3. Die Befragten ................................................................................ 137 6.4. Aufzeichnung und Analyse ............................................................ 138 6.5. Darstellung .................................................................................... 141 Zusammenfassung ......................................................................... 142 7. Rekonstruktionen von Vergangenheit: Die Interviews ............... 143 7.1. Gesprächsverläufe ......................................................................... 143 7.2. Ereignisse ...................................................................................... 144 7.2.1. Kategorien fur Ereignisse .................................................... 144 7.2.2. Häufigkeitsanalyse der genannten Ereignisse ....................... 145 7.2.3. Art und Häufigkeit der genannten Ereignisse: Geschlechtsunterschiede ...................................................... 146 7.2.4. Historische Ereignisse ..........................................................1 48 7.2.5. Epochalnormierte Ereignisse ............................................... 150 7.2.6. Persönliche Ereignisse ......................................................... 153 10 Inhalt 7.3. Geschichten und andere Textsorten ............................................... 154 7.4. Geschichten ................................................................................... 155 7.4.1. Wovon erzählten die Frauen? .............................................. 155 7.4.2. Wovon erzählten die Männer? ............................................. 157 Zusanunenfassung ......................................................................... 159 8. Beschäftigung mit Erinnerungen ................................................ 161 8.1. Anlässe und Funktionen ................................................................ 162 8.1.1. Spontanes Auftreten von Erinnerungen. ............................... 162 8.1.2. Aktuelle Anstöße durch das Tagesgeschehen ....................... 162 8.1.3. Aktuelle Darstellungen miterlebter Epochen ........................ 163 8.1.4. Gesellige Zusammenkünfte .................................................. 164 8.2. Innerpsychische Motive ................................................................. 164 8.2.1. Vergleich heutiger und früherer Lebensbedingungen und weitere Motive .............................................................. 164 8.2.2. Unerwünschte Erinnerungen. ............................................... 165 8.3. Gezielte Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit.. ...... 167 8.3.1. Verfassung von Memoiren als Beschäftigung mit dem Lebensrückblick. .................................................... 167 8.3 .2. Den Nachlaß ordnen ............................................................ 169 8.3.3. Erinnerungsreisen ................................................................ 169 Zusammenfassung ......................................................................... 171 9. Der soziale Kontext im privaten Diskurs .................................... l72 9.1. Der Dialog zwischen den Generationen über die Zeit des Dritten Reiches .............................................................................. 172 9.1.1. Tabus und Belastungen ........................................................ 173 9.1.2. Beginn der Enttabuisierung? ............................................... 174 9.1.3 Wenig Hoffnung auf Verständnis .......................................... 176 9.1.4. Anklagen und vorwurfsvolle Fragen .................................... 177 9.1.5. Der familiäre Kontext: Kinder und Enkel ............................ 180 Inhalt 11 9.2. Rechenschaft, korrektive Sprechhandlungen und moralische Situationen .................................................................. 180 9.3. Umgangsweisen mit "moralischen Situationen": Gegenwehr und Perspektivenübernahme ....................................... 182 9.3.1. Varianten der Gegenwehr .................................................... 182 9.3.2. Interesse und Verständigung ................................................ 186 9.4. Das Gespräch mit Angehörigen der eigenen Generation ................ 187 Zusammenfassung ......................................................................... 190 10. Der soziale Kontext im öffentlichen Diskurs .............................. 191 10.1. Der öffentliche Diskurs in den Berichten der Befragten ................. 191 10.1.1. Zu negativ ......................................................................... 193 10.1.2. Vernachlässigung des eigenen Leidens .............................. 196 10.1.3. Ablehnung der Beschäftigung mit Darstellungen der miterlebten Zeitgeschichte ................................................. 197 10.1.4. Verarbeitung: Erklärungen, Identifikationsmöglichkeiten und Ambivalenzen ............................................................ 198 10.1.5. Zuwenig Aufklärung .......................................................... 200 10.2. Wechselwirkungen ........................................................................ 202 Zusammenfassung ......................................................................... 203 11. Nationalsozialistische Verbrechen .............................................. 204 11.1. Was wußten die Menschen? ........................................................... 204 11.1.1. Was heißt: "Nichts gewußt?" .............................................. 205 11.2. Wissen und Verantwortung ........................................................... 208 Zusammenfassung ......................................................................... 211 12. Retrospektive auf das Verhältnis zu jüdischen Mitbürgem ....... 213 12. 1. Wissen um Diskriminierung und Verfolgung in den berichteten Erinnerungen ................................................................................ 213 12.2. Antisemitische Stereotypen und Vorurteilsgeschichten .................. 214 12 Inhalt 12.3. Vorurteilsgeschichten: Zwei Arten der Belegerzählung ................. 214 12.3.1. Geschichten ohne Lösungen: Erzählungen im Rahmen eines Vorurteilsdiskurses ............................................................... 216 12.3.2 Geschichten mit Lösungen .................................................. 218 12.4. Antisemitische Stereotypen aus dem A11tagswissen ........................ 219 12.4.1. Lüsterne Vorgesetzte ......................................................... 219 12.4.2. Anderes Aussehen -Verweis auf "Typisches" .................... 219 12.4.3. Die fremde Religion ........................................................... 220 12.4.4. Die ''jüdische Weltverschwörung" ...................................... 220 12.5. Andere Perspektiven ...................................................................... 221 12.5.1. Mitbürger werden zu Juden ................................................ 221 12.5.2. Mitgefühl und Akte der Solidarität .................................... 221 12.5.3. Zwischen Mitgefühl und Distanz ....................................... 221 12.6. Heutige Beziehungen ..................................................................... 224 12.6.1. Heimgekehrt aus der Emigration ........................................ 224 12.6.2. Bewährte Freundschaften ................................................... 225 12.6.3. Vorbehalte gegen Vorbehalte ............................................. 226 12.6.4. Wunsch nach Normalisierung ............................................ 226 Zusammenfassung ......................................................................... 226 13. Wie konnte es dazu kommen? Auf der Suche nach Erklärungen ................................................................................. 228 13.1. Explanatorische Rahmen ............................................................... 231 13.2. Rehabilitationen ............................................................................ 233 13.3. Entschuldigungen .......................................................................... 235 13.4. Rechtfertigungen ........................................................................... 237 13.5. Arten von Schuld .......................................................................... 238 13 .6. Träger von Verantwortung ............................................................ 240 Zusammenfassung ......................................................................... 240 14. Was bleibt -Zusammenfassung ................................................... 242 Literatur .................................................................................................. .248 Anhang .................................................................................................... 262