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Rekonstruktion narrativer Identität: Ein Arbeitsbuch zur Analyse narrativer Interviews PDF

353 Pages·2002·11.37 MB·German
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Gabriele Lucius-Hoene Rekonstruktion narrativer Identität Ein Arbeitsbuch zur Analyse narrativer Interviews Gabriele Lucius-Hoene · Amulf Deppermann Rekonstruktion narrativer Identität Gabriele Lucius-Hoene · Arnulf Deppermann Rekonstruktion narrativer Identität Ein Arbeitsbuch zur Analyse narrativer Interviews Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2002 Für Christian, Kirsten und Kathrin und für Claudia und Theresa Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme ISBN 978-3-8100-3417-5 ISBN 978-3-663-11291-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-11291-4 © 2002 Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Leske + Budrich, Opladen 2002 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung..................................................................................... 9 1.1 Rekonstruktion narrativer Identität: Eine neue Sicht auf das narrative Interview.................................................................. 9 1.2 Zielgruppen und Verwendungszweck des Buches........................ 11 1.3 Aufbau und Nutzungsmöglichkeiten des Buches......................... 12 Teil A: Grundlagen der ,narrativen Identität' 2 Autobiografisches Erzählen ....................................................... 17 2.1 Das Erzählen von Selbsterlebtem.................................................. 17 2.2 Erzählen als Basisform der Verständigung................................... 19 2.3 Merkmale und Erkenntnisform des autobiografischen Erzählens....................................................................................... 20 2.4 Erzählen als konstruktive Leistung............................................... 29 2.5 Erzählen als Kommunikationsprozess .......................................... 33 2.6 Erzählen als Repräsentation und als Performanz.......................... 41 3 Die ,narrative Identität'.......................................................... 47 3.1 Identitätstheoretische Grundlagen................................................. 47 3.2 Narrative Identität als empirisches Konstrukt............................... 52 3.3 Narrative Identität in der autobiografischen Erzählung................ 55 3.4 Narrative Identität und narrative Bewältigung.............................. 74 4 Identitätskonstitution im narrativen Interview........................ 77 4.1 Autobiografisches Erzählen als Forschungsmethode.................... 77 4.2 "Erzählen, wie im Leben alles gekommen ist" - die Besonderheiten der autobiografischen Gesamterzählung ............. 78 4.3 Das narrative Interview als Kommunikationsereignis .................. 81 4.4 Funktionen des narrativen Interviews flir den Erzähler................ 87 4.5 Zusammenfassung: Das Konstrukt ,Narrative Identität' im autobiografischen Erzählinterview................................................ 89 6 Teil B: Grundlagen der Textanalyse 5 Allgemeine Grundlagen der Textinterpretation .................... 95 5.1 Grundprinzipien der Textinterpretation ..................................... 95 5.2 Wissensquellen im Auswertungsprozess .................................... 103 6 Die Struktur der autobiografischen Gesamterzählung 1: Gliederung, Zeit, Thema, Erzählerperspektiv ... ..... ..... ... .. ... .. 109 6.1 Die sequentielle Gliederung des Gesamttexts ...... ..... ..... ..... .. ... .. 109 6.2 Der Umgang mit der Zeit........................................................... 115 6.3 Der Umgang mit dem Thema..................................................... 127 6.4 Erzählerperspektive .................................................................... 136 7 Die Struktur der autobiografischen Gesamterzählung II: Textsorten ................................................................................. 141 7.1 Textsorten im autobiografischen Erzählen ................................. 141 7.2 Erzählen ..................................................................................... 145 7.3 Beschreiben................................................................................ 160 7.4 Argumentieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 7.5 Beziehungen zwischen den Textsorten ...................................... 171 8 Die Mikrostruktur von Textauschnitten: Basisstrategien und Positionierungsanalyse........................... 177 8.1 Basisstrategien der Feinanalyse.................................................. 177 8.2 Positionierung als Identitätszuweisung ...................................... 196 9 Die Mikrostruktur von Textauschnitten: Sprachlich-kommunikative Verfahren................................... 213 9.1 Deskription ................................................................................. 214 9.2 Stimmen und Perspektiven ......................................................... 228 9.3 Argumentation ....................................... .... .. ....... .. ............ ......... 248 9.4 Interaktionssteuerung ................................................................. 257 9.5 Reaktionen des Erzählers auflntervieweraktivitäten ................. 265 10 Narrative Identität als Fallstruktur ........................................ 271 10.1 Die Entstehung der Fallstruktur narrativer Identität................... 271 10.2 Die Integration der Ergebnisse ................................................... 272 10.3 Narrative Identität in Textbeispielen .......................................... 273 10.4 Die Fallstrukturen im Vergleich ................................................. 282 10.5 Narrative Identität und Kohärenz ............................................... 284 10.6 Von der narrativen Identität zur Forschungsfragestellung ......... 288 7 Teil C: Praxis der Textanalyse 11 Die Erstellung des Datenmaterials .......................................... 293 11.1 Vorüberlegungen beim Einsatz des narrativen Interviews......... 293 11.2 Die Planung des narrativen Interviews....................................... 295 11.3 Die Durchführung des narrativen Interviews............................. 300 11.4 Die Aufbereitung des Tonmaterials ............... .......... .................. 305 11.5 Die Transkription ............ ................. .. .. ...... ........................ .. .. .. .. 308 12 Die Schritte der Textanalyse ................................................... 317 12.1 Grobstrukturelle und Feinanalyse .............................................. 317 12.2 Die strukturelle Textanalyse ....................................................... 318 12.3 Feinanalyse: Heuristiken und Techniken ................................... 320 12.4 Die Organisation der Analysearbeit ........................................... 322 12.5. Die Erarbeitung der Fallstruktur ................................................ 326 Literaturverzeichnis .................................. ......................... ...... .. ............. 331 Anhang Transkriptionszeichen................................................................................ 355 Sachregister ............................................................................................... 357 1 Einleitung 1.1 Rekonstruktion narrativer Identität: Eine neue Sicht auf das narrative Interview In den letzten 15 Jahren ist das "narrative Interview" zur bevorzugten Me thode von biografisch orientierten und an subjektiven Erfahrungswelten in teressierten Forscherinnen und Forschern geworden. Im Rahmen des inter pretativen Paradigmas hat es sich für eine Vielfalt von Fragestellungen und mit ganz unterschiedlichen Gruppen von Informanten bewährt. Worin begründet sich die Beliebtheit des Verfahrens in der Forschungs landschaft? Zum einen besticht sicherlich die Möglichkeit, die alltagsprak tisch relevante und allgegenwärtige Kommunikationsform des Erzählens als eine (scheinbar) einfache, relativ voraussetzungslose und technisch unkom plizierte Methode der Datenerhebung zu nutzen. Die Aufforderung zum Er zählen scheint unmittelbar in das Zentrum der subjektiven Erfahrungen und Sichtweisen unserer Probanden zu führen und sie auch kaum vor Schwierig keiten der Vermittlung zu stellen - schließlich können wir davon ausgehen, dass in unserer Kultur jeder mehr oder weniger ausführlich erzählen kann, "wie alles gekommen ist". Das narrative Interview eröffnet den Zugang zur biografischen Selbstdeutung der Befragten, indem es ihnen ausgezeichnete Möglichkeiten des Ausdrucks und der Setzung ihrer persönlichen Relevan zen gibt. Damit befriedigt es auch die Forscherio in ihrem eigenen Bedürfnis nach einer gelungenen Kommunikation und Teilhabe an anderen Lebens welten. Kurzum, das narrative Interview bietet beste Voraussetzungen, um den methodischen wie den ethischen Standards qualitativer Sozialforschung gerecht zu werden. Die Vielfalt der Forschungsinteressen, für die das narrative Interview mittlerweile eingesetzt wird, können nicht mit einem einzigen, allen Zwecken gleicher Maßen angemessenen Auswertungsverfahren erfasst werden. So wohl in der Erhebungstechnik als auch in der Textauffassung und der Analy semethodik sind neue, den spezifischen Zielen angepasste Wege zu entwik keln, ohne die grundlegenden Vorarbeiten, die im Kontext der Biografiefor schung entstanden, in Frage zu stellen. Einer der wichtigsten und häufigsten Anwendungen des narrativen Inter views liegt im Bereich der Untersuchung von Identitätsformationen. Für die se Aufgabe der Rekonstruktion narrativer Identität anband von narrativen Interviews gibt es jedoch bislang noch keine spezifisch zugeschnittene Aus- 10 Kap. I: Einleitung wertungsmethodik. Und wiewohl in den letzten Jahren einige theoretisch überaus interessante Konzeptionen von ,narrativer Identität' entwickelt wur den, tragen diese doch nicht konsequent den Konstitutionseigenschaften em pirischer autobiografischer Erzählungen Rechnung. Im vorliegenden Buch stellen wir einen Ansatz vor, der diese Lücke zu schließen versucht: Wir ver stehen autobiografisches Erzählen als Herstellung und Darstellung von nar rativer Identität im Interview und entwickeln eine Auswertungsmethodik für das Erkenntnisinteresse ihrer Rekonstruktion. Wir wollen damit eine theore tisch fundierte Methodik anbieten, die sich als variationsfähiges und flexibel adaptierbares Angebot für unterschiedliche Fragestellungen auf dem Hinter grund einer gemeinsamen Auffassung von narrativer Identität und dem im Interview produzierten Erzähltext begreift. Gegenüber den bisher vorherr schenden soziologischen und biografietheoretisch motivierten Ansätzen setzt das vorliegende Konzept andere Schwerpunkte: • Grundlage unseres Interpretationsverfahrens ist ein Verständnis des nar rativen Interviews als einer situierten und durch persönliche Bedürfnisse motivierten Konstruktionsleistung. Im Zentrum des Interesses steht die narrative Identität als eine im Prozess des Erzählens hergestellte Form der Selbstvergewisserung. Sie begründet sich auf der reflexiven Zuwen dung zur eigenen Person, der narrativen Aufordnung der eigenen Erfah rungen und der Ausrichtung auf eine Hörerin als sozialer Ratifizierungs instanz. Das Interview wird so als sich vollziehende Identitätskonstruktion verstanden, in der sich die autobiografische Darstellung von Identität mit der performativen und interaktiven Herstellung von Identität verbindet. • Entsprechend der Fokussierung narrativer Identität als aktueller Herstel lungsleistung wird die Analyse der Biografie in den Dienst der Identitäts rekonstruktion gestellt. Als konstituierender Teil der Identität wird die Biografiedarstellung zur Grundlage der Erhebung und Analyse gemacht. Sie wird jedoch nicht um ihrer selbstwillenals Erarbeitung der Lebens geschichte im Sinne eines "Wie alles war" genutzt. Für die Analyse der narrativen Identität wird sie vor allem als Medium der Selbstpräsentation betrachtet, indem sie zum einen als chronologische Leitlinie dient, zum anderen durch ihren Zeit-, Handlungs- und Ereignisbezug ein "narratives Reflexionsmilieu" schafft: die eigene Person kann so in ihren geschicht lich entfalteten Handlungs-, Ereignis- und Erleheusbezügen dargestellt werden. Der angestrebte Erkenntnisgewinn bezieht sich also auf die aktu ell vollzogene Identität der erzählenden Person im Hier und Jetzt des In terviews. • Damit verliert die Frage nach der Validität biografischen Erinnems oder der Authentizität des Erzählten als Wiedergabe vergangeuer Erfahrungs aufschichtungen an Bedeutung. Im Vordergrund steht vielmehr die Funk tion der biografischen Selbstdarstellung im Dienste der aktuellen Identi tätsherstellung und der Selbstvergewisserung, des Selbstwerterhalts und Kap. I: Einleitung 11 der Bewältigung des Erlebten. Eine entscheidende Leistung des autobio grafischen Erzählens sehen wir daher in der ,narrativen Bewältigung'. Im Mittelpunkt unseres Ansatzes steht die Interpretation von Gewesenem be sonders in Bezug auf ihren Beitrag zur Ermöglichung von Zukunft und Handlungsspielräumen. • Wir betrachten Identität als empirisch zugängliches Phänomen. Dies be deutet, dass das theoretische Konstrukt der ,narrativen Identität' konse quent in den empirischen Handlungen des Subjekts zu fundieren ist. Kon stitutiv für die ,narrative Identität' sind folglich die sprachlich kommunikativen Leistungen, durch die im narrativen Interview Identitäts konstruktion geschieht. Will man diesen sprachlich-kommunikativen und interaktiv hergestellten Charakter von Identität ernst nehmen, macht das nicht nur erforderlich, eine empirisch gehaltvolle und methodologische Konzeption narrativer Identität darzulegen. Notwendig ist ebenso eine Auswertungsmethodik, die die Werkzeuge bereit stellt, um zu rekonstruie ren, wie im Interview sprachlich-kommunikativ Identität hergestellt wird. Wir konzentrieren uns deshalb nicht nur auf die biografie- und er zählstrukturellen Ebenen des Interviewtextes, wie dies die meisten vorlie genden Auswertungskonzeptionen tun. Wir ergänzen diese um die detail lierte Diskussion von Auswertungsschritten und Darstellungsstrukturen im Interview, mit denen sich auch die interaktiven, rhetorischen und rni kroprozessualen Aspekte der Herstellung und Darstellung narrativer Identität analytisch aufschließen lassen. Der vorliegende Ansatz basiert daher neben seinen erzähltheoretischen und hermeneutischen Grundla gen, die er mit vielen anderen Verfahren der Interviewanalyse teilt, auf Grundgedanken der discursive psychology und verwandter Ansätze, der Konversations- und Gesprächsanalyse und der Positioninganalyse, die für das autobiografische Erzählen fruchtbar gemacht und entsprechend ausgearbeitet wurden. • Ausgehend von einer strikt empirischen und textbezogenen Auffassung verstehen wir ,narrative Identität' also als ein interaktiv und lebensge schichtlich situiertes und motiviertes kommunikatives Produkt. Ihre Gül tigkeit begründet sich eher darin, dass sie einen Zugang zu den pragmati schen Möglichkeiten und Interessen von Identitätskonstruktionen der Probanden gibt, als dass sie einen privilegierten Zugang zu Identität als substantiellem, transsituativem Gebilde böte. 1.2 Zielgruppen und Verwendungszwecke des Buches Das vorliegende Buch verfolgt zwei Ziele. Zum einen wird unser Verständnis von ,narrativer Identität' als empirisches Phänomen begründet und entwi ckelt. Zum anderen führt es Schritt für Schritt von der Gegenstandsfundie rung narrativer Identität über die Grundlagen einer erzähltheoretisch und ge-

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