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Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka in den Jahren 1851-1855 PDF

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Electronic edition 2004 for www.siberian-studies.org Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka in den Jahren 1851–1855; von K. von DITTMAR. Auszüge aus dem 1. Teil mit ethnographischem Bezug. Umschiffung der Awatscha-Bau. Lachsart, die aber für den Kamtschadalischen Haus- September 1851. halt wohl die wichtigste sein dürfte, weil ihre Zugzeit eine lang andauernde und in den Herbst hineinrei- [110] chende ist. Es ist der Kisutsch (Salmo sanguinolentus). Über das Tierreich, welches die Awatscha-Bai Dieser Lachs, jetzt hoch rot geworden, ist noch häu- mit ihren Uferbergen belebt, mögen hier auch fig und zwar in den kleinsten und seichtesten Buch- noch einige allgemeine Bemerkungen folgen. Vor ten, wo er nicht selten über den Kies des Grundes, Allem wird Jeder, der diese Ufer besucht, erstau- den halben Körper vom Wasser entblößt, sich noch nen über die zahllose Menge von Seevögeln aller weiter stromauf zu arbeiten versucht. Die hochrote Art, die die hohen, oft unzugänglichen Felsen vor Farbe sollen diese Lachse immer im Herbst nach der und in der Einfahrt bewohnen. Tausende von langen, anstrengenden Reisearbeit bekommen. diesen Tieren sieht man hoch am Rande der In Begleitung dieser Fischmassen werden oft See- Felsen sitzen oder auf dem Wasser schwimmen; hunde, besonders der große Lachtak (Phoca nautica), dann, plötzlich aufgestört, erheben sich diese sichtbar, und majestätisch auf- und abtauchend hält kolossalen Scharen mit betäubendem Geschrei in nicht selten ein Walfisch, Fontänen spritzend, seinen die Lüfte, wirbeln eine Zeit lang bunt durch ein- Einzug in die Awatscha-Bai. Als seltenere Erschei- ander, und wenden sich wieder ihren Brutstätten nung auf den Riffen und Felsen des Einganges wäre zu, — ein endloses Lärmen und Krächzen. Bald noch der Seelöwe (Ssiwutsch, Phoca leonina) zu hier, bald dort erhebt sich eine Schar zum Fluge erwähnen. An den übrigen Ufern der Bai sind es oder jagt den Felsenkämmen in schwindelnder mehr vereinzelte, kleinere Gesellschaften von Enten, Höhe zu, während andere tauchend und schwim- Tauchern und Möwen, die man antrifft, und ebenso mend ihrer Beute nachgehen. sind die Wälder und Gebüsche nur von weniger Hier sieht man ganze Reihen von Seeraben zahlreichen Landvögeln bevölkert. (Uril, Phalacrocorax pelagicus) in ihrem schwarzen Von den Landsäugetieren dürfte weniger zu sagen Gefieder auf höchstem Felsenrande in eigentüm- sein, da diese, wie z. B. der Zobel, der Fuchs, der licher aufrechter Stellung sitzen und neugierig in Hase etc., nur ganz vereinzelt vorkommen. Mit die Tiefe sehen; dort sitzt in gleicher Stellung eine Dank aber hat der in Kamtschatka Reisende des ebenso große Schar von Seepapageien (Toporok, Bären als seines vorzüglichsten Wegebauers zu ge- Lunda arctica), ebenfalls von dunklem Gefieder, denken. Die Bärenwege sind, namentlich in den vom mit dem hellen Papageischnabel und nach hinten Peterpaulshafen entlegeneren Gegenden, keine sel- herabhängendem Zöpfchen; dicht daneben be- tene Erscheinung. Die Tiere selbst waren in so später finden sich zahllose Möwen der verschiedensten Jahreszeit nicht mehr sichtbar, sondern wohl schon Arten mit hellen, weißen Kleidern, ferner die alle den [112] höheren Landesteilen zugewandert, um Staritschki (Uria senicula) und massenhafte Züge ihre Lagerstätten aufzusuchen. Unter den Kam- von Enten aller Art. tschadalischen Jägern gilt es als ganz feststehend, Während so die Felsen und Abhänge, die dass der Bär am 14. September ins Lager geht und Wasseroberfläche und periodisch die Luft von dieses kaum vor dem 25. März verlässt: «diese Tage diesem bunten und ewig lärmenden Vogelleben sind seine Termine» (eto jim ssrok), pflegt der Jäger angefüllt sind, zieht aus der Tiefe des Ozeans hier mit Bestimmtheit auszusprechen. durch die Meerenge in die Bai und den dahin Diese merkwürdigen Wege führen am sichersten mündenden Flüssen zu das stumme Heer der zu den gangbarsten Pässen über die Gebirge, laufen unzählbaren Fische. Es sind die bekannten an steilen Felsen und Caps vorüber, zu den seichtes- Lachs- und Heringszüge, die [111] alle Flüsse und ten Stellen der Flüsse, umgehen die undurchdring- Buchten Kamtschatkas mit der unglaublichsten lichen Gegenden des Kedrowyi- und Olchowyi- Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit besuchen. sslanez, vermeiden Sümpfe und ungangbare Partien Jetzt, im späten Herbst, zog noch die letzte jeder Art und führen dagegen sicher zu den fisch- Unter Modernisierung der Rechtschreibung digitalisiert von Michael Dürr ([email protected]) nach: Karl von Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka in den Jahren 1851–1855 ... Erster Theil. St. Petersburg, 1890. reichen Flüssen und Seen und zu den reichsten Tour zum Awatscha-Vulkan. Beerenplätzen. Die ganze Halbinsel Kamtschatka Oktober 1851. von Norden nach Süden und von Osten nach Westen ist von solchen guten und vollkommen [140] fest eingetretenen Bärenstegen durchkreuzt und Es waren namentlich: die zweite Mutnaja, dann die durchschnitten. Es könnte kein Mensch sie besser Kirilkina und endlich der Sswetlyi-kljutsch (klare anlegen und eintreten. Man sieht oft Stege, Quelle). Hier, an den Ufern des letzteren, zieht sich welche schon seit uralter Zeit die Verkehrsstrassen eine Waldung von hochstämmigen Pappeln hin, dieser klugen Tiere gewesen sein müssen, denn, deren Stämme im Winter zu Baumaterial für den fest, graslos und fast zwei Fuß breit eingetreten, Peterpaulshafen gefällt werden, um dann auf dem ziehen sie sich durch das Land, alles den Awatscha herabgeflößt zu werden. Auch war hier Wanderer Störende vermeidend. Der Neuling im eine Jurte erbaut, um den Arbeitern vor den Schnee- Lande muss glauben, wenn er plötzlich, aus dem stürmen des Winters Schutz zu gewähren. Als Bau- Dickicht der Gras- und Strauchvegetation hervor, material werden in dieser Gegend immer die hohen, einen solchen Weg betritt, dass er einen Verbin- schlanken Stämme der Pappel und der Weide dungsweg zwischen belebten Dörfern erreicht hat, (Wetlowina) und sogar geradere Stämme der Birke während es doch nur die Anlagen dieser vier- (B. Ermani) benutzt, da der ganze südliche Teil füßigen, außerordentlichen Wegebauingenieure Kamtschatkas mit Ausnahme der kriechenden Zirbel sind, die jede menschliche Wohnung vermeiden. durchaus keine Nadelbäume hat. Ebenso kommt hier Blindlings kann man, wenn die Richtung dem die europäische Birke (B. alba), die in dichten Be- Reisezweck entspricht, diesen Wegen folgen, die ständen auch schöne, gerade Stämme bildet, nicht mit der unglaublichsten Ortskenntnis, immer aber vor und ist, gleich wie die Nadelbäume, erst im Tale zu den praktischen Zwecken des Wegemeisters des Kamtschatka-Flusses zu finden. selbst, durchgeführt sind. Jetzt sah man hier schon oft Eis an den Gewässern und nicht selten Schneepartien, auf denen die Jäger [127] sofort Spuren von Flussottern (Wydra), Zobeln und Eine alte Sage der Kamtschadalen bringt sogar noch von ein paar Bären entdeckten. Im vielleicht nicht ohne Grund die Entstehung Birkenwalde waren auch hier wieder sehr häufig zweier dieser Seen in Zusammenhang mit dem Auerhühner und eine zahllose Menge von Bauen der Auftreten neuer Vulkane. Der Scheweljutsch, Sammelmaus zu sehen. Diese fleißigen Tierchen hat- heißt es, habe früher dort gestanden, wo jetzt der ten jetzt schon ihre Wintervorräte unter den hohen Kronozker See wogt, und ebenso habe der Vulkan, Schichten von welkem Grase und Moose reichlich der jetzt die Vulkaninsel Alaïd bildet, früher im angehäuft. Ein solcher Bau, aus verschiedenen Kurilischen See seine Tätigkeit [128] gehabt und kleinen Gängen [141] bestehend und durch diese sei dann, sein Herz im See zurücklassend, auf die nicht selten mit Nachbarbauen verbunden, enthält neue Stelle im Meer ausgewandert. Dieses Herz ein bis zwei Liter Wurzelstücke, unter denen die des Vulkans, der noch jetzt im See stehende, Sarana bei Weitem die größte Menge ausmacht. isolierte Fels, ist in der Sage verherrlicht und Alle Wurzeln und Knollen lagen sehr geordnet und bildet vielleicht eine Erscheinung, die der gereinigt im Bau. Die Beraubung dieser Baue, eine Chlebalkin-Insel in der Awatscha-Bai analog ist. nicht unwichtige Verproviantierungsarbeit der Kamtschadalen, geschieht auf sehr bedachte und [139] rücksichtsvolle Weise, denn nie wird ein Bau ganz Zu den gereichten Speisen gehörte auch eine ausgehoben, und dann geschieht dies auch nicht zu echt kamtschadalische, die ich in der Folgezeit nur spät im Herbst, um, falls zu viel entnommen worden, zu gut kennen lernte, nämlich die Wurzelknollen den Sammlern dennoch Zeit zu lassen, ihre Vorräte der Fritillaria Sarana, welche gekocht und gebra- wieder zu ergänzen. ten der Kartoffel ähnlich schmecken, nur vielleicht etwas süßlicher. K. von Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 2 Anhang: Aufenthalt im Peterpaulshafen [160] im Winter 1851/52. Am 10. November kam er nun plötzlich mit vollem Anspann angefahren und stellte mir die Hunde mit [145] Schlitten, Schneeschuhen etc. zur Verfügung. Es Am 17. Oktober zog hier eine lärmende Gesell- waren acht schöne, große, ganz schwarze Tiere und schaft ein, die Zughunde. Den ganzen Sommer ein ebenso großer, fuchsroter Vor- oder Spitzhund. über lässt man die Tiere frei im Lande umher- Dieser letztere war von besonderer Tüchtigkeit und streifen, damit sie sich durch eigene Jagd und Gelehrigkeit, worauf Alles beim Hundefahren Fischerei ihre Nahrung selbst schaffen. Im Herbst ankommt, und daher auch der bei weitem teuerste. aber sucht man sie auf, oder sie stellen sich auch Während ich für diesen einen Hund 25 Rbl. zu selbst wieder ein, wenn der Tisch im Freien nicht zahlen hatte, kosteten alle acht anderen zusammen mehr so reich gedeckt ist, d. h. wenn die Fisch- nur 40 Rbl. Für den Schlitten, die Geschirre und das züge in den Flüssen aufhören. Nun sammelt man ganze übrige Zubehör wurden endlich auch 40 Rbl. sie an passenden Orten zusammen und bringt sie verlangt. Der Handel wurde sofort abgeschlossen nach Hause, um sie dann neben oder hinter den und für Tabak und Tee noch der nötige Vorrat an Häusern ihrer Besitzer für den ganzen Winter Jukola angeschafft. Maschigin hatte mich ganz anzuketten. Hier bleiben sie bei jedem Wetter besonders protegiert, denn einmal hatte er die Tiere unter freiem Himmel und werden an Ort und sehr billig zusammengebracht, und dann waren es Stelle mit zu diesem Zweck im Sommer getrock- nicht nur sehr kräftige Hunde, sondern auch eine neten Lachsen (Jukola) gefüttert. Diese Jukola ist nach hiesiger Anschauung sehr elegante Auswahl. geradezu die wichtigste Lebensfrage im Haushalt Die allergrößte Zahl der Zughunde ist fahlgrau und der Kamtschadalen, für das ganze Land. Bei jeder dunkel gefleckt. Die einfarbigen, namentlich die Niederlassung in Kamtschatka finden sich lange ganz schwarzen oder fuchsroten sind entschieden die Reihen von Holzgerüsten, die [146] teils über- selteneren. Die gewöhnliche Größe ist zwei Fuß dacht sind und auf denen an Holzstangen die Rückenhöhe, während die meinigen wohl auch nahe ½ zuvor ausgeweideten Lachse hängen. Jeder Fisch 2 Fuß hoch waren. Die Gestalt ist bei allen echten bekommt einen seitlichen Einschnitt unter den Zughunden die des Schäferhundes, d. h. spitze Kiemen, wird dann der Länge nach der Wirbel- Schnauze, aufrecht stehende, spitze Ohren, aufrecht säule parallel bis nahe zur Schwanzflosse durch- stehender, dem Rücken zu gewundener, ziemlich geschnitten und aufgehängt, so dass also der Kopf zottiger Schwanz, hohe, kräftige Beine und recht mit der Wirbelsäule an der einen Hälfte verbleibt, voller, langer Haarwuchs. während die andere nur das weiche Seitenfleisch Der Fahrschlitten hat bis 7 Fuß Länge bei 4 Fuß des Fisches behält. So hängen im ganzen Lande Spurbreite und womöglich etwas biegsame Sohlen, Millionen von Fischen. Was nicht verfault und die unten mit einer Walfischbarte belegt sind, um schon zeitig von Würmern verzehrt wird, wird glatteren Lauf zu haben. An gewöhnlichen Schlitten trocken und als Wintervorrat bewahrt. Die besten fehlt dieses Fischbein. Auf diesen zwei Sohlen Stücke werden sorgfältiger behandelt und als erheben sich je zwei Füße, welche einen [161] etwa menschliche Speise aufgehoben. Der Rest ist eben 9 Zoll breiten und bis 3 Fuß langen Korb tragen, der Futter für die Hunde, dieses wichtigste Haustier sich seitlich bis 4 Zoll aufbiegt, während er vorn und der Kamtschadalen. Nur die Gewohnheit von hinten die Taillenhöhe des darauf Sitzenden erreicht. Geburt an kann gegen den ganz unbeschreiblichen Die Höhe des Sitzes (Korbes) ist der gewöhnlichen Gestank dieser Orte abstumpfen. Weniger schwer Stuhlhöhe gleich. Er wird mit einem Bärenfell gewöhnt man sich an das durchdringende Geheul überdeckt. Die Schneeschuhe werden, wenn nicht im der Hunde, die zu jeder Tag- und Nachtzeit ihr Gebrauch, seitlich an die Schlittenfüße gebunden. erschreckliches Konzert anstimmen. Erst lässt hier Der Schlitten hat keine Deichsel, sondern wird nur und da ein Hund seine lang gezogenen Klagetöne durch einen Riemenanspann von den Hunden gezo- erschallen, dann fallen immer mehr und mehr gen, und zwar so, dass der sehr solide Hauptriemen Stimmen ein, bis endlich ganze Riesenchöre die vom Schlitten bis zum Spitzhunde verläuft. Die Luft erzittern machen. übrigen Hunde sind alle paarweise hinter diesen Spitz- und Haupthund an dem Hauptriemen befestigt. Jeder Hund trägt nämlich beständig einen K. von Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 3 festen, ledernen Halsriemen mit einem daran sehr praktische, korjakisch-kamtschadalische Kostüm hängenden Haken, und alle Enden der Anspann- beschafft werden, was nicht schwer war, da die riemen verlaufen in eine weite, lose Schlinge, russischen Kaufleute in der Regel dergleichen bereit durch die der Kopf und ein Vorderbein des halten. Es besteht aus der Kukljanka und den Hundes gesteckt werden, während die Haken der Torbossy. Beide bestehen aus Rentierpelzwerk. Die Halsriemen in die Widerhaken der Schlingen Kukljanka ist ein riesiges, sehr vollkommenes, bis an eingreifen. Die Hunde ziehen also mit dem die Knie hinabreichendes Pelzhemd, mit sehr Nacken und der Brust, wodurch sie die größte breiten, bequemen Ärmeln. Dies Kleidungsstück ist Zugkraft entwickeln können. Regiert werden die vorn nicht aufgeschnitten und hat nur am oberen Tiere nur durch Worte, welche der Spitzhund, Ende eine Öffnung, durch welche der Kopf beim wenn er gut dressiert ist, außerordentlich gut Anziehen hervor-, aber dann auch sogleich in eine versteht und auch sofort befolgt. Die Regierworte, Kapuze eintritt, [163] welche über der Öffnung derart dem Kamtschadalischen entnommen, sind allge- angebracht ist, dass nur das Gesicht allein frei bleibt. mein dieselben und zwar folgende: kach, kach — Diese Kapuze kann aber auch abgestreift werden und rechts, hug, hug — links, nä, nä — halt, ha, ha — hängt dann frei auf dem Rücken. Vorn, unter dem gerade oder auch vorwärts. Es kommt vor, dass Gesicht hängt ein großer Pelzlatz, den man heben kluge Spitzhunde mit Wut über nicht gleich ge- kann und der dann bei kaltem Winde ein großer horchende Folgehunde herfallen und erst wieder Schutz ist. Dieses Pelzhemd ist aus doppelten Fellen zu ziehen beginnen, nachdem sie diesen eine gemacht, so dass nach außen sowohl, als nach innen derbe Lektion erteilt haben. Ich habe oft Gelegen- Haarseiten gekehrt sind. Um die Taille wird ein heit gehabt, meinen roten Spitzhund «Kraska» zu Ledergurt getragen, um den Pelz anzuschließen, bewundern, wie gut und klug er seine Gefährten zugleich aber auch um ihn hoch aufzuschürzen, regierte. damit seine Länge beim Gehen und Fahren nicht Der Fahrende sitzt reitend, wenn er aber hindere. Die Länge dieses Kleidungsstückes aber Geschicklichkeit [162] erworben, seitlich auf dem kommt erst zu ihrer wahren Geltung beim Biwa- Schlitten. Die geübten Kamtschadalen stehen kieren im Freien. Die Torbossy sind lange, sehr sogar oft, indem sie den linken Fuß auf die bequeme Pelzstiefel, deren weiche Sohlen aus nach Schlittensohle stellen und den rechten auf einen innen gekehrtem Bärenfell bestehen. Schneeschuh, der parallel neben der Schlittensohle Nach vollendeter Ausrüstung sollte nun auch bald mitläuft. Zügel fehlen ganz, daher jeder Fahrende die erste Übungsfahrt gemacht werden. Übung aber den ganz unvermeidlichen Oschtol in der Hand gehört wohl sehr dazu, ehe man einigermaßen sicher hält. Dies ist ein fast mannslanger, kräftiger, wird. Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass unten etwas gekrümmter, stark und spitz mit man das Fahren nicht eher erlernt, als bis man jede Eisen beschlagener Stab, der am oberen Ende mit Kombination der verschiedenen Vorkommnisse einer Menge von Metallklappern und kleinen wenigstens mit einem Umsturz bezahlt hat. Die Schellen verziert ist. Der Oschtol ist von höchster Schneemassen sind aber weich, und man kommt Wichtigkeit, und es geht alle Leitungsgewalt nicht leicht zu Schaden. Viel schlimmer als durch das verloren, sobald er den Händen entfällt. Er dient Umfallen selbst geht es Einem, wenn man den zum Anhalten des Schlittens und zum Aufhalten Schlitten dabei loslässt und die Hunde nun mit dem desselben bei Bergabfahrten, damit die Hunde leeren Gefährt in gestrecktem Laufe davon rennen. von dem oft schnell nachschießenden Schlitten Da läuft man oft Gefahr, Werste weit zu Fuß zu nicht überfahren werden. Man steckt diesen Stab gehen, und der Marsch kann bis zur höchsten vor einen der Schlittenfüße in den Schnee und Ermüdung lang werden, wenn nicht ein zufällig hemmt dadurch, dass die Eisenspitze in den Entgegenkommender die Flucht der Tiere hemmt, Schnee eingreift, den Lauf ganz oder teilweise, je oder aber der etwa umgeschlagene Schlitten an nachdem man den Stab mehr oder weniger tief in irgend einem Gesträuch hängen geblieben ist. Ist den Schnee stößt. Die Lastschlitten (Narten) sind dieses Letztere passiert, so weiß der in schwerem ganz niedrig, ohne Korb und haben statt dessen Pelz durch tiefen Schnee mühsam Nachhinkende nur einen soliden Holzrahmen, auf den die Lasten sogleich, dass er [164] bald am Ende seiner Fußtour geladen werden. Nun musste noch das nötige, auf steht, denn so wie die Tiere merken, dass sie sich Hundefahrten und hier im Lande überhaupt so festgerannt haben, setzen sie sich alle zusammen vor K. von Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 4 den Schlitten und stimmen ein jämmerliches ist ein großer, niedriger Schlitten mit Verdeck und Geheul an. Die guten Hunde sind gehorsam und vorderem Schutzleder, so dass man denselben ganz folgen dem Kommando, aber doch stets mit der schließen kann. Sie ist lang, schmal und nur für einen Absicht, wo nur irgend möglich ihrem Führer Fahrenden und zwar in liegender Stellung einge- einen Schabernack zu spielen. Man muss die Tiere richtet, — eigentlich eine solid gebaute Narte mit stets im Auge behalten und ihnen sofort drohend aufgesetztem verdeckten, langen Kasten. Diese zurufen, sobald etwas nicht in Ordnung ist, denn Schlitten [179] werden je nach dem Wege mit 15 bis sonst kann man sicher sein, dass Ungehöriges 21 Hunden bespannt und von einem oder, bei passiert. Es ist sehr amüsant zu sehen, wie die schwierigen Bergpartien, auch von zwei Leuten (den Hunde beim Laufen sich fortwährend nach dem im Kamtschadalischen sogen. Kajuren) gelenkt, die Lenker umsehen, um einen unbewachten Moment zu beiden Seiten auf dem Bock sitzen oder auf den zu einem Streich zu benutzen. Plötzlich und rasch Schlittensohlen stehen. vom Wege ablenken, ins Gesträuch oder auf Nach fröhlichem, von vielen Toasten und Glück- Steine loslaufen, oder auch sich untereinander wünschen zur Reise gewürzten Mahle fuhren wir raufen sind bei ihnen sehr beliebte Dinge. Am endlich um 4 Uhr ab und waren um 9 Uhr Abends in unbändigsten aber sind sie, wenn irgend ein Wild Korjaka. Der Weg führte bei meist starker Steigung aufgeht, ein Hase oder auch nur ein Vogel, dann durch schönen Birkenwald (B. Ermani), in nicht gar gilt es den Oschtol kräftig in den Schnee einzu- großer Entfernung vom Korjaka-Flusse, der dem setzen, um ihrer Jagdpassion Einhalt zu tun. Auch Awatscha von der rechten Seite zufließt. Die Stube der erfahrenste Hundefahrer hat mit fremden des Tojon (d. h. Dorfältesten im Kamtschadalischen) Hunden zuerst viel zu schaffen, denn die Tiere war reinlich und gut gehalten. Zum Tee, den wir hier raffinieren ordentlich, wenn sie einen fremden tranken, wurde uns eine Teemaschine und ein oder gar ungewandten Lenker haben, in allen reiches, hübsches Service gereicht. Die Kamtschada- möglichen Versuchen, ihn in den Schnee zu len sind sämtlich große Freunde von Tee; und da werfen, und gehen erst gut und folgsam, sobald sie ihnen dieses köstliche Kraut oft fehlt, so sehen sie es erkannt haben, dass sie ihren Meister gefunden. nur zu gern, wenn die Durchreisenden sich ihren Natürlich gilt dies Alles nur von gut gehaltenen eignen Tee bereiten lassen. Es ist in diesem Falle Hunden und nicht von den unglücklichen, oft ganz akzeptiert, dass alle Bewohner des Ostrogs1) schrecklich abgejagten Tieren, die in anhaltend sich an diesem Genüsse beteiligen und daher von schwerer Arbeit, wie Anfuhr von Baubalken, erster Wichtigkeit, auf den Reisen hier zu Lande Brennholz etc., gestanden. größere Teevorräte mit sich zu führen. Das Trakta- ment mit diesem Getränk oder gar das Hinterlassen Winterreise nach Nishne-Kamtschatsk. von kleinen Portionen von Tee, Tabak oder Brannt- Januar 1852. wein tritt hier ganz allgemein an Stelle der Trink- gelder, oder auch als Belohnung für gereichte Speisen [178] oder geleistete Dienste ein. Die Abreise war auf den 15. Januar festgesetzt. Schon am 14. aber waren unsere großen, verdeck- [184] ten Reiseschlitten (Pawosken) mit allem Gepäck Sawoiko eilte auch sogleich weiter, in das ganz nach Staryi-ostrog vorausgeschickt worden. Bis nahe, große, russische Dorf Milkowa, wo wir denn dahin sollten wir in den gewöhnlichen kleinen, auch schon um 8 Uhr Abends anlangten. Gastlich von uns selbst gelenkten Fahrschlitten fahren, und und mit allen Ehren, die dem Landeschef zukamen, zwar in größerer Gesellschaft, da viele der Beam- wurden wir in dem reinlichen und geräumigen Hause ten Sawoiko das Geleit geben wollten. Früh Mor- des Dorfältesten empfangen und mit reichlicher gens um 7 Uhr fuhr eine Reihe von 14 Schlitten ab Mahlzeit, bei welcher der Argalibraten natürlich und war bereits um 11 Uhr in Staryi-ostrog, den bekannten Weg über das Dorf Awatscha 1 Die russische Bezeichnung Ostrog bedeutet eigentlich nehmend. Hier wurden die Pawosken bepackt und einen befestigten Ort und stammt aus der ersten Zeit der in Bereitschaft gebracht, während in dem geräu- Landeseroberung. Jetzt wird hier jeder Ort, der von migen Hause des alten Maschigin ein reichliches Kamtschadalen bewohnt ist, so genannt, obgleich in ganz Kamtschatka kein einziger wirklich befestigter Ort mehr Abschiedsmahl aufgetragen wurde. Die Pawoska zu finden ist. K. von Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 5 nicht fehlen durfte, bewirtet. Milkowa nennt sich etwas über 200 Köpfe große Einwohnerzahl beiderlei ein russisches Dorf und nicht einen kamtschada- Geschlechts zusammen hat, ununterbrochen von der lischen Ostrog, und die Bewohner halten, Regierung dazu angehalten, mit mehr oder weniger obgleich sie sich weder in der Tracht, noch in der Glück Ackerbauversuche gemacht, und es finden sich Sprache, noch auch in irgend einer anderen in ihren Ställen einige Pferde und eine kleine Rind- Beziehung wesentlich von den Kamtschadalen viehherde, so dass wenigstens nach außen der Schein unterscheiden, doch sehr darauf, reine Russen zu eines russischen Dorfes gewahrt war. sein. So gab es hier denn auch keinen Tojon, sondern einen Dorfältesten. Die russische Sprache [203] war hier vielleicht nur um sehr Weniges reiner zu In Bezug auf das Tierreich ist nur wenig zu sagen. nennen als bei den Kamtschadalen. Durch Dass Schwäne hier überwintern, wurde uns in Jahrzehnte in den engsten Beziehungen zu den Werchne-Kamtschatsk [204] gesagt, und in der Tat Nachbarn lebend und häufige Mischehen mit sahen wir dort auf dem nichtgefrorenen Flusse eine ihnen schließend, hatten sie sich wohl ebensoweit Menge dieser Tiere mit verschiedenen Entenarten den Kamtschadalen genähert, als diese ihrerseits zusammen. Eben dasselbe erfuhren wir an der dem russischen Wesen und der russischen Sitte Mündung des Kamtschatka-Flusses, wo außerdem entgegengekommen waren, und so ist hier denn Seehunde und Seelöwen, ja auch hin und wieder ein ganz eigenes Gemisch entstanden, welches sogar Walrosse sich zeigen. Aus der Häufigkeit der zwischen beiden Nationen steht. Die Gesichts- vortrefflichen Braten, die uns in fast allen Ostrogs bildung ist nur selten europäisch, und gerade in vorgesetzt wurden, ersahen wir, dass die Gebirge dieser Beziehung scheint das [185] Kamtscha- Kamtschatkas noch reich an Argalis und Rentieren dalentum den Sieg zu behaupten. Dafür haben die sind, und die nicht unbedeutende Jagdbeute der Kamtschadalen, besonders seit dem sie ihre alten Leute hatte in diesem Jahre besonders viele Zobel Erdjurten ganz gegen russisch gebaute Häuser und Füchse aufzuweisen, deren Spuren, so wie auch vertauscht haben, sehr viel von russischen Sitten solche von Hasen, wir im frischen Schnee oft in und Allüren angenommen, und nur einzelne ganz großer Zahl beobachteten. Außerdem zeigte sich oft altkamtschadalische Gebräuche beibehalten, wie und namentlich in Birkenwäldern eine Art Auerhuhn die ganze Hunde- und Fischwirtschaft und was und waren überall Schneehühner sehr häufig. Die damit im Zusammenhange steht, so dass sich Gebirge haben sämtlich eine kuppige oder zerrissene manche sehr auffallende Kontraste gebildet haben. Gestalt, so dass neptunische Formationen nur als Die russischen Bauern sind, und hierin möchte sehr untergeordnet oder zerstört und gehoben vielleicht der Hauptunterschied liegen, aufrich- anzunehmen sind. tiger und mit etwas mehr Verständnis kirchlich, Von den Vulkanen waren der große Tolbatscha während die Kamtschadalen, obgleich alle getauft, und die Kljutschefskaja Ssopka soweit tätig, dass doch nur bis zur alleräußersten Schale in das ihnen Dampfsäulen entstiegen, eine Erscheinung, die griechische Christentum eingedrungen sind und besonders bei dem letzteren sehr großartig war. Der die neue Religion gleichsam nur als eine andere, Krestofsker und Uschkinsker Vulkan, die beide hart jetzt fest verordnete Art und Form des Schama- neben der Kljutschefskaja stehen, schienen ganz tot nentums ansehen. Daraus ist nun bei ihnen ein zu sein, und ebenso erschien mir der Schiweljutsch, grenzenloser Wirrwarr von altem heidnischen obgleich die Leute behaupten, auch aus seinem Aberglauben und den äußerlichen Gebräuchen der Krater Dämpfe aufsteigen gesehen zu haben. Von griechischen Kirche entstanden. Das Dorf wurde dem Kronozker und Shupanofsker Vulkan habe ich im Anfange dieses oder zu Ende des vorigen keinerlei Nachrichten erhalten können. Dafür schien Jahrhunderts angelegt, und zwar wurden damals der Ssemjatschik seit dem Herbst 1851 in lebhafter russische Bauern aus Sibirien hierher übergeführt. Tätigkeit gewesen zu sein, denn die sehr reichlichen Jetzt standen die 27 solid und ordentlich gebauten Aschenfälle bei Kyrganik, Milkowa und Werchne- Häuser in zwei langen Reihen, umgeben von Kamtschatsk sollen von diesem Vulkan herstammen. Ställen, Vorratshäusern und recht großen, um- Heiße Quellen wurden mir genannt bei Natschika, zäunten Gemüsegärten. In der Mitte des Dorfes bei [205] Malka und außerdem noch eine an der erhebt sich eine aus Holz erbaute, hübsche Kirche, Bannaja und eine andere am Ssiku, zwei Neben- welche ein hier lebender Geistlicher bedient. Die flüssen des Natschika-Flusses von Süden. Endlich K. von Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 6 dürften wohl hierher auch jene Seen und Flussteile Die Wiesen sind durch die große Üppigkeit des gerechnet werden, die selbst bei einer Kälte von Graswuchses prachtvoll und lassen eine sehr 30° nicht gefrieren, wie der See bei Uschki, der bedeutende Entwickelung der Viehzucht zu. Leider Fluss bei Werchne-Kamtschatsk und ein quelliger wird aber gerade auf die Viehzucht weniger Nach- Flussarm bei Kljutschi, von welchem dieses Dorf druck gelegt, statt durch strengste Förderung und auch den Namen führt. Belehrung der Sache nachzuhelfen. Auch sind die Von den 22 kleinen Ortschaften, die wir auf zahllosen Raubtiere wohl noch sehr störend und unserer Reise passierten, haben acht Einwohner große Verluste bringend. Dazu rechne ich vor Allem von russischer oder überhaupt nicht rein kam- die Bären, die vom Frühling bis zum Herbst in tschadalischer Abstammung. Ich lasse diese, nach fabelhaften Mengen das ganze Land nach allen ihrer Größe geordnet, hier folgen: Kljutschi mit Richtungen durchstreifen. Ferner ist der Zughund 50, Milkowa mit 27 und Nishne-Kamtschatsk mit während seiner Freiheitszeit, den ganzen Sommer 20 Wohnhäusern, die Niederlassung an der Mün- über, namentlich für die jungen Haustiere sehr dung des Kamtschatka-Flusses mit 15, Awatscha gefährlich, und endlich ist auch der Wolf in manchen mit 6, Werchne-Kamtschatsk mit 10, Staryi- Gegenden des Landes, wie z.B. am Westufer, zu ostrog mit 8 und Kresty mit 5 Wohnhäusern. Die fürchten. Pferde sind nur in geringer Zahl im Lande übrigen 14 Ostrogs sind mehr oder weniger von vorhanden, Hühner sehr selten, Schafe und Schweine rein kamtschadalischer Abstammung, und von gar nicht. Von den Gemüsen gedeihen wohl überall diesen sind Natschika, Ganal, Pnstschina und Kartoffeln, Kohl und verschiedene Rübenarten, wäh- Kamennoi durch die schrecklichsten Krankheiten rend der Anbau von Cerealien, trotz der vorzüglichen (Syphilis), zu denen als Schluss oft noch die fürch- Fruchtbarkeit des Bodens, der frühen Nachtfröste terlichsten Aussatzerscheinungen kommen, in der wegen nie zu Resultaten führen wird und nie dem miserabelsten Lage und wohl im Aussterben [207] ganzen Lande, besonders wenn einst eine dich- begriffen. In diesen unglücklichen Ortschaften tere Bevölkerung hier wohnen sollte, ausreichende müssen häufig einer oder ein paar noch halbwegs Nahrung geben kann. Nächst dem Gartenbau und Gesundere die ganze Arbeit für Alle übernehmen, der Viehzucht, zwei Faktoren, mit denen sicher wie Fischen und Jagen, um die Nahrungsmittel für gerechnet werden darf, sind es die Jagd und die den Ostrog zu beschaffen, Brennholz Heran- Fischerei, welche das Land ernähren. Die Fischerei fahren u. s. w. Verarmt und hilflos, gehen diese (in den Flüssen nur Lachsarten, im Meere Heringe) Leute ihrem Verderben entgegen. gibt die Hauptnahrungsmittel; dazu kommt die Jagd Die übrigen Ostrogs machen einen geordne- (auf Schafe, Rentiere, Bären, Seehunde und die teren und wohlhabenderen Eindruck. Besonders verschiedensten Vogelarten), welche nicht allein sehr da, wo das nationale Element noch ganz vorherr- willkommene Abwechselung in der Speise gibt, schend geblieben ist und man die kamtschada- sondern auch eine Menge hochwichtiger Dinge in lische Sprache sprechen hört, wie in Kyrganik, die Wirtschaft und den ganzen Haushalt liefert, wie [206] Maschura, Tschapina, Tolbatscha und Pelze, Leder, Fett, Riemen, Betten (Bärenfelle). Die Kosyrefsk. Eine sehr wohltätige Errungenschaft erbeuteten teuren Pelztiere, wie Zobel, Fuchs und für Land und Leute ist, dass überall das russische Otter, schaffen die Luxusgegenstände ins Haus. Haus die alte Erdjurte verdrängt hat, denn in allen Das Eichhörnchen, dieses für ganz Sibirien so genannten Orten habe ich nur gut gebaute, warme hochwichtige Pelztierchen, welches dort sowohl Häuser gesehen, deren Wert von den Bewohnern Jägern, als Pelzhändlern die besten Einnahmen gibt sehr hoch anerkannt und geschätzt wird. und viele Bewohner des Landes ernährt, fehlt in Alle Kamtschadalen gehören der griechischen Kamtschatka vollständig. Es ist ein entschiedener Kirche an, und es finden sich Kirchen in Milkowa, Waldbewohner. Da aber der Norden Kamtschatkas Nishne-Kamtschatsk und Kljutschi; außerdem ganz waldlos und durch eine endlose Moostundra gibt es in mehreren Ostrogs Kapellen, die von von den Waldregionen Sibiriens getrennt ist, gleich- heranreisenden Geistlichen hin und wieder sam eine vom übrigen Festlande ganz abgeschiedene bedient werden. Waldinsel bildend, so hat dieses Tierchen auch nicht Gartenbau und Viehzucht trifft man überall in bis nach dieser Halbinsel vordringen und sich dort geringem Maße an, am meisten wohl in den verbreiten können. Wiederholt, aber leider immer beiden großen Dörfern Milkowa und Kljutschi. erfolglos, habe ich den Vorschlag gemacht, in Ajan K. von Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 7 oder Ochotsk eine größere Menge dieser Tierchen aufzusuchen. Sawoiko gab ihnen einen Beamten zur einfangen zu lassen, um sie lebend nach Kam- Begleitung zu den Kaufleuten mit, und bald zogen tschatka zu bringen und dort heimisch zu machen. sie hoch beglückt, mit einer Menge von Waren Die ganze Halbinsel ist vom Meere bis hoch in beladen, wieder ab. Schießbedarf, Tabak, Perlen, die Gebirge hinein von Zirbelkiefern bedeckt, die einige Eisenwerkzeuge, Kessel und einige Zeuge eine sehr nahrhafte kleine Nuss in ihren Zapfen waren von ihnen gegen die mitgebrachten Zobel und reifen und den Eichhörnchen die ausreichendste Füchse eingekauft worden. Die Lamuten erzählten, Nahrung geben würden. dass sie sich in der Gegend von Bolscherezk nieder- gelassen, Hunde gekauft und Narten angefertigt Anhang: Aufenthalt im Peterpaulshafen hätten und mit ihrer neuen Heimat, Kamtschatka, im Winter 1851/52. sehr zufrieden seien. Es ist, nun eine interessante und sehr wichtige Frage an die Zukunft, ob dieses [213] kräftige, gesunde und rührige Nomadenvolk wohl Am 2. März erhielt der Peterpaulshafen einen dazu bestimmt sei, allmählich die immer mehr höchst bemerkenswerten Besuch. Zum ersten Mal ausstehenden Kamtschadalen zu ersetzen und dieses kamen Lamuten hierher. Vier Männer dieses menschenleere Land wieder neu zu bevölkern. Volkes fuhren am Morgen dieses Tages direkt bei ... [215] Sawoiko vor, um ihn zu fragen, wo sie am vorteil- Von Mitte März an erschienen fast täglich Kam- haftesten ihre Jagdbeute verkaufen könnten. Die tschadalen im Peterpaulshafen, um hier, im Hauptort Lamuten sind ein tungusischer Volksstamm, der des Handels, ihre Jagdbeute zu verwerten, und auf der Westseite des Ochotskischen Meeres etwa kehrten, mit der erwünschten Ware reich beladen, die Gegenden zwischen Ajan und Ishiginsk wieder heim. Sawoiko hatte ihnen diesen Modus an durchstreift. Eine Anzahl dieser Leute hatte sich, die Hand geben lassen, um die armen Leute mög- vermutlich weil es ihnen in der Heimat zu eng lichst vor der Habgier der herumziehenden Krämer wurde, mit Kind und Kegel aufgemacht, durch die zu schützen. Nun wurden diese Handelsfahrten der Korjaken der Penshinsker Gegend durchgeschli- Kamtschadalen von Jahr zu Jahr allgemeiner, und in chen und war in die großen, menschenleeren diesem Winter erschienen schon Bewohner des Gebiete Kamtschatkas eingezogen. Namentlich höheren Nordens. Zu den Ankömmlingen gehörte bildeten das Mittelgebirge und das Westufer ihren auch der ambulierende Jahrmarkt, welcher mit seinen Tummelplatz, wo sie enorme Weidestrecken für begleitenden Beamten zurückkehrte und ebenfalls ihre Rentiere, fischreiche Flüsse und einen reichen recht gute Geschäfte gemacht zu haben schien. Der Jagdgrund vorfanden. Später waren ihnen noch März ist der rechte Reisemonat hier zu Lande. Die viele Andere ihres Volkes nachgezogen, so dass merkliche Wirkung der Sonne am Tage und die jetzt, allerdings nur ihrer eigenen Aussage zufolge, Nachtfröste bilden eine harte und tragende schon 35 Männer und 37 Weiber Lamuten in Eisschicht auf dem Schnee, so dass das Fahren sehr Kamtschatka lebten. Anfänglich – man nimmt an, erleichtert wird und man die geradesten Richtungen dass die ersten etwa vor 9–10 Jahren eingewandert über alle Hindernisse hinüber, weg- und steglos seien – vermieden sie scheu jeden Menschen und einschlagen kann. Alle Ortschaften rücken sich in alle Wohnplätze, aus Argwohn, dass sie als nicht dieser Zeit gleichsam näher, denn die Entfernungen hierher gehörige Eindringlinge ausgewiesen, ja zwischen denselben werden rascher abgefahren. vielleicht gar einer Strafe unterzogen werden Jetzt waren alle Häuser im Peterpaulshafen voller könnten; später jedoch waren sie zufällig hier und Einquartierung, [216] denn jeder Kamtschadale hat da mit kamtschadalischen Jägern zusammenge- hier seine Bekannten, deren Gastfreundschaft er in troffen und hatten dabei bemerkt, dass weder die Anspruch nimmt. Es ist etwas ganz Selbstverständ- Kamtschadalen, noch die Behörden sie verfolgten. liches, dass man ohne Weiteres den Gastfreund Nun traten sie schon freier auf, verließen die besucht und sich von ihm beköstigen lässt. So will es fernsten Verstecke, besuchten [214] einige Wohn- die allgemeine Sitte des ganzen Landes und aller plätze der Kamtschadalen und meldeten sich Ortschaften. Die Hausbesitzer pflegen förmlich mit sogar, nach Aufforderung der Landesregierung, der Zahl ihrer Gäste zu renommieren, und beschä- zur Zahlung von Abgaben (Jassak). Jetzt endlich mend ist es, gar keine zu haben. entschlossen sie sich, den Gouverneur selbst ... K. von Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 8 Die Kaufleute hatten ihre diesjährige Winter- Bai hinab fanden sich auch hier wieder zahlreiche reise bis zu den nördlichen Olutorzen ausgedehnt Reste alter Jurten, die in Form der Gruben den am und brachten nun alle möglichen Schätze mit. Wahil gesehenen vollständig glichen. Auf diesem Außer den wertvollen Pelztieren hatten sie große Ostufer Kamtschatkas, welches jetzt so absolut Mengen von Rentierfellen erhandelt, die zu verödet und menschenleer ist, hat vor der russischen Pelzen, Leder und anderen Dingen verarbeitet Eroberung des Landes ein reges Leben geherrscht. werden. Diese Felle werden im Handel, je nach Vom Cap Nalotschef und schon westlich davon, von dem Alter der Tiere, von denen sie stammen, der Mündung des gleichnamigen Flusses bis zur benannt und finden darnach ihre Verwendung Bitschewinsker Bai und auch bis zum Cap [246] und Bezahlung. Die Rentiere kalben im Februar, Schipunskij sind die Ufer von sehr zahlreichen Jurten März und auch noch im April. Die jüngsten Tiere besetzt gewesen und haben einer nach Hunderten geben die schönsten und geschätztesten [217] zählenden Volksmenge zum Wohnsitz gedient. Felle; im April und Mai geschlachtete Tiere Kaum volle 50 Jahre nach der Eroberung genügten, liefern die teuersten Felle, die Wyporotki heißen; um durch systematischen Raub, Mord und durch Felle im Juli geschlachteter Tiere heißen Pyshiki; Import von Krankheit und Branntwein das zahl- September-Felle werden Nedorosli und diejenigen reiche Volk der Kamtschadalen bis auf die jetzigen von alten Rentieren Posteli genannt. Außerdem geringen Reste auszurotten. kommen noch 2 Arten Rentierleder in den Han- Kaum waren wir mit dem Aufschlagen der Zelte del und werden in jeder Haushaltung sehr gesucht fertig als sich am gegenüberliegenden Ufer der Bai und geschätzt: erstens die Dymljanka, ein geräu- wieder ein sehr großer Bär zeigte. Schestakof fuhr chertes und daher sehr festes, unverwüstliches mit drei Mann hinüber um das Tier zu erlegen, wäh- Leder und zweitens die Rowduga, ein in der Art rend ich mit zwei anderen Matrosen Nachgrabungen des semischen bereitetes Leder. Die meisten dieser in den alten Jurtengruben begonnen hatte. Da fiel Rentierfelle kommen von den Tschuktschen und drüben ein Schuss, und sehr bald darauf sahen wir Korjaken her. Die Korjaken zumal verfertigen unser Boot heimkehren mit einem großen, dunklen auch Kukljanken und bringen sie in den Handel. Gegenstande im Schlepptau. Es war der Bär, der sich Alle Kukljanken, die im Peterpaulshafen getragen im Bugsir befand. Das Tier wurde im Lager abge- wurden, waren fast ausnahmslos von korjakischer häutet, das Fleisch zerlegt und zur Konservierung in Arbeit, die man an der Zierlichkeit der breiten, einer nahen Schneemasse vergraben. In den fünf gemusterten Besätze leicht erkennen kann. Gruben, die ich untersuchte, wiederholten sich ganz Die Olutorzen sind sitzende Korjaken und gleichmäßig dieselben Funde. Überall waren die haben keine Rentiere. In diesem Winter gab es bei Gruben zur Hälfte mit allerlei Erdschutt angefüllt, in den armen Leuten Hungersnot. Die Flüsse ihrer welchem sich Kohlen, halbverweste Knochenstücke, Gegend haben keine oder doch nur wenige darunter ein Bärenunterkiefer, Stücke von Argali- Lachse, so dass sie sich ihre Vorräte aus allerlei hörnern und Rentiergeweihen. Muschelschalen und kleinen Meerfischen zusammen fischen müssen. faules Holz fanden. Sehr spärlich fanden sich Namentlich sind es die 2 bis 3 Zoll langen Uiki, Steingegenstände oder Steinsplitter, die bei der eine Heringsart, und ein kleiner Fisch (Gastera- Anfertigung derselben abgeschlagen worden waren. canthus cataphractus Pall.), den sie Chacheltscha Indessen wurde doch allmählich eine Menge dieser nennen. Im vorigen Sommer und Herbst war Steingegenstände ans Tageslicht gebracht. Ganz ihnen das Glück nicht hold gewesen, ihre Vorräte vereinzelt kamen eine Lanzenspitze aus Knochen reichten nicht aus und hungernd erwarteten sie und ein kleines Tongeschirr von der allerursprüng- nun mit Ungeduld das Frühjahr und mit ihm den lichsten Arbeit zum Vorschein. Dieses letztere zerfiel Beginn eines neuen Fischfanges. uns unter den Händen und schien nur sehr schwach gebrannt zu sein, wenn dies überhaupt geschehen Bootsreise vom Peterpaulshafen [247] war. Die Unregelmäßigkeit der runden Gestalt nach d. Mündung des Kamtschatka-Stromes zeigte, dass das Geschirr ohne Drehscheibe, ganz in (im Sommer 1852). den Händen geformt worden war. An beiden Seiten, hart am oberen Rande, fanden sich kleine, durch- [245] bohrte, henkelartige Ansätze. Der obere Durch- Auf dem höheren Vorlande der Berge bis zur messer des Gefäßes betrug 12 Cm., der untere 10. Die K. von Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 9 größte Breite, von 14 Cm., fand sich gleich [297] unterhalb des Oberrandes, die Tiefe betrug 10 Das gestaute Flusswasser arbeitete mit aller Kraft Cm. Der Ton war schwarz geworden und schien gegen die verschüttete Mündung, um sich wieder von Tran stark durchtränkt zu sein, was auf den einen vollen Ausfluss ins Meer zu schaffen, und in Gedanken führen könnte, dass dieser Topf als dem Verhältnis, wie ihm dies gelang, sah man auch Tranlampe gedient hatte. Unter den ausgegrabe- immer mehr Lachse in den Fluss eintreten. Kurz vor nen Steingegenständen fanden sich eigentlich nur der Mündung des Ssemjatschik, der von Norden drei Hauptformen, welche sich auch in anderen kommt, fällt in denselben der Ausfluss eines nicht Teilen Kamtschatkas ganz übereinstimmend ganz kleinen, länglichen, von niedrigen Ufern be- wiederholen, so dass die Annahme nur zu nahe grenzten Sees, der zwischen dem Flusse und der nach liegt, dass von seinen Ureinwohnern überhaupt Nordost sich hinziehenden Küste liegt. Unfern vom nur diese drei Formen von Steingegenständen Meere, am Ufer des Flusses lagen auf einer erhöhten angefertigt wurden. Hierher gehören vor Allem Stelle die Reste kamtschadalischer Wohnungen, die die Pfeilspitzen, die in allen möglichen Größen aber jedenfalls aus einer neueren Zeit stammen gemacht wurden. Ich habe welche von 12 bis zu 3 mussten, da an ihnen noch recht viel Holzmaterial Cm. hinab gefunden, die größere Zahl aber hatte sichtbar war, wie namentlich ein recht gut erhaltener eine mittlere Länge von 5 bis 6 Cm. Die längsten Balagan (Gerüst zum Fischtrocknen), mit teilweise werden wohl als Lanzenspitzen gebraucht worden noch vorhandenem Grasdach. In der Nähe lagen sein. Die bei Weitem meisten von ihnen sind aus auch zwei unbrauchbar gewordene Batts am Ufer, Obsidian angefertigt, und nur wenige fanden sich von der jetzt im Lande allgemein üblichen Konstruk- aus Quarzen, z. B. aus grünem Jaspis. tion. An Gerätschaften fand sich aber gar nichts. Die zweite Form der Steingegenstände ist eine Zahlreiche, ganz schwarze Schwalben umflatterten Art von Beilen von 6 bis 12 Cm. Länge, bei einer das verwitterte Gebälk des Balagans und bauten ihre ½ ¼ Schneidelänge von 3 —4 Cm. An diesen Nester an demselben. Wie aus Allem hervorging, Werkzeugen ist eine mehr oder weniger starke hatten hier auf einer alten Wohnstätte jetzt noch Schleifung der Schneide sehr auffallend bemerk- lebende Kamtschadalen des Kamtschatka-Tales der bar, während die Lanzen- und Pfeilspitzen nur Jagd und [298] Fischerei wegen ihre Sommerwoh- durch geschicktes Abschlagen und Absplittern nungen aufgebaut. Gegenwärtig war Alles tot und gemacht zu sein scheinen. öde, und nur zahlreiche Spuren von Bären, Wölfen Die dritte Form endlich ist ein durch Absplit- und Rentieren waren häufig zu sehen. tern gebildetes Schabinstrument, wie es noch jetzt im Norden, bei [248] den Korjaken zum Schaben [301] der rohen Tierhäute gebräuchlich ist. Dieses ist, In der Nähe von unseren Zelten, namentlich auf wie auch die Beile stets aus harten, derben der etwas felsigen Halbinsel, die unsere kleine Bai Quarzen gemacht. Seine Gestalt ist länglich birn- vom Meere trennte, fanden wir wieder Überreste förmig. Es finden sich welche von 5 bis 6 Cm. altkamtschadalischer Niederlassungen. Sie glichen ½ Länge und einer Breite von 2 —3 Cm. am brei- den früher gesehenen, lagen aber gedrängter neben teren Ende, welches scharf ist und zum Schaben einander und hatten tiefere Gruben. Auch waren die dient. Das andere, spitzere Ende wird vermittelst Funde immer dieselben. Die Wahl dieses Ortes zur feiner Riemen zwischen zwei 20 bis 25 Cm. lange Niederlassung war wohl gewiss durch einen Quell Hölzer fest eingeschnürt, welche zum Handhaben bedingt, der hier nahe dem Meeresufer entspringt. des Instruments dienen. Auch die Beile wurden an Das reichlich fließende, klare, wohlschmeckende einem Ende zwischen Hölzer eingeschnürt, um Wasser trat mit nur 2° Wärme aus der Erde und ihnen einen Stiel zu geben, während das andere ergoss sich nach kurzem Laufe ins Meer. Frisches, Ende mit der Schneide frei blieb. Bei den schönes Trinkwasser ist den Kamtschadalen auch Korjaken von Taigonos habe ich dergleichen Beile heute noch die erste Lebensbedingung. Sie verstehen noch in Gebrauch gesehen, obgleich das Eisenbeil es sehr zu schätzen, sind sehr wählerisch dabei und ihnen schon bekannt war und von ihnen auch gebrauchen es in ungewöhnlichen Mengen. Nicht benutzt wurde. selten machen sie bei ihren Jagdstreifereien weite Umwege, um sich an einer ihnen bekannten Quelle zu laben. Hier war ihnen außerdem gewiss auch die K. von Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 10

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