Stephanie Bock Regionale Frauennetzwerke Politik und Geschlecht Herausgegeben vom Arbeitskreis "Politik und Geschlecht" der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft e.V. (DVPW) Band 10 Stephanie Bock Regionale Frauennetzwerke Frauenpolitische Bündnisse zwischen beruflichen Interessen und geschlechterpolitischen Zielen Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2002 Gedruckt auf säurefreiem und alterungs beständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Zug!.: Kassel, Universität, Diss., 2001. ISBN 978-3-8100-3525-7 ISBN 978-3-663-11280-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-11280-8 © 2002 Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Leske + Budrich, Opladen 2002 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung au ßerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages un zulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt Dank! ............................................................................................................. 7 Einleitung ...................................................................................................... 9 1. Frauenpolitische Kooperations- und Bündnisformen ................ 17 1.1 Vernetzung als feministische Bündnispolitik: Zum Stand der Forschung ............................................................... 18 1.1.1 Kooperationsformen von Frauen: Von der Schwesterlichkeit zur Differenz in Netzwerken ................ 18 1.1.2 Frauennetzwerke und andere Kooperationsformen ......................... 22 1.2 Regionale Frauennetzwerke ........................................................... 27 1.2.1 Regionale Frauennetzwerke: Eine spezifische Ausprägung von Politiknetzwerken .. , .................. 27 1.2.2 Frauennetzwerke als neue Politikform: "Schwache" Bindungen und Informalität ....................................... 36 1.2.3 Regionale Frauennetzwerke als strategische Bündnisse ................. 41 1.2.4 Regionale Frauen- und Geschlechterpolitik .................................... 44 1.3 Fazit ................................................................................................ 45 2. Ein Weg zu neuen Politikstrukturen in der Region? Aktuelle Entwicklungen und Forschungsergebnisse .................. 49 2.1 Region und Regionalisierung: Begriffsklärungen ........................... 52 2.2 Regionale Politikstrukturen ............................................................. 55 2.3 Frauenpolitische Akteurinnen in den Regionen: Relevant oder unsichtbar? .............................................................. 59 2.4 Grundlegende Gemeinsamkeiten regionaler Frauennetzwerke im Kontext aktueller Regionalpolitik .............................................. 63 2.5 Demokratisierung durch Regionalisierung? .................................... 69 3. Methodisches Vorgehen und Vorstellung der Fallbeispiele ...... 73 3.1 Auswahl der Fallbeispiele ............................................................... 73 3.2 Leitfadenorientierte Expertinneninterviews .................................... 78 5 3.3 Struktur und regionale Kontexte der ausgewählten Frauennetzwerke ............................................................................. 84 3.3.1 Die regionale Frauenbeauftragtenkonferenz Rhein-Main ............... 84 3.3.2 Das regionale Frauennetzwerk Südostniedersachsen ...................... 88 3.3.3 Der FrauenRatschlag Stuttgart ........................................................ 92 3.3.4 Die regionalen Bestimmungsfaktoren frauenpolitischer Netzwerkpolitik .............................................................................. 96 4. Netzwerke statt fester Bündnisse: Ergebnisse der empirischen Untersuchung ................................ 99 4.1 Regionale Frauennetzwerke als soziale Beziehungsnetze ............... 99 4.1.1 Inklusivität und Exklusivität ......................................................... 100 4.1.2 "Gründerinnen -Macherinnen - Konsumentinnen": Horizontale oder vertikale Netzwerkbeziehungen? ...................... 107 4.1.3 "Das Netz des Vertrauens schaffen": Zur Bedeutung sozialer Beziehungen ...... ................ ..... ... ......... .... 110 4.2 Regionale Frauennetzwerke als Strategie regionalpolitischer Einmischung ................................................................................. 114 4.2.1 "Die Grenze der Kirchturmspolitik überschreiten": Gründe für eine regionale Geschlechterpolitik ............................. 115 4.2.2 "Unser Ding ist die Region": Themen der Vernetzung ................. 121 4.2.3 ,,Farbtupfer in dunkelblauen Riegen": Strategien regionaler Frauennetzwerke . ........ ... ....... ....... ......... ...... 131 4.2.4 Regionale Geschlechterpolitik: Ein Erfolg? ................................. 140 4.3 Konsens und Konflikte zwischen beruflichen Interessen und einer gemeinsamen Geschlechterpolitik ................................. 143 4.3.1 Rückkopplungen zwischen Netzwerkengagement und beruflichen Tätigkeiten ................................................................. 144 4.3.2 "Denn alleine ist man nichts": Frauennetzwerke als informelle Beziehungsnetze ...... ...... ... ... ...... 150 4.3.3 Der Netzwerkspagat zwischen "kleinstem gemeinsamem Nenner" und Partikularinteressen ................................................. 155 4.3.4 Regionale Frauennetzwerke: Pendeln zwischen Karriere und Politik ......................................... 159 4.4 Perspektiven der Vernetzung ........................................................ 160 5. Die Spezifik regionaler Frauennetzwerke: Zwischen notwendiger Unschärfe und gemeinsamer Zielsetzung ........... 169 Literaturverzeichnis ................................................................................. 185 Anhang ....................................................................................................... 201 6 Danke! Diese Arbeit zu Netzwerken hätte nicht entstehen können, ohne meine zahl reichen ,,Netzwerke". Dass ich nicht durch die Maschen gefallen bin, sondern die unterstützende, helfende und liebevolle Seite der Netzwerkbeziehungen schätzen lernen konnte, verdanke ich all denen, die mich vor allem während der Endphase dieser Arbeit begleiteten und unterstützten. Habt alle herzlich Dank dafür. Ein herzliches Dankeschön gilt den von mir untersuchten Frauennetzwerken, vor allem meinen Gesprächspartnerinnen, die mit mir ihre Erfahrungen, Ein schätzungen und besonders ihre rare Zeit teilten. Danken möchte ich auch meinen beiden Betreuerinnen Prof. Dr. Ulla Terlinden und Prof. Dr. Barbara Zibell, die mich dabei unterstützten, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu übersehen und mich davor bewahrten, mich in den Details zu verstricken. Ganz herzlich sei all jenen gedankt, die meine Texte gelesen, kommen tiert, diskutiert, korrigiert und mich bei der Formulierung und Konkretisie rung meiner eigenen Gedanken unterstützt haben: Katharina Fleischmann, Claudia Horch, Ines Kurschat, Tanja Paulitz, Barbara Reuter, Claudia Wu cherpfennig. Für den letzten Schliff sorgten die Herausgeberinnen der Reihe ,,Politik und Geschlecht" durch ihre konstruktiven Anmerkungen. Für die zahlreichen aufbauenden Einladungen zu Speis' und Trank ein dickes Danke an Gunda Thielking. Ganz besonders möchte ich Ute Mai danken, die mir im Kampf mit Druckformatvorlagen und allen Widrigkeiten der Computerwelt zur Seite stand und der es in dieser bewegten Zeit immer wieder gelungen ist, mir das Leben mit seinen vielfältigen, schillernden und lustvollen Seiten zu zeigen. 7 Einleitung "Vernetzung ist das Stichwort unserer Zeit! Frauen machen sich stark fürein ander. Sie kooperieren, geben Erfahrungen weiter, mischen sich ein. Sie sind Expertinnen für Politik, Kultur, Wirtschaft, Soziales. Das gilt für Gleichstel lungsbeauftragte ebenso wie für viele ehrenamtlich und unbezahlt arbeitende Frauen in Verbänden, Projekten und Netzwerken" (Dickei, Brauckmann 1998, S. 3). Mit diesen Worten beginnt der begleitende Text zu einer um fassenden Datenbank frauenspezifischer Kontaktstellen, Projekte, Organisa tionen und Netzwerke in Deutschland. Doch weshalb entscheiden sich immer mehr Akteurinnen für diese Form der Kooperation? Was ist das Besondere an den zunehmenden Formen vernetzter Zusammenarbeit und was unterscheidet die Kooperation in Netzwerken von anderen Bündnissen? Die Forderung nach sozialer und politischer Vernetzung ist weit verbrei tet und die Bezeichnung unterschiedlicher Kooperationsformen als Netzwerk allerorten anzutreffen. Doch bleibt der Begriff ,,Netzwerk" schillernd und ungenau, scheint alle Kooperationsformen gleichzeitig und doch keine spezi fische zu umfassen. Der Unübersehbarkeit und gleichzeitigen Unübersicht lichkeit von Frauennetzwerken stehen nur wenige systematisierende und analysierende Arbeiten gegenüber, die sich mit diesen Kooperationen aus ein andersetzen. Der inflationäre Gebrauch der Netzwerkmetapher für unter schiedliche Formen der Kooperation und der Beziehungen zueinander fordert jedoch eine tiefergehende Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen gera dezu heraus. Auch im Rahmen der Frauenbewegung werden politische Struk turen im Unterschied zu den Inhalten kaum thematisiert, geschweige denn diskutiert. Frauenpolitische Akteurinnen entwickeln im Schatten der Wahrnehmung empirischer Forschung neue Politikformen und -strategien in Regionen: Re gionale Frauennetzwerke, die auf lockeren und dennoch miteinander verbun denen Kooperationsstrukturen basieren. Bei regionalen Frauennetzwerken handelt es sich um freiwillige Kooperationen frauen- und geschlechterpoliti scher Akteurinnen, die sich aus unterschiedlichen Gründen, beruflich oder privat motiviert regionalpolitisch engagieren. Verbunden sind sie durch ein gemeinsames Interesse an einer regionalen Frauen- und Geschlechterpolitik bzw. ihren Bezug auf ein feministisches Politikverständnis. Mit und in Netz- 9 werken verfolgen regionale Akteurinnen eine Erweiterung und Veränderung regionalpolitischer Debatten um geschlechterpolitische Inhalte. Soziale und politische Bündnisse von Frauen, die somit im regionalen Kontext entstehen, sind als Teil regionalpolitischer Strukturen zu begreifen und bilden einen Knotenpunkt in den politischen Akteurlnnennetzen einer Region. Regionale Netzwerke von Frauen stellen gleichzeitig eine mögliche Antwort auf die Frage nach zukünftigen Organisationsformen im Kontext feministischer Bündnispolitik dar. Auf der einen Seite zielen sie auf eine verstärkte Teilhabe und Präsenz von Frauen in machtvollen Positionen, auf der anderen Seite kämpfen sie für den Abbau von Herrschaftsverhältnissen. Sie verfolgen die Umsetzung eines erweiterten Zugangs von Frauen zu politisch-öffentlichen Strukturen und entwickeln Ansatzpunkte eines geschlechterpolitischen Ver ständnisses regionaler Bezüge. Heide Funk und Gerrit Kaschuba (1994) verorten diese Kooperations formen im Spannungs feld zwischen traditioneller ,,Ehrenamtlichkeit" und neuen politischen Initiativen und identifizieren sie unter Verweis auf ihre Netzwerkstrukturen als Potenzial einer eigenständigen politischen Öffentlich keit von Frauen. Frauenpolitische Initiativen zu Regionalentwicklung und Regionalplanung können als neue Wege politischer Einflussnahme beschrie ben werden. Sie formen ein Aktionsfeld, dem bisher von Seiten der Frauen und Geschlechterforschung nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Diese in den vergangenen zehn Jahren verstärkt in Erscheinung tretenden regionalen Netzwerke von Frauen, die auch meine berufliche Tätigkeit als Regionalplanerin begleiteten, weckten meine wissenschaftliche Neugier: Wa rum schließen sich frauenpolitische Akteurinnen in Netzwerken zusammen? Was bewegt sie, sich mit regionalen Prozessen und Strukturen zu beschäfti gen? Da sie, so meine berufliche Wahrnehmung, erfolgversprechende Strate gien entwickeln, um Aspekte des Geschlechterverhältnisses in die Gestal tungsprozesse einer Region einzubringen, und sich zudem aktiv in die ent sprechenden Politikprozesse einmischen, war mein wissenschaftliches Inter esse geweckt. Nachgegangen wird in dieser Untersuchung deshalb als einer Ausprägung politischer Vernetzungen von Frauen dem Phänomen regionaler Frauennetz werke, die im Kontext regionaler Politikprozesse als besondere Organisati onsformen mit bestimmten Stärken und Schwächen aufgebaut und weiterent wickelt werden. Dabei verorte ich die Beschäftigung mit regionalen Frauen netzwerken an der Schnittstelle zwischen Planungs- und Politikwissenschaft. In der Analyse ,,regionaler Frauennetzwerke" verbinden sich drei Kontexte, die allesamt intensiv diskutiert werden und vielversprechend sind: Netzwerke als Kooperationsmodelle, die auf Grund ihrer lockeren Strukturen Verbindun gen und Solidarität ohne Zwang und Verpflichtung versprechen,jrauenpoliti sehe Akteurinnen, die sich in zahlreiche Differenzen zersplittert auf der Suche nach einem dennoch gemeinsamen Weg befinden und schließlich die Region 10 als neu entdeckte Ebene verbunden mit Erwartungen an bessere Politik und Mitwirkung. Zwei wissenschaftliche Diskussionsstränge liegen darauf aufbauend den Überlegungen dieser Untersuchung zugrunde. Die zunehmenden Diskussi onen um neue Bündnisformen frauenpolitischer Akteurinnen im Kontext der Frauenbewegung, die ausgelöst durch die theoretische Debatte um ein zu künftiges "feministisches Wir" in eine kritische Reflexion der vorhandenen Politikformen der Frauenbewegung münden, dienen als ein Ausgangspunkt. Dabei beziehe ich mich auf die wachsende Artikulation von Differenzen und Unterschieden nicht nur zwischen sondern innerhalb der Geschlechter, die neue Formen politischer Kooperation erforderlich machen. Poststrukturalisti sche Theoretikerinnen haben durch ihr rigoroses Infragestellen einer gemein samen Geschlechteridentität und eines einheitlichen Subjekts feministischer Politik die Diskussionen um neue Politikformen der Frauenbewegung(en) intensiviert. Auch wenn ihr provozierender Ton Widerspruch hervorruft, folgt aus einer positiven Aufnahme ihrer Thesen, wie zu zeigen sein wird, nicht unweigerlich das Ende jeder politischen Handlungsfahigkeit. Vielmehr er scheinen ihre Überlegungen relevant für eine Beschäftigung mit Politiknetz werken von Frauen, da Bündnisse unterschiedlicher Ausprägung und diffe renter AkteurInnen als zukünftige Politikformen feministischer Bewegungen in den Mittelpunkt rücken, so dass Netzwerke als politische Organisations form entdeckt und aufgewertet werden. Hieraus lassen sich relevante Überle gungen für eine zukünftige Politik der Frauenbewegung und ihre Aktionsfor men ableiten. Netzwerke sind eine mögliche Antwort auf die Frage nach den geeigne ten Kooperations- und Politikformen eines gemeinsamen politischen Han delns auf der Grundlage einer Anerkennung von Differenzen unter Frauen. Ob Netzwerke nun "offene Bündnisse" in diesem Sinne darstellen oder ob Bündnispolitik eine gemeinsame Identität voraussetzt bzw. diese im Prozess des Netzwerkens entsteht, ist eine empirisch bisher nicht vertiefte Fragestel lung und berührt auch im Kontext von Frauenbewegung und Frauenpolitik selten verfolgte Überlegungen. Dieser Problemkontext soll in dieser Untersu chung aufgegriffen werden. Dabei knüpft er an das Defizit politikwissen schaftlicher Forschung an, die sich bisher kaum mit den von unterschiedli chen Akteurinnen gebildeten Kooperationsformen befasst und die Frage nach Motiven, internen Konflikten und der Binnenstruktur der Netzwerke der so zialen Netzwerkforschung überlassen hat. Gleichzeitig ziehe ich als zweiten wissenschaftlichen Zugang dieser Un tersuchung die im Kontext der Debatte um die Aufwertung der Regionen konstatierte Demokratisierung regionaler Politikprozesse durch Politiknetz werke hinsichtlich ihrer Folgen für eine Geschlechterperspektive heran. Be zug nehme ich dabei auf die Debatten um die Implikationen einer Regionali sierung politischer Strukturen und Inhalte, wobei vor allem die Erweiterung 11