Deutsche Akademie für Anästhesiologische Fortbildung Mai 2014 · Leipzig Refresher Course Aktuelles Wissen für Anästhesisten 40 Mai 2014 · Leipzig Refresher Course Aktuelles Wissen für Anästhesisten Nr. 40 8. - 10. Mai 2014, Leipzig Herausgegeben von der Deutschen Akademie für Anästhesiologische Fortbildung Aktiv Druck & Verlag GmbH Mai 2014 · Leipzig Deutsche Akademie für Anästhesiologische Fortbildung (DAAF) Präsidentin: Prof. Dr. med. T. Koch Direktorin der Klinik und Poliklinik für Anaesthesiologie und lntensivtherapie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden Fetscherstraße 74 01307 Dresden Internet: www.uniklinikum-dresden.de E-Mail: [email protected] ISSN 1431-1437 ISBN 978-3-932653-42-1 Aktiv Druck & Verlag GmbH, Ebelsbach Aktuelles Wissen für Anästhesisten: Refresher Course / hrsg. von der Deutschen Akademie für Anästhesiologische Fortbildung. ISSN 1431-1437 Nr. 40, Mai 2014, Leipzig - (2014) ISBN 978-3-932653-42-1 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungs anlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Ver vielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Cl Aktiv Druck & Verlag GmbH, Ebelsbach 2014 http://www.aktiv-druck.de Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinn der Warenzeichen- und Marken schutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann be nutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsfor men kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. IV Mai 2014 · Leipzig Geleitwort Liebe Kolleginnen und Kollegen, „ Wissen ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man muss es auch tun! Ein weiteres Anliegen ist es die Neugierde es teilt." und Begeisterung für die interessanten Themen unseres Fach gebietes zu wecken. Im Namen der Deutschen Akademie für Anästhesiologische Fortbildung (DAAF) laden wir Sie ganz herzlich ein, das aktuel Ein besonderer Dank gilt den Referenten und Autoren, die sich le Wissen des 40. Refresher Courses mit uns zu teilen. neben ihren klinischen Verpflichtungen die Mühe gemacht haben, einen aktuellen Überblick über die Entwicklungen Die 61. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhe des Fachgebietes herauszuarbeiten und somit maßgeblich zur siologie und lntensivmedizin in Leipzig steht unter dem Motto Qualitätssicherung durch Wissensvermittlung beitragen. "Qualität durch Wissenschaft". In diesem Sinne wünschen wir den Lesern viel Freude mit dem Qualität in der Medizinischen Leistungserbringung wird vom diesjährigen Refresher Course Band und hoffen, dass die aus Patienten aber auch von den Kostenträgern selbstverständ gewählten Themen Ihr Wissen und die Qualität der anästhesio lich erwartet und Qualitäts- und Risikomanagement gehören logischen Versorgung bereichern. mittlerweile als gesetzlich geforderte Maßnahmen zur klinischen Praxis. Qualität kann jedoch bei der kurzen Halb wertszeit des Medizinischen Wissens nur durch die ständige Weiterentwicklung der Forschung und die Implementierung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Klinische Praxis Prof. Dr. med. Thea Koch Prof. Dr. med. Frank Wappler gesichert werden. - Präsidentin der DAAF - - Vizepräsident der DAAF - Als wichtige Beispiele für die auf klinischer Forschung basierten Verbesserungen der Behandlungsqualität in unserem Fachgebiet seien hier nur einige Meilensteine, wie der Paradig menwechsel in der Beatmung oder die Weiterentwicklung der Sepsistherapie und die neuen Algorithmen für die Reanima tion, erwähnt. Auch in der Grundlagenforschung haben neue Erkenntnisse über die Wirkung von Anästhetika und Ergebnisse der Schmerzforschung die Therapie maßgeblich beeinflusst. Gerade im Zeitalter der Evidenz-basierten Medizin orientie ren wir uns an Leitlinien und Empfehlungen, die regelmäßig auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Daten aktualisiert werden. Die Verbesserung der Behandlungsqualität scheitert jedoch häufig noch an der fehlenden konsequenten Umset zung von Evidenz-basierten Maßnahmen in der Klinischen Routine. Ziel des diesjährigen Refresher Course Bandes ist es daher, Ihnen einen Überblick über den aktuellen Wissensstand kli nisch relevanter Themen aus der Anästhesiologie, Intensiv-, Schmerz-und Notfallmedizin zu geben und Ihnen Hilfestellun gen und Tipps zur praktischen Umsetzung zu vermitteln. Denn im Sinne Goethes reicht es nicht nur zu wissen, sondern man V Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 40 Mai 2014 • Leipzig Inhaltsverzeichnis Anzeige Pharmakogenetik - Relevant für die Anästhesie T. Girard .................................................................. 1 Ambulante Anästhesie bei Kindern K. Becke .................................................................. 5 Innovative EEG-Technologien für OP, Intensivstation und Neonatologie Notfallsituationen in der geburtshilflichen Anästhesie J. Wallenborn ........................................................... 15 Triggerfreie Anästhesie -wie, wann und warum? • Innovative Hard-und Software Varianten M. U. Gerbershagen .................................................. 27 • Individuell adäquate Steuerung der Narkose, geschlechts-und Das nicht kooperative Kind - altersspezifisch Prophylaxe, Vorgehen, Tipps M. Jöhr ................................................................... 33 • Analyse des lntensiv-EEG • Zusätzliche Parameter, Larynxmasken - Indikationen und Kontraindikationen z. B. aEEG und STI A. Timmermann · S. Cremer ........................................ 41 • sehr günstiges Verbrauchsmaterial Thorakale Epiduralanästhesie - Outcome-relevant? D.M. Pöpping • H. Van Aken · M. Wenk ......................... 49 Besuchen Sie uns auf dem DAC 2014 in Leipzig (8.-10.5.2014) Diagnose-und Befunderhebungsfehler - Halle 2, Stand Nr. 41 Die Sicht des Juristen R.-W. Bock .............................................................. 59 Internet: www.narcotrend.de E-Mail: [email protected] Hygienestandards auf der Intensivstation L. Jatzwauk ............................................................. 65 Update nosokomiale Infektionen - Lehren aus dem Leipziger KPC-Ausbruch Ch. Lübbert ............................................................. 71 Beatmung auf der Intensivstation - eine Praxisanleitung N. Jahn · T. Völker · S. Laudi · U. Kaisers ........................ 77 Hypotension in der lntensivmedizin S. Haas · D. A. Reuter ................................................ 87 VII Mai 2014 · Leipzig Delir-Prophylaxe und Behandlung R. Tomasi · V. von Dossow-Hanfstingl ............................ 95 Protokolle in der lntensivmedizin - Sinnvolle Hilfe oder zusätzliche last J.-P. Braun ............................................................. 101 Analgesie, Sedierung und Anästhesie in der Notfallmedizin H. A. Adams· A. Flemming ....................................... 109 Das Deutsche Reanimationsregister J.T. Gräsner · S. Seewald· J. Wnent. ............................. 123 Regionalanästhesieverfahren zur postoperativen Schmerztherapie 0. Vicent .............................................................. 135 Perioperative Versorgung des schmerzkranken Patienten M. Poels · R. Joppich · F. Wappler ............................... 145 VIII Mai 2014 · Leipzig Verzeichnis der Erstautoren Girard T., Prof. Dr. med. Departement für Anästhesie, operative lntensivmedizin, präklinische Notfallmedizin und Schmerztherapie Universitätsspital Basel Spitalstr. 21, 4031 Basel, Schweiz Becke K., Dr. med. Abteilung für Anästhesie und lntensivmedizin Cnopf'sche Kinderklinik/Klinik Hallerwiese Nürnberg Diakonie Neuendettelsau St. Johannis-Mühlgasse 19, 90419 Nürnberg Wallenborn J., PD. Dr. med. habil. Klinik für Anästhesiologie und lntensivmedizin HELIOS Klinikum Aue Gartenstr. 6, 08280 Aue Gerbershagen M., PD Dr. med. Krankenhaus Köln-Merheim Ostmerheimer Str. 200, 51109 Köln Jöhr M., Dr. Klinik für Anästhesie, lntensivmedizin, Rettungsmedizin und Schmerztherapie Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16, Schweiz Timmermann A., Prof. Dr. med. Klinik für Anästhesie, Schmerztherapie, Intensiv-und Notfallmedizin DRK Kliniken Berlin Westend Spandauer Damm 130, 14050 Berlin Pöpping D.M., Priv.-Doz. Dr. med. Universitätsklinikum Münster Klinik für Anästhesiologie, operative lntensivmedizin und Schmerztherapie Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude A1, 48149 Münster Bock R.-W., Rechtsanwalt Geschäftsführender Gesellschafter der Sozietät Ulsenheimer Friederich Rechtsanwälte, Büro Berlin Schlüterstr. 37, 10629 Berlin Jatzwauk L., Prof. Dr. rer. nat. et rer. medic. habil. Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden Fetscherstr. 74, 01307 Dresden IX Mai 2014 · Leipzig Lübbert Ch., Dr. med. Fachbereich Infektions-und Tropenmedizin, Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Leipzig AöR, Liebigstr. 20, 04103 Leipzig Kaisers U.X., Prof. Dr. med. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und lntensivtherapie Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 20, 04103 Leipzig Reuter D.A., Univ.-Prof. Dr. med. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie Zentrum für Anästhesiologie und lntensivmedizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52, 20246 Hamburg Dossow-Hanfstingl V., PD Dr. med. Klinik für Anaesthesiologie LMU Klinikum der Universität München Marchioninistr. 15, 81377 München Braun J.-P., PD Dr. med., Chefarzt Klinik für Anästhesie, lntensivmedizin und Schmerztherapie Klinikum Hildesheim Senator-Braun-Allee 33, 31135 Hildesheim Adams H.A., Prof. Dr. med. Leiter der Stabsstelle für Interdisziplinäre Notfall-und Katastrophenmedizin Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover Gräsner ).-Th., PD Dr. med. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Arnold-Heller-Str. 3, Haus 31, 24105 Kiel Vicent 0., Dr. med. Klinik für Anästhesiologie und lntensivtherapie Universitätsklinikum Dresden Fetscherstr. 74, 01307 Dresden Poels M., Dr. med. Klinik für Anästhesiologie und operative lntensivmedizin Klinikum der Universität Witten/Herdecke Kliniken der Stadt Köln gGmbH Ostmerheimer Str. 200, 51109 Köln X Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 40 Mai 2014 • Leipzig Pharmakogenetik - Relevant für die Anästhesie T. Girard Hat die Pharmakogenetik eine Relevanz für die Anästhesie? Wirkung von Succinylcholin kein einmaliges Ereignis war. Bevor dieser Frage im Detail nachgegangen werden kann, Somit musste die verlängerte Wirkungszeit entweder erworben müssen einige Begriffe diskutiert werden. Was ist eigentlich oder vererbt worden sein. Werner Kalow konnte eine deutlich Pharmakogenetik? V~m welcher Relevanz sprechen wir? Rele verringerte Gesamtaktivität der BCHE nachweisen. Als er auch vant für die anästhesiologische Forschung und die Weiterent Plasma beider Eltern der Patienten untersuchte, stellte er fest, wicklung der akademischen Anästhesie oder relevant für den dass beide Eltern eine - im Vergleich zur Normalpopulation - anästhesiologischen Alltag? verminderte Aktivität der BCHE hatten, diese war jedoch bei den Patienten nochmals deutlich tiefer. Somit stellte er die The orie einer genetischen Variante auf, welche bei beiden Eltern in Genetik der heterozygoten und bei den Patienten in der homozygoten Ein genetischer Einfluss auf multiple Krankheitsbilder ist in der Form vorlag 13]. Medizin weitgehend bekannt. So ist die Familienanamnese Nur wenig später wurde über familiär gehäufte Todesfälle im nicht nur im Hinblick auf maligne Erkrankungen, Diabetes Rahmen von Anästhesien berichtet 14]. Eine familiäre Häufung mellitus und viele andere mehr, sondern auch im Rahmen ist ein starker Hinweis auf eine genetische Komponente und der anästhesiologischen Praxis bis hin zur postoperativen so hat sich dann auch herausgestellt, dass diese letal verlau Nausea und Vomitus 11] bekannt. Der rasante Fortschritt mo fenden hyperthermen Anästhesiereaktionen einem autosomal lekulargenetischer Methoden in den letzten 20 Jahren hat die dominant vererbten Muster folgten. So wurde der Grundstein Möglichkeit geschaffen, dass es in der Zwischenzeit nicht nur für eine erfolgreiche Forschung im Gebiet der malignen Hyper möglich ist einzelne Gene, sondern das gesamte Genom eines thermie gelegt, welche in einer massiv verminderten Mortalität Menschen zu sequenzieren. Als „Meilenstein" wird hier häufig diese früher häufig tödlichen Anästhesiekomplikation gipfelt. das „human genome project" genannt, bei welchem erstmals Interessanterweise war Werner Kalow auch bei den frühen das Genom eines Menschen sequenziert wurde 12]. Der „Ab Forschungsarbeiten zur Diagnostik der malignen Hyperthermie schluss" dieses Projektes wurde dann auch medial und poli involviert. tisch unter anderem durch den Britischen PremierministerTony Somit haben also zwei typisch anästhesiologische Krank Blair und den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika heitsbilder den Grundstein zum Gebiet der Pharmakogenetik Bill Clinton inszeniert. Dieser wissenschaftliche Fortschritt gelegt. Die Pharmakogenetik beschreibt genetische Ver wurde dann auch zum Anlass genommen, den Patienten ihre änderungen, welche dazu führen, dass sich bei einzelnen „personalisierte Medizin" zu versprechen. Jeder Patient soll in Patienten die pharmakologische Wirkung von derjenigen bei Zukunft ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Medikament der „Normalpopulation" unterscheidet. Diese Unterschiede in der auf ihn angepassten Dosierung erhalten - Realität oder können dramatisch - und letal - oder auch ganz subtil sein. Vision? Jede pharmakologische Wirkung wird grundsätzlich durch die Pharmakokinetik und die Pharmakodynamik bestimmt. Gene Pharmakogenetik tische Veränderungen betreffen entweder den Metabolismus Das Gebiet der Pharmakogenetik wurde erstmals in den 1950er von Pharmaka, die Wirkung am Rezeptor oder modulierenden Jahren beschrieben. Eine der ersten entsprechend untersuchten Faktoren. Sobald pharmakokinetische, wie auch pharmakody Erkrankungen war der Mangel der Butyrylcholinesterase namische individuelle Unterschiede das Ausmass der alltägli (BCHE, Pseudo- oder Plasmacholinesterase). Werner Kalow chen interindividuellen Variabilität überschreiten wird es für war nach dem 2. Weltkrieg von Deutschland nach Kanada den Kliniker schwierig die Reaktion auf Medikamente voraus ausgewandert 13]. Als Pharmakologe war er in der Lage die Ak zu sagen. Es kommt zur Über-oder Unterdosierung und somit tivität der BCHE zu messen. Er untersuchte das Plasma zweier bleibt die Wirkung möglicherweise aus oder es kommt zu -un Patienten, welche im Rahmen einer Elektroschocktherapie zur terschiedlich schweren -Nebenwirkungen der Überdosierung. Depressionsbehandlung Succinylcholin erhalten hatte. Da diese Behandlung in mehr oder weniger regelmäßigen Abstän Pharmakokinetik den wiederholt wird und die Medikamentengabe standardisiert Veränderungen in der Pharmakokinetik führen zu erhöhten ist, war rasch klar, dass bei diesen Patienten die verlängerte Konzentrationen der untersuchten Substanz. Bei einer intra- Pharmakogenetik - Relevant für die Anästhesie· T. Girard 1