Harald Rau Redaktionsmarketing Sozialwissenschaft ~ Harald Rau Redaklionsmarkeling Journalismus als Planungsfaktor in der Positionierung regionaler Tageszeitungen Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Ulrich Pätzold Deutscher Universitäts-Verlag Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsaufnahme Rau, Horold: Redaktionsmarketing : Journalismus als Planungsfaktor in der Positionierung regionaler Tageszeitungen / Harald Rau. Mit einem Geleitw. von Ulrich Pätzold. - Wiesbaden: DUV, Dt. Univ.-Verl., 2000 (DUV : Sozialwissenschaft) Zugl.: Dortmund, Univ., Diss., 1999 ISBN 978-3-8244-4385-7 ISBN 978-3-322-90739-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-90739-4 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden, 2000 lektorat: Ute Wrasmann / Ronald Dietrich Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzu I.ässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.duv.de Höchste inhaltliche und technische Qualität unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Bücher wollen wir die Umwelt schonen. Dieses Buch ist deshalb auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Einschweiß folie besteht aus Polyäthylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von iedermann benutzt werden dürften. ISBN 978-3-8244-4385-7 Geleitwort Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Produktqualität und Markt ist Journali sten durchaus bekannt. Soweit es nicht ihr eigenes Produkt betrifft, können sie darüber trefflich räsonieren. Wird der Journalismus allerdings ein wirtschaftlicher Planungs faktor, dann überlassen Zeitungsredaktionen dieses Geschäft lieber ihren Verlegern. Die aber orientieren sich in erster Linie an den sogenannten Leserbedürfnissen, eine Richtgröße, die überwiegend mit dem klassischen Instrumentarium des Kommunikati onsmarketings erschlossen wird. Die publizistischen Folgen glauben kritische Beob achter in der Tendenz festmachen zu können, dass die Qualität der Tageszeitungen notwendig schlechter werden müsse. Denn was die Zeitungskonsumenten als gemein samen kleinsten Nenner eint, sind die sogenannten "niedrigen" Bedürfnisse, Erwartun gen, die am ehesten mit Boulevardjournalismus konform gehen. Das kann die Journalistik als Wissenschaft eines aktiven Qualitätsjournalismus nicht befriedigen. Allerdings reicht es nicht aus, der bedauerlichen Grobvermarktung des Produkts Zeitung einen Tugendkatalog des Edlen, Guten und Aufgeklärten, einen qua litativ wünschenswerten Journalismus entgegenzusetzen. Wissenschaftlich möglich ist indessen, das Zentrum auszuleuchten, in dem das Wissen über die ökonomischen Zu sammenhänge der Zeitung verschmilzt mit den konzeptionellen Gestaltungsoptionen des Produkts Tageszeitung. Dieses Zentrum ist offensichtlich die Redaktion. Harald Rau hat in einer paradigmatischen Weise diese Zusammenfuhrung eines theoretisch geleiteten Erkenntniskonzepts mit einem praktisch geleiteten Handlungskonzept auf den Begriff Redaktionsmarketing gebracht. Das vorliegende Buch ist das Ergebnis sei ner Promotion in der Journalistik der Universität Dortmund. Seine Arbeit ist fur Wissenschaftler gleichermaßen nützlich wie für Praktiker. Für die Wissenschaft belegt es methodische und hypothetisch, wie die gründliche Transforma tion wirtschafswissenschaftlicher Analyseinstrumente auf das redaktionelle Hand lungssystem zu Ertragsperspektiven führt, die dem mainstream der allgemein bevor zugten Nachfrageanpassungen entgegenstehen. Auch die Manager in den Verlagen, so das Ergebnis, hätten gute Gründe, umzudenken und ihre Redaktionen stärker zu ma chen, statt sie als lästigen Kostenfaktor weiter zu schwächen. Den Zeitungsjournalisten bietet die Lektüre einen Weg an, entschiedener die ökonomischen Schlüssel funktionen der Redaktion für das Produkt Zeitung zu nutzen. Die Stärkung des professionellen Selbstbewusstseins der Redaktionen muss Folge eines konsequenten Beschreitens des Weges sein, den Harald Rau in diesem Buch aufzeigt. In der empirischen Redaktionsforschung hat Rau zahlreiche Indikatoren gefunden, die für eine beachtliche Akzeptanz wesentlicher Voraussetzungen und Zielsetzungen eines Redaktionsmarketings sprechen. An die Leser zu denken, eigenen Recherchen mehr Gewicht zuzumessen, als zugespielten Informationen, durch neue Themenschwer punkte gezielt Lesergruppen an die Zeitung zu binden - solche Items sind den meisten Zeitungsredakteuren durchaus vertraut. Dennoch hat Rau gute Gründe für seine kriti sche Einschätzung: das Zeitungsmarketing vernachlässigt die maßgebliche Bedeutung V der Redaktionen und nivelliert die Qualität der Zeitungen durch Entdifferenzierung ih rer journalistischen Leistungen. Der Begriff Redaktionsmarketing wird nicht nur aus opportunen Gründen eines Para digmawechsels in der ökonomischen Sicht des Produkts Zeitung gesetzt. Ohne die ho roizontlosen Betrachtungen kommunikativer Veränderungen in der virtuellen Globali tät zu bemühen, wird schnell klar: die kommunikativen Funktionen der Zeitung werden zur existentiellen Grundlage des Mediums schlechthin. Makroökonomisch und unter Berücksichtigung der medialen Vielfalt der Kommunikationskultur würden Zeitungen "untergehen" müssen, wird das Marketingzentrum nicht in die Redaktion verlegt. Im Marketingprozess wächst der Redaktion objektiv die Führungsrolle zu. Wer durch wissenschaftlich redliche Argumentation zu diesem Ergebnis kommt, sitzt zunächst in der Praxis zwischen allen Stühlen. Die Verleger folgen anderen Vorstel lungen und favorisieren andere Strategien, die vermeintlich kostengünstiger sind. Die Redaktionen sind indifferent, wittern die Entwertung ihrer beruflichen Standards und haben nicht das Wissen und die Erfahrungen, um die im Prinzip unstrittigen Zielvor gaben durch praktisches Marketing anzugehen. Spätestens bei der begrifflichen Zu sammenfassung, wie die Redaktion im Marketingprozess ihre Führung organisieren muss, wittern viele Praktiker praxisferne Theorielastigkeit der Wissenschaft, ein uralter verhängnisvoller Reflex im Journalismus. Umdenken und umlernen tut not. Deshalb ist diesem Buch zu wünschen, es möge Ver breitung und Aufmerksamkeit finden. Es fordert nicht nur, es fördert Denkprozesse, die heute zum professionellen Journalismus gehören müssen. Die Strategien des re daktionellen Marketings mögen in ihrer kapitelweisen Verdichtung wie arrogante Uni versalien lauten. Rau fasst sie mit den Begriffen "Integrationsstrategie", "Schnittmen genstrategie", "Differenzierungsstrategie" und "Nichtleserstrategie" zusammen. Wer sich auf sie einlässt und ihr Wissenspotential lernend ausschöpft, findet nicht nur viele Anregungen, die inhaltlich-redaktionellen Marketingvariablen in ihrer ökonomischen Akzeptanz zu begreifen. Er wird vor allem auch erkennen, wie verhängnisvoll länger fristig das Warten auf weitere Wellen werden kann, mit denen der spürbare ökonomi sche und soziale Leidensdruck in den Zeitungsredaktionen wächst. Nicht die Krise, sondern Erkenntnis ist die Grundlage rur das Bestreben, die Zeitung als wünschenswertes publizistisches Medium rur die Gesellschaft auch in Zukunft le bensfähig zu erhalten. Ulrich Pätzold VI Vorwort Marketing ist möglich - auch in Tendenzbetrieben. Die in diesem Buch dargestellten Ergebnisse zeigen, daß erfolgreiches Marketing für die Tageszeitung der rückhaltlosen Unterstützung der Redaktion bedarf. Das eigentliche Fazit dieses Buches und sein we sentlicher Beitrag zur Forschung liegt im Nachweis des von theoretischer Seite ebenso einfachen, wie in der Praxis oft nur unter schwersten Bedingungen umzusetzenden Satzes: Kein Zeitungsmarketing ohne den maßgeblichen Einfluß der Redaktion! Die Marketingpraxis in den deutschen Tageszeitungsverlagen sieht nach wie vor an ders aus - nur in wenigen Fällen ist die Redaktion bewußt in einen Marketingprozess einbezogen. In der Argumentation des vorliegenden Buches bedeutet das: Im eigentli chen Sinne kann kaum eine der deutschen Tageszeitungen regionaler Prägung auf eine stringente Marketingstrategie verweisen. Vor diesem Hintergrund soll dieses Buch ge rade Journalisten der regionalen Tageszeitung Mut machen, Marketing als Hilfsmittel rur die tägliche Arbeit zu begreifen, es als Schlüssel zu dauerhaftem Erfolg bei den Rezipienten der journalistischen Produktion zu sehen. Die folgenden Kapitel geben Hilfestellungen, zeigen mögliche Strategialternativen auf und werden so Teil eines an der täglichen Praxis orientierten Arbeitshandbuches rur marketinginteressierte Journa listen. Lange Zeit wurde redaktionelles Marketing in den sogenannten Qualitätsmedien ver teufelt, weil marktgerichtete Aktivitäten zwangsläufig zu einer Verschlechterung des journalistischen Produktes ruhren müssen. Der Grund hierrur wird in einer Orientie rung am Massengeschmack vermutet. Dieser wird angeblich das Maß aller Dinge, weil nur eine Ausrichtung der redaktionellen Inhalte an möglichst "niedrigen" LeserbedÜff nissen auch für steigenden Absatz sorgt. Dieses Buch zeigt, daß diesen Zusammenhän gen erfolgreich begegnet werden kann. Marketing wird so - den strategischen Einsatz durch die Journalisten vorausgesetzt - sogar zu einem Instrument der Qualitätssiche rung und -steigerung. Man muß sich dabei allerdings bewußt sein, daß Qualität stets ein subjektiv geprägter Begriff ist. Diese in der Betriebswirtschaftslehre weit verbrei tete Betrachtungsweise hat bislang in die kommunikationswissenschaftliche Diskussi on nur ansatzweise Einzug gehalten. Das vorliegende Buch schlägt die Brücke von den Wirtschaftswissenschaften hin zur Publizistik. Insgesamt betrachtet, erhält es auf diese Weise einen interdisziplinären Charakter. Das ist gewollt. Denn Tageszeitungen müssen eben als publizistisches Pro dukt auch marktgängig sein. Nur der wirtschaftliche Erfolg sichert ihr Überleben. Das sind Zusammenhänge, die bei zunehmender Konkurrenz an Bedeutung gewinnen kön nen. Das junge Jahrtausend wird in seinem weiteren Verlauf diesbezüglich noch einige Überraschungen bereithalten. In diesem Sinne viel Spaß beim Ausarbeiten und Formu lieren von Marketingstrategien. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. An dieser Stelle auch gleich noch ein Dankeschön all denen, ohne die dieses Buch nie zustande gekommen wäre. Am Anfang muß ein besonderer Mensch stehen - meine VII Frau Elke, die mich in vielen Diskussionen und Gesprächen begleitet hat. Sie trägt maßgeblichen Anteil daran, daß meine Dissertation und damit dieses Buch auch tat sächlich fertiggestellt wurde. Daneben möchte ich aber auch allen anderen danken, die mich moralisch unterstützt haben, die bereit waren, mit Gedanken und Anregungen zum Entstehen dieser Arbeit beizutragen. Alle kann ich hier nicht nennen - die wich tigsten möchte ich jedoch in alphabetischer Reihenfolge des Nachnamens aufführen: Prof. Dr. Leo Bogart - langjähriger Präsident der amerikanischen Zeitungsverlegerver bandes und Autor zweier bemerkenswerter Studien zum Zeitungsmarkt der USA. Er hat mir wertvolle Kontakte vermittelt, mich mit dem Komitee der "AP Managing Edi tors" und mit Vertretern der "Freedom Foundation" zusammengebracht sowie die Ar chivrecherche bei der ANPA in New York ermöglicht. Prof. Dr. Jürgen Heinrich - Professor am Institut rur Journalistik in Dortmund und ei ner der Gutachter dieser Arbeit. Seine Anregungen und Anmerkungen waren ungeheu er hilfreich. Sie haben rur ein höheres Maß an Stringenz gesorgt und mich die Argu mentationslinie klarer ruhren lassen. Roland Karle - versierter Medienjournalist, der rur mich nicht nur das PBM-Archiv in Heidelberg durchforstete sondern auch immer wieder aktuelle Daten bereithielt. Dr. Dieter Keller - heute Berlin-Korrespondent rur Südwest Presse und Stuttgarter Nachrichten. Ihn durfte ich schon während unserer gemeinsamen Zeit beim Mannhei mer Morgen als exzellenten Marketingexperten kennenlernen. Er hat mich immer wie der mit wichtigen Hintergrundinformationen versorgt und tatkräftig unterstützt. Bruce Natham - APME-Koordinator in New York. Er hat mir Einblick in eine Viel zahl von Studien verschafft und marketingspezifische Daten vom US-Zeitungsmarkt zur Verrugung gestellt. Prof. Dr. Ulrich Pätzold - Betreuer dieser Arbeit und Professor am Institut rur Journa listik in Dortmund. Seine Geduld, seine Offenheit und sein inhaltliches Engagement haben dieser Arbeit gut getan. Prof. Dr. Ralf Steinmetz - einer der GMD-Direktoren in Darmstadt und Inhaber des Multimedia-Lehrstuhls an der Universität Darmstadt. Seine Initiative hat die Basis rur die empirische Untersuchung zum Redaktionsmarketing gelegt. Ihm gelang es auch, mit neuen Fragestellungen weitere theoretische Aspekte zu entdecken. Jon Swan - bis 1994 "Senior Editor" der Columbian Journalism Review. Er hat mir die Türen zur Ivy-League geöffnet und war der Initiator interessanter Gespräche an der Columbia University in New York. Eines darf am Ende nicht vergessen werden: Die in diesem Buch veröffentlichten Er gebnisse sind insbesondere all den Journalistenkollegen zu verdanken, die sich an der Befragung zum Thema Redaktionsmarketing beteiligt haben. Herzlichen Dank rur die Unterstützung! Harald Rau VIII Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung - Marketing für die Redaktion 1 1.1 Journalismus und Marketing - unvereinbar? 1 1.1.1 Marketing und die Zukunft des Tageszeitungsjoumalismus I 1.1.2 Zum Gang der Untersuchung 3 1.1.3 Mar ketingaspekte zur Positionierung 4 2 Marketing - Entwicklung und Aktionsfeld 5 2.1 Markterfordernisse und Marketing 5 2.1.1 Redaktionsmarketing - Bedarf erforschen und befriedigen 5 2.1.2 Marketing - eine Arbeitstechnik im Wandel 6 2.1.3 Von der Produktions-zur Marktorientierung 7 2.1.3.1 Der Verkäufermarkt als Ausgangspunkt 7 2.1.3.2 Der Käufermarkt als Konsequenz der Entwicklung 8 2.1.3.3 Die Marktphasen der Tageszeitung 8 2.1.4 Marketing-Definitionen im Zeitablauf 10 2.2 Marketing als dominante Führungsfunktion 12 2.2.1 Die philosophische Grundhaltung im Marketing 12 2.2.1.1 Marketing als Maxime 13 2.2.1.2 Kurzfristige und langfristige Strategien 14 2.2.1.3 Marketing im Dienstleistungssektor 14 2.3 Strategisches Marketing als weitere Dimension 16 2.4 Marketing für Nonprofit-Organisationen 17 2.4.1 Werte, Ideale, Überzeugungen "verkaufen" 17 2.4.2 Marktsegmentierung im Nonprofit-Bereich 18 2.4.3 Vom Nonprofit zum Social Marketing 19 2.4.3.1 Social Marketing führt zu neuen Dimensionen 19 2.4.3.2 Situationen für Social Marketing 19 2.4.3.3 Social Marketing als redaktionelles Aktionsfe1d 20 2.4.3.4 Praxisanwendung im Redaktionsumfeld 21 2.5 Die Elemente des Marketing-Management 22 2.5.1 Basis für die reaktive Komponente: Marktforschung 23 2.5.1.1 Die Definition von Markt und Märkten. 23 2.5.1.2 Der relevante Markt und die Marktforschung 23 2.5.1.3 Datenanalyse in der Marktforschung 24 2.5.1.4 Der Marktforschungsprozeß 25 2.5.1.5 Die drei Basiskriterien der Marktforschung 25 IX