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Rechtsextremismus: Einführung und Forschungsbilanz PDF

408 Pages·1994·10.876 MB·German
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Wolfgang Kowalsky· Wolfgang Schroeder (Hrsg.) Rechtsextremismus Wolfgang Kowalsky· Wolfgang Schroeder (Hrsg.) Rechtsextremismus Einführung und Forschungsbilanz Westdeutscher Verlag Alle Rechte vorbehalten © 1994 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlags gruppe Bertelsmann International. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt ins besondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt Gedruckt auf säurefreiem Papier ISBN 978-3-531-12561-9 ISBN 978-3-322-94201-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-94201-2 Inhalt Einleitung Wolfgang Kowalsky /Wolfgang Schroeder Rechtsextremismus - Begriff, Methode, Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Das Problemfeld Richard Stöss Forschungs- und Erklärungsansätze - ein Überblick ............... 23 11. Historische Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland Jürgen R. VVinkler Die Wählerschaft der rechtsextremen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1993 ....................... 69 Juliane Wetzel Der parteipolitische Rechtsextremismus in der Bundesrepublik 1945 bis 1989 .................................................. 89 Heinz Lynen von Berg Rechtsextremismus in Ostdeutschland seit der Wende ............. 103 111. Jugend, Frauen, Neue Rechte und Rechtsextremismus Arno Klönne Jugend und Rechtsextremismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Gertrud Siller Frauen und Rechtsextremismus.... ........ .... . .. ... ........ ... . 143 Armin Pfahl-Traughber Brücken zwischen Rechtsextremismus und Konservativismus ...... 160 6 Inhalt IV. Internationale Aspekte Franz Greß Rechtsextremismus in Europa 185 Benno Hafeneger Rechtsextreme Europabilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Dietmar Loch Rechtsextremismus in Frankreich: Der "Front National" 228 Rolf Uesseler Rechtsextremismus in Italien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 V. Gesellschaftliche und staatliche Reaktionen Peter Dudek Die Auseinandersetzungen mit Nationalsozialismus und Rechtsextremismus nach 1945 . .. . ... .. . .. .. .. . .. .. . .. .. . .. . . 277 Hans-Gerd Jaschke Staatliche Institutionen und Rechtsextremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 VI. Übergreifende Forschungsansätze und -diskussionen Claus Leggewie Rechtsextremismus - eine soziale Bewegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Eike Hennig Politische Unzufriedenheit - ein Resonanzboden für Rechtsextremismus? 339 VII. Chronologie Anne Schmidt Chronologie des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern ab 1945 .. . . .. 383 VIII. Anhang Wichtige Forschungsliteratur - eine Auswahl 411 Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 Wolfgang Kowalsky / Wolfgang Schroeder Einleitung Rechtsextremismus - Begriff, Methode, Analyse Eine Sozialwissenschaft im Elfenbeinturm braucht sich nicht mit aktuellen gesellschaftlichen Probleme zu befassen. Kaum ein Thema bewegt die deut sche und internationale Öffentlichkeit seit Ende der 80er Jahre so stark wie der Rechtsextremismus. Hier scheint ein Schlüssel zu liegen, um die politische Situation in Deutschland zu verstehen und um die Veränderungen in diesem Land zu bewerten: Ist Deutschland nach der Vereinigung, nach seiner wie dergewonnenen Souveränität auf dem Wege nach rechts? Werden sich rechts extreme Parteien in den - deutschen wie europäischen - Parlamenten eta blieren und zu einer Veränderung des Parteiensystems beitragen? Gibt es eine Kontinuitätslinie von den gegenwärtigen rechtsextremen Denk- und Handlungsmustern zu jenen der Epoche des historischen Faschismus, speziell der NS-Zeit? Oder hat sich der Rechtsextremismus so stark verändert - beispielsweise in Form der Partei "Die Republikaner" -, daß er ohne Bezug auf den "Nationalsozialismus"l auskommt? Gibt es eine steigende Akzeptanz für rechtsextremes Denken und Handeln, so daß von Deutschland wieder 1 Eine terminologische Fahrlässigkeit sei in diesem Zusammenhang erwähnt: So wie sich schleichend die - seit der NS-Zeit kontrovers diskutierte (vgl. kürzlich: Haug 1993: 343) - Übernahme der NS-Selbstbezeichnung "Nationalsozialismus", die immer auch der Diskre ditierung sozialistischer Vorstellungen dienen sollte, durchgesetzt hat (anstelle beispiels weise des außerhalb der Bundesrepublik üblichen "Nazismus"), so scheint auch die Beset zung des Begriffs Republikaner durch eine rechtsextreme Partei ein mittlerweile allseits akzeptiertes Faktum darzustellen. In keinem anderen westlichen Land außer der Bundes republik haben sich die Republikaner, d.h. die Verfechter einer offenen und modernen Republik, widerstandslos den Begriff entwenden lassen. Der sich durchsetzende Verzicht auf distanzierende Anführungszeichen kann als Indiz dafür genommen werden, daß die Republikaner/Demokraten den Begriff der rechtsextremen Partei überlassen. Eine Wissen schaft, die sich als freischwebend, fernab jeglicher sozialer Auseinandersetzungen wähnt, kann eine solche Begriffsbesetzung tolerieren; eine Wissenschaft jedoch, die sich selbstreflexiv verhält, dürfte sich nicht zum Komplizen dieser Begriffsverwirrung machen, sondern müßte vielmehr den ursprünglichen Begriffsinhalt "aufheben". Seit dem Wahlsieg der rechtsextre men Partei "Die Republikaner" im Januar 1989 in Berlin sind diejenigen, die den Begriff im ursprünglichen Wortsinn verwenden, in der Defensive, d.h. sie müssen ihn durch Zufü gungen kenntlich machen. Auf diesem Gebiet haben die Rechtsextremisten einen leichten Sieg errungen, der viel zu selbstverständlich von den Republikanern/Demokraten hinge nommen wird. 8 Wolfgang Kowalsky /Wolfgang Schroeder eine Gefährdung für die Welt ausgehen könnte? Warum wird der aktuelle Rechtsextremismus in Deutschland als bedrohlicher empfunden als ver gleichbare Phänomene in Frankreich, Großbritannien, Österreich oder Italien? Kurzum: Welche Bedeutung hat der Rechtsextremismus für die kollektive Identität der Deutschen, für die Entwicklungsmöglichkeiten der Gesellschaft und der Innen- und Außenpolitik dieses Landes? So existentiell diese Fragen und die darin enthaltenen Befürchtungen gerade vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit sind (Meier 1990), so wenig hilfreich sind dramatisierende und ahistorische Antworten. In der kaum überschaubaren Flut von Veröffentlichungen, die sich mit dem Rechts extremismus befassen, überwiegen journalistische Schnellschüsse (vgl. Backes 1990), die Konjunktur haben, sobald rechtsextremistische Umtriebe das öffentliche Interesse auf sich ziehen. Im Vergleich zu anderen Forschungs gebieten fällt auf, daß viele Studien zum Rechtsextremismus mit emotionalen und gesinnungsethischen Bewertungen geradezu überfrachtet sind. Zudem werden die darin erhobenen Befunde häufig direkt in politische Handlungs anweisungen übersetzt. Die verzerrte Sichtweise, die in zahlreichen Publi kationen anzutreffen ist, kann nicht nur auf die deutsche Vergangenheit zurückgeführt und mit der Absicht, eine erfolgreiche Gegenstrategie zu fin den, erklärt werden; sie ist ebenfalls Ergebnis fehlender analytischer und methodischer Klarheit sowie selbst verschuldeter Ausfluß des politischen Willens zur Dramatisierung und Dämonisierung (vgl. bspw. Kirfel 1989; Kühn! 1990; Butterwegge 1992). Mangelnde Distanz und ahistorisches Vor gehen versperren den Blick auf das Neue und verhindern eine der Situation angemessene Bewertung des gegenwärtigen Rechtsextremismus. Der Bedeutung des rechtsextremen Phänomens werden die meisten Pu blikationen nicht gerecht. Qualitätsdefizite beruhen nicht zuletzt darauf, daß bisherige Forschungsergebnisse nur selektiv zur Kenntnis genommen wer den.2 Diesem Mangel abzuhelfen ist ein Ziel des vorliegenden Bandes. In den Beiträgen wird versucht die Entwicklung der Rechtsextremismusfor schung in Deutschland seit Kriegsende nachzuvollziehen; die wichtigsten Studien, deren Thesen sowie die damit einhergehenden Kontroversen werden in Zusammenhänge eingeordnet und systematisiert. So verknüpft diese Bi lanz eine Bestandsaufnahme mit der Absicht, einen Überblick und eine Ein führung zu bieten.3 2 Beispielsweise wird erst in jüngster Zeit der bereits 1%7 erarbeitete Erklärungsansatz von I<Iingemann/Sc:heuch, die Rechtsextremismus als nnormale Pathologie" westlicher Indu striegeseIIschaften begreifen, wieder aufgegriffen (1967: 15). 3 Das von uns im Juli 1993 organisierte Symposium nRechtsextremismus - Produkt der Modeme oder Überbleibsel des Faschismus? Bilanz der Rechtsextremismusforschung" bil dete den Ausgangspunkt dieses Bandes. Einleitung 9 I. Rechtsextremismus als Klassüizierungs- und Analysekonzept Rechtsextremismus ist ein Sammelbegriff, in dem unterschiedliche Phäno mene gebündelt werden. Dazu gehören vor allem antidemokratisch-autori täre Ideologien, Einstellungs-und Handlungsmuster, Einzel- und Kollektiv aktivitäten, Medien, Organisationen, Parteien und schließlich Bedingungs zusammenhänge (vgl. Stöss 1989). Da selbst der innerwissenschaftliche Dis kussionsstand in Deutschland noch nicht an dem Punkt angelangt ist, daß von einem konsensualen Verständnis und Gebrauch der Rechtsextremismus Terminologie gesprochen werden kann, hat dies zur Folge, daß jeder neue Aufsatz, jede neue Monographie zunächst einmal den kategorialen Deutungs horizont ihrer Argumentation darlegen muß. Dieser Pflicht kann sich die hier vorgelegte wissenschaftliche Bestandsaufnahme, die weder dramatisie ren noch beschwichtigen, sondern einen möglichst unvoreingenommenen und umfassenden Beitrag zum Erkenntnisfortschritt leisten will, nicht ent ziehen. Ein Problem der Rechtsextremismus-Terminologie besteht darin, daß ei nerseits eine Reihe von konkurrierenden Begrifflichkeiten wie Rechtsradika lismus, Rechtsfundamentalismus, Neo-Nazismus, Neo-Faschismus, Rechts und Nationalpopulismus, Nationalkonservatismus bis hin zur Alten und Neuen Rechten4 im Gebrauch sind (vgl. auch Pfahl-Traughber 1993: 26ff.). Andererseits verbinden die Autoren, die den Begriff Rechtsextremismus be nutzen, damit sehr unterschiedliche Motivationen, Ziele und Bedeutungs ebenen. Für die extremismustheoretische Forschungsrichtung, die der alten Tota litarismustheorie5 am nächsten steht - in besonders pointierter Form von Backes/Jesse (1993) artikuliert -, fungiert Rechtsextremismus als Sammelbe griff für Phänomene, die sich gegen den demokratischen Verfassungsstaat richten. Mit einer solchen Deutung wird die inhaltliche Begriffsbestimmung an eine außerwissenschaftliche Instanz wie den Verfassungsschutz angelehnt, statt sich selbst um die Durchsetzung einer eigenen Interpretation im öffent lichen Diskurs zu bemühen. Diese staatszentrierte Deutungsübernahme wird noch zugespitzt durch Forscher, die die vom Verfassungsschutz vorgegebene juristische Unterscheidung zwischen einem nicht-verfassungsfeindlichen Rechtsradikalismus und einem verfassungsfeindlichen Rechtsextremismus 4 Der Begriff Neue Rechte ist zweideutig: Einerseits wird darunter die "Modernisierung" des Rechtsextremismus verstanden, andererseits wird er verwendet als Bezeichnung für rechts intellektuelle Denkzirkel, die seit Ende der 60er Jahre Antworten von rechts auf die gesell schaftlichen Veränderungen zu geben versuchen (vgl. Gessenharter 1989). Unter "moderni siertem" Rechtsextremismus wird gemeinhin der Rechtsextremismus gefaßt, der versucht, seine Identität ohne Bezug auf den historischen Faschismus zu bestimmen. 5 Vgl. die bereits in den 50er und 60er Jahren kontroverse Diskussion um das Totalitarismus theorem (Jänicke 1971). 10 Wolfg ang Kowalsky /Wolfgang Schroeder übernehmen. Ein solch phänomenologischer Ansatz, der als Ordnungsprinzip die Einordnung auf der Koordinatenachse von verfassungsgemäßen bis ver fassungsfeindlichen Einstellungen verfolgt, vermag der Komplexität eines gesellschaftlichen Krisenphänomens, wie es der Rechtsextremismus in hoch entwickelten Industriegesellschaften darstellt, insofern nicht gerecht zu wer den, als er sich auf ein zu enges Referenzkonzept verläßt. Die Analyse des Rechtsextremismus kann sich jedoch nicht darauf beschränken, empirische Phänomene deskriptiv wiederzugeben, sondern muß die beobachteten Phä nomene auf ihre konstitutiven Bedingungen zurückbeziehen, deren Genese nachzeichnen und erklären können. Schon aus diesem Grunde ist ein eindi mensionaler Ansatz wie der extremismustheoretische notwendigerweise komplexitätsreduzierend und damit der Problematik nicht adäquat. Die Mehrzahl kritischer Sozialwissenschaftler meidet den Rechtsextremis musbegriff gerade wegen seiner extremismustheoretischen Besetzung. Sie sehen darin eine unverantwortliche politische Instrumentalisierung (vgl. Narr 1980, 1993), die letztlich auf eine Gleichsetzung von Links-und Rechts extremismus im Sinne der alten Totalitarismustheorie (vgl. bspw. Nolte 1973; Bracher 1987) hinauslaufe. Zudem befürchten sie, daß mit einer solchen Negativdefinition, die sich primär auf die Gegnerschaft zum demokratischen Verfassungsstaat und seinen verfahrens- und menschenrechtlichen Grund lagen kapriziert, die Genese und Ursachen von Rechtsextremismus ausge blendet und somit vorrangig Staatsschutzziele, die eine strafrechtliche Aus grenzung bezwecken, verfolgt werden. Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen, benutzen verschiedene Forscher alternative Begriffe, beispielsweise den Begriff Rechtsradikalismus (vgl. Leg gewie in diesem Band). Andere vertreten die Auffassung, daß gerade dieser Begriff wegen der positiven Konnotation von Radikalismus (im ursprüngli chen Sinne von: an die Wurzel gehen) eine Fehlorientierung bedeute. Wieder andere greifen auf ältere Begriffe zurück, denen die Vorsilbe "Neo-" voran gestellt wird, doch diese Begriffsbildung ist irreführend, da bei Komposita wie Neofaschismus oder Neonazismus nicht die Vorsilbe, sondern das Nomen sinngebend wirkt. Zugleich ignorieren diese begrifflichen Fixierungen, daß die meisten der aktuell agierenden rechtsextremistischen Gruppen und Ak tivitäten nicht unmittelbar auf das NS-Regime zurückzuführen sind, sondern daß in diesem politischen Spektrum eine relative Autonomisierung gegen über der NS-Politik und NS-Ideologie stattgefunden hat, die durch neue und eigenständige Begrifflichkeiten erfaßt werden muß. In jüngster Zeit hat die Begriffsbildung Rechtspopulismus als Konkur renzkategorie zu Rechtsextremismus an Akzeptanz gewonnen (vgl. Laclau 1981; Dubiel 1986; Glotz 1989). Die in diesem Begriff zum Ausdruck kom mende Akzentverlagerung besteht darin, daß das Populistische, also der Appell an das Volk (lat. populus) in den Vordergrund gerückt, damit aber auf die Unterscheidung zwischen rechtsextrem und rechts vollends verzichtet Einleitung 11 wird. Zudem ergibt sich ein weiteres Problem: Mit der Bildung des Gegen begriffs "Linkspopulismus" schiebt sich die extremismustheoretische Be griffsfundierung, der zu entgehen doch gerade ein Ziel bildete, wie eine Folie hinter die Neuschöpfung. Kurzum: Der Begriff Populismus bezeichnet keine neue politische Strömung, sondern ein~ spezifische Form der politischen Beziehung zwischen Politikern, Parteien und Volk (DubieI1986: 7). Um den Rechtsextremismus-Begriff trotz solcher Probleme wieder frucht bar zu machen, muß die Herangehensweise von zwei komplementären Ver kürzungen befreit werden, die aus normativen Vorannahmen resultieren: Einerseits von der extremismustheoretischen Verengung, die auf Verfassungs konformität und Staatsschutzdenken verweist, andererseits von der norma tiven Überhöhung und Stilisierung, die zu einem antifaschistischen Kampf, der weitgehend ritualisiert und vergangenheitsbezogenen verläuft, führen kann. Beide Sichtweisen beruhen auf und führen zu einer Engführung der Er kenntnisse, die ihre beste Rechtfertigung jeweils in der Existenz des anderen Lagers findet: So wie der extremismustheoretische Ansatz dem Antifa-Ansatz seine Blindheit gegenüber totalitären und spezielllinksextremen Auffassun gen und Aktivitäten vorhält, so kritisiert der gesellschaftskritische Ansatz an der extremismustheoretischen Variante deren - totalitarismus theoretisch inspirierte - Hervorhebung und Überhöhung formaler Strukturanalogien, die zu eigenständigen Gefahren für die Demokratie von linksaußen bzw. rechtsaußen stilisiert würden. Beide Seiten gründen ihre Terminologie und ihre Konzeptionen letztlich auf - zwar konträren, aber eben - normativen Prämissen, die mehr mit der jeweiligen "political correctness" als mit wis senschaftlicher Analyse zu tun haben. Beide Verkürzungen gilt es zu über winden, um das gesamte Feld des Rechtsextremismus in den Blick zu be kommen. In die wissenschaftliche Analyse des Rechtsextremismus müssen einge hen: die ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Rahmenbedin gungen, die Verbreitung von antidemokratischen und demokratieskeptischen Einstellungen, das Ausmaß und die Entwicklung rechtsextremer Aktivitäten - organisiert wie nicht organisiert -, die generations- und geschlechtsspezi fischen Besonderheiten, die Struktur rechtsextremistischer Ideologien, die Programmatik rechtsextremer Organisationen, die Beziehungen rechtsextre mer Organisationen zu maßgeblichen politischen Kräften auf nationaler wie internationaler Ebene. Wenn unter Rechtsextremismus verstanden wird die Gesamtheit von Ein stellungen und Verhaltensweisen, die auf die Beseitigung oder nachhaltige Beeinträchtigung demokratischer Rechte, Strukturen und Prozesse gerichtet ist, so bleibt Rechtsextremismus als zugleich soziales und politisches Mas senphänomen erklärungsbedürftig. Es deutet auf eine individuelle und ge samtgesellschaftliche Komponente hin, wenn auch diese beiden Faktoren

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