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Realitätskonstitution und mythischer Ursprung: Zur Entwicklung der italienischen Schriftsprache von Dante bis Salviati 429. Sitzung am 21. Juni 2000 in Dusseldorf PDF

44 Pages·2000·0.859 MB·German
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IW~ESTFALlSC1 ocx: sm: Z m ~ WISSENSCHARtN Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften Geisteswissenschaften Vorträge· G 370 Herausgegeben von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften PETER WUNDERLI Realitätskonstitution und mythischer Ursprung. Zur Entwicklung der italienischen Schriftsprache von Dante bis Salviati Westdeutscher Verlag 429. Sitzung am 21. Juni 2000 in Düsseldorf Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. Alle Rechte vorbehalten © Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden, 2000 Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BerteismannSpringer. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem Papier. Herstellung: Westdeutscher Verlag ISSN 0944-8810 ISBN 978-3-531-07370-5 ISBN 978-3-322-88199-1 (eBook) 00110.1007/978-3-322-88199-1 O. Die Rede von der idealen Sprache, aber auch - gewissermaßen eine redu zierte Version dieses Topos - einer räumlich begrenzten Einheitssprache und ihrer Dominanz in einem aufgrund unterschiedlicher Kriterien vorgegebenen Raum ist über die Jahrhunderte hinweg eine Art "Dauerbrenner", der sich in den unterschiedlichsten Kultur- und Lebensräumen findet. Die Idee einer alle konkurrierenden Idiome bei weitem in den Schatten stellenden "perfekten" Sprache, die Möglichkeit einer dominanten, mächtigen Gemeinsprache mit Leitfunktion scheint immer und überall ein Faszinosum dargestellt zu haben. Dabei korreliert diese mythische Vision oft mit anderen Mythen oder Topoi der Geschichtsschreibung, insbesondere mit demjenigen der translatio imperii, was sich dann z. B. bei Nebrija in einer Art translatio linguae niederschlägt!; dabei werden natürlich nicht die "großen" klassischen Sprachen (Hebräisch, Griechisch, Latein) als solche transferiert, sondern nur jeweils ihre hegemo niale Funktion wird auf eine andere Sprache übertragen. Dieses ganze Spektrum des Mythos2, das zentrifugale Kräfte beinhaltet, die eine Aufspaltung in verschiedene Mythen zur Folge haben können, findet sich - wie wir gleich sehen werden - in hochgradig ausdifferenzierter Form bei Dante. Der Einheitlichkeits- und Dominanzmythos korreliert bei ihm gleich zeitig mit dem gegenteiligen Mythos, demjenigen der endlosen Diversifika tion, der unbegrenzten sprachlichen Variation. Sein Ziel ist es letztlich, zwi schen diesen beiden Extremen einen gangbaren, in einem gewissen Sinne auch realistischen Weg zu finden, der zumindest eine mehr oder weniger einheit liche italienische (Hoch-)Sprache ermöglichen soll. 1 Cf. WEINRICH 1973:536s.; BRASELMANN 1991:416ss., v.a. p. 425. - Unter der translatio linguae ist eine Weitergabe der sprachlichen Leitfunktion vom Typus Hebräisch --;. Griechisch --;. Latein (--;. Spanisch) in Analogie zur politischen Vorherrschaft (Israel --;. Griechenland --;. Rom [ --;. Kastilien]) zu verstehen. Schon im ersten Abschnitt wird man ein gewisses Schwanken zwischen der Verwendung der Termini Mythos und Topos festgestellt haben. Dies beruht darauf, daß die Grenze zwischen den beiden (prototypischen Phänomenen) fließend ist. In seinem Ursprung (und v.a. bei Dame) sind die hier behandelten Konzepte unzweifelhaft mythischer Natur, aber sie "degenerieren" in der Folge oft zu Topoi (um dann oft remythisiert zu werden). Dieser schillernde Charakter veran laßt uns dazu, je nach Bedarf zum einen oder anderen Terminus zu greifen. 6 Peter Wunderli Der Traum einer einheitlichen italienischen Sprache hat die Diskussion um das Italienische im sprach-und kulturgeschichtlichen Kontext von Dante an in höchstem Maße bestimmt und - zumindest vorübergehend - fast zu einer Umsetzung des Mythos in die Realität geführt. Für Dante war das von ihm anvisierte valgare illustre noch ein Ideal, eine Utopie, ein in vielerlei Hinsicht am (inzwischen toten) Latein orientiertes Leitbild. Im 15. Jahrhundert tritt diese Vision dann allerdings angesichts einer durch den explodierenden Huma nismus bewirkten "Renaissance" des Lateins kurzfristig in den Hintergrund, um im 16. Jahrhundert wieder mächtig aufzubrechen. Obwohl das Latein noch lange unangefochtene Universalsprache bleiben wird, setzt sich Ende des 15. Jahrhunderts in Italien das valgare durch. Und auch die Debatte um die Art und den Charakter dieser Vulgärsprache kommt im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts dank des Sieges der Traditionalisten praktisch zum Abschluß: Man hat sich auf eine der möglichen Toposauslegungen geeinigt, und dieser Konsens sollte faktisch bis zur staatlichen Einigung Italiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Bestand haben. In diesem Beitrag werde ich mich im wesentlichen auf den historischen Aus schnitt von Dante bis zum 16. Jahrhundert beschränken. Ich werde ausführlich auf Dantes De Vulgari Elaquentia eingehen, dann kurz die wichtigsten Posi tionen im 15. Jahrhundert streifen, um mich schließlich vertieft mit den vier Hauptströmungen des 16. Jahrhunderts zu befassen: Pietro Bembo, Baldessare Castiglione, Giangiorgio Trissino und Niccolü Machiavelli. Auf die zahlrei chen übrigen Autoren, die z. T. differenzierte Zwischen- und Mischpositionen einnehmen (z. B. il Cahneta [Vincenzo Colli], Mario Equicola, Angelo Colora, Sperone Speroni, Gerolamo Muzio, Lorenzo Martelli, Claudio Tolomei, Gian Battista Gelli, Pierfrancesco Giambullari u.a.m.), kann aus Platzgründen nicht eingangen werden. 1. Dantes Ausführungen zur Sprachproblematik sind zuerst einmal theolo gisch fundiert: Gott hat dem ersten Menschen (Adam) die Sprachfähigkeit und die Sprache gegeben. Verkürzend und vereinfachend stellt sich hier zunächst einmal die Frage nach der Abgrenzung von Sprachfähigkeit und adamitischer Sprache, die in De Vulgari Elaquentia (DVE) nicht gerade eindeutig und prä zis ist3. Der formale Aspekt der Sprachfähigkeit ist in folgender Stelle domi nant4: 3 Cf. WUNDERLI 1993/94:86ss. 4 Die deutsche Übersetzung der Zitate aus DVE folgt im wesentlichen: DANTE ALIGHIERI, Über das Dichten in der Muttersprache, aus dem Lateinischen übersetzt und erläutert von F. DORN SEIFF und J. BALOGH, Darmstadt 21966; ich habe mir allerdings erlaubt, einige Mängel still schweigend zu korrigieren. - Die Übersetzung der übrigen Zitate stammt vom Verf. Realitätskonstitution und mythischer Ursprung 7 ... dicimus certam formam locutionis a Deo cum anima prima concreatam fuisse. Dico autem "formam" et quantum ad rerum vocabula et quantum ad vocabulorum constructionem et quantum ad constructionis prolatio nem: qua quidem forma omnis lingua loquentium uteretur, nisi culpa pre sumptionis humane dissipata fuisset, ut inferius ostendetur. (DVE I1vi/4)5 Für den formalen Charakter und damit für eine allgemeine Sprachfähigkeit sprechen v. a. die Gliederung in Lexikon, Morphosyntax und Phonetik/Pho nologie, handelt es sich hierbei doch um die Grundkonstituenten jeder Spra che6• Gleichzeitig geht es hier aber auch um eine ganz konkrete Sprache, näm lich diejenige, in der Gott und Adam kommuniziert haben; dies wird nicht nur aus dem Gesamtkontext deutlich, sondern v. a. auch aus der direkten fortset zung der zitierten Stelle: 2 Hac forma locutionis locutus est Adam; hac forma locutionis locuti sunt omnes posteri eius usque ad edificationem turris Babel, que "turris con fusionis" interpretatur; hanc formam locutionis hereditati sund filii Heber ... Hiis solis post confusionem remansit, ut Redemptor noster, qui ex illis oriturus erat secundum humanitatem, non lingua confusionis, sed gratie frueretur. (DVE I1vi/5sY Daß Dante nicht einfach unscharf formuliert, sondern ganz dezidiert Sprachfähigkeit und Sprache einander gegenüberstellt, erhellt auch mit aller Deutlichkeit aus der folgenden Stelle der Divina Commedia: e 3 Opera naturale ch'uom favella; / ma cosi, 0 cosi, natura lascia / poi fare a voi scondo che v'abbella. (Paradiso 26/130-32)8 Entscheidend für unsere Fragestellung ist aber v. a., daß die erste Sprache, die Sprache Adams, gottgegeben war, und als ein Gottgegebenes hatte sie idealen, perfekten Charakter: Sie war einheitlich, sie war umfassend, und sie war sta- S " ••• sagen wir, daß eine bestimmte Gestalt der Sprache von Gott mit der ersten Seele mit erschaffen ward. Ich spreche aber von Gestalt sowohl betreffend die Wörter für die Dinge, betreffend die Sätze aus den Wörtern (vocabulorum constructionem) und betreffend die Aus sprache der Sätze. Und diese Gestalt würde jede Sprache der Redenden gebrauchen, wenn nicht die Schuld der menschlichen Vermessenheit die Sprachen zerstreut hätte, wie weiter unten gezeigt werden soll." (, Cf. WUNDERLI 1993/94:86s. 7 "In dieser Gestalt der Rede sprach Adam, in dieser Gestalt sprachen alle seine Nachkommen bis zur Erbauung des Turms von Babel, der als Turm der Verwirrung gedeutet wird. Diese Gestalt der Rede erbten die Söhne des Heber, die nach ihm Hebräer genannt worden sind. Ihnen allein blieb sie auch nach der Verwirrung, damit unser Erlöser, der von ihnen abstammen sollte, soweit er Mensch war, nicht der Sprache der Verwirrung, sondern der der Gnade genösse." 8 "Es ist ein Werk der Natur, daß der Mensch spricht; aber die Natur überläßt es dann euch [die ses Sprechen], nach eurem Gutdünken zu tun." 8 Peter Wunderli bil9• Die adamitische Sprache entspricht somit dem Mythos einer universalen und uneingeschränkt dominanten Sprache, ja sie ist geradezu der Ursprung dieses Mythos. Doch leider hat dieser Idealzustand keinen Bestand. Nach der Vertreibung aus dem Paradies hat die Menschheit offensichtlich nichts dazugelernt, und sie erdreistet sich, einen Turm bis in den Himmel bauen zu wollen. Gott straft sie mit der babelischen Sprachverwirrung: Die (kommunikativ durchlässigen) Fachsprachen der an diesem Unternehmen beteiligten Handwerker werden zu autonomen Sprachen, so daß zwischen den einzelnen Gruppen keine Verstän digung mehr möglich ist und das Unternehmen abgebrochen werden muß: 4 ... ; cum celitus tanta confusione percussi sunt ut, qui omnes una eadem que loquela deserviebant ad opus, ab opere multis diversificati loquelis desinerent et nunquam ad idem commertium convenirent. Solis etenim in uno convenientibus ac tu eadem loquela remansit: puta cunctis architec toribus una, cunctis saxa volventibus una, cunctis ea parantibus una; et sic de singulis operantibus accidit. Quot quot autem exercitii varietates ten debant ad opus, tot tot ydiomatibus tunc genus humanum disiungitur; et quanto excellentius exercebant, tanto rudius nunc barbariusque locuntur. (DVE I1vii/6s.)IO Diese Katastrophe führt nun zu einer endlosen Diversifikation und Zer splitterung der menschlichen Sprache, die Dante im folgenden ausführlich beschreibt. Es kann hier nicht darum gehen, Dantes Ausführungen zu diesem Aspekt im Detail zu analysieren; ich muß mich vielmehr mit einer kurzen Zusammen fassung begnügenlI. Die Sprachen zerfallen nach seiner Auffassung in drei Familien bzw. in das erste ydioma tripharium: eine südliche, eine nördliche und eine östliche. Die südliche Familie entspricht dem Latein bzw. den aus ihm entstandenen romanischen Sprachen, die östliche entspricht dem Griechischen bzw. dem byzantinischen Raum, und die nördliche schließlich ist eine Art Restmenge, die die germanischen und die slawischen Sprachen ebenso wie das 9 In diese Stabilität scheint Dante auch das nach-babel ische Hebräisch einzubeziehen. Diese Argumentation (ebenso wie die bzgl. der vor-babelischen Sprache) ist aber rein theologisch, und nicht linguistisch begründet. 10 " ••• als sie vom Himmel mit solcher Verwirrung geschlagen wurden, daß die, welche alle sich einer und derselben Sprache zum Werk bedienten, vom Werke abließen und, in viele Sprachen zerteilt, nimmer zu derselben Verständigung zusammenkamen. Denn nur denen, die in dersel ben Tätigkeit vereinigt waren, blieb die gleiche Sprache, nämlich allen Baumeistern eine, allen Steinrollern eine, allen, die sie bearbeiteten, eine, und so geschah es mit den einzelnen Arbei tern. So viele verschiedene Arbeiten am Werke tätig waren, auf so viele Sprachen trennte sich damals das Menschengeschlecht. Und je höher ihre Arbeit stand, desto rauher und barbarischer sprechen sie jetzt." 11 Für das folgende cf. DVE I1viii. Realitätskonstitution und mythischer Ursprung 9 Ungarische umfaßt12. Die auf das Latein zurückgehenden romanischen Spra chen liefern dann nach Dantes Auffassung eine zweites ydioma tripharium, wobei die einzelnen Sprachen über die in ihnen verwendete Bejahungspartikel charakterisiert werden: Die "Yspani" würden oe, die "Franci" od und die "Latini" schließlich Sl verwenden13• Die Franei und die Latini sind leicht mit den Franzosen und den Italienern zu identifizieren (obwohl natürlich auch die Spanier si als Bejahungspartikel verwenden); bei den Yspani kann es sich wohl nur um den okzitanisch/katalanischen Raum handeln. Doch damit nicht genug. Dante sieht sehr wohl, daß die Sprache Italiens alles andere als einheitlich ist. Er nimmt deshalb eine Dialektklassifikation vor, in der er wenigstens vierzehn Hauptvarietäten unterscheidet1+ - eine Klassi fikation, die bis heute in hohem Maße Bestand hat15• Doch damit noch lange nicht genug, wie die folgende Stelle zeigt: 5 ... investigemus ... quare VICIDlUS habitantes adhuc discrepant in loquendo, ut Mediolanenses et Veronenses, Romani et Florentini, nec non convenientes in eodem gene re gentis, ut Neapoletani et Caetani, Raven nates et Faventini, et, quod mirabilius est, sub eadem civilitate morantes, ut Bononienses Burgi Sancti Felicis et Bononienses Strate Maioris ... (DVE I1ix/4).16 Auch eng benachbarte Dialekte weichen also voneinander ab, und auch innerhalb eines gegebenen Dialekts gibt es Unterschiede von Ort zu Ort, ja selbst innerhalb ein und desselben Gemeinwesens lassen sich von Quartier zu Quartier Unterschiede feststellen; als Beispiel hierfür dient Bologna. Am Ende von Kapitel x faßt Dante seine Variationsanalyse dann nochmals zusammen und stellt resigniert fest: 12 Verbindendes Element in diesem Sammelsurium wäre die gemeinsame Bejahungspartikel i6, cf. DVE I1viii/3; zur Verwendung der Bejahungspartikel als typologisches Kriterium cf. auch das folgende. 13 Cf. DVE I1viii/5-ix/2. 14 Cf. DVE I1x/3-7; vgl. auch WUNDERLI 1993/94:95ss. IS Daß Dante das Sardische und das Friulanische zum Italienischen zählt, wird man ihm wohl ver zeihen, zumal der Status dieser Idiome auch aus moderner Sicht z.T. noch kontrovers ist; über dies steckt er bzgl. des Sardischen in xi/7 wieder zurück und erklärt es nur noch als mit dem Italienischen assoziiert. Diese Korrektur ist insofern weitsichtig, als auch die neueste For schung Sardisch und Friaulisch (ebenso wie Korsisch und Ladinisch) nicht ganz zum italieni schen zählt, sie aber gleichwohl als zur Italoromania gehörig betrachtet. 16 " ••• wollen wir untersuchen, ... warum solche, die nahe beieinander wohnen, dennoch im Spre chen heute voneinander abweichen, wie die Mailänder und die Veroneser, die Römer und die Florentiner. Und auch solche, die im Namen der Völkerschaft (= Provinz) übereinstimmen, wie die Bewohner von Neapel und Gaeta, die von Ravenna und Faenza. Und was noch wunder barer ist, die in derselben Stadt wohnen, z.B. die Bolognesen von der Vorstadt des Hl. Felix und die Bolognesen von der Großen Straße." 10 Peter Wunderli 6 Quare adminus Xllll vulgaribus sola videtur Ytalia variari. Que adhuc omnia vulgaria in sese variantur, ut puta Tuscia Senenses et Aretini, in Lombardia Ferrarenses et Placentini; nec non in eadem civitate aliqualem variationem perpendimus, ... Quapropter, si primas et secundarias et subsecundarias vulgaris Ytalie variationes calculare velimus, et in hoc minimo mundi angulo non solum ad millen am loquele varitationem venire contigerit, sed etiam ad magis ultra. (DVE I1X/7)17 Und es fehlen sogar Stellen nicht, wo Dante die Ausdifferenzierung bis zur Familie18 und darüber hinaus sogar bis zum einzelnen Individuum treibt, dabei aber von einer "variatio sermonis arbitrio singularium fluitantis" 19 spricht, einem fließenden Charakter der Sprache aufgrund der Willkür des Einzelnen. Trotz dieses letztlich enttäuschenden empirischen Befundes gibt Dante den Traum einer für ganz Italien gültigen Hoch- oder Einheitssprache nicht auf20: 7 Quam' multis varietatibus latio dissonante vulgari, decentiorem atque illustrem Ytalie venernur loquelam; ... (DVE I1xi/l)21 Diese Jagd mündet zuerst einmal in eine umfassende Kritik der italienischen Dialekte ein22 - und diese endet erneut mit einem unerfreulichen Ergebnis: Keiner der Dialekte kann vor dem kritischen Auge Dantes bestehen, auch nicht der von Bologna, und schon gar nicht der von Florenz. Er hat somit das valgare illustre nicht gefunden, und doch ist er immer wieder und an den ver schiedensten Orten auf einzelne Züge gestoßen, die einer solchen Gemein sprache würdig zu sein scheinen; sie scheint eine Art Panther zu sein, der sich nie dingfest machen läßt und doch überall seine Duftspuren hinterläßt: 8 Postquam venati saltus et pascua sumus Ytalie, nec pantheram quem sequimur adinvenimus, ut ipsam reperire possimus rationabilius investi- 17 "Daher scheint schon Italien allein mindestens vierzehn verschiedene Volkssprachen (vulgaria) zu haben, Diese Volkssprachen sind auch noch in sich selbst verschieden, wie z.B, in der Toskana die von Siena und Arezzo, in der Lombardei die von Ferrara und Piacenza. Ja in der selben Stadt nehmen wir eine gewisse Verschiedenheit wahr ... Wenn wir daher die Verschie denheiten ersten, zweiten Grades und weiterer Grade in der Volkssprache Italiens ausrechnen wollten, so dürften wir in diesem winzigen Winkel der Welt nicht allein auf eine tausendfältige Verästelung der Volkssprache kommen, sondern sogar auf noch mehr darüber hinaus." 18 DVE I1xix/3. 19 DVE I1ix/11. 20 In der Akademiediskussion wurde angezweifelt, daß es zu Beginn des 14. Jahrhunderts bereits das Ideal einer sprachlichen (und politischen) Einheit Italiens gegeben haben könne. Derartige Zweifel widerlegt schon Dantes Traktat De Monarchia (NARDI 1979). Aber auch in seiner Nach folge war die politische und sprachliche Einheit Italiens immer wieder ein bevorzugtes Diskus sionsthema, wenn es auch die breiten Massen nicht vordringlich beschäftigt haben dürfte. 21 "Da die italienische Volkssprache in sehr viele Varietäten zerfällt, wollen wir auf die angemes senste und erlauchteste Sprache Italiens Jagd machen." 22 Cf. DVE I1xi-xv.

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