Thomas Sitte Ratgeber Lebensende und Sterben Informationen für unheilbar Kranke und deren Begleiter – von der Diagnose bis zum Tod Ratgeber Lebensende und Sterben Thomas Sitte Ratgeber Lebensende und Sterben Informationen für unheilbar Kranke und deren Begleiter – von der Diagnose bis zum Tod Mit 40 Abbildungen Thomas Sitte Deutsche PalliativStiftung Fulda, Deutschland Die in den Abbildungen dargestellten Personen stehen meist symbolhaft für die geschilder- ten Krankheitsgeschichten, sind aber mit den beschriebenen Krankheitsgeschichten in der Regel nicht identisch. Die Krankheitsgeschichten selber sind alle bis in die Details authen- tisch. Jedoch wurden in der Regel Namen und Daten so verändert, dass keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Personen möglich sind. ISBN 978-3-662-56028-0 ISBN 978-3-662-56029-7 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-56029-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über 7 http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus- drücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 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In großer Dankbarkeit für meine Frau Edel und meine Kinder Valentin, Elena und Hen- rik, die mit viel Geduld (fast) immer meine Arbeit, oft meinen Ärger und auch meine Verzweiflung ertragen und mitgetragen haben. Sie haben immer zu mir gehalten und mich unaufgeregt und wunderbar unterstützt, als man mir wegen meines Engagements für eine angemessene Palliativversorgung durch juristische Winkelzüge existenziell schaden wollte. Es war für mich eine allesverändernde Lebenserfahrung, als ich gewarnt wurde: „Man will Sie kaltstellen!". Für meine Eltern, die mich so wesentlich geprägt haben. Am Ende konnte ich ihnen dann etwas zurückgeben, indem ich sie menschlich, aber auch fachgerecht, bis zum Tod begleiten durfte. Dann ist da noch mein jugendlich-dynamischer Doktorvater Prof. Dr. Sven Gottschling. In Hamburg habe ich gearbeitet, in Homburg meine Dissertation eingereicht. So wurde aus mir im vorgerückten Alter von 58 Jahren ein „richtiger“ Doktor. Danke, mein lieber, junger „Papa“. Eigentlich wollte ich nie promovieren, doch das Thema „Beihilfe zur Selbsttötung und Tötung auf Verlangen in der Palliativversorgung“ hat mich sehr gereizt. Auf das „magna cum laude“ als Benotung bin ich sogar richtig stolz. Meine Promotions- schrift konnte ich für die politische Arbeit einsetzten. Jetzt helfen mir die zwei Buchsta- ben vor meinem Namen für eine effektivere Öffentlichkeitsarbeit. Frau Dr. med. Anna Krätz, Dr. med. Dipl. Päd. Martina Kahl-Scholz und Sirka Nitsch- mann vom Springer Verlag haben mich motiviert, zu schreiben was und wie ich denke. Danke! Diese Profis haben mich ermutigt und bestärkt, dass ich mir diese Begabung eingestehe und sie besser einsetze. Und last but not least ein herzliches „Vergelt’s Gott“ an Daniel, Florian, Kalle und Peter: (Hoch)Leistung geht nicht ohne Training. Wichtig für die Ausdauer im Beruf, wie im Leben ist auch körperliche Fitness. Dank guter Kumpels kann ich immer wieder meinen inneren Schweinehund überwinden, bei jedem Wetter, früh morgens, tags oder nachts geht es dann raus in die Natur. V I Widmung Ich wünsche mir, dass dies vielen Menschen helfen wird zu erkennen: » In schwerer Krankheit, in Todesnähe gibt es gute Hilfe. Jeder kann vernichtende Schmerzen, schlimmste Atemnot, jedes körperliche Leiden dank der Hilfe engagierter, fachlich exzellenter Palliative Care Teams so gelindert bekommen, dass Sie und jeder Mensch in Deutschland das Leben ertragen, sogar zufrie- den zu Ende leben können, ohne nach „Sterbehilfe“ rufen zu müssen. VII Geleitwort Am Ende der Schulzeit gehen wir zur Berufsberatung, spä- ter suchen wir Rat bei einer Erziehungsberatungsstelle und lassen uns vom Finanzfachmann in Sachen Altersvorsorge beraten. Es gibt kaum eine Lebensphase, in der wir nicht dankbar sind für Tipps vom Experten. Bis auf die, die uns ganz am Ende erwartet: Denn wer, bitteschön, holt sich gerne Rat und Informationen rund ums Lebensende ein? Tod und Sterben sind immer weit weg. Egal, wie alt wir sind. Oder? Der Tod ist tabu. Wir blenden ihn aus. Genau wie die Themen Alter, Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Das trifft uns viel später. Wenn überhaupt. Viele von uns hoffen dar- auf, dass das Leben eines Tages einfach vorbei ist. Wir wünschen uns, dass wir irgend- wann einschlafen und weg sind für immer. Besser noch beim Sex einen Herzstillstand haben oder beim Wandern tot umfallen. Vorstellungen sind das, deren Eintreten so unwahrscheinlich ist, dass sie fast schon klischeehaft-kindisch anmuten. „Ich will in Würde altern.“, ist ein oft gebrauchter Satz. „Mein Leben soll bis zuletzt selbst- bestimmt sein.“, ein anderer. Das klingt erst einmal gut. Das können wir sicher alle so unterschreiben. Aber oft schwingt da ganz leise mit, dass ein Mensch, der auf die Hilfe anderer angewiesen ist, eben nicht länger selbstbestimmt lebt und dann keine Würde mehr hat. Der Widerwille, sich mit dem eigenen Sterben auseinanderzusetzen, hat dramatische Folgen – für jeden von uns ganz persönlich. Wenn wir es so lange wie möglich ignorie- ren, dass wir irgendwann Kraft und Gesundheit einbüßen werden, versäumen wir es, die finale Phase unseres Lebens angemessen vorzubereiten. Damit verpassen wir die Chance, die letzten Monate und Jahre unseres Lebens in genau der räumlichen, sozialen und emotionalen Umgebung zu verbringen, in der wir uns wohlfühlen. Denn die bittere Wahrheit ist: Wer nicht auch für diesen Lebensabschnitt vorsorgt, läuft Gefahr, dass dieser genauso wird, wie er nicht werden soll. Wer in letzter Konsequenz in ein Pflegeheim muss, das er sich nicht ausgesucht hätte, lebt nicht sehr selbstbestimmt und wenig würdevoll. Und alles das bloß, weil es verpasst hat, sich rechtzeitig um ein Heim seiner Wahl oder eine palliativmedizinische Betreuung im eigenen Zuhause zu kümmern! Da ist Thomas Sittes „Ratgeber Lebensende und Sterben“ ein wertvolles Buch. Denn es liefert genau das, was Ihnen ein Beratungsgespräch zum Thema Berufswahl oder Alters- vorsorge im besten Fall auch vermittelt: Fundiertes Wissen, gepaart mit der richtigen Dosis Emotion und persönlicher Ansprache. Und damit die Möglichkeit, die richtigen Maßnahmen für einen Lebensabend zu treffen, der – soweit es möglich ist – Ihren ganz persönlichen Vorstellungen und Wünschen entspricht. V III Geleitwort Denn: Wenn Sie rechtzeitig eine Patientenverfügung verfassen, können Sie festlegen, wie Sie behandelt werden wollen, wenn Sie sich in Abhängigkeit von Pflegern und Ärzten befinden. Vielleicht möchten Sie das komplette Programm der modernen Medizin für sich nutzen und Ihr Sterben so weit wie möglich hinausschieben. Vielleicht möchten Sie auch eine medizinische Fehl- und Überversorgung kategorisch ausschließen und so ver- meiden, dass Ihr Leben zwar verlängert wird, Sie aber wegen der vielen Therapien und Nebenwirkungen die Freude daran verlieren. Wenn Sie beizeiten einen Angehörigen oder Freund darum bitten, die gesetzlich mögliche Vollmacht oder Betreuung nach ihren ganz persönlichen Vorstellungen zu übernehmen, vermeiden Sie, dass das im Zweifel ein Fremder tut, der Ihre Wünsche und Vorstellungen gar nicht kennt. Wenn Sie wissen, dass auf Kosten der Krankenkassen ein ambulanter Hospizdienst oder ein SAPV-Team in Ihre eigenen vier Wänden kommen kann, verlieren Sie ein Stück weit die Angst davor, am Lebensende Ihren Angehörigen als pflegebedürftiger und hilfloser Mensch zur Last zu fallen. Wenn Sie wissen, welche Schmerzmedikamente eine Palliativversorgung bereithalten kann, vermeiden Sie, dass Ihnen die Angst vor einem qualvollen und schmerzhaften Tod die Hoffnung auf einen friedlichen Abschied nimmt. Das gleiche gilt für Angehörige, die Thomas Sittes Ratgeber in den letzten Wochen, Tagen und Minuten der Sterbebegleitung unterstützen kann. Sie lesen hier den typischen Ablauf des Sterbens und erhalten viele rechtliche, pflegerische und seelsorgerische Tipps, die dem Sterbenden seinen letzten Gang erleichtern können. Hier fließen Sittes langjährige, sehr persönlichen Erfahrungen ein. Menschen, die er beim Sterben begleitet hat, schildert er sehr lebendig und mitfühlend mit allen Tiefen und Höhen. Dabei ist Sitte offen und tolerant. Er vermittelt überzeugend, dass das Ster- ben so individuell ist wie das Leben, dass wir alle ganz eigene Wünsche und Vorstellun- gen davon haben. Es wird deutlich, dass hier ein Arzt aus der Praxis sein Wissen teilt, ohne den Leser belehren oder missionieren zu wollen. Dass diese Schilderungen ans Herz gehen, bleibt nicht aus. Trotzdem ist es gerade das Wissen um manchmal irritierende Details, die den Leser reicher und im Umgang mit der Situation sicherer machen. Denn: Wer weiß, dass ein Sterbender nicht mehr essen mag, kommt nicht auf die Idee, ihm krampfhaft Essen geben zu wollen. Wer weiß, dass Sterbende oft Halluzinationen haben, die für sie real sind, wird ihnen diese Vorstellun- gen nicht mehr hilflos ausreden wollen. Und wer weiß, dass ein Sterbender meist bis zuletzt noch hören kann, auch wenn er die Augen vor Schwäche schon lange nicht mehr öffnen kann, wird nicht aufhören, mit ihm zu sprechen und bei ihm zu sein. IX Geleitwort Die Lektüre des Buches macht deutlich: Wenn Sie sich ein wenig mehr vertraut machen mit dem Sterben, verlieren Sie die Angst davor – zumindest ein bisschen. Sie haben die Chance einen klareren Blick auf den Abschnitt zu gewinnen, der vor Ihnen liegt – egal, wie lang die verbleibende Zeit noch ist. Niemandem gefällt die Vorstellung, sich mit dem Thema Sterben zu befassen. Dann schon lieber mit Lebensentscheidungen wie Berufswahl, Kindererziehung oder Früh- rente. Unabdingbar aber ist die Befassung trotzdem. Für jeden von uns. Da kann ein Buch wie Sittes nur der Anfang sein. Es ist ein sehr wichtiger Anfang. Anna Steinbach Redakteurin BILD XI Inhaltsverzeichnis 1 E in sehr persönliches Vorwort ................................................................................................. 1 Thomas Sitte 1.1 Anton, 99 Jahre, hochbetagt und lebenssatt.............................................................................. 7 1.2 Erna, 74 Jahre, schwerste Demenz .................................................................................................. 8 1.3 Peter, 48 Jahre, Bauchspeicheldrüsenkrebs .............................................................................. 11 1.4 Sophie, 25 Jahre, fortschreitende Lähmung.............................................................................. 13 1.5 Murat, 4 Jahre, stoffwechselerkrankt ........................................................................................... 14 2 Z eit vor der Krankheit .................................................................................................................. 17 Thomas Sitte 2.1 Was können wir tun, solange wir gesund sind? ........................................................................ 18 2.2 Bedeutung der Auswahl des Hausarztes ..................................................................................... 22 2.3 Bedeutung von (Vorsorge-)Vollmacht und Patientenverfügungen ................................. 26 2.4 Wie, was, wo dokumentieren ........................................................................................................... 30 2.5 ( Vorsorge-)Vollmacht .......................................................................................................................... 32 2.6 E igener Wille oder Patientenwille? ................................................................................................ 35 2.7 B etreuungsverfügung ........................................................................................................................ 40 2.8 P atientenverfügung ............................................................................................................................ 40 2.9 „Empfehlungen für das Vorgehen in Notsituationen“ ........................................................... 47 3 Z eit des Bruchs .................................................................................................................................. 51 Thomas Sitte 3.1 Die einzige Gewissheit – der Tod .................................................................................................... 52 3.2 Woran denken, wenn uns eine lebensbedrohliche Diagnose trifft? ................................. 52 3.3 P artner einbeziehen ............................................................................................................................ 53 3.4 Wahrheit, Wahrhaftigkeit oder gnädige Lügen? ...................................................................... 55 3.5 H ilfen annehmen lernen .................................................................................................................... 56 3.6 Bei drohendem Burn out: „Self Care“ ............................................................................................ 57 3.7 „ Rechtzeitig palliativ denken!” ....................................................................................................... 61 3.8 Unterstützung und Hilfen suchen .................................................................................................. 65 4 Z eit der Unsicherheit .................................................................................................................... 67 Thomas Sitte 4.1 Phasen des Sterbens nach Kübler-Ross ....................................................................................... 68 4.2 Aufgeben ist keine Lösung ............................................................................................................... 71 4.3 Wie viel will ich „investieren“, um welchen Erfolg bekommen zu können ..................... 71 4.4 „... nur ich kann Sie gesund machen! Haben Sie Ersparnisse?“ .......................................... 73 4.5 D ie Hoffnung auf Wunder(-mittel) ................................................................................................. 74 4.6 Komplementäre und alternative Methoden in der Palliativversorgung ......................... 76 4.7 H omöopathie ......................................................................................................................................... 78 4.8 Anthroposophie und Anthroposophische Medizin ................................................................ 79 4.9 P hytotherapie ........................................................................................................................................ 80
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