Radio-Technik fur Amateure Anleitungen und Anregungen fi.ir die Selbstherstellung von Radio -Apparaturen, ihren Einzelteilen und ihren Nebenapparaten Von Dr. Ernst Kadisch Mit 216 Textabbildungen Berlin Verlag von Julius Springer 1925 AlIe Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Softcover reprint of the hardcover lst edition 1925 ISBN 978-3-642-50459-4 ISBN 978-3-642-50768-7 (eBook) DOl 10.1007/978-3-642-50768-7 Vorwort. Mit ungeheurer Geschwindigkeit hat auch in Deutschland der Siegeszug des Rundfunks eingesetzt. Es ist daher nicht mehr notig, ausfiihrlich die Annehmlichkeiten zu schildern, die der Besitz eines Rundfunkempfangers mit sich bringt. Die meisten anderen bisher erschienenen Biicher wiirdigen diese Seite besonders. Leider gibt es bisher kein Buch in deutscher Sprache, das die andere Seite der Radiotelephonie wiirdigt, namlich ein Buch nur fiir jene, welchen nicht primar an der Giite eines Radiokonzertes und an der Bequemlichkeit der Apparatur gelegen ist, sondern welchen das Gebiet der Radiotelephonie ein willkommener Tummelplatz ihres technischen Wissensdurstes, ein willkommenes Mittel fiir die Erprobung ihrer Handfertigkeit ist. Ihnen liegt nicht daran, etwas Bestimmtes abzuhoren, sie wollen nicht nur GroBen des Gesanges horen, ihnen sind die schnarrenden Tone eines altmodischen, entfernten Senders gleiche Musik. Man kann diese Leute sehr leicht von den eigentlichen Horern unterscheiden. Fragt man einen solchen, ob man heute hei ihm horen kann, so erhalt man oft zur Antwort: Mein Apparat ist gerade im Umhau. Fiir sie ist der Hauptzweck der Versuch anderer Schaltungen, die Verbesserung und Erweiterung ihres Apparates. Am liebsten mochten sie jeden 5-Watt-Sender in Kalifornien hier im Laut sprecher horen konnen. Dies sind zur Zeit Utopien; und dennoch meine ich, daB aus diesem Liebhaherkreise, dem auch der Ver fasser dieses Werkchens zuzurechnen ist, wertvolle Anregungen auch fiir die Technik entstehen konnen. Um erfolgreich ar beiten zu konnen, muB der Liebhaber auGer den theoretischen Kenntnissen auch einen gewissen Grad von Handfertigkeit be sitzen. Es giht ohne Zweifel Leute, denen angeborenermaBen schon das Talent zum Einschlagen eines Nagels vollig fehlt, die IV Vorwort. sich mit jedem Versuch einige Quetschungen zuziehen. Bei diesen ist naturlich Hopfen und Malz verloren, sie mogen dieses Buch lieber ungelesen aus der Hand legen, damit sie sich nicht dariiber argem, was man mit einiger Geschicklichkeit atles sich selbst machen kann. Unter den Leuten mit fur unsere Zwecke genugender Geschicklichkeit - welche Gott sei Dank einen uberwiegenden. Teil der mannlichen Bevolkerung darstellen - befindet sich nun eine Gruppe, welche sehr geschickt ist, welche sogar Akrobatenstiicke der Handfertigkeit bewerkstelligt. Diesen mochte ich zuvor noch einige Worte sagen. Auch die groBte Ge schicklichkeit hat ihre Grenzen, man kann weder mit einem Drei. millimeterbohrer 5 Millimeter groBe Locher bohren, noch kann man mit einem Kistenbrett, funf Elektronenrohren sowie einigen alten Zigarren- und Zigarettenschachteln, einigen Lichtstummeln, gesammeltem Silberpapier und einigen abge'wickelten Klingel spulen sich einen Empfanger bauen - womoglich mit Taschen messer und Schere -, der funktioniert und mit 4 Meter langer Antenne im Innern Berlins London deutlich wiedergibt. Derartige Versuche sind meist vergebliche Liebesmiihe; bekommt man solche Apparaturen selbst zur Funktion, so arbeiten sie doch minderwertig und inkonstant und sehen so zusammengehauen aus, daB es kein Vergnugen ist, vor ihnen zu sitzen. Man lege also gleich auf das AuBere den gebuhrenden Wert. An einer gut aussehenden Appa ratur hat man die doppelte Freude. Malt bescheide sich daher lieber zuerst im Umfang der Apparatur und wahle dafur eine spater leicht zu vervollstandigende Anordnung. Auch derjenige, welcher gleich die Mittel fur eine groBe Apparatur aufbringen kann, fange mit einer Rohre an. Man wahle uberhaupt nicht die raumsparenden Konstruktionen, sie erschweren nicht nur den Bau und jede Umanderung und Reparatur, sie bedingen auch die Montage auf einem Brett, wodurch man dann gezwungen ist, stets mit der ganzen Apparatur umzuziehen, wahrend es z. B. sehr viel leichter moglich ist, einen Teil der Apparatur mit auf den Ausflug zu nehmen. Also klein anfangen und dann allmahlich vervollkommnen. Nicht zu vergessen ist der Wellen bereich , fUr welches man sich den Apparat bauen will. GroBe Wellen sind leichter zu empfangen, schwerer abzustimmen. Bei kleinen Wellen ist es umgekehrt. Mit der WellenIange in die Hohe zu kommen, ist Vorwort. v nicht schwer; viel schwerer ist es, bei kurzen Wellen auf geniigend geringe Kapazitat und Selbstinduktion herunterzukommen. Auf den groBen Wellen ist nur Telegraphieverkehr. Fiir den, welchen die Telephonie interessiert, ist das hohe Wellenbereich nur eine unnotige Arbeit resp. Ausgabe. Die Telegramme sind chiffriert, und bei den dauemd wechselnden Schliisseln ist eine Entzifferung doch unmoglich. Die groBen Spulen der Empmnger verschimmeln daher bald in der Schublade. Daher heiBt es auch hierin: Man baue sich zunachst den Apparat nur fUr die niedrigen Wellen und gehe dann spater durch groBere Selbstinduktions· spulen auf die hoheren iiber. Aber nicht nur diese allgemeinen Gesichtspunkte sind zu beriicksichtigen. Jeden Apparat und Einzelteil muB man sich vorher genau iiberlegen. Dies Buch ist kein Kochbuch, in dem nur steht: Man nehme usw. Es geht auch bei den Beschreibungen der genauen Einzelheiten meist nur auf das Prinzipielle ein und gibt an, welche Teile gleich lang sein miissen und aus welchem Grunde, gibt aber nicht gleich die Millimeter. Man kann also auch nicht wie nach einem Rezept darauflosarbeiten. In vieler Hinsicht ist dies sehr vorteilhaft. Gibt man immer und immer wieder genaue Zahlen an, so meint der Leser, die angegebenen MaBe seien unumganglich einzuhalten. Daher ist es wichtiger, nur die GroBen zu nennen, die wirklich eingehalten werden miissen. Hierdurch bleiben dem Liebhaber so viele Freiheiten bei dem Aufbau seiner Apparatur, daB er sich nach alten Zutaten, die er auftreibt, in weitestgehendem MaBe richten kann. Tabellen und Fluchtlinientafeln sollen auch den Lesem, die einfache Rechnungen scheuen, die Moglichkeit geben, aIle Einzelheiten seiner Apparatur zu bestimmen. Trotzdem kommt man um die Lektiire der theore tischen AusfUhrungen nicht herum, man muB sonst seine Un kenntnis mit MiBerfolgen bezahlen, die nicht nur Zeit, sondem auch Geld kosten. Der letzte Rat auf den Weg ist, das Biichlein ganz durchzulesen, bevor man mit der praktischen Arbeit be ginnt, denn es ist natiirlich unmoglich, aIle zu beobachtenden Hinweise an jeder Stelle, wo sie von Nutzen sind, zu wiederholen. Fiir Fachleute sind die theoretischen Ausfiihrungen nicht be rechnet, weder das, was gesagt wird, noch das, was verschwiegen wird. Ich bitte daher, mit einer entsprechenden Brille die Aus fiihrungen zu betrachten. VI Vorwort. Sowohl fUr den theoretischen Tell als auch fiir den praktischen Teil bin ich fiir Anregungen resp. Verbesserungsvor schlage auBerst dankbar. Jeden einfachen Weg in laien verstandIicher Sprache, die vermittelten theorei,ischen Auf fassungen zu erweitern resp. zu vertiefen, bitte ich anregen zu wollen. Ebenso bitte ich diejenigen, welche aus ihrer Er fahrung mit selbsthergestellten Apparaten beisteuern konnen, mich recht zahlreich zu erganzen. Sie werden gerne beriick sichtigt werden. Herrn Dr. E. N es per sei hiermit fiir verschiedenste kritische Winke, besonders beziiglich der Gemeinverstandlichkeit der Ab bildungen, bestens gedankt. Berlin, im Januar 1925. E. Kadisch. Inhaltsverzeichnis. I. Theoretischer Teil. Seite 1. tiber das Wesen von Schwingungen und Wellen- bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I a) Mechanische Schwingungen. . . . . . . . . . . . . . I Energieformen - Begriff der Schwingung - Amplitude - Dampfung - Schwingungszeit und Zahl - Begriff der Kopp- lung und Resonanz, der Wellenlange und Schwingungsphase u. a. b) Akustische und optische Schwingungen ........ " 14 Beugung, Fortpflanzungsgeschwindigkeit und Interferenz u. a. c) Elektro-magnetische Schwingungen . . . . . . . . . . .. 19 Fremdinduktion, Selbstinduktion, Kapazitat, Schwingungs kreis, Resonanzversuch. d) Die Verstarkerrohre 32 2. Schaltungen. . . . 37 a) Einiges iiber Sendeschaltungen 37 b) Empfangsschaltungen. . . . 43 0<) Abstimmelemente . . . . . 43 (1) B ochfrequenzverstarkung. . 49 )') Der Hochfrequenzgleichrichter 53 ~) Niederfrequenzverstarkung . . 53 B) Fertige Empfangsschaltungen 56 c) Die Riickkopplung ...... 59 3. Einheiten, Berechnungen, Materialtabellen 66 a) Einheiten und Abkiirzungen der Elektrizitatslehre; Grund- begriffe fUr Schaltungen. . . . .. . . . . .. 66 b) Berechnung der Abhangigkeit von Wellenlangen, Selbstinduk- tionen und Kapazitaten . 68 c) Berechnung der Periodenzahl . . . 71 d) Berechnung von Kapazitaten . . . 72 e) Berechnung von Selbstinduktionen. '13 f) Material und Hilfstabellen . . . . 76 VIII Inhaltsverzeichnis. II. Praktischer Ten. Beite 1. Die Selbstherstellung von Empfiingern und Empfiinger- teilen . . . . . . 79 a) Die Empfangskreise 79 1. Hochantennen. . 79 Isolatoren . . 82 Blitzschalter '. 84 Erdung . . . 87 2. Rahmenantennen 87 stehende 89 hangende 90 b) Abstimmittel . 91 1. Kapazitiiten 91 stetig veriinderliohe 91 konstante . . . . . 105 2. Selbstinduktionen . . . 108 Nioht kontinuierlioh veriinderliohe Selbstinduktionen . 108 Kontinuierlioh veriinderliohe Selbstinduktionen. 117 0) Kristalldetektor . . . 121 d) Ohmsche Widerstiinde 125 1. Fiir Rohrenheizung 125 2. Fiir Starkstrom.. . 131 e) Hoohohmwiderstiinde 134 f) Drehknopfe . . . . . 137 g) Transformatoren. . . 141 h) Summer und Wellenmesser . 145 i) Allgemeine Gesiohtspunkte fiir die Anordnung der Einzeiteile. 148 Die GroBe der Apparatur. . . . . . . . . . . . 150 k) MiBerfolge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Die Selbstherstellung von Zusatzapparaturen 155 a) Sohalter. . . . . . . . . 155 b) NetzansohluBgeriite. . . . 157 fiir Weohselstromnetze. 158 fiir Gleiohstromnetze . 162 0) Akkumulatoren . . . . . 163 d) Akkumulatorenladevorriohtungen 172 fiir Gleiohstromnetze. 172 fiir Weohselstrom . . 176 e) MeBinstrumente . . . . 185 f) Warnungen und Winke. 189 11[. Anhang. 1. Wellenliingen und Sendezeiten der europiiisohen Rundfunksender 197 2. Das Morsealphabet . .. . . . . . . . . 201 3. Abkiirzungen im Funktelegrammverkehr 203 Saohverzeiohnis . . . . . . . . . . 206 I. Theoretischer Teil. 1. Uber das Wesen von Sch wingungen und Wellenbewegungen. Wenn es auch fiir den Laien nicht moglich ist, oder doch wenigstens nur nach eingehenden physikalischen und mathema tischen Studien, die Phanomene auf dem Gebiete der elektro magnetischen Schwingungen zu beherrschen, so ist es doch auch andererseits nicht schwer, so weit in das Wesen dieser Erschei nungen einzudringen, daB man den Zusammenhang der Erschei nungen und die Voraussetzungen fiir deren Zustandekommen be greift. Diese allgemeinsten Grundlagen mochte ich zunachst vermitteln. Nicht iiberall werde ich streng logisch vorgehen konnen, da ich einerseits nicht zu weit ausholen kann, um den Umfang des Werkchens nicht unnotig zu vergroBern, andererseits aber auch nur ein Minimum von Vorkenntnissen voraussetzen kann, um auch bei dem weniger belesenen Leser auf voIles Ver standnis zu stoBen. Zu einer mehr als oberflachlichen Orientierung reicht das Gebotene nicht aus, und dem Leser sei das eifrige Studium von eingehenderen theoretischen Ausfiihrungen emp fohlen. Nichts ist nun zum Verstandnis physikalischer Erschei nungen notwendiger und iiberzeugender als der Versuch. Wo es irgend geht, werden daher auch einfache Versuche angegeben werden, welche, sei es auch auf einem anderen Gebiete der Physik, das Wesentliche zeigen. Wir betrachten zunachst ein Uhrpendel. Da es noch besser ist, ein langsamer schwingendes Pendel zu nehmen, so machen wir uns in der Stube ein solches mit einigen Handgriffen zurecht. In die Mitte eines moglichst hohen Tiirrahmens schrauben wir in den Querbalken einen kleinen Haken. An dem Haken hangt an einem Faden oder Draht ein schwerer Gegenstand, Platteisen oder Plattbolzen, Ziegelstein od. dgl. Der Faden ist so lang, daB der schwere Korper die Schwelle nicht beriihrt. Abb. I zeigt die Anordnung. Wir fassen nunmehr den Plattbolzen und heben ihn bei gespanntem Faden ca. 50 cm aus der Ruhelage. Fiir K a dis c h. Radiotpehnik. I 2 tJber das Wesen von Schwingungen und Wellimbewegungen. diese Bewegung haben wir Arbeit gebraucht. Dafur, daB diese Arbeit geleistet worden ist, befindet sich nun del' Stein in einer hoheren Lage uber dem FuBboden. Del' Physiker sagt dazu: Del' Bolzen hat jetzt eine groBere potentielle Energie, d. h. nichts Anderes, als daB er gegenuber vorher nunmehr eine Lage einnimmt, von welcher er in Bezug auf die Erde mehr Arbeit leisten kann. Potentielle Energie ist also Energie del' Lage. In dem Augenblicke, in welchem wir den Bolzen loslassen, kommt diese Energie del" Lage wieder augenfallig zum Vorscp.ein, denn del' Plattbolzen setzt sich auf Grund die B sel' Lageenergie, dieses Vermogens, Arbeit zu leisten, in Bewegung. Wenn wir nun von del' Seite den Bolzen mit dem Auge verfolgen, wahrend ihn eine andere Person 10slaBt, so sahen wir, daB er seine Bewegung langsam beginnt, daB dieselbe dann abel' schneller wird, bis del' Bolzen den tiefsten Punkt T (Abb. 2) er Abb. 1. Pendelversuch. reicht hat. Jetzt schieBt H = Haken im Tlirrahmrn B. P = PmdPl. del' Bolzen uber den tiefsten Punkt hinaus, steigt auf del' anderen Seite wieder in die Hohe und verlangsamt seine Bewegung, bis sie schlieBlich gleich Null wird und wieder umkehrt. Auch auf dem Ruckwege wird die Geschwindigkeit bis zum tiefsten Punkte immer groBer, dann wiederholt sich die Bremsung auf del' anderen Seite wieder so, daB del' Stein genau dort, wo man ihn losgelassen hat, wieder zur Ruhe kommt. Das Spiel wlirde sich noch sehr lange Zeit automatisch wiederholen. Den einmaligen Vorgang von B libel' T nach A und zuruck, wie er geschildert wurde, nennt man eine Schwingung des Pendels, die Zeit, die zu diesel' Schwin gung gebraucht worden ist, heiBt die Schwingungszeit. Was ist nun wahrend del' Schwingung VOl' sich gegangen ~ Wir