Verfahrens- und Meßkunde der Naturwissenschaft Herausgegeben von ProfeRRor Dr. Hermann Ebert, Braunschweig Die Sammlung hat es sich zur Aufgabe gemacht, in zwanglos erscheinenden Heften geringen Umfanges die vielfach zerstreuteu Mitteilungen zusammenzufassen und in der notwendigen Aus führlichkeit brauchbare Anweisungeu für die Verfahren und Messungen auf dem Gebiet der Natur wissenschaft zu geben. Die bisher erschienen Hefte zeigen bereits das Charakteristische der Sammlung. Sie behandeln die Gebiete der Materialprüfung, lIfechanik, Wärme, Elektrizität und Optik, auch in Anwendung auf Biologie und Medizin. Zu den behandelten Themen werden nicht allein die einzelnen Verfahren aufgezählt, sondern auch jene besonders berücksichtigt, die ohne allzugroße Mittel selbst erstellt werden können. In Form von Tabellen oder GJeichun/-len werden dazu die für die Berechnung der zu bestimmenden Größen wichtigsten Konstanten und Stoffwerte gegeben. Es sind lieferbar, in Vorbereitung oder, bei ausreichendem Interesse, für eine Neuauflage vor gesehen: Heft 1 Hermann Ebert Wärmeausdehnung fester und flüssiger Stoffe 1940, DM 4,50 Heft 3 Günther Hahn ltleßmittel und Prüfverfahren in der mechanisch- technologischen Metallprüfung 1941, DM 7,50 Heft 4 Helmut Harms Die Dichte flüssiger und fester Stoffe Neuauflage vorgesehen Heft 7 Frank Matossi Der Raman-Effekt 2., umgearbeitete Auflage 1959, DM 10,80 Heft 8 Hans H. Pfeilfer Das Polarisationsmikroskop als Meßinstrument in Biologie und Medizin 1949, DM 8,50 Heft 9 Wilhelm Beetz Elektrizitätszähler 3., verbesserte Auflage 1958, DM 8,80 Heft 10 Wilhelm Beetz Meßwandler 2., verbesserte Auflage 1958, DM 7,80 Heft 11 Hermann Ebert Rompressionsvakuummeter 1951, DM 4,40 Heft 12 W. A. Roth - Friedrich Becker Kalorimetrische ltIethoden zur Bestimmung chemischer Reaktionswärmen 1956, DM 12,80 Heft 13 Erich Blechschmidt Präzisionsmessungen von Kapazitäten, Induktivitäten und Zeitkonstanten I 2., neubearbeitete Auflage 1956, DM 11,80 Heft 14 Erleh Blechschmidt Präzisions messungen von Kapazitäten, Induktivitäten und Zeitkonstanten 11 2., neubearbeitete Auflage 1957, DM 11,80 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Dr. Edward H. Linfoot Qualitätsbewertung optischer Bilder Dr. EDWARD H. LINFOOT John Couch Adams Astronomer in der Universität Cambridge Qualitätsbewertung optischer Bilder Mit 11 Abbildungen Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Verfahrens- und Meßkunde der Naturwissenschaft Heft 15 Herausgeber: Prof. Dr. Hermann Ebert ISBN 978-3-663-00955-9 ISBN 978-3-663-02868-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-02868-0 1960 Alle Rechte vorbehalten von Friedr. Vieweg & Sohn, Verlag, Braunschweig Vorwort Vorliegende Monographie berichtet über einige neuere Untersuchun gen des Verfassers und seiner Mitarbeiter über die Bewertungstheorie optischer Bilder. Es gründet sich auf drei Vorlesungen, die im Juni 1958 im physikalischen Institut der Technischen Hochschule, Braunschweig, auf Einladung von Professor G. Cario und mit Förderung durch den British Council gehalten wurden. Bis vor kurzem war die Technik optischer Entwürfe nahezu völlig auf die trigonometrische Verfolgung von Strahlen begründet, ergänzt durch die Konstruktion und nachfolgende Prüfung von Versuchs modellen. Durch die Ergebnisse solcher Strahlenverfolgung konnte man eine ziemlich gute Vorstellung der photographischen Leistung eines Systems geVlinnen, aber es war nicht möglich, mit auch nur einiger Gewißheit vorauszusagen, welches von zwei hochwertigen photographi schen Systemen sich in der Praxis besser verhalten werde. Es scheint nämlich, daß die tatsächliche Leistung eines lichtstarken, hochwertigen Systems selbst in Fällen, in denen die Wellenaberrationen den Betrag von mehreren Wellenlängen erreichen, vorwiegend durch die Struktur des hellen Kernes der sogenannten Punktbilder in verschiedenen Teilen des Abbildungsfeldes bestimmt wird. Diese Struktur ist durch die optische Beugung stark beeinflußt. Weiterhin liefert das Verfahren der Strahlenverfolgung keine praktische Möglichkeit, den Einfluß der photo graphischen Verwaschung und des sogenannten Emulsionsgeräusches quantitativ in Betracht zu ziehen. Ein Ausweg aus diesen Schwierigkeiten ist vor kurzem gefunden worden. Er besteht darin, auf das optische Gebiet jene Begriffe und Methoden der Fouriertheorie zu übernehmen, welche sich in der N ach richtentechnik schon so fruchtbar erwiesen haben. Nach dieser Anschau ung kann man ein optisches System als ein lineares Filter für Raum frequenzen betrachten, dessen Eigenschaften verhältnismäßig langsam von einem Teile des Abbildungsfeldes zum andern varüeren. Eine photographische Emulsion kann man unter gewissen Einschränkungen unter dem gleichen Gesichtspunkt betrachten. Das heißt, daß ein photographisches System als zwei aufeinanderfolgende lineare Filter dargestellt werden kann, und die photographische Bildqualität mittels der Begriffe von 'gain' und 'lag' dieser Filterfolge gedeutet. In der Optik werden diese beiden Filtergrößen durch den Begriff Kontrastüber· tragung dargestellt. Wertvolle Fortschritte in der Kontrastübertragungstheorie sind in den letzten fünf Jahren gemacht worden; mehr als 200 Veröffentlichungen über dieses Thema sind in der optischen Literatur erschienen. Auf der experimentellen Seite ist die Kontrastübertragung bestimmter optischer Systeme sowie ausgewählter photographischer Emulsionen in den Laboratorien vieler verschiedener Länder gemessen worden. Auf der theoretischen Seite wurden Berechnungen der Kontrastübertragung von Systemen mit bestimmten Aberrationen mittels schneller elektronischer Rechenmaschinen durchgeführt. Um die erhaltenen Resultate voll nützen zu können, müssen wir aber auch wissen, welche Eigenschaften der Kontrastübertragungsfunktion einem guten Bilde entsprechen. Es genügt nicht, lediglich zu sagen, daß der absolute Wert der Kontrastübertragung möglichst groß und die räumliche Phasenverzerrung möglichst klein sein sollen. Denn eine geringe Änderung der optischen Ausgangswerte, welche die Kontrast· übertragung in einem Raumfrequenzgebiet vergrößert, verkleinert sie gewöhnlich irgendwo anders. Wir bedürfen eines Kriteriums, um zu entscheiden, welches von zwei hochwertigen photographischen Systemen dem andern überlegen ist und in welchem Sinne. Das heißt, wir brauchen eine Theorie der Bildbewertung, anwendbar auf photographische Systeme und ausdrückbar mittels der Kontrastübertragung. In einer gemeinsamen Veröffentlichung mit P. B. Fellgett, erschienen 1955, wurde der Versuch gemacht, eine gründlich fundierte allgemeine Theorie dieser Art zu formulieren. Natürlich war dieser Gedanke nicht ganz neu; Veröffent· lichungen von O. H. Schadel), P. B. Fellgett2), P. Elias3), A. Blanc· Lapierre4) und andern hatten schon gezeigt, daß die Zeit für solch ein Versuch gekommen war. In einer späteren Veröffentlichung betrachteten G. Black und der Verfasser ein spezielleres Problem, das durch die An· wendung der erwähnten allgemeinen Theorie behandelt werden kann, nämlich den Einfluß sphärischer Aberration auf den Informationsinhalt photographischer Bilder von geringem Kontrast. Vorliegende Monographie, die für Studenten der Optik mit guter mathematischer Vorbildung bestimmt ist, kann vielleicht zugleich als 1) J. S. M. P. T. E.06 (1951); 08 (1953). 2) J. Opt. Soc. Am. 43 (1953) 271. 3) J. Opt. Soc. Am. 43 (1953) 229. ') Symposium on Microwave Optics, McGill University (1953) 105. eine Einführung in dieses vielversprechende Arbeitsgebiet dienen. Ein mathematischer Anhang ist zum Nutzen jener Leser hinzugefügt worden, die mit den in den Abschnitten 2-6 benutzten Ergebnissen der Fourier integraltheorie nicht vertraut sind. Besonderer Dank gebührt Herrn Dr. W. Lukosz vom Physikalischen Institut der Technischen Hochschule Braunschweig für die Sorgfalt und Gründlichkeit, mit denen er die Korrekturen gelesen hat. Cambridge, Januar 1960 E. H. Linfoot Inhaltsverzeichnis Seite 1. Definitionshelligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 9 2. Fourier-Theorie der optischen Abbildung ...................... 12 3. Qualität eines optischen Bildes .............................. 20 3.1 Fidelität ............................................... 20 3.2 Relativer Strukturinhalt eines Bildes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 22 3.3 Korrelationsqualität .................................... 24 3.4 Vergleich der drei Bewertungen ........................... 25 4. Qualität eines photographischen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 28 4.1 Definitionshelligkeit und Korrelationsqualität . . . . . . . . . . . . .. 32 5. Allgemeine Qualitätsbewertung photographischer Bilder . . . . . . .. 34 5.1 Einleitende Bemerkungen und Wiederholungen ............. 34 5.2 Gerechnete Sonderfälle .................................. 37 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 43 Anhang Einführung in die Fourieranalyse der Funktion zweier Veränderlichen 44 1. Fouriertransformierte ; Raumfrequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 44 1.1 Funktionen einer Veränderlichen ......................... 44 1.2 Funktionen von zwei Veränderlichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 47 1.3 Der ParsevaIsche Satz, der Satz von Wiener-Khintchin, und der Fourierproduktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 48 1. Definitionshelligkeit Nach den alten Ideen der geometrischen Optik soll das Bild eines flächenhaften Objekts diesem Objekt genau ähnlich sein, wenn das bild erzeugende Objektiv keine Aberrationen hat. Von jedem Flächenelement des Objekts gehen Strahlen aus, die von dem aberrationsfreien Objektiv in dem entsprechenden Element der Bildfläche scharf fokussiert werden sollen. Dabei ist der Lichtstrom in jedes Bildflächenelement der Licht stärke des entsprechenden Objektelements proportional. Auf diese Weise wird ein objektähnliches Bild erzeugt. Bei dem praktischen Gebrauch eines Mikroskops oder eines astrono mischen Teleskops bemerkt man sofort, daß diese Theorie nicht genügt. Wenn die Aberrationen des Systems immer kleiner werden, nähert sich das Bild eines hellen Lichtpunktes oder eines selbstleuchtenden infini tesimalen Elementes der Objektfläche nicht einem Lichtpunkt in der Bildfläche, sondern einer Beugungsfigur, die aus einem hellen Kern besteht (dem Beugungsscheibchen) und einer Reihe schwacher, kon zentrischer Beugungsringe, von denen gewöhnlich nur der erste hell genug ist, um sichtbar zu sein. Eine Erklärung dieser sonderbaren Erscheinung als Folgerung der Wellennatur des Lichtes wurde 1834 von dem Astronom G. B. Airy gegeben, der damals Direktor der neugebauten Sternwarte der Uni versität Cambridge war. Airy hat jene Formel für die Lichtverteilullg in dem Bilde hergeleitet, die wir heute in der Form schreiben: I _(2J1(Z))2 _ 'Jtr (I) - Z ,z-F).' wobei). die Wellenlänge des Lichtes, F die Blendenzahl des rotations symmetrischen optischen Systems, r die Entfernung vom geometrischen Bildpunkt und J die Bessel-Funktion erster Ordnung ist. 1 Aus (I) schließt man, daß das Beugungsscheibchen 84% des Lichtes enthält. Die in den ersten drei Beugungsringen auftretenden größten Beleuchtungsstärken sind das 0,0175-, 0,0042-, 0,0016-fache der maxi malen Beleuchtungsstärke im Beugungsscheibchen selbst. Die Wirkung von kleinen Aberrationen auf das Beugungsbild ist ganz anders als man zuerst vermuten könnte. Man würde vielleicht annehmen, daß das Beugungsscheibchen sich etwas vergrößern würde, weil ja das geometrische Bild dies tut, ohne wahrnehmbare Veränderung seines ge samten Lichtinhalts. Tatsächlich bleibt die scheinbare Größe des 10 1. Definitionshelligkeit Beugungsscheibchens, sowie auch die Lage der hellen Beugungsringe, praktisch unverändert; aber das Scheibchen verliert beträchtlich an Helligkeit, und dieses Licht tritt in den innersten Beugungsringen wieder auf. Wenn das Objekt aus einem einzigen hellen Lichtpunkt besteht, oder aus zwei dicht nebeneinander liegenden Lichtpunkten, haben die oben genannten Wirkungen keine große praktische Bedeutung. Das Beugungs scheibchen ist nämlich um so viel heller als die Ringe, daß das Bild eines Doppelsterns visuell fast unverändert erscheint, und man kann die relative Lage der Komponenten ebensogut wie vorher bestimmen. Ganz anders ist die Sache im Falle eines flächenhaften Objekts. Wenn ein flächenhaftes, selbstleuchtendes, polychromatisches Objekt von einem System ohne wahrnehmbare Aberrationen (einschließlich Farb fehler!) abgebildet wird, so kann man das Bild als eine Menge einander übergelagerter Beugungsscheibchen verschiedener Größe und ihrer Ringsysteme auffassen. Daraus folgt, daß die feinen Details der Objekt struktur mit vermindertem Kontrast im Bild wiedergegeben werden müssen oder sogar im Bilde nicht mehr zu erkennen sind, wenn ihre Größe unter eine gewisse Grenze fällt. Wie schon gesagt, bewirkt eine geringe Defokussierung oder eine schwache sphärische Aberration des optischen Systems eine neue Verteilung des Lichtes zwischen Scheibchen und Ringsystem in der Beugungsfigur, ohne dabei deren Größe oder relative Lage beträchtlich zu verändern. Zum Beispiel lenkt eine De fokussierung von ),/4 (sog. Rayleighsche Toleranzgrenze) oder eine sphärische Aberration 3. Ordnung von ). in der mittleren Einstellebene + (Wellenaberration = - ).rZ ).r4!) noch 17% des Lichtes aus dem Beugungsscheibchen in die Ringe ab, ohne die Größe des Scheibchens oder die relative Intensitätsverteilung in seinem Innern beträchtlich zu verändern. Dadurch wird das Auflösungsvermögen des Instruments kaum beeinflußt, wenn das Objekt aus zwei hellen Lichtpunkten besteht. Aber eine Zunahme des nicht in den hellen Kern der Beugungsfigur fallenden Lichtes von 16% bis auf 33% bedeutet für das Bild eines flächenhaften Objekts eine entscheidende Kontrastverminderung der feinen Details. Also ist die Rayleighsche Toleranzgrenze ),/4 kein be friedigendes Qualitätskriterium für diejenigen Instrumente (z. B. für Mikroskope), von denen verlangt wird, daß sie einwandfreie Bilder flächenhafter Objekte liefern. Für solche Instrumente hat K. Strehl (1902) ein zweckmäßigeres Quali tätskriterium vorgeschlagen. Er definierte nämlich die Definitionshellig keit als Verhältnis der normierten maximalen Beleuchtungsstärken in den beiden Beugungsfiguren, welche durch das reale vorhandene bzw. durch ein ideal aberrationsfreies System gleicher Apertur und Brenn weite erzeugt werden. Bei kleinen Aberrationen sind die hellen Kerne