UNIVERSITÄT REGENSBURG 9. Forschungsbericht Berichtszeitraum 1.10.2000 - 30.9.2003 _____________________________________________________________________ Regensburg 2003 Herausgeber: Der Rektor der Universität Regensburg Prof. Dr. Alf Zimmer Redaktion und Satz: Sabine Silberhorn Anita Janka Inhaltsverzeichnis Vorwort FAKULTÄTEN 7 Katholisch-Theologische Fakultät 7 Juristische Fakultät 50 Bürgerliches Recht 50 Öffentliches Recht 73 Strafrecht 83 Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 87 Institut für Betriebswirtschaftslehre 87 Institut für Volkswirtschaftslehre, einschließlich Ökonometrie 103 Institut für Statistik und Wirtschaftsgeschichte 115 Institut für Wirtschaftsinformatik 120 Medizinische Fakultät 131 Klinik für Anästhesiologie 131 Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde 135 Abteilung für Pädiatrische Ophthalmologie, Strabismologie und Ophthalmohenetik 144 Klinik und Poliklinik für Chirurgie 149 Abteilung für Unfalchirurgie 180 Klinik und Poliklinik für Dermatologie 189 Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde 202 Klinik und Poliklinik für Herz, Thorax- und Herznahe Gefäßchirurgie 203 Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I 214 Abteilung für Hämatologie und Internistische Onkologie 245 Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II 259 Poliklinik für Kieferorthopädie 283 Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin 290 Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene 295 Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie 315 Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie 320 Klinik und Poliklinik für Neurologie im Bezirksklinikum Regensburg 326 Lehrstuhl für Orthopädie im BRK-Rheuma-Zentrum Bad Abbach 341 Institut für Pathologie 368 Lehrstuhl für Immunologie 394 Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Bezirkskrankenhaus Regensburg 398 Institut für Röntgendiagnostik 403 Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie 413 Abteilung für Nuklearmedizin 417 Lehrstuhl für Frauenheilkunde und Geburtshilfe 420 Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik 423 Poliklinik für Zahnerhaltung und Paradontologie 428 Fachvertreter außerhalb der Universitätskliniken 432 Philosophische Fakultät I - Philosophie und Kunstwissenschaften 435 Institut für Philosophie 435 Institut für Kunstgeschichte 445 Institut für Musikwissenschaften 454 Musikpädagogik 457 Institut für Evangelische Theologie 462 Institut für Kunsterziehung 463 Institut für Klassische Archäologie 463 Inhalt I Philosophische Fakultät II – Psychologie, Pädagogik und Sport 467 Institut für Psychologie 467 Institut für Pädagogik 487 Philosophische Fakultät III - Geschichte, Gesellschaft, Geographie 503 Institut für Geschichte 503 Institut für Soziologie 527 Institut für Politikwissenschaft 531 Institut für Geographie 535 Philosophische Fakultät IV - Sprach- und Literaturwissenschaften 555 Institut für Klassische Philologie 560 Institut für Germanistik 565 Institut für Anglistik und Amerikanistik 586 Institut für Romanistik 598 Institut für Slavistik 608 Wissenschaftliche Einrichtung Bohemicum 618 Institut für Medien-, Informations- und Kulturwissenschaft 622 Naturwissenschaftliche Fakultät I - Mathematik 625 Naturwissenschaftliche Fakultät II - Physik 644 Institut für Theoretische Physik 644 Institut für Experimentelle und Angewandte Physik 667 Naturwissenschaftliche Fakultät III – Biologie und Vorklinische Medizin 709 Institut für Botanik 709 Institut für Zoologie 724 Institut für Biophysik und physikalische Biochemie 740 Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie 760 Institut für Didaktik der Biologie 781 Institut für Physiologie 781 Institut für Anatomie 788 Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie 795 Naturwissenschaftliche Fakultät IV – Chemie und Pharmazie 799 Institut für Anorganische Chemie 799 Institut für Organische Chemie 812 Institut für Analytische Chemie, Chemo- und Biosensorik 825 Institut für Physikalische und Theoretische Chemie 840 Institut für Pharmazie 866 ZENTRALE WISSENSCHAFTLICHE EINRICHTUNGEN 890 Ost-West-Zentrum (Europaeum) 890 Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik 891 Zentrum für Sprache und Kommunikation 892 II Inhalt VERBUNDFORSCHUNG 893 Sonderforschungsbereiche 893 Modelhafte Leistungen Niederer Eukaryonten 893 Regulation von Immunfunktionen im Verdauungstrakt 895 BMBF-Forschergruppen 898 Klinische Infektologie 898 DFG-Forschergruppen 901 Mechanismen der Proteinwechselwirkungen bei infektiösen Prozessen und deren Modulation 901 Ferromagnet-Halbleiter-Nanostrukturen: Transport, magnetische und elektronische Eigenschaften 904 Formen und Funktionen des Krieges im Mittelalter 908 Gitter-Hadronen-Phänomoenologie 912 Graduiertenkollegs 916 Paläoökosystemforschung und Geschichte 916 Sensorische Photorezeptoren in natürlichen und künstlichen Systemen 918 Nichtlinearität und Nichtgleichgewicht in kondensierter Materie 920 Kulturen der Lüge 921 Medizinische Chemie: Molekulare Erkennung – Lignand-Rezeptor-Wechselwirkungen 922 Internationales Qualitätsnetzwerk Medizinische Chemie 924 Inhalt III Vorwort Auf dem Hintergrund der Frage einer nachhaltigen Zukunftssicherung wird auch die Finanzierung von Bildung und Wissenschaft zunehmend in Frage gestellt. Dabei werden m.E. zwei entscheidende Punkte immer wieder übersehen: Zum einen, dass Bildungs- und Wissenschaftsausgaben den Teil des staatlichen Budgets umfassen, der eine nachhaltige Zukunftsinvestition darstellt (nach Benjamin Franklin die mit bester Rendite), und zum zweiten, dass der von Universitäten entwickelte und geprüfte Wissensfundus Grundlage ist für die Qualität der Produkte, die den Standort Bayern konkurrenzfähig machen sollen. Wenn offenkundig Fehlwahrnehmungen bzw. Missverständnisse darüber bestehen, was Wissenschaft leistet, weil zu wenig bekannt ist, wie Wissenschaft funktioniert, dann sollte die Vorstellung des Forschungsberichts der Universität Regensburg die Gelegenheit bieten, darüber reflektieren, was denn eigentlich Wissenschaft (und zwar Wissenschaft im Singular) ausmacht. Wir haben uns angewöhnt, von Wissenschaften (Plural) zu sprechen und gehen dementsprechend in der Zwischenzeit wie selbstverständlich davon aus, dass es zumindest wie C.P. Snow sagte, zwei Kulturen in der Wissenschaft gibt. Manchmal hat man sogar das Gefühl, es gäbe genau so viele Kulturen der Wissenschaft, wie es Wissenschaften, oder böse Zungen sagen: wie es Wissenschaftler, gibt. Hinter dem Kulturbegriff der Wissenschaften steht die Auffassung, dass Kultur die Summe der Selbstverständlichkeiten in einer sozialen Gruppe sei, also das worüber z.B. unter Literatur- oder Naturwissenschaftlern intern gar nicht mehr gesprochen wird, weil es im Hintergrund immer automatisch mitgedacht wird, so dass im Gespräch zwischen den Gruppen im besten Falle Missverständnisse auftreten oder im schlimmsten Falle Sprachlosigkeit. Folgen wir dagegen dem seit der Aufklärung gängigen Konzept von Wissenschaft, dann handelt es sich dabei um die kritische Sammlung, Prüfung und Erweiterung von Wissen. Kritisch im Sinne Kants, weil eben nicht dogmatischen oder normativen Vorgaben von außerhalb der Wissenschaft gefolgt wird, daher sind Staatswissenschaften, Medizin und Theologie erst nach der preußischen Universitätsreform Wissenschaften in diesem engeren Sinne geworden, vorher waren es Fakultäten. Die Reform, in der geprägt wurde, was im besten Sinne die deutsche Universität ausmacht, wird primär mit Wilhelm von Humboldt und seinen Forderungen nach der ‚Freiheit der Wissenschaft’ und der ‚Einheit von Forschung und Lehre’ verbunden, aber ebenso wichtig – zumindest für die Weiterentwicklung des Konzepts der Wissenschaftlichkeit – sind Friedrich Schleiermachers ‚Gelegentliche Bemerkungen’ gewesen, für den Wissenschaft ‚im Kern Mitteilung’ ist – zugleich Offenheit gegenüber Fachkollegen mit der Verpflichtung zum Öffentlichmachen der wissenschaftlichen Ergebnisse und accountability (Bereitschaft, sich für sein wissenschaftliches Handeln zur Rechenschaft ziehen zu lassen) gegenüber der Gesellschaft. Schleiermacher folgend, verstößt also die Aufsplitterung in Wissenschaften und der mit ihr einhergehenden Diskursunfähigkeit zwischen diesen Wissenschaften gegen den Kern dessen, was Wissenschaftlichkeit ist. Dies darf allerdings nicht zu der simplizisitischen Auffassung führen, dass – wie mancherorts, z.B. im US-Senat, gefordert – jede wissenschaftliche Fragestellung dem gebildeten Laien ohne Anstrengung nachvollziehbar sein müsste. Nicht zuletzt sind für die effektive wissenschaftliche Arbeit Fachsprachen, Kürzel und Formalisierungen notwendig, die die jeweils anderen Wissenschaften als fremd erscheinen lassen, aber eben als Vokabular ernst genommen werden müssen, aber andererseits nicht die Ausflucht in abgrenzenden Jargon erlauben. M.E. gibt es hinsichtlich der Position Schleiermachers in der Substanz keinen Dissens, dennoch erscheint es aber innerhalb und außerhalb von Universitäten so, als gäbe es die einander sprachlos gegenüberstehenden Welten des Geistes- und Naturwissenschaften wie im Oxford der 50er Jahre bei C.P.Snow. Ist dieses Phänomen aber nicht primär dadurch ausgelöst, dass zwei notwendige Forschungs-Perspektiven, die eigentlich komplementär sind, jeweils wechselweise absolut und ausschließend gesetzt werden: (a) die Untersuchung großer Kollektive von Ereignissen, Situationen und Objekten mit der Ziel hinter der Zufälligkeit des Einzelfalls die Invarianten zu finden (Experimentalwissenschaften) (b) das Ernstnehmen des konkreten Einzelfalls mit dem Ziel durch Anwendung auch alternativer Theorien mögliche zugrunde liegende Sachverhalte und Entwicklungspotentiale abzuschätzen (Formal- und Geisteswissenschaften)? Vorwort 5 Lassen Sie mich die Notwendigkeit beider Perspektiven als Komplementaritäten an einem Beispiel erläutern: Für nachhaltige Planung sind Folge- und speziell Risikoabschätzungen unabdingbar. Ausgangpunkte sind hier einerseits konkrete Einzelfälle (Vorfälle, Störfälle, kritische Situationen) deren Vorgeschichte abgeklärt werden muss, um dann in einem zweiten Schritt auf der Grundlage bekannter Invarianten der Natur möglichst effiziente Wege zum Ausschluss neuer Störfälle zu finden. Hier fallen (geisteswissenschaftliche) Szenario-Technik, (formalwissenschaftliche) Konstruktion disjunktiver Ereignisbäume und (naturwissenschaftliche) Prognose zusammen und stellen so gemeinsam die Voraussetzungen für eine Nachhaltigkeitsbewertung neuer Technologien – womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären: die Angewiesenheit technologischen Fortschritts auf den ihn tragenden Fundus wissenschaftlicher Erkenntnis. Deutlich geworden ist damit, dass die Wissenschaft mit ihren komplementären Perspektiven keinen Zurückzug in den Elfenbeinturm erlaubt, wie ihn die symbolistische Lyrik feierte, sondern gerade in Zeiten stürmischer und hinsichtlich ihrer Konsequenzen schwer überschaubarer Technologieentwicklungen unverzichtbar ist. Regensburg, den 27.11.2003 Alf C. Zimmer 6 Vorwort FAKULTÄTEN Katholisch-Theologische Fakultät Biblische Theologie Exegese des alten Testaments Prof. Dr. Christoph Dohmen Forschungstätigkeit Leitung: Prof. Dr. C. Dohmen Mitarbeiter/in: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Lehrstuhls Das Buch Exodus und die Gattung des Kommentars In Aufnahme und Fortführung früherer Forschungsprojekte (DFG an der Universität Osnabrück) zur Pentateuchforschung wird versucht, die theologische Zentralstellung der Überlieferungen des biblischen Buches Exodus - besonders Landthematik, Recht und Ethos, Heiligtumskonzeptionen - im Blick auf eine durchgehende Kommentierung des Buches fruchtbar zu machen. Dazu sind zum einen hermeneutische Vorarbeiten zur Frage der Auslegung von Einzeltexten bzw. -büchern als "Teil der Tora" nötig, zum anderen gilt es die literarische Gattung des Kommentars unter den Voraussetzungen aktueller literarischer Textwahrnehmung neu zu bestimmen. Die langjährige Isolierung und Verabsolutierung historischer und textkritischer Fragestellungen in den Bibelwissenschaften hat u.a. dazu geführt, dass die Gattung des Bibel-Kommentars, die die Theologie früherer Jahrhunderte wesentlich bestimmt hat, in Vergessenheit geraten ist. Es sind zwar viele sog. Kommentare zu biblischen Büchern erschienen, sie sind auf Grund der genannten Voraussetzungen vielfach aber eher als volumInöse Detailsammlungen oder als Aneinanderreihung monographischer Textanalysen zu werten, weil die Größe "Buch" nur selten als Maßstab für die Kommentierung beachtet wird. Die neuere Methodendiskussion in der Exegese hat hier Veränderungen eingetragen, die nun für die literarische Gattung des Kommentars aufzuarbeiten sind. Ein auf diesem Weg erreichtes "Verstehen" des Buches als Ganzes und Teil des biblischen Kanons, führt gerade beim Buch Exodus dazu, dass ein wichtiger Beitrag für den jüdisch-christlichen Dialog, der für heutige Theologie unaufgebbar geworden ist, geleistet wird, weil es gerade die Texte des Buches Exodus sind, die Israel als "Volk Gottes" konstituieren, und damit die Grundfrage nach dem Verhältnis von Christentum und Judentum in ihrer jeweiligen Selbstdefinition stellen und andererseits im Buch Exodus die Grundlegungen jüdisch-christlicher Ethik zu finden sind, die die Relevanz biblischer Theologie in heutiger Zeit bestimmen. Leitung: Prof. Dr. C. Dohmen Mitarbeiter/in: PD Dr. T. Hieke Biblische Auslegung Die in den Bibelwissenschaften nun schon über 10 Jahre andauernde Methodendiskussion wird im vorliegenden Projekt "ausgewertet", um das Zentrum der Exegese, das in der Auslegung biblischer Texte liegt, neu zu fundieren. Das Projekt versteht sich insofern als Beitrag zur Grundlagenforschung. Ausgehend von der Gegenstandsbeschreibung - "Literatur" - steht die kritische Rezeption literarturwissenschaftlicher Theorien und Ansätze im Vordergrund. Diese literaturwissenschaftliche Option verlangt biblische Texte als Texte der Bibel, d.h. als Teile eines größeren literarischen Kontextes zu verstehen. Dazu werden die vor allen Dingen in der nordamerikanischen Bibelwissenschaft entwickelten Ansätze ("Canonical Approach" bzw. "Canonical Criticism") kritisch aufgenommen und weitergeführt. Auf dieser Grundlage ist ein Ensemble von Methoden und Zugängen zur Bibel abgesteckt worden, bei dem nicht das "Entstehen" der Texte im Vordergrund steht, sondern das "Verstehen". Dazu gehört als Grundvoraussetzung, dass der Sinn von Texten nicht ausschließlich auf die Intention der historischen Autoren festgelegt werden kann. Vielmehr entfalten Texte durch Neukontextualisierung bzw. durch Lektüre in neuen Kontexten und Auslegungsgemeinschaften ihre verschiedenen Sinndimensionen. Für die biblischen Texte ergibt sich daraus die besondere Relevanz der verschiedenen Auslegungsgemeinschaften (Juden-Christen) mit ihren jeweiligen Kanonausprägungen (Hebräische Bibel [TaNAK] Christliche Bibel [AT + NT], Septuaginta etc.). Dem Projekt geht es vor allem um die Zuspitzung der hermeneutisch-literaturwissenschaftlichen theoretischen Grundlagen und die Operationalisierung an konkreten biblischen Texten, d.h. die Entwicklung und Erprobung konkreter Analyse- und Auslegungsschritte. Katholisch-Theologische Fakultät 7 Leitung: Prof. Dr. C. Dohmen Das Bibelverbot – Theologische Bedeutung und Wirkungsgeschichte Im Horizont auslegungs- bzw. wirkungsgeschichtlicher Ansätze in der Exegese kommt der bildenden Kunst ein besonderes Gewicht zu, weil die Visualisierung der biblischen Botschaft durch die Jahrhunderte hindurch als Vermittlung der reinen Wort-Botschaft geübt wurde. Hinzu kommt, dass keine moralische Weisung der Bibel und keines ihrer Verbote eine so breite und vielfältige Wirkungsgeschichte gezeitigt hat wie das sog. Bilderverbot des Dekalogs. Schaut man auf die Bereiche, in denen einem das Bilderverbot im Laufe der Jahrhunderte begegnet - vom religiös motivierten Bildersturm bis zur philosophischen Reflexion und zur modernen Medienkritik -, dann stellt sich die Frage, ob all dies von der biblischen Formulierung des Bilderverbotes abgedeckt oder gar intendiert ist. Ausgehend von diesem facettenreichen Hintergrund sollen in dem Projekt die Grundlagen für das Verhältnis von Theologie und (bildender) Kunst auf der Basis des biblischen Bilderverbotes behandelt werden. Leitung: PD Dr. T. Hieke Die Genealogien der Genesis Die Genealogien (Abstammungslisten) des ersten biblischen Buches sind keineswegs nur trockenes Füllmaterial, das den Fluss der Erzählung hemmt. In der Genesis stellen die genealogischen Informationen vielmehr das Grundgerüst dar, sie sind untrennbar eng mit den Erzähltexten verzahnt. Durch dieses Zusammenspiel ergibt sich eine plausible Abfolge. Das Signal „Toledot“ („Geschlechterfolge“) eröffnet die jeweiligen Kapitel, denen ein Vorwort (Gen 1,1–2,3) vorangestellt ist. Neben der Funktion als Grundgerüst dient das genealogische System der Deutung (nicht der historischen Beschreibung) sowie der theologischen Qualifizierung der Herkunft des Volkes Israel. Die lückenlose Linie führt von der Schöpfung (Adam) bis zu den zwölf Söhnen Jakobs/Israels – dann jedoch zeigen sich innerbiblisch zwei Ausläufer: das erbliche Priestertum und das davidische Königtum, die letztlich auch in der doppelten Messiaserwartung in Qumran und in weiterer frühjüdischer Literatur wiederkehren. Das Forschungsprojekt (Habilitationsprojekt) kommt zu neuen Ergebnissen durch einen innovativen Zugangsweg, der als leserorientiert und textzentriert zu charakterisieren ist und als „biblische Auslegung“ bezeichnet wird: Es geht dabei nicht um das Entstehen, sondern um das Verstehen des Buches Genesis, seiner Strukturierung und seiner Funktion. Förderung: Publikationsbeihilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft Leitung: PD Dr. T. Hieke Mitarbeiter/in: Prof. Dr. C. Dohmen, Dr. T. Nicklas Der Tod im alten Testament Im Alten Testament ist eine Fülle von Lebens- und Gotteserfahrungen von Menschen zu Literatur kristallisiert. Gerade für die existenzielle Frage nach dem Tod und allen damit verbundenen Themen bietet die biblische Literatur zahlreiche Verstehensansätze und Verbalisierungsvorschläge. Der erste Teil der projektierten Studie ist eine biblisch-theologische Übersicht (T. Hieke), die die erzählende Literatur, die Klage- und Dankpsalmen und die Weisheitsliteratur auswertet. Ferner werden thematische Fragen wie Jenseitsvorstellungen („Scheol“), Begräbnis- und Trauerriten sowie Ansätze zur spirituellen Überwindung des Todes untersucht. Der zweite Teil vertieft spezielle Einzelthemen: die Todesstrafe im Alten Testament (T. Hieke), Todeswunsch und Todessehnsucht (C. Dohmen), die Fürbitte für die Toten (T. Nicklas). Beispielsweise ist das Ziel der Untersuchung zur Todessstrafe der Nachweis, dass die zu diesem Thema einschlägigen „Rechtstexte“ des Alten Testaments kein ausführbares Recht sind, sondern als Zeugnisse eines Ethos zu verstehen sind, dem es darum geht, Tatbestände zu ächten, die unter keinen Umständen vorkommen dürfen. Mithin ist eine Ableitung der Todesstrafe aus dem Alten Testament nicht möglich. Beim Thema "Todessehnsucht" zeigt sich, dass es vielmehr um eine heftige Anklage gegenüber Gott geht. Behandelt werden Mose in Num 11,15, Elija in 1 Kön 19,1-8, Jeremia in Jer 20,14-18, Jona in 4,1-11 und Ijob in Ijob 3,1-26. Ferner wird auch auf das Buch Tobit eingegangen sowie auf die grundsätzliche Beobachtung, dass diese Texte nicht von Suizid/Selbsttötung sprechen. Leitung: PD Dr. T. Hieke Die Kommentierung des Buches Esra/Nehemia Die Bücher Esra und Nehemia sind die theologische Deutung eines gesellschaftlichen, politischen und religiösen Neuanfangs nach dem Untergang der Königreiche Israel und Juda und dem Babylonischen Exil. Treue zu Tempel und Tora, Kontinuität mit der Geschichte vor dem Exil und die Besinnung auf die Identität Israels sind die entscheidenden Faktoren – ihre „Personalisierung“ erfahren sie in den großen literarischen Gestalten des „Schriftgelehrten“ Esra und des „Statthalters“ Nehemia. Die nach diesen beiden Gestalten benannten "Bücher" bilden e i n literarisches Gesamtwerk. Es ist eine der wichtigsten geschichtlichen Quellen für die Perserzeit in Palästina (ca. 6./5. Jh. v.Chr.) und insbesondere für die 8 Katholisch-Theologische Fakultät
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