P. Kemeter F. Lehmann (Hrsg.) Psychosomatik def Infertilitat Mit 28 Abbildungen und 10 Tabellen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokyo Hong Kong Dr. med. PETER KEMETER Inst. ftir Endokrinologie der Fortpflanzung und IVF Trauttmansdorffgasse 3A, A-1130 Wien Professor Dr. med. FRANK LEHMANN Stadtische Krankenanstalten, Bielefeld RosenhOhe An der RosenhOhe 27, D-4800 Bielefeld 14 ISBN-13 :978-3-540-50807-6 e-ISBN-13 :978-3-642-74486-0 DOl: 10.1007/978-3-642-74486-0 CIP·Kurztitel.ufn.hrne der Deutschen Bibliothek Psychosorn.tik der Infertilitl!t I P. Kerneter; F. Lehmann (Hrsg.) Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo: Springer, 1989 ISBN-13:97S-3-540-50S07-{j NE: Kerneter, Peter [Hrsg.] Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die d.durch begriindeten Rechte, ins besondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortr.gs, der Entnahrne von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilrnung oder der Ver vielflltigung auf anderen Wegen UDd der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, .uch bei nur .uszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfl!ltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist 8uch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschl.nd vorn 9. September 1965 in der Fassung vorn 24. Juni 1985 zulassig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Str.fbe stimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verl.g Berlin Heidelberg 1989 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesern Werk berechtigt .uch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der An n.hme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und M.rkenschutz-Gesetz gebung als frei zu betrachten wliren uDd daher von jedermann benutzt werden diirften. Produklh.ftung: Fiir Ang.ben iiber Dosierungsanweisungen und Applik.tionsfor men kann vom Verlag keine GewAhr tibemommen werden. Derartige Angaben mUsseD vom jeweiligen Anwender im Einzelfa11 anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit iiberpriifl werden. 212713145-543210 Vorwort Die Erfolgsberichte iiber neue kiinstliche Befruchtungsmethoden - In-vitro-Fertilisierung, Samen-, Eizell- und Embryospende u. a. - haben einen enormen Zustrom von Patienten zu diesen Methoden bewirkt. Immer mehr Arzte und Biologen beschaftigen sich mit kiinst lichen Befruchtungsmethoden, und mehr und mehr Zentren fiir Ste rilitatsbehandlung werden eroffnet. Abgesehen von den ethisch-moralischen Aspekten und den noch groBteils unklaren rechtlichen Konsequenzen dieser Behandlungs methoden werden vor allem die psychologischen Probleme immer deutlicher, welche Patienten und Arzte im Umgang mit diesen Be handlungen haben. Rohe Erwartungen und ein oft iibersteigertes Anspruchsdenken der Patienten iiben betrachtlichen Druck auf die Arzte aus, steigem aber auch deren Allmachtsgefiihl. DaB mit der Infertilitat hiiufig psychosexuelle Probleme verbun den sind, wird von den Patienten und Arzten tabuisiert und daher bei der Diagnose und Therapie nicht mitberiicksichtigt. Dieses Buch solI daher all jenen, die in der Reproduktionsmedizin beschiiftigt sind, die Moglichkeit bieten, sich einen besseren Einblick und Zugang zu dem komplexen Problemkreis Infertilitat zu beschaf fen. Wien und Bielefeld, im Friihjahr 1989 PETER KEMETER FRANK LEHMANN Inhaltsverzeichnis Fokussierende Beratung bei funktioneller Sterilitat M. SPRINGER-KREMSER ........................................ 1 Das Geheimnis der Elternschaft E. BRAININ ..................................................... 9 Kinderwunsch bei sterilen Ehepaaren: Einige psychodynamische Hypothesen L. JEKER, G. MICIONI, M. RUSPA, M. ZEEB UNO A. CAMPANA ................................................... 25 StreB und Infertilitat P. NIJS UNO K. DEMYTIENAERE ............................... 33 Auswirkungen der artifiziellen Insemination mit Spenders amen auf die Psyche des Ehemannes A. BLASER UNO U. GIGON ..................................... 58 Psychosomatische Begleitung der IVF-Paare: Erfahrungen und Ergebnisse H. KENTENICH, C. HOELZLE, H. SCHMIAOY UNO M. STAUBER 65 In-vitro-Fertilisation - der EinfluB von psychischen Belastungen auf Fertilisierung und Implantation P. KEMETER .................................................... 84 Mitarbeiterverzeichnis Blaser, Andreas Psychiatrische Universitatspoliklinik, MurtenstraBe 21 CH-3000 Bern Brainin, Elisabeth GersthoferstraBe 20/1/2, A-1180 Wien Campana, Aldo Servizio di Endocrinologica, Ospedale La Carita CH-6600 Locarno Demyttenaere, Koen Psychosomatische Abteilung, Universitatsfrauenklinik Gasthuisberg - S1. Rafael, Katholische Universitat, Herstraat 49 B-3000 Leuven Gigon, Ueli Frauenklinik, Kantonsspital, CH-4600 Olten Hoelzle, Christiane Institut fUr Medizinische Psychologie Westfalische Wilhelms-Universtitat, 0-4400 Miinster Jeker, Lorenza Servizio di Endocrinologia Ginecologica, Ospedale La Carita CH-6600 Locarno x Mitarbeiterverzeichnis Kemeter, Peter Institut fUr Endokrinologie der Fortpflanzung und IVF Trauttmansdorffgasse 3A, A-1130 Wien Kentenich, Heribert UniversiUits-Frauenklinik, Klinikum Charlottenburg Freie Universitat Berlin, PulsstraBe 4-14, D-lOOO Berlin 19 Micioni, Giovanni Servizio di Endocrinologia Ginecologica, Ospedale La Carita CH- 6600 Locarno Nijs, Piet Universitatsfrauenklinik, Gasthuisberg - St. Rafael Katholische Universitat, Herestraat 49, B-3000 Leuven Ruspa, Marina Servizio di Endocrinologia Ginecologica, Ospedale La Carita CH-6600 Locarno Schmiady, Hardi Universitats-Frauenklinik, Klinikum Charlottenburg Freie Universitat Berlin, PulsstraBe 4-14, D-lOOO Berlin 19 Springer-Kremser, Marianne Institut fur Tiefenpsychologie der Universitat Wien Lazarettgasse 14, A-1090 Wien Stauber, Manfred Universitats-Frauenklinik, Klinikum Charlottenburg Freie Universitat Berlin, PulsstraBe 4-14, D-lOOO Berlin 19 Zeeb, Mireille Servizio di Endocrinologia Ginecologica, Ospedale La Carita CH-6600 Locarno Fokussierende Beratung bei funktioneUer Sterilitat M. Springer-Kremser Einleitung Bei den folgenden AusfUhrungen geht es nieht nur urn eine Form der Psychotherapie nach AusschluB moglicher organischer Ursachen der Sterilitat, sondern urn eine Grundhaltung, die das Procedere von Diagnoseerstellung und Therapieplanung sowie Durchfiihrung der Therapie begleitet. Wenn nun die organischen Untersuchungen keioe korperiichen Ursachen fUr die Infertilitat ergeben (was bei ca. 15 % der unter suchten Paare der Fall ist, wie z.B. van Hall [1] schreibt), so kompli ziert sich die Situation. Denn jetzt muB an die Moglichkeit der Mit beteiligung psychosozialer Faktoren an Entstehung und Aufrechter haltung der Infertilitat gedacht werden. Zusatzlich muB immer damit gerechnet werden, daB der komplizierte diagnostische ProzeB und spater auch der BehandlungsprozeB (Insemination oder IVF) das Siehtbarwerden von psychologischen Symptomen, die sieh z.B. hinter einer Scheincompliance verbergen konnen, fOrdern kann. Die theo retischen Hintergriinde sowie die Hypothesen und Forschungsergeb nisse zur Frage der sogenannten idiopathischen Infertilitat oder bes ser "unexplained Infertility" sollen an dieser Stelle nieht erwahnt werden. Es sei auf andere Publikationen verwiesen. Aus dem eben Gesagten ist klar, daB ein umfassendes Konzept fur das Management der InfertilitatspatientinlInfertilitatspaare oot wendig ist. Derartige Konzepte gibt es bereits in verschiedenen Institutionen z.B. an der Frauenklinik in Leiden. Der wesentliche Punkt dieses Konzeptes ist, daB immer wieder der emotion ale Aspekt der Infer- 2 M. Springer-Kremser tilitat genauso berucksichtigt werden muB wie korperliche Symptome oder Behandlungskonsequenzen. Wir werden in den folgenden AusfUhrungen versuchen darzustel len, wie wichtig die Beachtung dieses emotionalen Aspektes im Ver lauf der Sterilitatsberatung und -behandlung ist und auf welche Art und Weise die Beachtung der Emotionalitat integriert werden kann. Dermition des BegritTes "Beratung" Mit A. Newsome [4] verstehen wir unter Beratung die Anwendung intelligenter, geschulter Zuwendung zu einem Individuum oder einer Gruppe, die fur personliche Entwicklung oder Problemlosung Hilfe sucht. Die Anwendung dieser Art von Zuwendung impliziert von seiten des Beraters erstens Sachwissen und zweitens Verstandnis fUr und Wissen urn eigene Bedurfnisse, urn sicher zu sein, daB nicht die Befriedigung unpassender eigener Bedurfnisse die Ziele der Beratung verschleiert oder der PatientinJdem Patienten diese Ziele aufgezwun gen werden. Was immer in der Beratungssituation effektiv ist, liegt an der Person des Beraters. Der Berater muB sich verantwortlich dafur fUhlen, daB seine Qualifikation von so hohem Standard wie nur moglich ist. Es gibt keine andere Tatigkeit, bei welcher das Verhalten so sehr der Prufung und der Kritik offen ist, wie das des Beraters. Moglicherweise ware das anders, wenn die Effektivitat wirklich ge messen oder transparent gemacht werden konnte. Es ergibt sich also nun die Frage, welches Sachwissen, welche Inhalte fur die Beratung von Sterilitatspatienten erforderlich sind. Diese Frage solI anhand eines 3-Stufen-ModelIs diskutiert werden. Das 3-Stufen-Modell der Sterilitiitsberatung Die erste Stufe dieses Modells stellt die Situation des infertilen Paares in der gynakologischen Sprechstunde dar. Die Situation des unfrei willig kinderlosen Paares, der Frau, ist durch Verletzlichkeit und Krankbarkeit charakterisiert, wie von Pohlman [4], Stauber [5] und Fokussierende Beratung bei funktioneller SteriliUit 3 Mazor [2] dargestellt. Denn die eigene Fruchtbarkeit wird ja uber haupt nicht in Frage gestellt, erst die Konfrontation mit der Tatsache, daB sich der Kinderwunsch oder der Lebensplan nieht ohne arztliche Hilfe zu erfullen scheint, macht darauf aufmerksam. In dieser Situa tion ist also die Frau oder das Paar bei dem ersten Kontakt, wenn eine Kinderwunschbehandlung gewunscht wird. Wir pIadieren sehr dafur, das erste ausfuhrliehe Gesprach mit dem Paar zu fUhren. Die Stufe 1 unseres Modells beinhaltet also eine Interaktion zwischen Gynakologe/in und beiden Partnern. Das hat folgende Vorteile: • das SolidaritatsgefUhl zwischen den Partnern wird gestarkt. • sowohl die Konsequenzen der weiblichen Infertilitat als auch die der mannlichen Infertilitat konnen besser wahrgenommen und verstanden werden. • die Gefahr, daB sieh eine Vater-Tochter-ahnliche Beziehung zwi schen der weiblichen Patientin und dem Arzt entwickelt, wird vermieden und somit die Verantwortlichkeit und das Selbstwert gefuhl der Frau gestarkt. • die moglicherweise manchmal auftauchenden GefUhle des mann lichen Partners dem Arzt gegenuber, der fUr die Schwangerschaft "verantwortlich gemacht" wird, werden vermieden, oder zumin dest gemildert und verstandlicher, und schlieBlich wird fUr das Paar und auch fUr den Arzt der Umgang mit Therapieversagern einfacher, weniger verletzend und der soziale Druck kann besser abgefangen werden, die Emanzipation des Paares ist erleiehtert. Ich habe aus der Psychotherapie mit einem mannlichen Patienten, dessen Frau sieh einer Sterilitatsbehandlung unterziehen lieB, eine Information daruber, wie verwirrend und krankend fur ihn die Tat sache war, daB er von der Interaktion zwischen dem Gynakologen und seiner Frau vollig ausgeschlossen wurde, und trotz seines Ersu chens, miteinbezogen zu werden (seine Frau hatte niehts dagegen), wurde dieses Ersuchen yom Arzt, einem bekannten Infertilitatsbe handler in Wien, einfach abgelehnt. Uberfiussig zu sagen, daB die Behandlung ineffektiv war und auch von der Frau abgebrochen wurde.