Hartmut Radebold Psychodynamik und Psychotherapie •• Alterer Psyehodynamisehe Sieht und psyehoanalytisehe Psyehotherapie 50 -75 jahriger Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokyo Hong Kong Barcelona Budapest Professor Dr. med. Hartmut Radebold Lehrstuhl flir Klinische Psychologie FB 04/ Interdisziplinare Arbeitsgruppe flir Angewandte Soziale Gerontologie (ASG) Gesamthochschule Kassel-Universitat MonchebergstraBe 19 B W-3500 Kassel ISBN-13:978-3-642-77070-8 Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Radebold, Hartmut: Psychodynamik und Psychotherapie Alterer: psychodynamische Sieht und psychoanalytische Psychotherapie 50 - 75jahriger / Hartmut Radebold. - Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo; HongKong; Barcelona; Budapest: Springer, 1992 ISBN -13: 978-3-642-77070-8 e-ISBN- 13: 978-3-642-77069-2 DOl: 10.\007/978-3-642-77069-2 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der VervieWiltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vor behalten. Eine Vervielfiiltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zuliissig. Sie ist grundsiitzlich vergiitungspfIichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheber rechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1992 Softcover reprint of the hardcover lst edition 1992 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, HandeIsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Produkthaftung: Fiir Angaben iiber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewahr iibernommen werden. Derartige Angaben miissen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Riehtigkeit iiberpriift werden. Satz: Reproduktionsfertige Vorlage vom Autor 26/3145 -5 4 3 2 1 0 - Gedruckt auf saurefreiem Papier Vorwort Als ich mich vor fiber 20 Jahren ffir die Psychotherapie fiber 50jahriger als mein zukfinftiges Arbeits- und Forschungsgebiet entschied, erlebte ich mich bald in einer isolierten SituaJion. Die psychoanalytischen Kollegen reagierten desinteressiert oder deutend; ihre Deutungen reichten von unbearbeiteten Konftikten mit den Eltern fiber eine ,,Rebellion gegen den Vater Freud" durch Aberkennen der Altersgrenze ffir Be handlungen bis hin zum "Blick durchs Schlfisselloch". Die psychiatrischen Kollegen interessierten sich weder ffir die Psychoanalyse noch ffir den Altersbereich. Die geria trischen wie auch die gerontopsychiatrischen Kollegen verstanden Alter weitgehend als organischen bzw. hirnorganischen ProzeB. Ffir sie alle gab es keine psychodynamische Sichtweise des Alterns. SchlieBlich erwies sich diese Thematik als eindeutig hemmend ffir eine wissenschaftliche Karriere. Die erste altere (hier 59jahrige) Patientin behandelte ich mit 29 J ahren wahrend mei ner psychiatrischen Facharztausbildung bei gerade begonnener psychoanalytischer Wei terbildung. Meine hier erstmals systematisiert zusammengefaBten Behandlungserfah rungen umfassen einen Zeitraum von 26 Jahren bei allmahlich zunehmendem Kenntnis und Erfahrungsstand. Ich gewann ihn wahrend meiner Arbeit in der Psychiatrischen Universitatsklinik Berlin (1962-1966), als Funktionsarzt in einer (vorwiegend geria trisch ausgerichteten) Rehabilitationsklinik in Berlin (1967-1969), in der Psychothe rapeutischen Universitatsambulanz in Ulm (1970-1975) und ab 1976 teilweise auf grund eigener Praxismtigkeit, teilweise aufgrund mehrjahriger Mitarbeit in einer psych iatrischen Institutsambulanz. Ich habe wahrend dieses Zeitraumes (abgesehen von der Zeit in der Rehabilitationsklinik) ca. 280 Erwachsene im Alter zwischen 50 und 75/80 Jahren ambulant im Erstinterview gesehen und ca. 120 mit Fokal-/Kurztherapie, langfri stiger Einzelpsychotherapie, Gruppenpsychotherapie oder Paartherapie behandelt. Seit 4 Jahren fUhre ich mehrere (inzwischen teilweise abgeschlossene) Psychoanalysen (4 Wochenstunden im Liegen) mit 50-bis 70jahrigen durch; die auffallend befriedigenden Ergebnisse blieben hier weitgehend unberiicksichtigt. Ebenso kann ich auf umfangrei che Supervisionserfahrungen mit Psychoanalytikern wie auch mit therapeutisch mtigen Sozialarbeitern zurUckgreifen. Dazu nutzte ich die psychodynamische Sichtweise ffir die (therapeutische) Arbeit anderer im Altersbereich mtiger Berufsgruppen, urn ffir sie psychodynamisch begriindete Behandlungskonzepte zu entwickeln. Parallel zu den sich in diesem Buch widerspiegelnden interessanten und befriedi genden Behandlungserfahrungen und -ergebnissen erlebte auch ich - wie jeder, der altere Erwachsene psychotherapeutisch behandelt - die schwierigen, bedriickenden und VI Vorwort beangstigenden Seiten des Alterwerdens. Ein entscheidendes Gegengewicht bildeten dabei meine guten Erinnerungen und wichtigen Erfahrungen mit Menschen, an deren Altern und Altsein ich teilnehmen konnte. Dazu gehort meine Mutter, die ihr Leben nach ihrer Pensionierung mit 62 Jah ren weitgehend neu, dazu unverandert selbstandig gestaltete und sich vielen neuen Interessen widmete. Spater erlebte ich sie nach einem Schlaganfall in ihrem 84. Le bensjahr wahrend eines langen schweren Krankheitsverlaufs. Dazu zahlen weiterhin Frau E. Gindler, die mir einen entscheidenden therapeutischen Zugang zum Erfah ren korperlicher Prozesse vermittelte, und meine Lehranalytikerin, Frau K. Drager. Wahrend dieser oft belastenden Behandlungssituationen half mir meine Frau Hildegard auf vielfaItige Weise; daffir mochte ich ihr hier sehr herzlich danken. Weiter verdanke ich meinen aIteren Patientinnen und Patienten viel: sie halfen mir, mir unbekannte Lebensabschnitte und -situationen kennenzulernen und besser zu verste hen, und ermoglichten mir eine befriedigende und insgesamt erfolgreiche psychothera peutische Arbeit. Mein weiterer Dank gilt der kleinen Gruppe interessierter Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich auf vielfaItige Weise (Diskussionen mit zahlreichen An regungen, Forschungstatigkeit und schlieBlich auch Publikationen) zusammenarbeitete; so in Ulm speziell mit Hildegard Bechtler und Dieter Ohlmeier, seit der Ubersiedlung nach Kassel mit Gerti Schlesinger-Kipp, Johannes Kipp, Klaus Nerenz, Michael Ras sek und Martin Teising sowie auBerhalb Kassels mit Jens Bruder, Eicke Hinze, Gabriele Junkers und Rolf Hirsch. Ebenso gilt mein Dank Frau Arlt und insbesondere Frau Wagner, die die mehrfachen Fassungen dieses Manuskriptes schrieben und mir dadurch eine konstante Weiterarbeit ermoglichten. SchlieBlich mochte ich mich bei Frau Berger vom Springer-Verlag ffir ihre Hilfe stellung und wichtigen Vorschlage bedanken, die entscheidend zur Druckreife in der jetzigen Form beitrugen. Hartmut Radebold Inhaltsverzeichnis 1 Einfiihrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Z Zur Psyehotherapie Alterer in der Bundesrepublik ............. 4 Bisherige Entwicklung ................................... 4 Jetzige Situation ........................................ 5 Derzeitige psychotherapeutische Versorgung Alterer ............... 6 Weiterftihrende Literatur zur Entwicklung in der Bundesrepuhlik ...... 7 3 Altersbezogene Aussagen Freuds aos heutiger Sieht ............. 12 :I Der Psyehotherapeut - seine Sehwierigkeiten mit Alteren ......... 14 Ab wann ist man ,,alt"? Begriffshildung und Vorstellungen des Therapeuten ................ 14 Sich verandemde Beziehungen zwischen ,jung" und ,,alt" im Lebensverlauf ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Ubertragungskonstellationen ............................... 20 Normsetzungen im Behandlungsproze6 ........................ 33 Potentielle Konfrontation mit friiheren eigenen Verlusten ........... 37 Die fehlenden Kenntnisse der Alltagsgeschichte der Alteren ......... 38 Einflu6 der nationalsozialistischen Vergangenheit ................. 40 Gunstige Voraussetzungen ffir die (psychotherapeutische) Arbeit mit Alteren ................. 43 Weiterfuhrende Literatur .................................. 44 ; Neurotische, psyehoreaktive und psyehosomatische Erkrankungen Alterer .................. 45 Definitorische Schwierigkeiten .............................. 45 Neurotische und psychoreaktive Erkrankungen ....... . . . . . . . . . . . . 46 Psychosomatische Erkrankungen und funktionelle Syndrome ......... 48 Altersgruppenspezifische Befunde und der Einflu.B des Altems ........ 49 Bisherige Einteilungsversuche .............................. 50 Neurotische und psychoreaktive Erkrankungen - ein klinisch-therapeutisch orientierter Einteilungsvorschlag .......... 51 VITI Inhaltsverzeichnis 6 Zur Entwicklung im Lebensablauf .......................... 55 Unsere (vorbewuBten) Vorstellungen iiber den Lebenszyklus ......... 55 Historische Veranderungen des Lebenszyklus .................... 58 Psychoanalytisch begriindete Erkenntnisse ...................... 59 Klinische Relevanz ...................................... 66 Reifekriterien .......................................... 74 7 Psychodynamische Sieht des Alterns ........................ 78 Zur Zeitlosigkeit des UnbewuBten ........................... 78 Verkannte Triebwiinsche und unzugestandene unbewuBte Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Traumatisierungen wahrend des Alterns ....................... 93 Die unveranderten Aufgaben des Ich .......................... 96 Altern: Eine zweite Kindheit? .,. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 8 Zielsetzungen der Psychotherapie Alterer .................... 110 Literatur zu den Zielsetzungen unterschiedlicher psychotherapeutischer Schulen .................. 112 9 Erstinterview ......................................... 114 Zugang und Motivation ................................... 114 Diagnostische Kriterien ................................... 116 Besondere Schwierigkeiten - exemplarische Interviewausschnitte ........................... 128 Diagnostische Schwerpunktsetzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 135 Kriterien fiir Indikation und Prognose ......................... 135 10 Psychoanalytische Einzelpsychotherapie ..................... 145 Bisherige Behandlungserfahrungen ........................... 145 Fokal-und Kurzpsychotherapie ............................. 145 Langfristige Einzelpsychotherapie ........................... 149 Behandlungsaspekte ..................................... 159 Kasuistische Literatur .................................... 180 11 Modifikationen ...................................; " . . .. 182 Weiterfiihrende Literatur .................................. 186 12 Weitere Behandlungsformen .............................. 187 Gruppenpsychotherapie ................................... 187 Paartherapie ........................................... 192 Therapeutische (Sozial-) Arbeit ............................. 197 Literatur zu Behandlungsformen ............................. 202 13 Behandlungskonzepte fur weitere Patientengruppen ............ 204 Psychosomatische Hilfestellung fiir korperlich Erkrankte ............ 204 Hilfestellung fiir regressiv Erkrankte .......................... 208 Inhaltsverzeichnis IX Hilfestellung fUr paranoid Erkrankte .......................... 226 Hilfestellung fUr Suizidale ................................. 230 14 Behandlungsergebnisse .................................. 233 Vielfaltige EinfluBfaktoren und schwierige Erfolgsdefinition ......... 233 Erreichbare Behandlungsergebnisse .......................... 238 Sich verandemde Behandlungsziele .......................... 241 "Unerreichte" Behandlungsziele .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 241 Literatur ......................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Sachverzeichnis ............................ . . . . . . . . . . . . . . . 262 1 Einfiihrung In den vergangenen 20 Jahren vollzog sich eine dramatische demographische Ver anderung der Altersstruktur der Bevolkerung der Bundesrepublik:, die noch weiter an halten wird. Sie ist charakterisiert durch die absolute Zunahme der tiber 60jahrigen (nach = der Volkszahlung 1987 insgesamt 20,7 % 12,6 Mio.) bei gleichzeitiger Zunahme der Hochstaltrigen (1987 tiber 80jahrige 3,5 % = 2,1 Mio.). Gleichzeitig zeigt sich eine zunehmende Femininisierung des Alters (Anteil der Frauen bei den tiber 60jahrigen 59,3 %, bei den tiber 70jahrigen 64,2 % und bei den tiber 80jahrigen 69 %). (Dennoch wird im folgenden der Lesbarkeit halber die mannliche Form verwendet.) Aufgrund die ser demographischen Veranderungen verlangert sich die Lebenserwartung der hOheren Altersgruppen. Sie betrug z. B. 1985 bei den tiber 60jahrigen ffir die Frauen 21,3 und ffir die Manner 16,9 Jahre und bei den tiber 70jahrigen ffir die Frauen 13,4 und fUr die Manner 10,4 Jahre. Damit haben tiber 50jahrige vor dem Hintergrund einer relativ si cheren Lebenserwartung noch die Halfte ihres Erwachsenenalters vor sich. Gleichzeitig belegen alle gerontopsychiatrischen Feldstudien eine tiber das 70. Le bensjahr hinaus anhaltende hohe Morbiditatsrate von 10,2-10,8 % von neurotisch, psy choreaktiv und psychosomatisch Erkrankten, die bisher allerdings in der Bundesrepu blik: psychotherapeutisch absolut unversorgt sind. Psychoanalyse hat sich bisher im deutschsprachigen - ebenso im europaischen - Raum kaum mit der weiteren Entwicklung in der zweiten Halfte des Erwachsenenal ters noch mit den Moglichkeiten einer psychotherapeutischen Behandlung tiber 50-bis 75jahriger beschaftigt. Altern als ProzeB wurde bisher weitgehend - auch von uns psy choanalytisch Tatigen - aus biologischer bzw. medizinischer (und damit vorwiegend aus defizitorientierter), aus psychologischer oder soziologischer Sicht verstanden, kei nesfalls aus der uns adaquaten, namlich der psychodynamischen. Dieses Buch beabsichtigt, die psychodynamische Sicht des Alterns als eine weitere wichtige - parallel zu den aufgezahlten - einzuftihren, urn dadurch einen bisher fehlen den Verstehenszugang zu der Entwicklung in der zweiten Lebenshalfte von Erwachse nen und einen Behandlungszugang zu ihren unverandert bestehenden neurotischen oder psychoreaktiven Erkrankungen zu ermoglichen. Das Buch geht von der grundsatzlichen Annahme aus, daB tiber 50jahrige - genauso wie in ihrem jtingeren und mittleren Alter - wahrend ihres hoheren und hohen Alters einen weiteren psychosexuellen nnd psy chosozialen Entwicklungs-und ReifungsprozeB durchlaufen, der in unterschiedlichen Entwicklungsfeldern stattfindet. 2 Einfiihrung Gleichzeitig erleben sie - potentiell zunehmend - Veranderungen aufgrund ihres biologischen Alterns und ihrer Krankheiten sowie in ihrer sozialen Umwelt, insbe sondere in ihren Beziehungen. Diese werden psychodynamisch als Bedrohungen, Ver luste und Attacken wahrgenommen, die sich als erneute Traumatisierungen erweisen konnen. Weiter kann Altwerden eine hohe, andauernde narziBtische Krankung darstel len. Dazu tritt die zunehmende BewuBtheit der Begrenztheit des eigenen Lebens mit nliherriickendem Lebensende. So begegnen wir bei den iiber 50jahrigen sowohl fort bestehenden bzw. wiederholt auftretenden (auf Kontlikten aus Kindheit und Jugendzeit beruhenden) neurotischen Erkrankungen als auch sich erstmals manifestierenden psy choreaktiven Krankheiten. Psychoanalytische Psychotherapie fiber 50jahriger stellt bisher in der Bundesrepu blik eine unbekannte, ffir unnotig erachtete und als kaum erfolgreieh angesehene Auf gabe dar. Bis heute verweigern sich die psychoanalytisch weitergebildeten Psychothe rapeuten und Psychoanalytiker (ebenso wie auch die Therapeuten aller anderen Schu1- richtungen) diesem Behandlungsauftrag. Unter Verweis auf in der Regel unbekannte auf jeden Fall unretlektierte - Aussagen Freuds wird mit der "bewiesenen" Unbehan delbarkeit Alterer argumentiert. Versteht man diese stereotypen Hinweise auf die Aussagen von Freud als rationa lisierende Abwehr, kommt den psychotherapeutisch Tiitigen entscheidende Bedeutung zu. Sie verfiigen iiber die Macht, altere Erwachsene zum Erstinterview anzunehmen, Behandlungsmoglichkeiten zu iiberlegen, entsprechende psychotherapeutische Behand lungsangebote zu machen oder sieh iiberhaupt nieht mit fiber 50jahrigen zu befassen. Ihre Vorstellungen fiber "alt" und "Alter", ihre fehlenden (sozial-) gerontologischen, geriatrischen, gerontopsychiatrischen und diesbeziiglichen psychodynamischen Kennt nisse, die zunachst umgekehrte Ubertragungskonstellation sowie die eigene Position im Lebensablauf, die eigenen Angste vor dem mit Bedrohungen, Verlusten einschlieB lich Sterben und Tod konfrontierendem Alter und schlieBlich die durch diese Alteren verkorperte deutsche Geschichte bringen so viele gefiihlsmiiBige Schwierigkeiten mit sieh, daB altere Erwachsene sehr hiiufig als uninteressant oder bedrohlich erlebt und als Patienten abgewiesen werden. Die heute 50- bis 80jahrigen (d.h. 1901-1941 geboren) wurden von Eltern erzo gen, die sieh noch nach den padagogischen, sexuellen, moralischen und politischen Normen und Ansiehten der Zeit nach der Jahrhundertwende - also der Zeit Freuds ausrichteten und die teilweise noch zu seiner Lebenszeit Erwachsene wurden. Somit verkorpern sie gleichzeitig die uns aus den Schriften von Freud und seinen Schiilern bekannten ,,klassischen" Patienten mit ihren charakteristischen praodipalen und ins besondere Odipalen Kontliktkonstellationen. Daher stiitze ich mich auch verstarkt auf Ich- und triebpsychologische Konzepte. SchlieBlich reprasentieren diese Alteren das uns Jiingeren unbekannte Alltagswissen der damaligen Zeit. Dieses Buch befaBt sieh nur in geringem Umfang mit dem Lebensende als dem letz ten Abschnitt und der letzten Aufgabe des Lebensablaufes. Zu sehr wurde aus psycho analytischer - nicht nur aus dieser - Sieht Altern und Altsein unter die kontemplative Aufgabe der Vorbereitung auf Sterben und Tod gestellt. Diese letzte Aufgabe im Le bensverlauf bestimmt einerseits gewiB mit zunehmendem Lebensalter die Sicht des ei genen Lebens (selbstverstandlieh auch in den psychotherapeutischen Behandlungen!), andererseits wird die zweite Halfte des Erwachsenenlebens (bei dem derzeitigen Durch-
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