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Probleme der Ohrphysiologie und neue Lösungsversuche PDF

103 Pages·1953·4.187 MB·German
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Probleme der Ohrphysiologie und neue Losungsversuche Von Max Kraus Universitatsklinik fUr Bals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Graz Mit 8 Abbildungen Wien Springer-Verlag 1953 ISBN-13: 978-3-211-80306-6 e-ISBN-13: 978-3-7091-5692-6 DOl: 10-1007/978-3-7091-5692-6 ABe Rechte, insbesondere das der Obersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Ohne ausdriickliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervieWUtigen Copyright 1953 by Springer-Verlag in Vienna Meinem Lehrer Professor Dr. Gustav Hofer in Dankbarkeit zugeeignet Vorworl DeJ' Wunder hochstes ist, Daf:J uns die wahren, echten Wunder so Alltiiglich werden konnen ... Lessing Das Ohr ist bei seiner Kleinheit vielleicht das problemreichste Kapitel der menschlichen Physiologie. Wii.hrend das Auge einen ganz klaren Mechanismus zeigt, dessen Grundprinzipien in der photo graphischen Kamera nachgeahmt und ausgewertet worden sind, ist der Mechanismus des Horens noch immer strittig. Fast wochentlicll erscheinen neue Arbeiten mit neuen Ideen, ohne aber wirkliche Losungen zu bringen. Verwunderlich und gleichzeitig fast irgendwie beschamend ist es dabei, dafi es nicht irgendwelche schwierigen biolo gischen Probleme sein konnen, die zu lOsen wir einfach noch nicht in der Lage sind, wie etwa Fragen aus dem Gebiet der Hormon forschung oder der Gehirnfunktion, sondern "simple" physikalische Aufgaben. Trotz Kleinheit und verwickeltem Aufbau ist das Ohr, ver glichen etwa mit einem modernen Radioapparat, yom rein technischen Standpunkt eine verhaltnismafiig einfache Konstruktion und man soUte meinen, daJl eine genaue Besichtigung auch sofort den Zweck und die Aufgabe jedes einzelnen Konstruktionsdetails offenbaren miifite. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall und obwohl Manner aller Wissens zweige sich urn die LBsung dieser Probleme bemiiht haben, darunter viele Phyaiker, Techniker und Mathematiker, stecken aIle Theorien noch voll von Widerspriichen. Der bisherigen Forschung haftet vielleicht eine zu grofie Ein seitigkeit an. Es werden an sich wertvolle !deen oder experimentellc Ergebnisse aua kleinen Teilgebieten iiberschatzt und sofort zu Grund prinzipien erhoben, mit denen dann alIes erklii.rt werden soll und die mit allen Mitteln verteidigt werden. Dadurch wird sehr oft iibers Ziel geschossen und neue Schlagworter, die sich heute beinahe wie Mode richtungen abwechseln, sind eben noch keine Losungen. Dann hort man wieder in vielen Arbeiten den verzweifelten Ruf, man moge jetzt endlich einmal aufhoren mit dem Theoretisieren und Spekulieren und solle neue Tatsachen und Beobachtungen gewinnen, auf denen man dann weiter bauen konne. Diese Ansicht, so begriifiens- VI Vorwort wert sie auf den ersten Blick zu sein scheint, ist grundfalsch. Anatomie und Histologie sind bis zu einer gewissen Vollkommenheit fortge schritten, ebenso die Modellversuche mit ihrer physikalischen und mathematischen Untermauerung, wir kennen Hunderte von experimen tellen Tatsachen aus Physiologie und Pathologie - fast eigentlich schon zu viele, denn in dem chaotischen Gewirr von Tausenden von Ergebnissen sind viele wertvolle, ja sogar entscheidende experimentelle Resultate alterer Autoren verloren gegangen und in Vergessenheit geraten. Was fehlt, ist eine generelle Durchsicht, eine Analyse, die nicht nur die Bestatigung einer bestimmten Idee fUr ein kleines Teilgebiet zum Zweck hat. Es fehlt der wirklich logische Aufbau einer Theorie, die Physiologie, Physik und klinische Pathologie berlicksichtigt und auch nicht davor zurlickscheut, anerkannte Ansichten liber Bord zu werfen, wenn es sich heraussteIlt, daG diese mit den Tatsachen unver einbar sind. Der Mediziner neigt sehr dazu, unter vielen sicher falschen Losungsversuchen den "relativ besten" anzuerkennen, auch wenn er einer strengen Kritik nicht standhalten kann (wie etwa die MAcHsche SchallabfluJltheorie, die Zeittheorie des Richtungshotens usw.). Dieses Verhalten ist leider gerade unter den Ohrphysiologen fast als Regel zu bezeichnen. Gegenargumente gegen solche sozusagen durch Gewohn heitsrecht akzeptierte Theorien werden nicht zu entkraften versucht, sondern ganz einfach totgeschwiegen, weil man sich scheut, bei den ohnehin schon gewaltigen Wissensllicken eine neue zuzugeben. So kommt man aber in der Wissenschaft nicht weiter, denn ein falscher Grundpfeiler kann das ganze Gebaude ins Wanken bringen. Eine neuartige und vorurteilsfreie Durcharbeitung des ganzen Ge bietes glaubt der Verfasser in dies em Blichlein vorlegen zu konnen. Zum Teil wurde auch eine neue, teleologische Betrachtungsweise ein geflihrt, die in der Wissenschaft im allgemeinen verpont ist, hier abel' ganz liberraschende Ergebnisse zeitigt; und als Wegbereiter ist schlieGlich alles recht, was zum Ziel flihren kann, die wissenschaft lichen Beweise mit Logik und Experiment konnen dann leicht nach geh,olt werden, wenn man einmal das richtige Ziel kennt. Die Frage lautet manchmal nicht, wie gewohnt: W ozu dient dieses oder jenes anatomische Detail?, sondern umgekehrt: Wie mliJlte das Organ kon struiert werden, urn diese Leistungen vollbringen zu konnen? In Eiuzelarbeiten konnten auf diese Weise liberraschende Ergeb nisse erzielt werden, die den bisherigen Anschauungen oft diametral entgegengesetzt sind. Eines der wichtigsten Argumente aber fUr die Richtigkeit dieser neuen Ansichten ist die Tatsache, daG aIle diese Ergebnisse ganz exakt zusammenpassen, sich ergiinzen und gegen seitig stlitzen, wie die Steine eines Mosaiks. Diese organische Ge- Vorwort VII schlossenheit des neuen physiologischen Bildes ist durch die notwen dige Aufteilung in einzelne Mitteilungen leider verlorengegangen. Die Lo.sung eines Teilproblems ftihrt zu weiteren Erklarungsmoglichkeiten, die wieder die Ausgangstheorie sttitzen usw. usf., bis sich das ganze Bild rundet und in sich schliefit, und jedes "Mosaiksteinchen" mit seinem richtigen Platz auch seinen Sinn und Zweck erkennen lafit. Die Hauptaufgabe dieses Btichleins soll es sein, die Geschlossen heit der Darstellung wiederherzustellen und sie einem weiteren medi zinisch gebildeten oder interessierten Kreis bekannt zu machen. Zu diesem Zweck ist teilweise von ganz exakter und ntichterner wissen schaftlicher Darstellung abgewichen worden; der engere Fachmann moge in den Originalberichten nachlesen. Eine auch nur annahernd vollstandige Namensnennung verdi enter Autoren ist dabei in dem gesteckten Rahmen vollig unmoglich und auch hier geben die Original mitteilungen die entsprechenden Hinweise. Auch neue, noch nicht mit geteilte Ideen und Argumente sind zum Teil mit eingeflochten worden. Gleichzeitig aber richtet sich diese Schrift an jene, welche sich auf keinen Fall von alten Vorstellungen trennen wollen und glauben, mit einem Achselzucken die ihnen "gewagt" oder "romantisch" erscheinen den Ansichten abtun zu konnen. Allgemeine Werturteile dieser Art sind heute leider auch in der Wissenschaft vielfach tiblich geworden und mtissen anscheinend des Ofteren fehlende objektive Gegenbeweise ersetzen. Damit ist der Sache jedoch nicht gedient. Es ergeht somit an alle, die .8ich ein U rteil in diesen Fragen zuerkennen, die Einladung, mit sachlichen Argumenten und Gegenbeweisen eine Debatte zu eroff nen, oder aber die Richtigkeit der hier gebrachten Ansichten anzu erkennen. Bis jetzt ist allerdings noch kein einziger Punkt in diesen Deduktionen widerlegt oder auch nur angezweifelt worden. Der Leser aber, der ohne vorgefafite gegnerische Einstellung und ohne festgefahrene Prinzipien und Ansichten diese Darstellung durchgeht, wird tiber die Ftille der Romantik und der trberraschungen staunen, die sich in einem so kleinen spezialwissenschaftlichen Gebiet auft un konnen. G r a z, im Juli 1953 Max Kraus Inhaltsverzeichnis Seile Das Wunderwerk des Ohres . 1 Anatomische Vorbemerkungen 2 Das au.Bere Ohr 7 Das Mittelohr . 8 Die sogenannte Knochenleitung 14 Schnecke und Hortheorien 20 Das CORTlsche Organ . 32 Das Richtungshoren 39 Das endolymphatische System 49 Bogengangsapparat und Nystagmus 53 Die Funktion des Bogengangssystems 62 Der Otolithenapparat und seine Mechanik 70 Funktion und Bedeutung des Otolithensystems 79 Die Reizauslosung an den Sinnesendstellen 85 tTbersicht und Schlu.B 89 Literaturverzeichnis 92 Das Wunderwerk des Ohres Unter den Sinnesorganen, die neben Gehirn und Hand den Aufstieg del' Menschheit ermoglicht haben, wird das Ohr erst an zweiter Stelle genannt. Die tiberragende Bedeutung des Auges la£t es an Wichtigkeit immer wieder zurticktreten. Diese Einstufung ist abel' nicht ganz gerecht. Del' bekannte Schriftsteller H. G. WELLS hat in einem utopischen Roman die interessante Idee ausgeftihrt, dan ein sinnvolles Gemein schaftsleben eines vollkommen blinden V olkes durchaus denkbar ware. In del' Einleitung zu seiner Menschheitsgeschichte dagegen macht del' gleiche Autor die wichtige Feststellung, dan einer del' entscheidendsten Schritte in del' Entwicklung del' ganzen Tierreihe von den niedersten Vielzellern weiter beim Dbergang von den Reptilien zu den Sauge tieren und Vogeln gegeben ist: Hier tritt das erstemal das Prinzip eines richtigen Familienlebens auf mit einer Weiterbildung des Indi viduums durch Erziehung und Nachahmung. Die Weiterentwicklung gerade dieses Prinzipes ist entscheidend ftir den Fortschritt del' Menschheit geworden. Es kommt zur Entstehung del' Sprache, die durch das Ohr ermoglicht wird und die Grundlage des menschlichen Sozialgeftiges abgibt. Die Sprache fUhrt zur Schrift und diese wieder bildet die Basis jeder Wissenschaft. Was also das Auge fUr das einzelne Individuum bedeutet, ist das Ohr fUr die Entwicklung eines Gemeinschaftslebens und damit ftir die ganze bestehende menschliche Kultur und Zivilisation. Man ist gewohnt, das Horen als etwas ganz Alltagliches und Selbst verstandliches hinzunehmen und macht sich ftir gewohnlich keine Gedanken tiber die geradezu unglaubliche Leistungsfahigkeit dieses Sinnesorganes. Das Ohr stellt eine automatisch und ohne jeden Zeit verlust arbeitende Ordnungsmaschine dar, die Hunderte von gleich zeitig ansttirmenden verschieden starken und verschieden langen Schallwellen sortiert und wieder zu einheitlichen Bildern zusammen fant. Dabei ist die Leistungsbreite dieses Organs geradezu abenteuer lich. Man hat berechnet, dan del' schwachste Reiz, del' gerade noch zu einer Horempfindung ftihrt, sich zum lautesten, eben noch ertraglichen Ton gronenmafiig verhalt wie 1 zu 10 Billionen (100: 1013, woraus dann die bekannte Phon- und Deci-Bel-Einteilung del' Audiometer gerate von 1 bis 130 entstanden ist). Das spricht sich leicht aus und Kraus. Ohrphysiologie 1 2 Anatomische Vorbemerkungen man braucht eine bildliche Darstellung, um die Ungeheuerlichkeit dieser VerhiiJtniszahl zu erfassen. Man konnte das Ohr mit einer Waage vergleichen, mit der man nach Belieben wahlweise Stecknadeln oder Panzerkreuzer abwagen konnte. In linearen MaRen ausgedrtickt ist diese Leistungsspanne vielleicht noch unglaublicher: Sie entspricht etwa dem Umfang eines roten Blutkorperchens im Verhaltnis zum ftinffachen Erdumfang! Die Luftbewegungen beim schwachsten, gerade noch wahrnehm baren Ton Hegen dabei noch im atomaren Bereich. Nach SCHEMINZKY gentigt eine periodische Druckschwankung vor dem Trommelfell von 4 : 10.000,000,000 des normalen Luftdruckes zur AuslOsung einer Horempfindung. Die longitudinal schwingenden Luftteilchen bewegen sich dabei etwa 1()-8 = 0,00000001 cm weit. Das menschliche Ohr ist demnach ein Registrierinstrument von geradezu unwahrscheinlicher Empfindlichkeit und Prazision, das - wenn der Vergleich erlaubt ist - das Auflosungsvermogen eines Elektronenmikroskopes noch weit tibertrifft. Es ist notwendig, sich diese Tatsachen einzupragen, schon um ein wenig mehr Respekt vor solchen groRartigen Leistungen zu bekommen. Dann wird man auch die Anstrengungen verstehen, die gemacht wurden, um dem Geheimnis seiner Wirkungsweise auf die Spur zu kommen. Anatomische Vorbemerkungen Die Anatomie gilt zu Unrecht als einer der langweiligsten Wissens zweige und gerade das Ohr mit seiner verwickelten Formbildung und hochsten Ansprtichen an die raumliche Vorstellungsgabe bildet seit jeher den Schrecken des Anatomiestudenten. Das Felsenbein ist ja der komplizierteste menschliche Knochen und dabei gewissermaRen nur Htille und rohe Form dieses Organs. Dartiber hinaus sind bestimmte Einzelheiten so verwickelt in ihrer Lagerung und man mochte sagen "unwahrscheinlich" in ihrer Gestaltung, daR sie nicht in die tibliche V orstellungswelt passen und man selbst in wissenschaftlichen Arbeiten manchmal fehlerhafte Darstellungen findet. Ein kurzer Dberblick tiber die wichtigsten Grundlagen und Zu sammenhiinge ist jedoch unvermeidbar, wenn man die Funktion ver stehen will. Es solI hier deshalb nur so viel Grundsatzliches wieder holt werden, daR die Erinnerung an wichtige Besonderheiten wieder wach wird und der Leser der Darstellung an Hand der beigegebenen Skizzen folgen kann. Wer sich ganz neu in dieses Gebiet einarbeiten will, mume schon einen Atlas oder ein Modell zur Hand nehmen. Um nicht zu sehr zu ermtiden, sollen diese Einzelheiten bei den zugehori- Anatomische Vorbemerkungen 3 H3mmer Amboss Sleigbvgel 1m O/li1IM renSllf 8ogeng.1n; lIelikotfem'] :.;..~~.....::r-:t- 8.1sil.1lY!1em0r.1n t Yorhol' - SA: I. SchneekenJ (1.'3 rvndes Fensler Allb. I. Frnnlnl<clonitt du ..- Io do - hr. 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