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Prävention in der sozialen Arbeit: Planung und Durchsetzung institutioneller Neuerungen PDF

195 Pages·1989·6.159 MB·German
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Henning Trabandt . Rudiger Wurr Pravention in der sozialen Arbeit Henning TrabandtiRlidiger Wurr (unter Mitarbeit von Willi H. Schlihlein) Pravention in der sozialen Arbeit Planung und Durchsetzung institutioneller Neuerungen Westdeutscher Verlag Aile Rechte vorbehalten © 1989 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Softcover rt;!print of the hardcover 1s t edition 1989 Das Werk einschlieGlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auGerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere flir Vervielfaltigungen, Obersetzungen, Mikrover filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Burkle, Darmstadt Satz: SATZPUNKT Ursula Ewert, Braunschweig Druck und buchbinderische Verarbeitung: Lengericher Handelsdruckerei, Lengerich ISBN-13: 978-3-531-11729-4 e-ISBN-13: 978-3-322-86122-1 DOl: 10.1007/978-3-322-86122-1 Inhalt 1 Einfiihrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7 1.1 Sozialarbeit zwischen Einzelfall und Gesellschaftspolitik . . . . . . . . .. 7 1.2 Sozialplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 8 1.3 Institutionelle Pravention .................................. 10 1.4 Zur Vorgehensweise: Falldidaktik und Wirklichkeit .............. 12 1.5 Zum Aufbau des Buches und zur Arbeit mit ihm . . . . . . . . . . . . . . .. 14 2 Arbeitsintegration in der offentlichen Erziehung ................... 16 2.1 Ausgangslage ........................................... 16 2.2 Arbeitsaufgaben ......................................... 21 2.3 Der weitere Verlauf ...................................... 22 2.4 Einsichten ............................................. 26 2.4.1 Primat der sozialpadagogischen Zielsetzung ..................... 27 2.4.2 Pravention, Innovation, Emanzipation ........................ 29 2.4.3 Erkundung institutioneller Moglichkeiten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3 Wohnen nach Heimerziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 34 3.1 Ausgangslage ........................................... 34 3.2 Arbeitsaufgaben ......................................... 38 3.3 Der weitere Verlauf ...................................... 39 3.4 Einsichten ............................................. 41 3.4.1 "Sozialpadagogisches Expertentum" ......................... 41 3.4.2 Klientenbediirfnisse im ProzeB der institutionellen Veranderung ....... 44 3.4.3 Arbeitsteilung, "demokratische Struktur" ...................... 46 4 Institutionalisierung der Friihforderung behinderter Kinder . . . . . . . . . . . 48 4.1 Ausgangslage ........................................... 48 4.2 Arbeitsaufgaben ......................................... 51 4.3 Der we it ere Verlauf ...................................... 53 4.4 Einsichten ............................................. 54 4.4.1 Pragmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 54 4.4.2 Lohnarbeit, Selbstandigkeit, Ehrenamtlichkeit ................... 56 5 Durchsetzung extramuraler Versorgung psychisch Behinderter: Personalprobleme ........................................... 58 5.1 Ausgangslage ........................................... 58 5.2 Arbeitsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 66 5 5.3 Der weitere Verlauf ...................................... 67 5.4 Einsichten ............................................. 68 5.4.1 Biirokratie ........................................... 68 5.4.2 Arbeit und Beschaftigung ................................. 69 5.4.3 Modellcharakter ....................................... 70 5.4.4 Rekrutierung der Mitarbeiter .............................. 71 6 Resozialisierungszentrum: Planung von oben ....................•. 73 6.1 Ausgangslage ........................................... 73 6.2 Arbeitsaufgaben ......................................... 86 6.3 Der weitere Verlauf ...................................... 87 6.4 Einsichten ............................................. 87 6.4.1 Problemnahe und Zieldefinition ............................ 87 6.4.2 Theorie-Praxis-Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 6.4.3 "Flucht in die Wagenburg" ................................ 91 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 93 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 95 Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 97 6 1 Einfiihrung 1.1 Sozialarbeit zwischen Einzelfall und Gesellschaftspolitik Wenn Einzelne oder Gruppen von sozialer Aussonderung betroffen oder be droht sind, fiihlen sich Sozialarbeit und Sozialpadagogik1 zur Intervention auf gerufen. Herkommlicher Ansatzpunkt ist dabei das betroffene Individuum, und zwar unabhangig davon, ob nun personliche Schuld, psychische Defizite, physi sche Defekte oder "Vorurteile" der Umwelt fiir seine Misere verantwortlich ge macht werden. Auch wenn unter veranderter, namlich system- und interaktionsbezogener sozialwissenschaftlicher Perspektive die Aussonderungsprozesse in den Mittel punkt des sozialpadagogischen Interesses riicken, bleibt stets, wenn auch nicht mehr unbedingt das Individuum, so doch der Einzelfall Gegenstand der Inter vention: Adressat sozialpadagogischen Handelns ist dann nicht mehr nur der Betroffene, sondern zugleich jene (je konkrete) Majoritat, in die er (re)inte griert werden SOll2. Es miissen nun die Gefahrdungsbedingungen des einzelnen Klienten geklart werden, erweitert vielleicht auf die Familie oder etwa die "gang", auf die Nachbarschaft oder aufs Gemeinwesen. Wie verlauft hier der Vorgang der Dissoziierung? Wer ist an ihm - abgesehen yom Klienten - betei ligt? Wer reprasentiert hier die normtragende Majoritat? Inwiefern und inwie weit bilden Verhaltensweisen und Eigenschaften des Klienten den Stein des An staBes? Was kann getan werden, urn diesen Stein zu beseitigen? 1st es notwen dig, sinnvoll, angemessen, bei den AnstoBnehmern zu intervenieren? Und wie denn? Jenseits dieses Ansatzes entfaltet sich nach gangigem Verstandnis Gesell schaftspolitik, zu der es zwar einige Verbindungen von Seiten der herkommli chen Sozialarbeit gibt, etwa in der Gemeinwesenarbeit, die sich aber prinzipi ell auBerhalb ihrer Reichweite bewegt. In der vorliegenden Arbeit soll es nun urn einen Handlungsbereich gehen, der in Praxis und Ausbildung gemeinhin viel zu kurz kommt und zwischen Ein zelfall und Gesellschaftspolitik liegt; natiirlich nicht "irgendwo" oder "iiberall" dazwischen, ·sondern genauer bestimmbar als der qua Profession zugangliche und ausfiillbare Interventionsraum, der die unmittelbare Gestaltung der Bedin gungen der sozialen Arbeit zum Gegenstand hat. Er beginnt bei der Personal planung und reicht bis zur Beteiligung bzw. zu den Durchsetzungsversuchen in den Gremien der politischen "Nahplanung". Dazwischen liegt die Hauptlast: institutionelle Priivention, methodisch oft auf innovatives Handeln hinauslau fend. Diese zunachst nur andeutungsweise Themenumschreibung sei ein wenig 7 prazlslert: Es geht urn Verhinderung/Eindammung von Dissoziierung iiber die strukturelle Verbesserung der Magnahmen der sozialen Arbeit. Strukturelle Verbesserung heigt institutionelle Neugestaltung oder Effektivierung von Mag nahmen. Liege man die Dissoziierungsperspektive auger acht, so hatte man es einfach mit Politik oder Planung zu tun - zumindest scheint es so. Tatsachlich mug man sich im Rahmen des hier vertretenen Ansatzes mit Politik und Pla nung auf institution eller, auf kommunaler, auf Verbandsebene beschiiftigen. Die Dissoziierungsperspektive bildet dabei Triebkraft und Legitimationszwang zugleich. Nicht das professionelle politisch-planerische "Mitmischen" des vor gesetzten Sozialbiirokraten ist hier gemeint, sondern dessen Ersetzung durch eine professionelle Reaktion auf eine sichtbare Problemanhaufung hin; und da die Probleme der sozialen Arbeit zuerst im Umgang mit den Klienten selbst sichtbar werden, sollten, den hier vertretenen Vorstellungen gemag, die mit den Problemen konfrontierten Sozialarbeiter Initiativtrager sein - wessen Sach und Politikverstand und -beistand auch immer sie sich im weiteren auch ver sichern mogen. 1.2 Sozialplanung Nun scheint aber der von uns reklamierte Platz zwischen Einzelfall und Ge sellschaftspolitik bereits durch eine Strategie besetzt, die sich in den letzten zehn Jahren unter dem Namen "Sozialplanung" im Sozialwesen etabliert hat - zu unrecht, wie wir meinen. Denn die vorliegenden Entwiirfe weisen Mangel auf, die ihre Eignung als Bindeglied fragwiirdig erscheinen lassen: a) Der Begriff "Sozialplanung" wird in giinzlich verschiedenen Zusammenhiin gen, mit verschiedener Bedeutung und Funktion verwendet: in der politischen Ressortplanung (Bildungsplanung, Finanzplanung, Jugendhilfeplanung, Stadt planung usw. (Priig, Tschoepe, 1974: 126ff.), in der Wirtschaft ("Sozialplan" als Abfindungsinstrument) und als Arbeitsfeld fUr Soziologen (Schneider, 1977: 140 ff.) , in der sogenannten ,kommunalen Sozialplanung" (Kiihn, 1975), in der - bisher vorwiegend theoretischen - Diskussion urn Sozialplanung als ge sellschaftspolitisches Veranderungsinstrument (Hagenah, 1976: 3 3ff.; Ortmann 1976: 99ff.) und schlieglich in der - eher methodischen - Auseinander setzung urn das Thema Sozialplanung und Bediirfnisbefriedigung in der Sozial arbeit (Langenbach, Widmaier, 1976: 161 ff.), festgemacht gern am Thema Ju gendarbeit und Jugendhilfeplanung (Ortmann, 1982: 35 ff.; Bohnisch, Funk 1982: 87 ff.; Peters, 1982: 103ff.). b) Die bisherigen Sozialplanungsansatze (soweit uns bekannt) gelangen nicht zur Entwicklung einer konkreten sozialpddagogischen Perspektive. 1st einmal der Gegenstand von Sozialplanung in brauchbarer Weise bestimmt als Rand gruppenbereich (umschrieben auch als "residuale Arbeitskraft im eigentlichen Sinne"; Hagenah, 1976: 71 ff.), kommt man iiber eine rein theoretische Eror- 8 terung von "Herrschaft und Massenloyalitat" und MutmaBungen iiber die "potentielle Funktion von Sozialplanung" (Hagenah, 1976: 78ff) nicht hinaus. Eine andere verbreitete Theorierichtung, die sich mit Sozialplanung und Jugendarbeit beschaftigt, bleibt am Problem der Bediirfnisfindung und -befrie digung hangen.3 Und in der wiederum eher methodisch interessierten Diskussi on kommunaler Sozialplanungsansatze wird die Berufsgruppe der Sozialar beiter systematisch nicht einmal mitgedacht, denn: "Sozialplanung spielt sich immer im ,magischen' Viereck zwischen den Interessen cler Verwaltung, den parlamentarischen Gremien, den Wohlfahrtsverbanden und den Betroffenen (cler Planung) ab". (Kiihn, 1982: 12) c) Die bisherigen Sozialplanungsansatze zeigen keinen Weg vom Problem des Einzelfalls zu seiner Identifikation als strukturelles Problem und von dort aus zur Neugestaltung der institutionellen Bedingungen des sozialpiidagogischen Handlungsfeldes. Obwohl nicht bestreibar ist, daB in die strukturelle Problem definition wie in die Zielbestimmung sozialer Arbeit immer auch deduktive Elemente eingehen miissen - ethische, politische Dberzeugungen einerseits und "Grunderkenntnisse" andererseits4 -, so ist doch mit deren naheren Be stimmung erst die halbe Arbeit geleistet. Eine sozialarbeiterische Perspektive muB sich, urn handlungswirksam zu sein, nicht nur auf jene allgemeinen Dberzeugungen, Erkenntnisse und Prinzipien stiitzen, sondern sie muB "kon krete Aufmerksamkeit" vorbedingen, d. h. bestimmte Arten der Losungssu che, Richtungen des Handelns. Dieser Forderung werden eine Reihe von So zialplanungsversuchen nicht gerecht, weil sie offenbar nicht die sozialarbeite rische Notwendigkeit nachvollziehen, Problemerkenntnis zu verkniipfen mit planerisch-politischer Problernlosungsstrategie, fiir die der Plan ja nicht mehr als ein Mittel zur Zielerreichung sein kann. Es kommt in der Sozialplanungsdiskussion sogar vor, da~ die Aufstellung eines Sozial plans bereits als die Problemlosung betrachtet wird, ohne da~ die Umsetzung des Planes noch als zum Thema gehorig angesehen wiirde; ja sogar, da~ das Scheitern eines Pla nungsprojekts mit dem lapidaren Hinweis darauf begriindet wird, "da~ Planung immer auch ein politischer Proze~ ist" (Ortmann, 1982: 52f), was den Verf. offenbar der Pflicht enthebt, die Sache noch weiter zu thematisieren. Es sind also drei Hauptgriinde, aus denen der hier verfolgte Ansatz abgegrenzt wird von clem, was unter "Sozialplanung" diskutiert wird: Bedeutungs- und Funktionsvielfalt des Begriffs, das Fehlen einer sozialpadagogischen Perspektive und das Fehlen einer Verbindung von sozialarbeiterischer Alltagspraxis und struktureller bzw. institutioneller Neugestaltung. Damit sind zugleich drei For derungen an unser eigenes Konzept gestellt. Das wichtigste Anliegen sei gleich hier genannt: Es geht primar urn die Vermittlung einer sozialarbeiterischen Perspektive in Hinblick auf die strukturelle/institutionelle Gestaltung der ei genen Arbeitsbedingungen. Es geht nicht urn Heranziichtung von Experten fiir Planung oder politische Durchsetzungsprozesse. (Diese Idee steht - besonders beziiglich Planungskompetenz - mehr oder minder deutlich hinter vielen So zialplan ungserorterungen.) 9 1.3 Institutionelle Priivention In Ermangelung eines anderen, besseren Begriffes haben wir uns hierfiir ent schieden. in der Hoffnung darauf, daB die Kombination der fUr sich jeweils besetzten Begriffe eine gedankliche Nische finde, die noch gefiillt werden kann. Die soeben erhobene Hauptforderung nach einer spezifisch sozialarbeite rischen Perspektive wird durch den Dissoziierungsansatz erfiillt. Das heiBt, es geht urn solche Arten von Pravention, die weitere Dissoziierung verhindern bzw. schon begonnene Dissoziierung unterbrechen oder abschwachen. Die In tervention bezieht sich hier jedoch nicht auf den Einzelfall, wiewohl jeder Einzelfall davon betroffen ist, sondern auf die institutionelle Gestaltung der In tervention. In diese gehen Erkenntnisse ein iiber gesellschaftliche Strukturen, tiber Formen von Lernprozessen und iiber die Ausstattung von Menschen In un serer Gesellschaft mit Existenzbewaltigungschancen. Solche Erkenntnisse sind zum Beispiel: In unserer (industriellen) Gesellschaft muB ein jeder die Trennung von zweckrationalem Verhalten an den iiffentlichen Orten von Ar be it, Recht, Wirtschaft und Verkehr und mehr emotional-expressivem Verhalten an den privaten Orten von Ehe, Familie, Freundesgruppe und dgl. kennen und vollziehen kon nen. - GroBanstalten flir Kollektiverziehung fordern die Ausbi!dung von Insassensub kulturen heraus, deren Normen nicht mit denen der Anstaltsleitung (Trager, Behorden usw.) iibereinstimmen und die als Mitgift fiir das Leben "drauBen" gefahrlich werden konnen. - Ausbi!dung erhoht die Chancen erfolgreicher Lebensbewaltigung, Arbeit er hoht diese Chancen maBgeblich. Insofern ist also die hier vertretene Perspektive der institutionellen Gestaltung der sozialpadagogischen Intervention notwendig auch eine strukturelle, namlich auf die Beriicksichtigung der gesellschaftlichen Bedingungen zielende. Das hier auftauchende Problem ist wahl evident. 5011 "Beriicksichtigung der gesell schaftlichen Bedingungen" heiBen, sie zu akzeptieren? Viele Klienten der Sozialarbeit ha ben etwa bei Massenarbeitslosigkeit keine Arbeitschance. Also: etwas anderes mach en (z. B. Tonarbeiten im Freizeitheim)? Oder die Klienten "zur Revolution flihren"? "Ein reihen ins Proletariat"? Die Initiative des unverbesserlichen hoffnungsfrohen Kleinbiir gers befeuern? Nun, man sieht: Das erste ist toricht, das zweite lacherlich, und die Vernunft wird sich - fallgemiiB - zwischen den letzten beiden Losungsmoglichkeiten zu entscheiden haben; wei! mehr die Sozialarbeiter qua Profession nicht vermogen. Es ware sogar eine Verschleierung des Problems, wollte man dieser Berufsgruppe, die ja eine Behelfsarmee im Kampf gegen die Folgen gesellschaftlicher Mangel ist, Aufgaben zuteilen, die von Profession, Ausbildung und Erfahrung her Berufenere nicht liisen konnen. Anders: Wird der gesellschaftliche Mangel allgemein, haben wir kein sozialpadagogisches Problem mehr, sondern ein okonomisches, politisches, ein Problem der "groBen" Gesellschafts politik. Das zweite Hauptelement des hier vertretenen Ansatzes betrifft die Verbindung sozialpiidagogiscber Pallpraxis und institutionellerlstruktureller Neugestaltung der Arbeit. Hier geht es urn "kleine" Politik, urn die Eroffnung der Perspektive grundsatzlicher professioneller Mitverantwortung des Sozialarbeiters fiir die in stitutionellen Bedingungen seiner Arbeit; allerdings nicht im Sinne der Gewerk schaft, die gewohnlich primar das Wohl der in ihr Organisierten selbst im Auge 10 hat, sondern im Sinne der institutionellen Verhinderung/Unterbrechung von Dissoziierungsprozessen, in die die Klienten verstrickt sind. Es gibt noch einen zweiten Begriindungszusammenhang fUr die Notwendigkeit dieses Ansatzes. Er hangt zusammen mit dem, was Helmut Plessner die "Weltfrommigkeit deutschen Geistes" genannt hat, Obrigkeitsrespekt, die Neigung, Amt, Behorde, offent liche Einrichtung als machtvolle Gegebenheit anzuerkennen, gegen welche aufzubegeh ren als ketzerischer Akt gegen Moral und Ordnung des gesellschaftlichen Lebens schlecht hin empfunden wird. In der sozialen Arbeit nun trifft diese Haltung - vertreten durch einen erheblichen Teil der Sozialpadagogen selbst - mit den Machtinteressen der Vor gesetzten zusammen, welche kaum mit Klienten, aber vie! mit Administration zu tun haben. Es entstehen hochstabile (sprich: unverriickbare und nicht se!ten disfunktio nale) Strukturen. Daher vollziehen sich die innovativen Bestrebungen in der sozialen Arbeit so vergleichsweise haufig au~erhalb der etablierten Einrichtungen. Das fiihrt aber die etablierte Sozialarbeit iiberhaupt nicht weiter, auBer bisweilen durch die neu entstandene Konkurrenzsituation (zwischen etablierten und alternativen Institutionen), der man standhalten muB - se!bst auf die Gefahr hin, sich auf Experi mente einlassen zu miissen. Der Weg von der Fallpraxis zur institutionellen Neugestaltung ist methodisch, so meinen wir, am besten durch Demonstration am Beispiel zu vermitteln. Denn dieser (induktive) Weg ist der Weg der Praxis. Gezeigt werden solI, wie man sich nicht von den Problemen tiiglich neu erschlagen liigt bzw. sie mit professioneller Distanz einfach hinnimmt, sondern wie man auf die Hiiufung von Fiillen bestimmter Art reagieren kann: Die Identifikation des Problems als eines strukturellen und institutionellen steht am Anfang, die Suche nach Verbesserungsmoglichkeiten oder Alternativen folgt. Diese Suche, die Zielbe stimmung und Methodendiskussion umfagt, bewegt sich praktischerweise be reits auf der Ebene der institutione11en Losungsstrategie. Sie ist im iibrigen be stimmt von sehr verschiedenen Elementen, von Moral, von sozialpiidagogischen Dberzeugungen und sozialwissenschaftlichen Wissenselementen, von Erhebung und Beriicksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen, technischen Grundlagen der diskutierten Magnahmen sowie der Einschiitzung der Umsetzungsmoglich keiten und der Entwicklung einer entsprechenden Strategie. Letztere kann natiirlich nur aspektweise simuliert werden. Und bisweilen mu~ man sich mit der blo~en Mitteilung iiber den tatsachlichen Verlauf des Falles bzw. Erfolg oder Mi~erfolg gewisser strategischer Verfahren begniigen. Die sozialarbeiterische Perspektive umfaBt aber se!bstverstandlich die Realisierung der entwicke!ten MaBnahmen se!bst. Die beispielhafte Demonstration der Verbindung von sozialarbeiterischer A11- tags praxis und institutioneller Priivention sol1 aber noch weitergehen, weil die zu vermittelnde Perspektive noch ein wei teres umfagt, niimlich "Selbstkon trolle". Auch wenn wir davon ausgehen (und wir sol1ten das der Ehrlichkeit halb<>r und unserem Seelenfrieden zum Wohle tun), dag die soziale Arbeit nichts vo11bringen kann, was der technischen Umsetzung eines hochkomplexen Theoriekonglomerats entspriiche, wie es etwa der Astrophysik mit dem Mond flug gelungen istS, erscheint es als hochst angemessen, die stetige Verbesserung der institutione11en Bedingungen der eigenen Arbeit im Auge zu haben. Dies be deutet systematische kritische Beobachtung der institutione11en Magnahme 11

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