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Praktische Orthothanasie (Sterbebeistand) im Arbeitsfeld sozialer Praxis: I. Teil Entwicklung von Verhaltensmerkmalen für den Umgang mit Sterbenden auf der Grundlage partizipierender Feldforschung in Einrichtungen der Altenhilfe PDF

288 Pages·1977·14.56 MB·German
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FORSCHUNGSBERICHT DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Nr. 2698/Fachgruppe Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Herausgegeben im Auftrage des Ministerpräsidenten Heinz Kühn vom Minister für Wissenschaft und Forschung Johannes Rau Prof. H. 0. F ranco Rest, FHL Fachhochschule Dortmund Fachbereich Sozialarbeit Praktische Orthothanasie (Sterbebeistand) im Arbeitsfeld sozialer Praxis I. Teil Entwicklung von Verhaltensmerkmalen für den Umgang mit Sterbenden auf der Grundlage partizipierender Feldforschung in Einrichtungen der Altenhilfe Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1977 CIP-Kurztitelaufnahme der Deuteehen Bibliothek Rest, Hans o. Franeo Praktische Orthothanaeie (sterbebeietand) im Arbeitsfeld sozialer Praxis. - Opladen: West deutscher Verlag. Teil 1, Entwicklung von Verhaltensmerkmalen für den Umgang mit Sterbenden auf der Grund lage partizipierender Feldforschung in Einrich tungen der Altenhilfe. - 1, Aufl. - 1977. (Forschungeberichte des Landes Nordrhein Westfalen; Nr. 2698 : Fachgruppe Wirt schafts- und Sozialwissenschaften) ISBN 978-3-663-19978-6 ISBN 978-3-663-20327-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-20327-8 © 1977 by Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH Opladen 1977. Gliederung Vorwort A Grundlegendes zu Problem und Methode 3 I Anlässe der Untersuchung 3 a Entstehungsgeschichte bis zum Unter- suchungsbericht 3 b Erziehungswissenschaft und Thanatologie 4 c Die Eigenproblematik des Projektleiters 10 d Problemstellung aus der öffentlichen Diskussion 12 II Abgrenzung der Frage- und Problemstellung 15 a Aufgabenstellung und Gesamtziel 15 b Die Praxis- und Berufsbezogenheit des Projektes 16 c Abgrenzung des Untersuchungsgegen standes 18 d Erhebungsradius und Ausd~hnung der Fragestellung 20 III Augewandte Methoden und Techniken 23 a Seins- und Sollenswissenschaft 23 b Empirie, Deskription, Hermeneutik 24 c Vorgefundene Voraussetzungen 26 d Die Beobachtungen 27 1. Allgemeine Methodik 27 2. Spezielle Technik (einschl. Protokollierung) 30 3. Durchführung der Beobachtung 33 e Die Interviews 35 1. Entwurf der Interviewbögen 35 2. Verlauf der Interviews 37 f Die Auswertung 38 IV Von der Hypothese zur Auswertung 41 a Entwicklung der Grundhypothesen 41 b Gestaltung des Datenmaterials 46 c Die Materialbenutzung 47 d Perspektiven und neue Hypothesen tindung 48 V Verlauf und besondere Schwierigkeiten 51 a Ablauf des Projektes 51 b Probleme der Beobachter 52 c Probleme des Gegenstandes 54 d Probleme der Durchführung 56 B Systematische Darstellung der Untersuchungs ergebnisse 58 I Uberblick über die Gesamtuntersuchung 58 a Umfang des Materials 58 b Vorstellung der Stationen und Institutionen 59 c Gestaltung der Gesamtdarstellung 63 - IV - II Darstellung anhand systematischer Gesichtspunkte 66 a Tod und Sterben 66 1 • Dimensionen des Sterbens 66 2. Dimensionen des sozialen Todes 73 3. Wirkungen des Sterbens als Iden- titätsverlust unter besonderer Be- rücksichtigung des Pflegeverhaltens 81 4. Soziale Komponenten des Sterbens 86 b Probleme um Altern und Sterben 89 1. Alter - Krankheit - Tod 89 2. Verwirrtheit und Orientierungs- verlust 91 3. Der alte Mensch und die Vergan- genheit 100 4. Die Bewältigung des Augenblicks 103 5. Einstellungsprobleme der Pfleger zu Alter und Tod 106 c Strukturelle Probleme 109 1. Strukturen des Beziehungssystems 110 1 Befehlsstrukturen und Hackord- nung 110 2 Formen struktureller Gewalt 113 3 Aufgabenverteilung auf der Station 117 2. Raum und Zeit 121 1 Die bestimmten Zeiten und die Zeit 121 2 Die Räumlichkeit und der Raum 124 3. Institutionelles Selbstverständnis 129 4. Organisiertes Sterben - Institutio- nelle Terminalität 137 5. Ergänzende Strukturprobleme 141 d Der Sterbeprozeß 145 1. Verlauf des Sterbens 145 2. Verhalten Sterbender 153 e Die Helfer 158 1. Das medizinisch-pflegerische Per- sonal 158 1 Einstellungen des Personals im Oberblick 159 2 Einstellungen gegenüber Patien- ten 164 3 Ausbildungsniveau und Beistands- verhalten 169 4 Schwierigkeiten und Hindernisse für den Sterbebeistand 173 2. Angehörige 177 f Die Hilfe 179 1. Der Hilfeprozeß 180 1 Aufgaben der Hilfe 180 2 Fehler der Hilfe 182 3 Spezielle Schwierigkeiten 187 2. Der Sterbebeistand 192 1 Aufgaben des Sterbebeistands 192 2 Die Pflege als Sterbebeistand 195 g Beziehungssysteme 201 1. Kommunikation 201 1 Kennzeichen 201 - V - 2 Inhalte 208 3 Hilfen zur Verbalisierung 214 2. Nonverbale Interaktion oder die terminale Atmosphäre 220 III Einzeldarstellungen 230 a Patientenbeispiele 230 b Pflegerbeispiele 237 c Hinweise zum Gebrauch des Berichtes 241 Anhang 247 1. Beobachtungsbögen 247 2. Interviewbogen 254 3. Stellung der Interviewfragen in der Untersuchung 276 4. Literaturverzeichnis 277 - 1 - Vorwort "Hier schicke ich Ihnen eine bescheidene, aber dringend ge meinte Bitte, mir Erträge Ihres Todes-Pädagogik-Seminars zukommen zu lassen. Es dürfen Sätze, Stichworte, Ausrufe u.ä. sein - bitte nicht erst warten, bis Sie was Druckrei fes haben - wir sind 67 und 70 und haben es nötig! und na türlich haben wir um uns herum alte Menschen mit heimlichen, z.T. unterbewußten Fragen - wie wir selber haben, natürlich! Nur daß die Anforderungen oder auch Anregungen des Tages noch immer nicht leicht die Zeit für eine Meditation in Richtung Ewigkeit - Station Sterbebett und Grab - freigeben. - Das Leben ist halt immer noch aufregend und interessant: es gilt also, den Todesaspekt in das tägliche Leben zu integrie~en - besonders auch im Lebensinteresse unseres 10jährigen Adaptiv sohnes, der diesem Schock früher als andere Kinder wird standhalten müssen. Also? für jedes 'Brosämlein von der Rei chen Tische' werden dankbar sein ..•• " Dieser und ähnliche Briefe standen mit am Anfang des For schungsvorhabens und begleiteten es; zugleich sind die Schreiber dieser und ähnlicher Zeilen letzte und zugleich wichtigste Adressaten unseres Mühens. Es scheint daher durch aus angemessen, das Vorwort aus der Feder der Betroffenen kommen zu lassen. "Wieviel alte Menschen haben kein Aufgabengebiet mehr, leben in den Tag und die Nacht hinein mit Schlafen, Essen, viel leicht mit Spaziergängen und werden sich immer mehr bewußt, zu nichts mehr nütze zu sein, werden immer gleichgültiger, sind für Krankheiten dadurch anfälliger, erwecken durch ihre Unzufriedenheit den Ärger der mit ihnen Zusammenlebenden, suchen den Arzt nicht schon bei geringfügigen Anlässen und Anzeichen einer Krankheit auf, schieben das immer vor sich her, knurren weiter, bis sie durch totalen Abfall des Kreis laufes oder Hochdruck wegen Gefährdung ihrer Gesundheit mit Blaulicht in eine Klinik kommen usw. usw.!! Das wird dann von den aufgebrachten Angehörigen als eingetretene Ruhe an gesehen, die sich nach Außen hin durch Besuche in der Klinik besorgt tun, es aber nicht sind. Wenn darüber hinaus berück sichtigt wird, besonders wenn der alternde Mensch ein Mann ist, daß er weniger im Haushalt der Angehörigen brauchbar ist, kein Verständnis mehr findet und seine Renteneinkünfte bislang als Zuschuß zu den Einkünften der Angehörigen gese hen würden, dann aber durch Arzt, Krankenhaus und andere Ausgaben nicht mehr die gewünschte Verwendung finden können, dann nimmt keiner den Kampf mit dem Tod mehr auf, dem alten Menschen ist dieser dann die 'Erlösung'; der Selbstmord (Ruf mord?) ist vollendet, er erscheint nicht in den Ziffern der Selbstmord-Skala!" (66 Jahre alt) Dem Schreiber dieser Zeilen sei stellvertretend für all jene Dank gesagt, die uns ertragen haben, als wir mit unserm fra genden Blick an ihren Betten standen oder neben ihnen saßen, um den Umgang jener mit ihnen zu ermitteln, die beruflich zur Hilfe in leiblicher, aber auch seelischer, oder, wie es heute heißt, in "psychosomatischer und psychosozialer" Not bestellt sind. Vielleicht wird der alte Mensch sein Sterben eines Tages nicht mehr als Selbstmord erleben müssen, dem - 2 - nicht einmal die Selbstmordstatistik eine angemessene Rück meldung verleiht, sondern als sein persönliches, individuel les Sterben aufgrund eigener Todesprägung. Dank gesagt werden muß aber auch dem Minister für Wissen schaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, der das Projekt finanziell unterstützte, sowie den Mitarbeitern am Projekt und den Verwaltungskräften der Fachhochschule Dort mund. Dank gebührt auch den Institutionen der Altenhilfe und ihren Mitarbeitern, deren Kooperation die Voraussetzung für unsere Arbeit schuf. Ein besonderer Dank gilt aber auch der Familie des Projektleiters, die sowohl regen Anteil an die ser Arbeit nahm, als auch die oft körperliche und geistige Abwesenheit ihres Vaters ertrug. Dortmund/Witten, August 1977 Prof. H.O. Franeo Rest - 3 - A Grundlegendes zu Problem und Methode I Anlässe der Unter~uchung a Entstehungsgeschichte bis zum Untersuchungsbericht Im Jahre 1972 wurde an der Fachhochschule Dortmund im Fach bereich Sozialarbeit eine Seminarreihe unter dem Studenten wie Kollegen befremdlichen Thema "Pädagogik des Todes" an gekündigt; diese Ankündigung enthielt zugleich einen auf die soziale Praxis des Berufsfeldes der wissenschaftlichen Lehre bezogenen Zusatz: "Zur pädagogischen Problematik des Selbst mordes, der Sterbehilfe, der Gewaltkriminalität u.a." Im Jahre 1971 war auf dem deutschen Literaturmarkt das Buch von Elisabeth Kübler-Ross "Interviews mit Sterbenden" er schienen (Stuttgart - Berlin) unmittelbar gefolgt von Mar garetta K. Bowers u.a. "Wie können wir Sterbenden beistehen" (München- Mainz). Für viele Menschen unseres Landes war dies eine notwendige Folge der in den ersten 70er-Jahren laufen den Diskussion um den § 218, die in ihrem Abklingen wie selbstverständlich die Euthanasie-Diskussion als einer wei teren In-Frage-Stellung des immer und allerorten zu schüt zenden Lebens hervorrief, nur mit dem kleinen Unterschied, daß hier vor der Veränderung des § 216 die flankierenden Maßnahmen angesprochen werden. Aber dann kamen die erregen den Meldungen aus den USA (Kareen Quinlan),und das Fernse hen zeigte die ersten Berichte aus Londoner Sterbekliniken - die ja in London so überhaupt nicht genannt werden, sondern viel treffender "Hospices" heißen - "Noch 16 Tage" (von S. Braun und R. Iblacker) , und schon verwischten sich dem On vorbelasteten mit den Begriffen "Sterbehilfe, Euthanasie" auch die Vorstellungen. Es erschien daher hilfreich, einen Hinweis aufzugreifen, der in einem etwas älteren Werk stand, bei Eugen Ansahn "Die Wahrheit am Krankenbett - Grundfragen einer ärztlichen Ster behilfe" (Salzburg 1969, 2. Aufl.), K.R. Eissler habe statt dessen (gemeint ist: statt "Euthanasie") in seinem Buch "The Psychiatrist and the Dying Patient" (New York 1955) "den an deren Begriff 'Orthothanasie' geprägt ••. Orthothanasie, die Lehre vom richtigen Sterben oder 'die Weise, der Wirklichkeit des Todes gemäß zu sterben' - das ist nach Eissler etwas, was es noch nicht gibt, was erst in gründlicher und mühsamer wissenschaftlicher und pädagogischer Arbeit geschaffen werden muß" (177). (Hervorhebung vom Verf.). In diesem Satz werden gleich drei Aufforderungen verwoben, denen es sich zu stel len galt: Klarheit der begrifflichen Bestimmung, wissen schaftliches Mühen und Appellation an die Pädagogik. So kam es zur von Semester zu Semester intensiveren Auseinanderset zung mit der Gesamtproblematik, ohne daß diese aus den Räu men der Hochschule hinausgedrungen wäre. Im Jahre 1973 hakte die Arbeiterwohlfahrt (Bundesverband, Bad Godesberg) an dieser Stelle ein mit der Bitte, die in den Seminaren zur "Sterbehilfe" erarbeiteten Materialien für die Praxis der sozialen Arbeit aufzuarbeiten. Anlaß bot vor allem die theoretische und praktische Not in der Alten hilfe. So erschien im Novemberheft 1974 gewissermaßen als Vorüberlegungen zum späteren Forschungsvorhaben in der Zeit schrift "Theorie und Praxis der sozialen Arbeit" (S. 422-432) - 4 - ein Artikel zum Thema: "Pädagogik des Todes - Hilfe zum Ster ben. Ein Versuch über Orthothanasie im Arbeitsfeld der sozia len und pflegerischen Praxis". In diesem Aufsatz wurde der Versuch unternommen, einerseits auf der Grundlage wichtiger Erkenntnisse auf sozio-kulturel lem, pädagogischem, biologisch-philosophischem und psycholo gischem Gebiete Aussagen zur praktischen Orthothanasie zu treffen, welche der Person des Helfers Orientierungshilfen, ein Verständnis vom Hilfesuchenden und einen überblick über mögliche Hilfearten anbieten, sowie andererseits zugleich für das geplante Forschungsprojekt den Personen und Institutionen, mit denen zusammengearbeitet werden sollte, einen weitgehen den Einblick in unsere Arbeit und Absichten zu verschaffen. Nach diesen Vorarbeiten wurde es immer dringlicher, die vor wiegend aus der Literatur erhobenen Feststellungen zur Ortho thanasie auf breiterer Basis zu überprüfen und abzusichern. So kam es am 17.7.74 zum Antrag auf Forschungsförderung beim Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein Westfalen, die dann am 20.1.1975 bewilligt wurde. Das Projekt war auf 2 Jahre angelegt, in denen die empirische Datenerhe bung den größten Raum einnehmen sollte. Nach Vorlage eines außerordentlich knapp bemessenen Finanzierungsplanes und nach Anschluß der ungewöhnlich schwierigen Anwerbung von studen tischen Mitarbeitern (siehe: Kap. A V b) konnte die Arbeit am 1.4.75 beginnen. A I b Erziehungswissenschaft und Thanatologie (Agogik) Der pr1mare wissenschaftliche Ort des Forschungsprojektes ist zumeist angebunden an die Disziplinen, die der Projektleiter in seiner Lehre an der Hochschule vertritt. Dieser Topos im Spektrum der Thanatologen (Todesforscher) ist in diesem Fall derart ungewöhnlich, daß einige Erläuterungen notwendig er scheinen. Der Projektleiter vertritt das Fach Erziehungswis senschaft mit den Hauptlehrgebieten Erwachsenenbildung und Philosophie (sozialphilosophisch-sozialethische Grundlagen) in praxisbezogener Lehre des Studiengangs "Sozialarbeit". Die Erziehungswissenschaft im Zusammenhang einer Pädagogik der sozialen Arbeit kann sich weder mit der Vermittlung von Lehrbuch- und Grundlagenwissen begnügen, noch auch ausschließ lich sozialpädagogische Theorien, Methoden und Modelle im en = geren Sinne (als Hilfen zur Sozialwerdung becoming social und zur Sozialmachung = making social) vermitteln. Sie muß vielmehr beitragen zu einer Fundamentalisierung und Elemen tarisierung des zu vermittelnden Wissens und Könnens im Hin blick auf das berufliche Handeln mit und am Menschen in al len wiederkehrenden und besonderen Situationen menschlicher Existenz, in denen sich der Einzelne durch seine Praxis als Mensch gefordert und gefährdet weiß; zugleich aber obliegt dieser Pädagogik der sozialen Praxis auch eine innovierende, initiierende und stimulierende Funktion für alle Bereiche sozialer und helfender Tat.

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