Wagner / Erlhof Praktische Baustatik Teil Bearbeitet von Professor Dipl.-Ing. Gerhard Erlhof Fachhochschule Rheinland-Pfalz, Mainz 19., neubearbeitete und erweiterte Auflage Mit 506 Bildern und 28 Tafeln Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Praktische Baustatik : (ein Leitfaden der Baustatik für Studium und Praxis] / von Walter Wagner und Gerhard Erlhof. - Stuttgart : Teubner. Thilw. verf. von Hermann Ramm und Walter Wagner NE: Wagner, Walter; Erlhof, Gerhard; Ramm, Hermann Teil!. - 19., neubearb. und erw. Aufl. - 1994 ISBN 978-3-519-05260-9 ISBN 978-3-663-01593-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-01593-2 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt besonders für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverlilmungen und die Einspeiche rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © Springer Fachmedien Wiesbaden 1994 Ursprünglich erschienen bei B.G. Teubner Stuttgart 1994 Gesamtherstellung: Passavia Druckerei GmbH Passau Umschlaggestaltung: Peter Plitz, Stuttgart Vorwort Die 19. Auflage des Teils I der Praktischen Baustatik erscheint 53 Jahre nach der I. Auflage, die von C. Schreyer verfaßt wurde. Spätere Auflagen wurden von Hermann Ramm und Walter Wagner bearbeitet. Von Anfang an hat sich die Praktische Baustatik zwei Aufgaben gestellt: Sie wollte einerseits den Studierenden des Bauwesens ein Leitfaden für das Erlernen der Baustatik sein, und andererseits für die Anwendung der Baustatik in der Praxis eine wesentliche Hilfe darstel len. Um diese Aufgaben zu erfüllen, ist der Lehrstoff didaktisch aufbereitet und systema tisch gegliedert, und er enthält eine reichhaltige Auswahl von Anwendungsbeispielen. Der vorliegende Teil I behandelt ausschließlich statisch bestimmte Tragwerke, die allein mit den Gleichgewichtsbedingungen und ohne Zuhilfenahme der Festigkeitslehre berechnet werden können. Am Anfang steht eine Standortbestimmung, in der die geschicht liche Entwicklung der Baustatik und ihr Platz im Rahmen des gesamten Baugeschehens aufgezeigt werden. Normen und Vorschriften werden vorgestellt, insbesondere die Last annahmen, die im Abschnitt 2 ausführlich an Beispielen erläutert werden. Es schließen sich Abschnitte an, die unter dem Titel Technische Mechanik für Bauingenieure zusammen gefaßt werden können und sich mit dem Zusammensetzen und Zerlegen von Kräften und Momenten sowie mit dem Gleichgewicht befassen. Dabei werden Probleme sowohl der Ebene als auch des Raumes behandelt. Neben rechnerischen Verfahren werden zeichnerische geboten, die anschaulich sind und bei vielen Gelegenheiten eine schnelle Kontrolle von Rechenergebnissen ermöglichen. Die Ermittlung von K i p p - und GI e i t sicherheit schließt sich an. Abschnitt 5 ist den Stabwerken oder Vollwandtragwerken gewidmet. Nach der Definition der Schnittgrößen wird ihre Ermittlung und Darstellung an einer Vielzahl von Beispielen aus der ebenen und räumlichen Statik vorgeführt. Mit den Beispielen aus der räumlichen Statik soll das Verständnis für die räumlichen Schnittgrößen, insbesondere für die Torsionsmomente, gestärkt werden. Eine grundlegende Behandlung mit Ausführungen über den Entwurf und die Bildungs gesetze erfahren im Abschnitt 6 die ebenen und räumlichen Fachwerke. Für die Bestimmung der Stabkräfte von Fachwerken werden rechnerische Methoden dargeboten sowie für ebene Fachwerke das zeichnerische Verfahren des Cremonaplanes, das An schaulichkeit und Schnelligkeit vereinigt. Bei den Fachwerken wie bei den Stabwerken wird in den Berechnungsbeispielen auch die Frage der ungünstigsten Anordnung von veränderlichen Lasten ausführlich behandelt. Gemischte Systeme, deren Stäbe teils nur Längskräfte, teils aber Längskräfte, Quer kräfte und Biegemomente aufnehmen, werden im Abschnitt 7 berechnet. Der unterspannte Träger und der Langersche Balken oder versteifte Stab bogen, jeweils mit Mittelgelenk statisch bestimmt gemacht, verlangen bei der Ermittlung der Schnittgrößen einen größeren Aufwand und sind als Vorbereitung für die entsprechenden statisch unbestimmten Systeme ohne Mittelgelenk gedacht. Auch hier wird auf die Veranschaulichung von Kraftfluß und Tragverhalten Wert gelegt. Der letzte Abschnitt des Teils 1 bringt die Einfl ußlinien sta ti sch bes timm ter Sta b t rag wer k e. Nach der Erläuterung von Wesen und Zweck der Einflußlinien werden dargeboten die Einflußlinien des einfachen Trägers auf zwei Lagern, die Auswertung von Einflußlinien, die Berücksichtigung mittelbarer Belastung und die Grenzlinien der 4 Vorwort Momente und Querkräfte. Die kinematische Methode der Ermittlung von Einfluß linien schließt sich an, und die Einflußlinien von Fachwerkstäben und Dreigelenkbogen bilden den Abschluß. Die 19. Auflage von Teil 1 bringt neben einer Vielzahl kleiner Änderungen, die der Anpas sung an den neuesten Stand der Normen und Vorschriften dienen oder als Verbesserung der Verständlichkeit und Übersichtlichkeit gedacht sind, auch größere Ergänzungen und Auswechselungen, die ebenfalls die ständige Weiterentwicklung der Baustatik widerspiegeln: Der Abschnitt 2.3.2 enthält Bemerkungen zum neuen Sicherheitskonzept (Eurocode 1); in den Abschnitten 3.4.6 und 4.1.3.4 wurden die Beispiele für das zentrale räumliche Kräftesystem und für die Ermittlung der Stützgrößen einer räumlich belasteten Platte durch neue ersetzt; Abschnitt 5.9.2.6 erhielt ein neues Beispiel für die Ermittlung der Stütz und Schnittgrößen eines Dreigelenkrahmens, in dem die Stützgrößen und Gelenkdrücke mit Hilfe der Systemdeterminante D berechnet wurden, und schließlich wurde der Abschnitt 5.10, der sich mit der Anwendung der Statik des Raumes in der Anwendung auf Stabwerke befaßt, umbenannt und von Grund auf neu gestaltet. Eine gründliche Neubearbeitung erfuhr auch der Abschnitt 6.8 mit den Beispielen für die Ermittlung der Stabkräfte von ebenen Fachwerken: Die Anzahl der Beispiele wurde vermindert, bei den verbliebenen Beispielen die Berechnung der Stabkräfte mit Hilfe der Knotengleichgewichts bedingungen ~x = 0 und ~z = 0 hinzugefügt. Diese werden computergerecht in M a tri zenform dargestellt. Neu ist der Abschnitt 6.9, Raumfachwerke, der nach einer allgemeinen Einführung ein Beispiel eines Raumfachwerkes bringt, das ebenfalls computergerecht mit Hilfe der in Matrizenform dargestellten drei Knotengleichgewichtsbedingungen des Raumes ~X = 0, ~y = 0, ~Z = 0 behandelt wird. Im Anschluß an diese abstrakt-mathe matische Vorgehensweise wird gezeigt, daß die grafische Statik eine anschauliche und schnelle Kontrolle von Rechenergebnissen ermöglicht, indem das Gleichgewicht der Lasten und Stützkräfte des Raumfachwerks zeichnerisch dargestellt wird. Zugunsten des Hinzufügens der Matrizendarstellung der Berechnung von Stabwerken (Abschn. 5.9.2.6) und Fachwerken (Abschn. 6.8 und 6.9) wurde im Abschnitt 7, Gemischte Systeme, auf die statisch bestimmte Hängebrücke verzichtet. Abschließend danke ich dem Verlag für die vorzügliche Zusammenarbeit wie für die sorgfältige Herstellung und gute Ausstattung des Buches. Vorschläge aus dem Leserkreis für Verbesserungen der Praktischen Baustatik sind stets willkommen. Mainz, im Frühjahr 1994 G. Erlhof Inhalt 1 Einleitung 1.1 Naturgesetze - Wissenschaft - Technik - Mechanik. . . . . . . . . . . . . . .. 9 1.2 Entwicklung zur Baustatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. II 1.3 Regeln, Normen und Vorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 12 1.4 Die Rolle der Baustatik im Rahmen des Baugeschehens . . . . . . . . . . . .. 14 2 Kräfte und Lasten 2.1 Allgemeines........................................... 17 2.2 Maßsystem ........................................... 19 2.3 Lastannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 20 2.3.1 Allgemeines, Übersicht - 2.3.2 Bemerkungen zum neuen Sicherheits konzept - 2.3.3 Beispiele 3 Zusammensetzen und Zerlegen von Kräften und Momenten 3.1 Allgemeines........................................... 31 3.2 Zusammensetzen und Zerlegen von Kraftvektoren in der Ebene. . . . . .. 32 3.2.1 Die Wirkungslinien der Kräfte schneiden sich in einem Punkt - 3.2.2 Die Wirkungslinien der Kräfte schneiden sich in verschiedenen Punkten der Zeichenfläche - 3.2.3 Die Wirkungslinien schneiden sich außerhalb der Zeichenfläche 3.3 Kräftepaar ........................................... 62 3.3.1 Begriff und Momentenvektor - 3.3.2 Parallelverschieben einer Kraft 3.4 Vektoren im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 66 3.4.1 Zerlegen eines Kraftvektors in rechtwinklige Komponenten - 3.4.2 Zusammensetzen von Kräften, deren Wirkungslinien sich in einem Punkt schneiden - 3.4.3 Das Moment einer Kraft bezüglich eines Punktes - 3.4.4 Verschieben einer Kraft parallel zu sich selbst - 3.4.5 Die Resultierende eines allgemeinen räumlichen Kräftesystems - 3.4.6 Beispiele 4 Gleichgewicht, Kipp- und Gleitsicherheit und Schwerpunkt bestimmungen 4.1 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 77 4.1.1 Allgemeines - 4.1.2 Gleichgewichtsbedingungen für Kräfte in einer Ebene - 4.1.3 Gleichgewichtsbedingungen für Kräfte im Raum 4.2 Arten des Gleichgewichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 96 4.3 Kipp- und Gleitsicherheit ................................. 97 4.3.1 Allgemeines - 4.3.2 Kippsicherheit - 4.3.3 Gleitsicherheit - 4.3.4 An wendungen 4.4 Lagerung und Lager von Bauteilen und Bauwerken ................ 109 4.4.1 Allgemeines - 4.4.2 Verschiebliches Kipplager - 4.4.3 Unverschiebliches Kipplager - 4.4.4 Feste Einspannung - 4.4.5 Lager von räumlichen Tragwer- ken 6 Inhalt 4.5 Schwerpunktbestimmungen ................................ 114 4.5.1 Allgemeines - 4.5.2 Schwerpunkte von Linien - 4.5.3 Schwerpunkte von Flächen - 4.5.4 Schwerpunkte von Körpern - 4.5.5 Anwendungen 5 Stabwerke 5.1 Allgemeines, Übersicht über die Tragwerke ...................... 125 5.2 Übersicht über die Stabwerke oder Vollwandtragwerke ............. 127 5.3 Schnittgrößen oder innere Kraftgrößen: Längskräfte, Querkräfte, Biege- momente ............................................. 135 5.3.1 Allgemeines, Schnittverfahren, Schnittgrößen - 5.3.2 Die resultierende innere Kraft - 5.3.3 Beanspruchungsflächen, Zustandsflächen 5.4 Einfacher Träger auf zwei Lagern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 5.4.1 - Allgemeines - 5.4.2 Einfacher Träger mit einer lotrechten Einzellast - 5.4.3 Einfacher Träger mit drei lotrechten Einzellasten - 5.4.4 Einfacher Träger mit gleichmäßig verteilter Belastung - 5.4.5 Träger mit Streckenlasten - 5.4.6 Dreieckslasten - 5.4.7 Gemischte Belastung - 5.4.8 Anwendungen 5.5 Kragträger ........... ......... ................... 158 , '" 5.5.1 Einzellast am freien Ende - 5.5.2 Mehrere Einzellasten - 5.5.3 Gleich- mäßig verteilte Belastung - 5.5.4 Horizontale Kraft - 5.5.5 Gemischte Be- lastung 5.6 Einfeldträger mit Kragarmen ............................... 160 5.6.1 Mit einem Kragarm - 5.6.2 Mit beiderseitigen Kragarmen - 5.6.3 Anwendungen 5.7 Träger mit geknickter und geneigter Achse und mit Verzweigungen ..... 167 5.7.1 Allgemeines - 5.7.2 Rechtwinklig geknickte Träger - 5.7.3 Geneigte und mit beliebigem Winkel geknickte Träger 5.8 Gelenk- oder Gerberträger ................................. 186 5.8.1 Allgemeines und Gelenkanordnungen - 5.8.2 Anwendungen 5.9 Dreigelenkrahmen und Dreigelenkbogen ....................... 206 5.9.1 Allgemeines - 5.9.2 Symmetrischer Dreigelenkrahmen - 5.9.3 Drei- gelenkbogen 5.10 Ebene Stabwerke mit räumlicher Belastung und räumliche Stabwerke 214 5.10.1 Allgemeines - 5.10.2 Anwendungen 6 Fachwerke 6.1 Einleitung und Übersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 226 6.2 Der Entwurf von Fachwerknetzen; das 1. Bildungsgesetz .. . . . . . . . . .. 229 6.3 Unverschieblichkeit und statische Bestimmtheit. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 230 6.4 Das 2. und 3. Bildungsgesetz für Fachwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 6.5 Ergänzungen zum Rauten- und K-Fachwerk .................... 214 6.6 Belastungszustände von Dachbindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 6.7 Ermittlung der Stabkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 238 6.7.1 Allgemeines, Übersicht, Nullstäbe - 6.7.2 Zeichnerische Bestimmung der Stabkräfte nach Cremona - 6.7.3 Rechnerische Bestimmung der Stab kräfte 6.8 Anwendungen......................................... 250 6.9 Raumfachwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 263 7 Inhalt 6.9.1 Allgemeines - 6.9.2 Raumfachwerke einfachster Art, Aufbaukriterium, Abzählkriterium - 6.9.3 Ermittlung der Stabkräfte von Raumfachwerken der einfachsten Art - 6.9.4 Statisch bestimmte Raumfachwerke, die nicht der einfachsten Art angehören - 6.9.5 Beispiel 7 Gemischte Systeme 7.1 Allgemeines........................................... 271 7.2 Unterspannter Gelenkträger mit Mittelgelenk .................... 271 7.3 Träger auf zwei Lagern mit Mittelgelenk, in den Drittelspunkten unterstützt durch eine Unterspannung ................................. 274 7.4 Doppelstegiger Träger auf zwei Lagern mit Mittelgelenken, Querträgern und Unterspannung ........................................ 281 7.5 Der Langersche Balken oder versteifte Stabbogen mit Mittelgelenk ..... 285 8 Einflußlinien 8.1 Wesen und Zweck der Einflußlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 294 8.2 Einflußlinien des vollwandigen Trägers auf zwei Lagern. . . . . . . . . . . .. 295 8.2.1 Einflußlinien für Lagerkräfte - 8.2.2 Einflußlinien für Querkräfte - 8.2.3 Einflußlinien für Biegemomente 8.3 Auswertungen von Einflußlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 300 8.4 Mittelbare Belastung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 307 8.5 Die Linien der größten Biegemomente und der größten und kleinsten Quer- kräfte ............................................... 308 8.6 Die Ermittlung der Einflußlinien mit der kinematischen Methode . . . . . . 311 8.6.1 Erläuterung des Verfahrens - 8.6.2 Einflußlinien des Einfeldträgers mit Kragarmen - 8.6.3 Einflußlinien von Gerberträgern (Gelenkträgern) - 8.6.4 Hinweis auf die theoretischen Grundlagen des Verfahrens 8.7 Einflußlinien für Stabkräfte von einfachen Fachwerkträgern .......... 319 8.7.1 Einflußlinien für Gurtstäbe - 8.7.2 Einflußlinien für Schrägstäbe - 8.7.3 Einflußlinien für Vertikalstäbe 8.8 Einflußlinien des Dreigelenkbogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 328 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 334 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 335 Einschlägige Normen für dieses Buch sind entsprechend dem Entwicklungsstand ausgewertet worden, den sie bei Abschluß des Manuskripts erreicht hatten. Maßge bend sind die jeweils neuesten Ausgaben der Normblätter des DIN Deutsches Institut für Normung e.V., die durch den Beuth-Verlag, Berlin und Köln, zu beziehen sind. - Sinngemäß gilt das gleiche für alle sonstigen angezogenen amtlichen Richt linien, Bestimmungen, Verordnungen usw. 1 Einleitung 1.1 Naturgesetze - Wissenschaft - Technik - Mechanik Die Betrachtung der Menschheitsgeschichte zeigt, daß die Menschen während sehr langer Zeiträume der sie umgebenden Natur mit den Kenntnissen begegneten, die sie aufg rund der Überlieferung, der eigenen Erfahrung und der jeweiligen Eingebung gewonnen hatten. Diese Art der Begegnung hat man deshalb auch als das natürliche Verhalten des Menschen gesehen und beurteilt. Wenn man die Reste alter Kulturen studiert, wird in den Bauwerken und Geräten des täglichen Lebens dieses Verhalten sichtbar. Bei der Betrachtung der europäischen Geschichte, insbesondere der Baugeschichte vom Mittelalter bis zum Beginn der Neuzeit, finden wir bestätigt, daß Tradition, Empirie und Intuition die wesentlichen Elemente für jede verändernde Maßnahme in der naturgegebenen Welt und besonders bei der Lösung jeder technischen Aufgabe waren. Alles handwerkliche Können, das sich überwiegend auf die genannten Elemente gründete, stand in diesen Jahrhunderten hoch im Kurs und genoß lange Zeit teilweise besondere Rechte. Sehr deutlich läßt sich das Zusammenwirken der drei genannten Prinzipien beim Übergang von der geschlossenen romanischen zur aufgelösten gotischen Bauweise ablesen, besonders wenn der Übergang stufenweise wie beispielsweise an der Kathedrale von Chartres erfolgte. Vor dem Beginn der Neuzeit waren wenige Naturgesetze formuliert worden (z. B. durch A rc h i m e des). Diese Formulierungen hatten kaum einen entscheidenden Einfluß auf das praktische Handeln der Menschen. Erst mit den Namen Galilei (1565 bis 1642) und Ne w ton (1643 bis 1727) ist der Anfang der Neuzeit gekennzeichnet: Diese beiden Forscher fanden Naturgesetze durch die Verbindung von logischem Denken mit gezielter experimen teller Arbeit. In der Folge breitet sich ein neues Denken aus: Die Natur wird jetzt als ein Gegenüber mit vielen verborgenen Geheimnissen aufgefaßt, die der Naturforscher zu enthüllen trachtet. Es stellt sich heraus, daß Erkenntnisse über das Wesen der Natur und Formulierungen von Naturgesetzen weder auf dem Weg des reinen logischen Denkens noch dem der mystischen Versenkung gefunden werden können. Es muß vielmehr ein dauernder kritischer Dialog zwischen dem forschenden menschlichen Geist und dem For schungsobjekt hergestellt werden. Zu Beginn des Dialogs muß eine klare Frage formuliert werden, die sich häufig im Laufe der Zeit noch wesentlich verengen kann. Der Weg der Neuzeit ist also durch ein dauerndes Frage- und Antwortspiel, das immer mehr zum Grundsätzlichen vordringen will, gekennzeichnet. Aufgrund überlieferten Wissens und neuer Untersuchungen werden mögliche Antworten auf die gestellte Frage entworfen. Hierzu benutzt man Hypothesenl), um fundierte Erkenntnisse zu gewinnen. Die Hypothese will erklären und Gründe angeben, die zunächst nur wahrscheinlich sind; sie muß widerspruchslos sein, andernfalls ist sie durch eine neue Hypothese zu ersetzen. Es ist möglich, daß für den gleichen Sachverhalt mehrere Hypothe sen aufgestellt werden, die miteinander in Konkurrenz treten. Mit Hypothesen wurde in den vergangenen Jahrhunderten in Naturwissenschaft und Technik vielfach gearbeitet, ohne daß ihre Richtigkeit bewiesen werden konnte. 1) grch. = Unterstellung; noch unbewiesene Annahme als Hilfsmittel wissenschaftlicher Erkenntnis 10 l.1 Naturgesetze - Wissenschaft - Technik - Mechanik Die Theoriel) muß im Gegensatz zur Hypothese eine logisch und empirisch gesicherte Erklärung darstellen; für den gleichen Sachverhalt kann es nur eine richtige Theorie geben. Als abgeschlossene Theorie wird eine Theorie bezeichnet, die durch kleine Änderungen nicht verbessert werden kann. Wenn Theorien als allgemein gültig bewiesen werden können, so spricht man von Natur gesetzen. Die Kenntnis von Naturgesetzen gibt die Möglichkeit, den Ablauf eines Natur geschehens vorauszubestimmen. Aus dem Gesagten wird deutlich, daß die Erkenntnis und die exakte Formulierung der in der Natur vorhandenen Gesetzmäßigkeiten nicht einfach zu gewinnen sind, sie stellen Probleme dar, die in der Regel heute nicht mehr von einem einzelnen gelöst werden können, sondern vielmehr eine Forschergruppe verlangen. Auch muß man die Forschungsaufgabe, um zu Erkenntnissen zu kommen, in einer früher nicht vermuteten Weise zergliedern, abstrahieren und schließlich wieder verbinden. Diese Methode der Naturerkenntnis und Naturbeschreibung hat in den Werken der Natur wissenschaft ihren Niederschlag gefunden. Sie hat auch über den Bereich der reinen Natur wissenschaft hinaus tiefgreifende Wirkungen auf unsere modeme Welt hervorgerufen. Die Technik, ursprünglich ein Kind des Handwerks, wird seit Ende des 18. Jahrhunderts wesentlich aus den Quellen naturwissenschaftlicher Erkenntnis gespeist. Dabei ist jedoch zu beachten, daß es hierbei neben den Prinzipien des Wissens und Erkennens auch wesent lich um die Kunst des schöpferischen Tuns (Kreativität) geht. Bei der Lösung einer techni schen Aufgabe ist es erforderlich, die zweckmäßigsten und wirtschaftlichsten Mittel unter Beachtung genügender Sicherheit zu beherrschen und anzuwenden, um das jeweils gesetzte Ziel zu erreichen. Mit Hilfe der Technik hat der Mensch die Umwelt in der Neuzeit entscheidend verändert; in der jetzigen Phase wird dem Menschen immer stärker bewußt, daß er früh genug die Folgen seines die Umwelt verändernden Handeins bedenken muß, damit das für das Leben erforderliche Gleichgewicht der Biosphäre erhalten bleibt. Die Me c h a n i k - ein grundlegender und klassischer Teil der Physik - trug in entscheiden der Weise zur raschen technischen Entwicklung bei. Mit Beginn des industriellen Zeitalters entstand die technische Mechanik, die sich besonders mit den in der Technik auftreten den Fragestellungen befaßte. Die Mechanik beschäftigt sich mit den Bewegungen materiel ler Körper und mit den Kräften und Momenten, die Bewegungen verursachen. Bewegungen und Bewegungsmöglichkeiten allein im Hinblick auf Raum und Zeit werden in der Kine matik behandelt; die Lehre von den Kräften ist die Dynamik. Wenn ein Körper, auf den Kräfte wirken, sich im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung befindet, so müssen die am Körper angreifenden Kräfte sich gegenseitig aufheben; man sagt auch: Die Kräfte am Körper stehen miteinander im Gleichgewicht. Mit dem Gleichgewicht an ruhenden Körpern beschäftigt sich die S ta ti k, mit dem Zusammenwirken von Kräften und Bewegungen die Kinetik. So versteht man von der physikalischen Gliederung her die Statik als die Lehre vom Gleichgewicht starrer Körper im Ruhezustand. Eine andere Einteilung der Mechanik ergibt sich aus den Eigenschaften der betrachteten Körper. Wir sprechen von der Mechanik starrer Körper (Stereo-Mechanik), der Mechanik elastischer Körper (Elasto-Mechanik), der Mechanik plastischer Körper (plasto-Mecha nik) und der Mechanik flüssiger und gasförmiger Körper (Hydro- und Aeromechanik; Fluidmechanik). 1) grch. = Anschauen, Untersuchung; Erkenntnis von gesetzmäßigen Zusammenhängen, Erklärung von Thtsachen (im naturwissenschaftlichen Bereich) 1.2 Entwicklung zur Baustatik 11 1.2 Entwicklung zur Baustatik Die Erkenntnisse und Hypothesen auf dem Gebiet des Bauwesens waren sowohl im physikalischen Bereich als auch im Ingenieurwesen während des 17. und 18.Jahrhunderts beim Bau von Kanälen, Festungsanlagen, Hoch-und Brückenbauten wesentlich erweitert und vertieft worden. Besondere Verdienste haben sich hierbei zahlreiche Physiker, Mathe matiker und Ingenieure aus dem mitteleuropäischen Raum erworben. Vor allem die beiden französischen Ingenieure Charles Auguste Coulom b (1736 bis 1806) und Louis Marie Henri Na v i e r (1785 bis 1836) sammelten das verstreute Wissen, ordneten es kritisch, bauten es methodisch auf und gaben der Baustatik eine zukunftsweisende Zielrichtung. Co u 10m b hat zahlreiche große Bauwerke entworfen, berechnet und ausgeführt. Er hat als erster Fragen der Statik und Festigkeitslehre nach exakt-wissenschaftlichen Methoden behandelt und ihre Lö&ungen in der Baupraxis ausgeführt. Bemerkenswert ist auch die von ihm eingeführte, sehr fruchtbare Methode, das in einer Aufgabe vorhandene unbekannte Element variieren zu lassen, um auf diese Weise den maximalen und minimalen Grenzwert zu finden (z. B. beim Erddruck und beim Bogen). Bei aller wissenschaftlichen Exaktheit war Co u 10m b stets um Klarheit und Anschaulichkeit der Lösungsmethoden bemüht. Na vier, der bereits in seinen frühen Berufsjahren Brücken über die Seine gebaut hatte, lehrte ab 1821 an der "Ecole des ponts et chaussees". Sein Lehrziel war es, seinen Studenten des Ingenieurfachs das wissenschaftliche Rüstzeug für ein materialgerechtes und ökonomisches Berechnen und Konstruieren der Bauwerke in die Hand zu geben. Sein großes Verdienst ist es, die bis dahin bekannten Gesetzrnäßig keiten, Erkenntnisse und Methoden der angewandten Mechanik und Festigkeitslehre zu einern einzigen Lehrgebäude zusammengefaßt und viele Probleme (z. B. aus den Bereichen Klassische Biegungslehre, Knicken, Berechnen statisch unbestimmter Systeme) in Grundzügen gelöst, weiterentwickelt oder neu formuliert zu haben. Na vi e r gehört der besondere Ruhm, eine Baustatik, die das Tragverhalten einer Konstruktion im Grundsätzlichen erfaßt, in weniger als einern Jahrzehnt geschaffen zu haben. Vor Co u 10m bund Na v i e r hatten die Konstrukteure im wesentlichen die Abmessungen der Bauteile nach der Erfahrung bei entsprechenden älteren Bauwerken bestimmt. Dies wurde nun entscheidend geändert: Der Konstrukteur soll die theoretischen Grundlagen der Baustatik und die Erkenntnisse der Bau- und Werkstoffkunde so sicher beherrschen, daß er mit ihrer Hilfe imstande ist, ein standfestes und zugleich wirtschaftliches Tragwerk zu entwerfen und zu berechnen. Im 19.Jahrhundert entwickelte Karl Culmann (1821 bis 1881) weitere zeichnerische Methoden der Baustatik sowie die Theorie des Fachwerks unter der Voraussetzung gelenkiger Knotenpunkte. L uigi Cremona (1830 bis 1903) schuf Kräftepläne, mit denen die Stabkräfte von Fachwerken zeich nerisch ermittelt werden. atto Mohr (1835 bis 1918) wendete als erster das Prinzip der virtuellen Verrückungen an, formulierte eine Analogie für die Berechnung der Biegelinie des elastischen Stabes, stellte allgemeine Spannungszustände grafisch dar und beurteilte sie. Wilhelm Ritter (1847 bis 1906) baute die Anwendung der grafischen Statik weiter aus, während Heinrich Müller-Breslau (1851 bis 1925) eine Systematik der rechnerischen Methoden aufstellte [3]. Großen Einfluß auf die praktische Baustatik gewannen die Momentenausgleichsverfahren von Ha r d y Cross (1930) und Gaspar Kani (1949), die die ElastizitätsgJeichungen statisch unbestimmter Systeme durch schrittweise Näherung lösen. Sie erleichtern die Behandlung vielfach statisch unbe stimmter Systeme bei Handrechnung, d. h. bei Verwendung von Rechenschieber und Addiator oder einfachen elektronischen Rechnern. Die Einführung programmgesteuerter elektronischer Rechenanlagen, die mit kleinerer oder größerer Speicherkapazität heute fast jedem Bauingenieur zur Verfügung stehen, führte zu einern