M. H. WEHR • Praktische Arrhythmiediagnostik und -therapie H. MICHAEL WEHR Praktische Arrhythmiediagnostik und -therapie Ein Leitfaden für Studenten und Ärzte in Klinik und Praxis MIT 219 ABBILDUNGEN UND 49 TABELLEN fli) STEINKOPFF Prof. Dr. med. MICHAEL H. WEHR Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Angiologie Augusta -Kranken-Anstalt Bergstraße 26, 44791 Bochum ISBN 978-3-642-63315-7 ISBN 978-3-642-57627-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-57627-0 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbeson dere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildun gen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Be stimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. Septem ber 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungs pflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsge setzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001 Ursprünglich erschienen bei Steinkopff-Verlag Darmstadt 2001 Softcover reprint ofthe hardcover Ist edition 2001 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in die sem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg Herstellung: Klemens Schwind Satz: K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden SPIN 10759512 85/7231-5 4 3 2 1 0 - Gedruckt auf säurefreiem Papier MEINEN LEHRERN H. KAFFARNIK G. A. MARTINI A. HARDEWIG H.J.J. WELLENS W. HAGER Vorwort "Das Leben beginnt mit dem ersten Herzschlag und geht mit dem letzten zu Ende" (Aristoteles) Das vorliegende Buch basiert auf Erfahrungen aus einer mehr jährigen Unterrichtstätigkeit auf dem Gebiet der Elektrokardio graphie, stimuliert durch einen von der Deutschen Forschungs gemeinschaft unterstützten Aufenthalt im Akademischen Kran kenhaus in Maastricht/Niederlande bei Prof. Dr. H. J. J. Wellens und Prof. Dr. P. Brugada, auf den auch einige Abbildungen zurückgehen. Es versucht neben der Vermittlung altbekannter elektrokar diographischer Fakten (auch auf kinderkardiologischem Gebiet) die neuen, in den letzten 30 Jahren mittels neuer Techniken er arbeiteten Ergebnisse rhythmologischer Forschung darzustellen und in der Synthese von alt und neu das Verständnis für kar diale Arrhythmien zu erleichtern. Vorläufer war der in zwei Auflagen (1988, 1994) im Gustav Fischer Verlag erschienene und weit verbreitete Band "Prakti sche Elektrokardiografie und Elektrophysiologie des Herzens", der jetzt durch relevante moderne Therapieoptionen als Resul tat jüngerer kardiologischer Forschungsergebnisse erweitert wurde. Zu großem Dank bin ich Herrn Prof. Dr. A. A. Schmaltz für den kinderkardiologischen Beitrag, Herrn Axel Dupke, Zentra les Fotolaboratorium des Klinikum Lahnberge der Philipps-Uni versität Marburg, für die ausgezeichneten graphischen Arbeiten und Frau I. Scharein, Fotolabor der Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universität (GHS) Essen, für die hervorragenden Fotoarbeiten verpflichtet. Ich hoffe, dass das Buch bei Studierenden und Kollegen aus Klinik und Praxis eine gerne angenommene Hilfe auf dem Gebiet der kardialen Rhythmologie sein wird. Bochum, im Frühjahr 2001 MICHAEL H. WEHR Inhaltsverzeichnis • 1 Einleitung ........................... . Anatomische Grundlagen ................ . 3 • 2 2.1 Das spezialisierte Erregungsleitungssystem ....... . 3 2.2 Das vegetative (autonome) Nervensystem des Herzens ........................... . 7 Elektrophysiologische Grundlagen ......... . 9 • 3 3.1 Das Membranpotenzial .................... . 9 3.2 Das Aktionspotenzial ..................... . 10 3.3 Die elektrische Refraktärzeit ................. . 14 3.4 Die elektrische Leitfähigkeit ................. . 16 3.5 Die elektrische Erregungsausbreitung ........... . 16 3.6 Der Einfluss des vegetativen Nervensystems ...... . 17 Diagnostische Grundlagen ............... . 19 • 4 4.1 Das Elektrokardiogramm ................... . 19 4.2 Auswertung des Elektrokardiogramms .......... . 27 4.2.1 Der Rhythmus .......................... . 27 4.2.2 Die Herzfrequenz ........................ . 29 4.2.3 Der Lagetyp ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4.2.4 Die Zeitenanalyse ........................ . 34 4.2.5 Die Formanalyse ........................ . 36 4.2.6 Der Rechtsschenkelblock ................... . 39 4.2.7 Der Linksschenkelblock .................... . 43 4.2.8 Der bifaszikuläre Block .................... . 47 4.2.9 Vergrößerung der Herzkammern .............. . 49 4.2.10 Myokardiale(r) Ischämie/Infarkt ............... . 56 4.2.11 Akuter Myokardinfarkt und neu aufgetretene Schenkel blockierung ...................... . 69 4.2.12 Der ST -T- Komplex ....................... . 70 4.2.13 Die T-Welle ........................... . 73 4.2.14 Elektrolytstörungen ...................... . 73 x • Inhaltsverzeichnis 4.3 Das Langzeitelektrokardiogramm . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.4 Das Belastungselektrokardiogramm ............. 79 4.5 Das Summationselektrokardiogramm ............ 83 4.6 Intrakardiale EKG-Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.6.1 Programmierte elektrische Stimulation ........... 87 4.6.2 Elektrophysiologische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 92 4.7 Neue nichtinvasive diagnostische Verfahren . . . . . . . . 92 4.7.1 Herzfrequenzvariabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4.7.2 Baroreflexsensitivität....................... 94 4.8 Arrhythmiemechanismen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 • 5 Therapeutische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.1 Pharmakotherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.1.1 Klassifizierung der Antiarrhythmika ............. 103 5.1.2 Digitalis............................... 119 5.2 Elektrische Therapie ....................... 121 5.2.1 Antibradykarde Schrittmacherstimulation ......... 121 5.2.2 Überwachung von Patienten mit permanentem Herzschrittmacher . . . . . . . . . . . . 126 5.2.3 Neue Indikationen zur permanenten Schrittmacherstimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5.2.4 Implantierbarer Cardioverter-Defibrillator (lCD) ...... 135 5.2.5 Hochfrequenzkatheterablation . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 5.3 Chirurgische Therapie ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 • 6 Diagnostik und Therapie von Herzrhythmusstörungen 145 6.1 Normaler Sinusrhythmus ................... . 145 6.2 Bradykarde Herzrhythmusstörungen ............ . 147 6.2.1 Sinusbradykardie ........................ . 148 6.2.2 Sinusknotenstillstand ..................... . 149 6.2.3 Sinuatriale Blockierungen .................. . 149 6.2.4 AV-Leitungsstörungen ..................... . 150 6.2.5 Absolute Kammerarrhythmie bei Vorhofflimmern/-flattern ................. . 159 6.2.6 AV-Dissoziation ......................... . 159 6.2.7 Therapie bradykarder Herzrhythmusstörungen ..... . 161 6.2.8 Morgagni-Adams-Stokes-Syndrom (MAS-Syndrom) .. . 161 6.2.9 Sinusknotensyndrom ...................... . 163 6.2.10 Karotissinussyndrom ...................... . 167 6.2.11 Schrittmachersyndrom .................... . 167 6.3 Tachykarde Herzrhythmusstörungen ............ . 168 6.3.1 Sinustachykardie ........................ . 168 6.3.2 Vorhofflattern .......................... . 169 6.3.3 Vorhofflimmern ......................... . 175 Inhaltsverzeichnis • XI 6.3.4 Vorhoftachykardie ........................ 186 6.3.5 AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNT) . . . . . . . . . . . 188 6.3.6 AV-junktionale-Reentry-Tachykardie (AVJT) ........ 193 6.3.7 Tachykardien bei speziellen Syndromen .......... 204 6.3.8 Ventrikuläre Tachykardie .................... 223 6.3.9 Extrasystolie............................ 235 6.4 Therapie von Herzrhythmusstörungen in der akuten Infarktphase .................. 243 6.5 Plötzlicher Herztod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 6.5.1 Medikamentöse Primärprävention des plötzlichen Herztodes ................... 247 6.5.2 Sekundärprophylaxe des plötzlichen Herztodes . . . . . . 253 6.5.3 Praktisches Vorgehen bei Hochrisikopatienten ...... 255 6.6 Das EKG bei Digitalisintoxikation . . . . . . . . . . . . . . . 256 6.7 Das EKG bei einer akute lungenembolie . . . . . . . . . . 261 EKG im Kindes- und Jugendalter • 7 A. A. SCHMALTZ ...................... 263 7.1 Zeit- und Amplitudennormalwerte . . . . . . . . . . . . . . 263 7.2 Hypertrophiekriterien ...................... 263 7.3 EKG bei Herzfehlern .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 7.4 langzeit-EKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 • 8 • Anhang................................... 293 Anhang 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Anhang 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Anhang 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Anhang 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Anhang 5 ............................; . . . . . . . 299 Anhang 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 • Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 KAPITEL~ Einleitung Die Diagnostik, Therapie und prognostische Beurteilung kardialer Arrhyth mien stellt auch heute noch gelegentlich ein schwieriges Problem dar. Im diagnostischen Bereich erfuhr die klassische Elektrokardiographie in den letzten Jahren eine Erweiterung durch die 24-Stunden-Langzeitelektrokar diographie (Holter-Monitoring), die programmierte elektrische Stimulation des Herzens (1967 in die klinische Kardiologie eingeführt) und die Signal mittlungstechnik hochfrequenter kardialer, von der Körperoberfläche abge leiteter Potenziale. Im therapeutischen Bereich stehen heute neben neuen Antiarrhythmika, die antitachykarden Schrittmachersysteme (inklusive der implantierbaren Cardioverter/Defibrillatoren), die antiarrhythmische Herz chirurgie und die Ablation des His-Bündels, akzessorischer atrioventrikulä rer Bahnen und arrhythmogener Foci in beiden Herzkammern zur Verfü gung. Die Kenntnis des Mechanismus der zu behandelnden Arrhythmie ist von entscheidender Bedeutung für den einzuschlagenden therapeutischen Weg, der sich immer an der klinischen Symptomatik und an der prognosti schen Bedeutung der Herzrhythmusstörung orientieren muss. Anatomische Grundlagen Das spezialisierte Erregungsleitungssystem Alle Zellen des Herzmuskels haben die Fähigkeit, einen elektrischen Impuls an die benachbarte Zelle weiterzugeben (Eigenschaft der elektrischen Lei tungsfähigkeit). In einigen Zellen ist diese Fähigkeit besonders hoch ent wickelt (spezialisierte Zellen). Die Spezialisierung drückt sich einmal in der Fähigkeit aus, den elektrischen Impuls sehr schnell weiterzuleiten, zum anderen haben einige dieser spezialisierten Zellen die Fähigkeit, den elek trischen Impuls zu bilden (Eigenschaft der Automatizität). Alle so speziali sierten Herzmuskelzellen sind in so genannten Knoten oder Bahnen ange ordnet, welche als spezialisiertes Erregungsleitungssystem des Herzens be zeichnet werden [10]. Die spezialisierten Zellen verfügen in besonderem Maße über Glykogenreserven und über Enzyme für die anaerobe Glykolyse. Ihre kontraktile Potenz ist dagegen geringer ausgebildet. Das spezialisierte Erregungsleitungssystem besteht aus: • Sinusknoten, • Atrioventrikularknoten (AV-Knoten), • His-Bündel, • rechter Tawara-Schenkel, • linker Tawara-Schenkel mit anterior-superiorem Faszikel und posterior-inferiorem Faszikel, • Purkinje-Fasernetz (Auft eilung des rechten Tawara-Schenkels und der linken Tawara-Faszikel im Arbeitsmyokard). • Der Sinusknoten ist beim Erwachsenen eine 10-20 mm lange, etwa 5 mm breite und 1 mm dicke, spindeiförmige Struktur. Sie liegt subepikardial in der Gegend der Einmündung der oberen Hohlvene in den rechten Vorhof nahe der Basis des rechten Herzohres und besteht aus verschiedenen Zell typen: die P-Zellen bilden das so genannte primäre Schrittmacherzentrum des Herzens und sind von den mehr peripherer gelegenen A-Zellen umge ben (Abb. 2.1) [174].