A L T D E U T S C HE T E X T B I B L I 0 T H EK Begründet von Hermann Paul f Fortgeführt von G. Baesecke f Herausgegeben von Hugo Kuhn Nr. 52 Poytislier aus dem Buch der Abenteuer von Ulrich Fuetrer Herausgegeben von Friederike Weber MAX NIEMEYEß VERLAG / TÜBINGEN 1960 Alle Hechte, auch das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Copyright by Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1960 Printed in Germany Satz und Druck: Buchdruckerei H.Laupp je, Tübingen Einleitung Über das Leben Ulrich Fuetrers wissen wir nur sehr wenig. Er wurde wahrscheinlich in den 20er Jahren des 15. Jahrhun- derts in Landshut geboren. Obwohl sein Vater im Jahre 1410 bei einem geplanten Bürgeraufstand gegen Herzog Heinrich «etliche tausend gülden», also eine recht beträchtliche Summe Geld verloren hatte, scheint die Familie auch späterhin noch in Wohlstand und Ansehen gelebt zu haben. In seiner Vaterstadt hat Fuetrer die Lateinschule besucht, unsicher jedoch bleibt, ob er - wie teilweise angenommen wird - Schüler des bekannten Malers Dietrich Zeiler geworden ist. Sicher wissen wir, daß er schon in jungen Jahren nach München zog und sich dort im Jahre 1482 das Haus Residenz- straße 15 (dortmals noch Schwabinger Gasse) erwarb. Im Jahre 1500 ist für dieses Haus im Grundbuch der Stadt bereits ein anderer Name eingetragen, auch die Steuerbücher nennen sei- nen Namen 1496 zum letzten Mal, so daß wir seinen Tod in der Zeit zwischen 1496 und 1500 ansetzen müssen. In München hat sich Fuetrer sehr bald eine angesehene Stel- lung errungen. So hatte er in der Zunft der Maler verschiedent- lich Ehrenämter inne, auch die Beziehungen zum bayerischen Herzogshof waren eng. Dies geht hervor aus dem erhaltenen Ausgabenbuch des herzoglichen Kammerschreibers Matthias Prätzl der Jahre 1467-1468 (cgm 2222), in dem sich u.a. fol- gender Eintrag findet: Item Ausgaben: Virich, Maller, als er etlich frauen geladen het, da Herzog Sigmund von Oesterreich etc., hie was, darumb sywein hätten getruncken an sunbent abent. Summa 1 gülden.1 1 Carlson, a.a.O. S. 163. VI Die Ausgaben wurden also vom herzoglichen Hof Fuetrer wie- der vergütet. Auch das Buch der Abenteuer ist in einem Akrostichon dem Bayernherzog gewidmet und auf seine Veranlassung hin ent- standen. Die erste nachweisbare Arbeit Fuetrers als Maler ist ein Fresco für den Abt von Tegernsee. Erhalten ist ein Kreuzigungsgemälde aus dem Jahre 1457 (heute in der Bayerischen Staatsgemälde- sammlung). Als Dichter und Geschichtsschreiber war Fuetrer äußerst pro- duktiv. Wir besitzen von ihm neben dem ca. 41500 Verse um- fassenden Buch der Abenteuer einen kaum weniger umfangrei- chen poetischen Lantzilet (er umfaßt 39000 Verse in der Titurel- strophe) und einen zeitlich vor dieser Dichtung liegenden Prosa- lantzilet, ferner hinterließ er die in den Jahren 1478-81 entstan- dene Bayerische Chronik. Bedeutsam ist vor allem Fuetrers enge Verbindung zu dem literarischen Kreis, der sich um den feinsinnigen Bayernherzog Albrecht gebildet hatte und der, nach rückwärts gerichtet, ver- suchte, eine längst der Vergangenheit angehörende Kultur noch einmal zum Leben zu erwecken. In diesen Kreis gehören vor allem Fuetrers Lehrer und Freund Püterich von Reichertshau- sen, aus dessen Ehrenbrief an die Erzherzogin Mechthild wir wohl auch für Fuetrer eine Verbindung mit diesem Kreis schlie- ßen dürfen, der Arzt und Übersetzer Johannes Hartheb und Andre Isenlochner. Fuetrer gehörte mit ihnen zu dem Kreis der Bewunderer Wolf- rams von Eschenbach. Sein entscheidender Gewährsmann je- doch war der Nachahmer Wolframs, Albrecht von Scharfen- berg1. Wenn die Hypothesen Probsts8 sich als richtig erweisen sollten, hätten wir im Poytislier und Flordimar sogar Überar- beitungen uns verlorengegangener Werke Albrechts vor uns. 1 Vgl. die Untersuchungen über Albrecht von Scharfenberg von W. Wolf: Wer war der Dichter des Jüngeren Titurel ? ZfdA 84, S. 309ff. a F. Probst: Die Quellen des Poitislier und Flordimar a.a.O. VII Hierin und nicht in dem absoluten Wert seiner Dichtkunst liegt Fuetrers eigentliche Bedeutung, die mich auch veranlaßte, die noch ungedruckten und damit der literarischen Forschung noch unzugänglichen Teile des Buchs der Abenteuer herauszugeben. (Die Edition des Flordimar sowie eine nähere Untersuchung über den Stil Fuetrers und seine literarische Stellung hoffe ich in Kürze vorlegen zu können.) Bis heute unsicher ist auch die Schreibung des Dichternamens selbst. Für keine der beiden Schreibungen: „Füetrer" und „Fuetrer", läßt sich aus den HSS ein sicherer Nachweis führen. Von der Umlautfeindlichkeit der bair. Mda. ausgehend, habe ich mich entschlossen, der Schreibung „Fuetrer" den Vorzug zu geben. Das Buch der Abenteuer, eine Sammlung von Rittergeschich- ten aus dem Artussagenkreis, ist in seinen Hauptteilen in den Jahren 1473-78 entstanden und enthält (nach cgm 1) folgende Teile: 1. Buch 1 va- 3 va Von Titurison und den Pflegern des Grals bis Anfortas 3 va- 16 vb Vom trojanischen Krieg, vom Argonautenzug und von der Fahrt des Aeneas 17 ra - 23 vb Von Merlin 23 vb- 24 rb Von Gaudin, Galoes und Gamareth 24 va- 25 va Awentewr wie Gamareth zu Consoleis kam vnd wie im da gelanng. 25 va- 35 rb Von Tschionatulander und Sigune 35 rb- 64 va Von Parzival und Gawein 64 va- 74 vb Von Lohengrin und von Parzivals Gralskönig- tum 2. Buch 75 ra- 83 ra Von Floreis und Wigalois 83 rb- 97 ra Von Seifrid de Ardemont VIII 97 ra -104 rb Von Meieranz 104 rb-112 va Von Iwein 112 va-127 va Von Persibein 127 va-138 vb Von Poytislier 139 va-149 ra Von Flordimar 149 rb-150 rb leer 150 va-348 vb Lanzelot Der Poytislier ist, wie das Buch der Abenteuer insgesamt, in der Titurelstrophe verfaßt, wobei Fuetrer schon teilweise zur reinen Silbenzählung übergeht und damit auf eine Überein- stimmung von Wortakzent und Versakzent verzichtet. Handschriften Der Poytislier ist überliefert in den Handschriften: A München cgm 1, Bl. 127 va-138 vb, einer ungewöhnlich schönen Pergamenthandschrift aus dem Ende des 15. Jahr- hunderts, Großfolio, 438 Bll., 2 spaltig beschrieben mit abwech- selnd blauen und roten Initialen1. B Wien Nr. 3037,3038 (MS Ambras 426), Bl. 204r-218 v, einer ebenfalls sehr schönen Papierhandschrift, Ende des 15. Jahrhun- derts, 516 Bll., ebenfalls Großfolio, in 2 Bänden gebunden2. E Donaueschingen Nr. 140, Bl. 1-32 va, einer Papierhand- schrift, Ende des 15. Jahrhunderts, 66 Bll., Kleinfolio. Zu den Handschriftenverhältnissen läßt sich nach der Edition des Poytislier folgendes sagen: In der Ausgabe des Merlin und Seifrid de Ardemont, die wohl in A und B, nicht aber in E überliefert sind, da E aus dem Buch der Abenteuer nur Flordimar und Poytislier enthält, kam Friedrich Panzer zu dem Ergebnis, daß B eine direkte Abschrift von A darstellt. Wenn 1 Nähere Beschreibung, siehe E. Petzet: Die deutschen Pergament- handschriften der Staatsbibliothek in München, München 1920, Bd 1, S. 1 ff. 2 Nähere Beschreibung, siehe F. Panzer a. a. O. S. VII. IX man von der unwahrscheinlichen Möglichkeit absieht, daß der Poytislier in A und B eine andere Textgeschichte haben könnte als Merlin und Seifrid de Ardemont, so müßte auch Poytis- lier B eine Abschrift von A sein. Diesem Handschriftenver- hältnis fügen sich jedoch einige Erscheinungen nicht ein: B hat mitten im Text eine nach Inhalt, Strophenbau und Stil sich völlig einordnende und daher, was mit Sicherheit an- zunehmen ist, vom Dichter selbst stammende Zusatzstrophe, die A nicht aufweist, wohl aber E. Selbst wenn man diese Stro- phe als eine im Stil Fuetrers gelungene Zutat von B betrachtet, so widerspricht dem die Stellung E, die eine Anzahl mir wesentlich erscheinender Varianten mit A gemeinsam hat, da- neben aber eine noch größere Anzahl von Varianten mit B, also weder eine direkte Abschrift von A noch von B sein kann, jedoch B nähersteht als A. Eine weitere Erscheinung scheint mir noch gegen die Annahme einer Abschrift von A zu sprechen: A weist eine Anzahl Korrekturen auf, die deutlich teils von der Hand des Schreibers, teils von einer anderen Hand vorgenommen wurden. Die Korrekturen von der Hand des Schreibers sind in B oder E oder in beiden Handschriften übernommen, die Korrekturen zweiter Hand jedoch erscheinen weder in B noch in E. Wäre also B wirklich eine Abschrift von A, so müßte diese Abschrift vor der Zweitkorrektur vorgenommen worden sein. Dieser Theorie aber widerspricht wiederum die Qualität dieser Varian- ten. In nahezu allen diesen Fällen scheinen B und E - meist in Ubereinstimmung - den wesentlich besseren Text dar- zustellen. Der oft angenommenen Theorie, daß es sich bei diesen Verbesserungen in A vielleicht um Korrekturen von der Hand des Dichters selbst handelt, möchte ich mich daher nicht an- schließen. Nach diesen Darlegungen ergäbe sich folgender Stammbaum: X • / \ A X / \ B E Die Ausgabe des Poytislier gibt den Wortlaut von A buch- stabengetreu wieder; wo andere HSS bessere Varianten bringen oder Konjekturen angebracht erschienen, wurde A in den kriti- schen Apparat verwiesen. Rein orthographische und für Reim und Metrik bedeutungslose Abweichungen sind, außer bei Personen- und Ländernamen, um die Laa nicht zu überlasten, in den kriti- schen Apparat nicht aufgenommen. Abbreviaturen wurden in allen Fällen aufgelöst. Die Zeichensetzung folgt, zur Erleichterung der Textverständlichkeit, den Regeln der nhd. Sprache. Wo metri causa Swarabhakti erforderlich waren, sind sie dem Text einge- fügt. Aus demselben Grund wurden apokopierte oder synkopierte Formen, soweit sie A bereits aufweist, übernommen; soweit sie sich nur aus dem Metrum ergeben, zur Erhaltung des natürlichen Schriftbildes nur mit einem Punkt unter dem betreffenden Vokal gekennzeichnet. Das Zeichen für den Umlaut, das nach oben geöffnete Dreieck, ist in nhd. Schreibung wiedergegeben, das Zeichen für den nicht umgelauteten Diphthong jedoch, ein nach oben geöffneter Halbkreis, um der Eigenart der bairischen Mda. gerecht zu werden, beibehalten. Inhalt Der Poytislier beginnt mit einer Huldigung an Herzog Al- brecht IV., dem das ganze Buch der Abenteuer gewidmet ist. 1. Hie vaht an die Ritterlich abentewr vnd schön history von dem Ritter Poytislier aus Inndia geboren. (Str. 1) Bermund, der mächtige König von Inndia, ist noch immer unvermählt. Seine Untertanen fürchten, er könne ohne Erben