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Politische und culturhistorische Aufsätze PDF

509 Pages·1861·14.487 MB·German
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Gesammelte Werke von Jakob Philipp Fallmerayer herausgegeben von Georg Martin Thomas. Zweiter Band. Politische und culturhistorische Aufsätze. Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1861. Politische und Culturhistorische Auffähe von Jakob Philipp fallmerayer. ! Türkei. Russland. Zur orientalischen Frage. Zur europäischen Politik. Deutschland. Lebensbilder. Zur Culturgeschichte. Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1861. Vl9143/370 Bayerische Staatsbibliothek MUNCHEN DerHerausgeber und derVerlegerbehalten sichdas Recht einer englischenund französischenUeberseßung vor. Inhalt. Seite Türkei . 1-40 Blick auf die untern Donauländer (1839.) · 3 Zum Verständniß der neuen Unruhen in Kurdistan (1842.) 19 Die Renegatenfrage und ihre nächsten Folgen (1844.) • 30 Rukland · • 41-85 Libanon und der Czarenbesuch im Vatican (1846.) · • 43 Vom andern Ufer (1850.). 59 Zur orientalischen Frage . 87-154 ✓Czar, Byzanz und Occident (1850.) 89 Deutschland und die orientalische Frage (1855.) I. • . 110 II. . 129 155-222 Zur europäischen Politik Die deutschen Publicisten und die europäische Pentarchie (1840.) 157 Die Lage (1852.) 180 Gegenwart und Zukunft I. (1852.) • · 195 II. (1855.) · 212 Deutschland 223- -346 Aus Berlin (1844.) 225 Von der Eisak (1845.) 235 VI Inhalt. Seite Klagen eines frommenTirolers über denhäufigen Fremden besuch, über L. Steub's „Drei Sommer in Tirol“ und über das neue Waldgesetz (1846.) • 244 Aus Frankfurt (1848.) I. • · 255 II. · 258 III. · 260 Schattenrisse aus der Paulskirche (1848.) . 266 Deutschland und Schleswig-Holstein (1850.) • • 291 ✓Aus München (1851.) . • 297 DieSchlacht von Kulm. Oder vierTage aus demLeben des Grafen Ostermann-Tolstoï (1852.) . • 304 Lebensbilder 347-416 Ludwig Simon: Aus dem Exil (1856.) • 349 Graf Ostermann-Tolstoï (1856.) • • 359 NachrufanJoſephFreiherrn vonHammer-Purgstall(1856.) 379 Noch einmal Hammer-Burgstall und der Nekrolog (1857.) 398 Gottlieb Lukas Friedrich Tafel (1860.) . 409 Zur Culturgeschichte · 417-503 Olympia (1852.) • 419 Das geographische Element im Welthandel mit besonderer Rücksicht auf die Donau (1843.) . • 441 Die alten und die modernen Räter (1844.) · 450 Klima und Pflanzenwelt in der Zeit (1847.) . 462 Das Wildbad (1856.) . 482 Ueber die Erbauung einer Eisenbahn von Belgrad nach Salonik (1861.) . • 491 1 Türkei. 3 FallmerayerWerke. II. 1 Bayerische Staatsbibliothek MUNCHEN Blick auf die untern Donauländer. (1839.) Wenn die Zeichen der Zeit nicht alle trügen, gehört die nächſte Zukunft in Europa und Aſien den Slaven an; nicht etwa in dem Sinne, daß die Völker dieser Erdtheile auf einmal Knechte einer fünften Weltmonarchie und die freien Länder ger manischer und latinischer Zunge willenlose Satrapien des auf steigendenReiches Moskovien würden. Seitdem man inEurova durch gemeinsame Kraft das Joch fremder Herrschaft zerbrochen hat, ist einerseits die Liebe und das Bedürfniß vaterländischer Freiheit so tief und so unaustilgbar in die Herzen der Völker eingedrungen, andererseits aber auch bei den Fürsten Sinn für Gerechtigkeit und Achtung fremden Gutes in einem solchen Grade erstarkt, daß mit der Macht auch der Wille, die Ordnung des Welttheils zu stören, aufvieleMenschenalter verschwunden ſcheint. Allein bewegungslose Ruhe mit einem Fortleben isolirter Glück seligkeit liegt weder in der Natur des europäischen Staaten bundes noch der menschlichen Dinge überhaupt; auch ist eine thatsächlich und zu jeder Zeit standhaft eingehaltene Gleichheit unter Individuen, wie unter Völkern, eine anerkannte Unmög lichkeit. Deswegen gab es, so weit die Kunde rückwärts reicht, in jeder Weltperiode einen Centrallebenspunct, sei es Idee oder 1* 4 Türkei. materielleMacht, umwelche- als sichtbarenRepräsentanten einer bald strafenden, bald mit väterlicherHand lenkenden Providenz freiwillig oder nothwendig sich alles öffentliche Wirken bewegt. Nicht dieMenschen selbst in ihrerWeisheit, sondern eine höhere Ordnung, eine unsichtbare Macht theilt die Rollen aus und es · liegt auch nicht in der Willkür der Nationen, einer durch pro videntielle Verfügung auferlegten Bestimmung zu entfliehen, scilicet estaliud, quod nos cogatque regatque majus, etin proprias ducat mortalia leges. Mehr als siebenzig Millionen Menschen slavischen Blutes wohnen im ruſſiſchen Reiche, in Preußen, Sachsen, Desterreich und in der Türkei - Jahrhunderte lang zerstreute Glieder, aber heute durch den Glanz des vornehmsten und begabtesten Zweiges zum Bewußtsein gemeinsamen Lebens erwacht, — während das Abendland sichtbar ermüdet und mit seinen eigenen Elementen im Kampf, mehr als je einer compacten Gegenkraft bedarf, um Zerfall und allgemeine Verflüchtigung der Geister zu hemmen. Kraft und Gegenkraft war von jeher das Gesetz für alles poli tische Leben, und der Unterschied zwischen heute und ehemals beruht in derWeltgeschichte großentheils aufUmfang und Maſſe der in den Kreis der beiden rivalisirenden Weltkräfte hineinge zogenen Länder und Nationen. Im Mittelalter, nach völligerZertrümmerung der altenWelt und nach vergeblichem Ringen eines großen Genius das abend ländische Chaos zu ordnen, war es eine Zeit lang zweifelhaft, ob der Wiederaufbau der Staatsgesellschaft und die Grundlage der neuen Weltordnung von dem Volke der Slaven oder der Germanen ausgehen sollte. In rascherem Schwunge alsselbstin Deutschland hatte die beſeligende Doctrin des Christenthums in der weiten Region zwischen Nowgorod und Kiew die Keime neuen * Mantica)Ka TheLBeCNbEens eZnOStTAfVLaJAlBOtDet. Was manheute Rußland nennt, war im eilften Blick auf die untern Donauländer. 5 Jahrhundert voll romantiſchen Sinnes, voll republikaniſcher Ein richtungen, ritterlicher Sitten, Induſtrie, Handel, Reichthum und Gelehrsamkeit. Kiewwar einzweites Konstantinopel, mitſchönen Bauten, mit Schulen und Bibliotheken. Man lehrte dort Grie chisch und Lateiniſch, goß inMetall, stickte und malte beſſer als im Occident. Man hielt Annalen und Kirchenbücher, ſchrieb den slavischen Dialekt mit Reinheit und nicht ohne guten Ge schmack, besonders in der Dichtkunst, von deren zahlreichen Er zeugniſſen nur Igors Epos, das ſlavische Lied der Nibelungen, trog fünfhundertjähriger Drangſale, bis auf dieſe Zeiten herab gekommen ist. Die großen Handelsstraßen gingen damals durch die Landschaft der Ruſſen und führten Gold, Kunſtſinn und Fremde aller Zungen nach Smolensk, Kiew und Nowgorod. Freibürger in Städten, und sogar freie Ackersleute lebten bei den Slaven zwischen dem eilsten und dreizehnten Jahrhundert, während das Abendland fast nur Leibeigene hatte. Selbst die Gerechtigkeitspflege war in jenem Lande weniger abergläubiſch und voll von Vernunft und Billigkeit im Handelsverkehr zwi schen Fremden und Einheimischen. Auchkörperliche Strafen wur den bei dem alten freien Slavenvolke nicht geduldet, Verbrechen gegen die gesellschaftliche Ordnung mit Gold, Freiheit oder Leben gesühnt*). Byzantinische Scribenten rühmen an den slavischen Völker schaften neben der Liebe für Unabhängigkeit und Selbstregiment noch insbesondere ihr gastliches und lebensfrohes Wesen, ihr brüderliches Gefühl und ihren muſikaliſchen Sinn. Und wenn andereVölker bei derWahl zwischen einem nationalen oderfrem den Gewalthaber jedesmal denjenigen vorziehen, der ihnen die größereMaſſematerieller Glückseligkeit bietet, wollten dieSlaven *)Karamzin und Stroyefffaffen Alles zusammen.

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