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Politische Teilkulturen zwischen Integration und Polarisierung: Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik PDF

335 Pages·1990·10.629 MB·German
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Detlef Lehnert . Klaus Megerle (Hrsg.) Politische Teilkulturen zwischen Integration und Polarisierung Detlef Lehnert . Klaus Megerle (Hrsg.) Politische Teilkulturen zwischen Integration und Polarisierung Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik Westdeutscher Verlag Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. Alle Rechte vorbehalten © 1990 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlieh ge schützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Ur heberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt; Titelfoto: Wahlplakat der DDP 1924 (Ausschnitt), aus: Politische Plakate der Weimarer Republik 1918-1933, Darmstadt 1980 TEX-Satz: Ute Meister, Jan-Bernd Lohmöller; Reprographien: Elke Kirschbaum ISBN 978-3-531-12167-3 ISBN 978-3-322-94187-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-94187-9 Inhalt Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................................... 6 Einleitung der Herausgeber ............................................................................................. 8 "Nationalkultur" zwischen Einheitlichkeit und Segmentierung. Methodolo gische Anmerkungen zur historischen Erforschung "Politischer Kultur" Hans-Gerd Schumann ..................................................................................................... 19 Politische Kultur als historische Makrovariable. Zur vergleichenden Entwicklungsanalyse geschichtlicher Kontextbindungen Stefan Immerfall ............................................................................................................... 26 Das Fest in einer fragmentierten politischen Kultur: Der österreichische Staatsfeiertag während der Ersten Republik Ernst Hanisch .................................................................................................................... 43 Propaganda des Bürgerkriegs? Politische Feindbilder in der November revolution als mentale Destabilisierung der Weimarer Demokratie Detlef Lehnert .................................................................................................................. 61 "Schwarzweißrot gegen Schwarzrotgold". Identifikation und Abgrenzung parteipolitischer Teilkulturen im Reichstagswahlkampf des Frühjahrs 1924 Elfi BendikatjDetlef Lehnert ..................................................................................... 102 Zur politischen Orientierung von Frauen und Frauenverbänden in der Weimarer Republik Hans-Gerd J aschke ....................................................................................................... 143 Zwischen Expansion und Krise. Das sozialdemokratische Arbeitermilieu Peter LöschejFranz Walter ......................................................................................... 161 Abendland und Sozialismus. zur Kontinuität politisch-kultureller Denkhaltungen im Katholizismus von der Weimarer Republik zur frühen Nachkriegszeit Doris von der Brelie-Lewien ....................................................................................... 188 Element nationaler Integration und politischer Konsensstiftung? Zum Stel lenwert der Außenpolitik für die politische Kultur der Weimarer Republik Klaus Megerle ................................................................................................................ 219 Unterschiedliche politische Kulturen: Der Redneraustausch zwischen französischen und deutschen Pazifisten 1924 Otmar Jung ..................................................................................................................... 250 Die zeitverschobene Wende zur NSDAP. Zur Auswirkung sozialmoralischer Milieus auf die Wahlergebnisse in drei ländlichen hessischen Kreisen Eike HennigjManfred KieserlingjThomas Schlegel-Batton ................................. 293 Die Autorinnen und Autoren des Bandes ................................................................. 335 6 Abkürzungsverzeichnis AA Auswärtiges Amt ADGB Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund AF Action fran~aise MS Archiv für Sozialgeschichte AN Archives nationales AWO Arbeiterwohlfahrt AZ Arbeiter-Zeitung BA Bundesarchiv BDF Bund Deutscher Frauenvereine BdL Bund der Landwirte BDM Bund Deutscher Mädchen BLA Berliner Lokal-Anzeiger BNVbzw.NV Bund Neues Vaterland BT Berliner Tageblatt BVP Bayerische Volkspartei CDH Les Cahiers des Droits de l'Homme CDU Christliche Demokratische Union CSU Christlich Soziale Union CSVD Christlich Sozialer Volksdienst DAZ Deutsche Allgemeine Zeitung DBF Dictionnaire de Biographie Fran~aise DBMOF Dictionnaire Biographique du Mouvement Ouvrier Fran~ais DDP Deutsche Demokratische Partei DFK Deutsches Friedenskartell DGA Generalanzeiger für Dortmund und das gesamte rhei nisch-westfälische Industriegebiet DLfM Deutsche Liga für Menschenrechte DNVP Deutschnationale Volkspartei DPF Dictionnaire des Parlementaires Fran~ais Ds Drucksachen DVFP Deutschvölkische Freiheitspartei DVP Deutsche Volkspartei FLfM Französische Liga für Menschenrechte FW Friedenswarte FZ Frankfurter Zeitung GdA Gewerkschaftsbund der Angestellten GdP Großdeutsche Partei GStAPK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin HJ Hitlerju~end IWK InternatIOnale Wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der Arbeiterbewegung KPDbzw. KP Kommunistische Partei Deutschlands KT Kreistag KVZ Kölnische Volkszeitung KZt Kölnische Zeitung LT Landtag LVoik Landvolk LVZ Leipziger Volkszeitung 7 MBliV Ministerialblatt für die Preußische innere Verwaltung MinDir Ministerialdirektor NFP Neue Freie Presse NL Nachlaß NPZ Neue Preußische (Kreuz-) Zeitun~ NS Nationalsozialistisch, NationalsozIalisten NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei PC Parti Communiste (Frankreich) Pol.Abt. Politische Abteilung PolAAA Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Bonn prLT preußischer Landtag prMdI preußischer Minister des Innern PVS Politische Vierteljahresschrift R.fr.sc.pol. Revue fran~aise de science politique RB Reichsbanner "Schwarz-Rot-Gold" RDH Reichsverband Deutscher Hausfrauenvereine RF Rote Fahne RGBl Reichsgesetzblatt RIM Reichslnnenminister RLHV Reichsverband Landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine RMdi Reichsministerium des Innern RT Reichstag RVZ Rheinische Volkszeitung RWZ Rheinisch-Westfälische zeitung RZ Rheinische Zeitun~ S.J. Societas Jesu (JeSUiten) SA Sturmabteilung SAJ Sozialistische Arbeiterjugend .. SDAP Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Osterreich) SFIO Section Fran~aise de l'Internationale Ouvriere SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands StatDr Statistik des Deutschen Reiches StGBl Staatsgesetzblatt StS Staatssekretär TR Tägliche Rundschau UNC Union Nationale des Combattants uRS und Rückseite USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands VB Völkischer Beobachter Vf.d.M.d.J. Verfügung des Ministeriums des Innern VvVD Vereinigte vaterländische Verbände Deutschlands VWA Verband der weiblichen Handels-und Büroangestellten VZ Vossische Zeitung WaM Welt am Montag WIP Wirtschaftspartei Z Zentrum ZdA Zentralverband der Angestellten Einleitung der Herausgeber In der Perspektive eines "deutschen Sonderwegs", der im Wechselverhältnis einer autoritären Staatsrnacht mit militarisierter Untertanenmentalität letztlich "von Bismarck zu Hitler"1 geführt habe, erscheint die Weimarer Republik lediglich als transitorisches Phänomen: ein in anachronistischen Politikmustern erstarrtes Anhängsel des Kaiserreiches mit fließenden Über gängen in das Aufmarschterrain des nationalsozialistischen Siegeszuges, wobei in der Person des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Kom ponenten der ersatzmonarchistischen Restauration und der späteren Machtübergabe an den neuen "Führer" Adolf Hitler sich symbolträchtig vereint hatten. Eine solche Kontinuitätsthese, sozialhistorisch unterfüttert mit einem interessengeleiteten und in antidemokratischer Hinsicht ideolo gieträchtigen "Bündnis der Eliten"2, entbehrt nicht der analytischen Plausibilität auch im Hinblick auf fortwirkende Mentalitätsstrukturen weiter Bevölkerungskreise.3 Allerdings verleitet die Überakzentuierung einer ungebrochenen Ent wicklungslinie autoritärer Staatstradition und mangelnden Bürgerbewußts eins nicht allein zur Vernachlässigung alternativer Spuren parlamentari scher und demokratischer Neuordnungschancen, vor allem am Ende des Er sten Weltkriegs.4 Darüber hinaus kann die Fixierung auf eine Politische Kultur von Herrschaft und Unterordnung, der eine gesellschaftliche Präge kraft bis in die frühe Bundesrepublik zugeschrieben worden ist5 (und die in der DDR bis 1989 nicht überwunden war), keinesfalls eine differenzierende Betrachtung jener teilweise konträren Wirkungskomponenten ersetzen, die im Ergebnis der Etablierung von "Civic Culture" in Deutschland entgegen- 1 Diesen plakativen Titel verwendet die populäre Darstellung von S. Haffner: Von Bis marck zu Hitler. Ein Rückblick, München 1987; Zur Sonderwegsdebatte vgl. zuletzt die Beiträge in: H. Grebing: Der "deutsche Sonderweg" in Europa 1806-1945: eine Kritik, Stuttgart 1986. 2 So der eine ganze "Schule" der Forschung transportierende Titel der thesenhaft kom primierten Überblicksdarstellung von F. Fischer: Bündnis der Eliten. Zur Kontinuität der Machtstrukturen in Deutschland 1871-1945, Düsseldorf 1979. 3 Zur Geschichte der Weimarer Republik vgl. u.a. E. Kolb: Die Weimarer Republik, München 1984; H. Schulze: Weimar, Berlin 1982; H. A. Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung, Berlin/Bonn 1984; ders.: Der Schein der Normalität, Berlin/Bonn 1985; ders.: Der Weg in die Katastrophe, Berlin/Bonn 1987. 4 Vgl. U. Kluge: Die deutsche Revolution 1918/1919. Staat, Politik und Gesellschaft zwi schen Weltkrieg und Kapp-Putsch, Frankfurt 1985; E. Kolb: Die Arbeiterräte in der deutschen Innenpolitik 1918-1919, Frankfurt u.a. 1978; D. Lehnert: Sozialdemokratie und Novemberrevolution. Die Neuordnungsdebatte 1918/19 in der politischen Publizi stik von SPD und USPD, Frankfurt 1983; S. Miller: Die Bürde der Macht. Die deutsche Sozialdemokratie 1918-1920, Düsseldorf 1978. 5 Vgl. dazu P. Reichei: Politische Kultur der Bundesrepublik, Opladen 1981; M. u. S. Greiffenhagen: Ein schwieriges Vaterland. Zur politischen Kultur Deutschlands, Mün chen 1979. Einleitung 9 standen. Deshalb sind unsere Überlegungen bei der Beschäftigung mit der "Politischen Kultur in der Weimarer Republik" im Rahmen eines 1985 an der Freien Universität Berlin begonnenen Forschungsprojekts von einem konzeptionellen Ansatz ausgegangen, der in Antithese zur Forschungstradi tion, "Nationalkulturen" en bloc vergleichend zu untersuchen, die Fragmen tierung der Politischen Kultur in der ersten deutschen Republik hervor hebt.6 Die Hypothese, um die der Forschungsprojektschwerpunkt gruppiert worden ist, lautet vielmehr zugespitzt: Gerade die in der spezifischen "deutschen Gesellschaftsgeschichte"7 entstandene konfessionelle und terri torialstaatliche, sich später auch in sozio-politischen Teilkulturen manife stierende Heterogenität nährte nach einer Krisendekade von Kriegszerrüt tungen, Revolutionskämpfen und Inflationsdynamik das politisch-kulturelle Paradigma einer erstrebten Homogenität in der Synthese von starker Staatsführung und geeinter Volksgemeinschaft.8 Einer ersten historisch-empirischen Überprüfung ist das Konzept der fragmentierten Teilkulturen in der Studie "Politische Identität und nationale Gedenktage" ausgesetzt worden; aus Stellungnahmen anläßlich des Verfas sungstages (11. August, bezugnehmend auf das Jahr 1919), des Reichs gründungstages (18. Januar 1871) sowie des Revolutionstages (9. November 1918) ließen sich der fehlende Minimalkonsens und die Identifikationspro bleme innerhalb des aufg esplitterten Spektrums politischer Teilkulturen vergleichend erfassen. Die resultierende Topographie des politisch-kul turellen Dissenses bestätigte mit einer Ausnahme die Abgrenzungsprofile von insgesamt neun Gruppierungen:9 Einzig die Gesinnungsliberalen (1) standen zumindest bis 1930 ungebrochen zum Postulat, den Verfassungstag zum alleinigen offiziellen Staatssymbol zu erheben. Die Sozialdemokraten (2) dominierten zwar mit dem vornehmlich von ihnen gestellten Massenauf gebot des "Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold" die Verfassungsfeiern; doch war diesem - vom äußersten linken Flügel bestrittenen - Legitimitätsbe kenntnis zur bestehenden politischen Ordnung die gemeinsamen Identifika- 6 Vgl. D. Lehnert/K. Megerle: Identitäts- und Konsensprobleme in einer fragmentierten Gesellschaft. Zur Politischen Kultur in der Weimarer Republik. In: D. Berg-Schlosser/J. Schissler (Hrsg.): Politische Kultur in Deutschland. Bilanz und Perspektiven, Opladen 1987, S. 80-95. 7 Im Sinne des ambitionierten mehrbändigen Werkes von H.-D. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Erster Band: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur De fensiven Modernisierung der Reformära 1700-1815, München 1987; Zweiter Band: Von der Reformära bis zur industriellen und politischen "Deutschen Doppelrevolution" 1815- 1845/49, München 1987. 8 Vgl. dazu neben der einschlägigen Standardliteratur auch als Vorstudie auf dem Weg zu unserem Forschungsprojekt: K. Megerle (Hrsg.): Warum gerade die Nationalsoziali sten? Mit Beiträgen von J. Bergmann, G. Kotowski, D. Lehnert, K. Megerle und P. Steinbach, Berlin 1983. 9 Vgl. D. Lehnert/K. Megerle (Hrsg.): Politische Identität und nationale Gedenktage. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik, Opladen 1989. -Die Position mittelständi scher Gruppierungen mußte aufg rund unzureichender Quelleninformationen zu den Gedenktagen offenbleiben. 10 LehnertjMegerle tion mit dem Revolutionstag unterlegt, der die uneingelösten sozialen For derungen umschloß. Den Linksintellektuellen (3) waren Verfassungs- wie Revolutionstag vorwiegend Anlaß zur kritischen Beleuchtung von Defiziten der Weimarer Republik. Die Kommunisten (4) verschärften solche Distanz zu einer Abrechnungsrhetorik, auf deren Kontrastfolie das exterritoriale Vorbild der russischen Oktoberrevolution um so strahlender erscheinen mußte. Die Mittelposition des Politischen Katholizismus (5) im Kräftefeld der Republik war dadurch markiert, daß der Verfassungstag akzeptiert und dem Reichsgründungstag die historische Anerkennung nicht versagt wurde. Auf der Rechten fühlten sich die industriellen Eliten (6) trotz phasenweiser An näherung an die herrschende Legalität stärker zu einer positiven Akzentuie rung des Erbes von 1871 hingezogen. Zwischen den Agrarkonservativen (7) und der nationalen Rechten (8) ließen sich in der ausschließlich restaurati ven Orientierung auf den Reichsgedanken dann nur geringe Nuancierungen erkennen. Die Nationalsozialisten (9) schließlich nahmen selbst zum Reichsgründungstag eine ambivalente Haltung ein und erhoben statt dessen ihren eigenen 9. November ("Hitlerputsch" 1923) zum Bewegungsmythos ei nes in Kampfparolen umgemünzten Totenkultes. Die Pilotstudie zu den drei rivalisierenden Offerten eines Nationalfeier tages hat die Fragmentierungsthese der Politischen Kultur von Weimar nachhaltig untermauert. Gleichwohl entspricht es einer wissenschaftstheore tisch reflektierten Herangehensweise, auch eine mit hoher Plausibilität aus gestattete und an einem gewichtigen Forschungsgegenstand erhärtete Hypo these einigen aussagekräftigen Falsifizierungstests auszusetzen. Die in die sem Band veröffentlichten Beiträge lassen sich unter systematischen Ge sichtspunkten drei Kategorien von Fragestellungen zuordnen, die jeweils die Annahme einer politischen Fragmentierung in die erwähnten Teilkulturen auf die Probe stellen: 1. Lagerpolarität statt Teilkulturen?: Das Konzept der politischen Teilkul turen hat für die Weimarer Republik den Ansatz der "sozialmoralischen Milieus" von M. Rainer Lepsius10 - hinsichtlich der relativen Stabilität des deutschen Parteiensystems seit der Reichsgründung - aufgenommen; zugleich sind Parallelen zum Begriffsinhalt des politischen "Lagers" gege ben, den Adam Wandruszka für die österreichische Parteienlandschaft ent faltet hatY Beide Konzepte zeichnen sich durch den Versuch aus, die ihrer seits nicht problematisierte Etablierung interessen- und ideologiegeleiteter Parteigruppierungen aus ihrem historisch-gesellschaftlichen Umfeld zu er- 10 Vgl. M. R. Lepsius: Parteiensystem und Sozialstruktur: zum Problem der Demokratisie rung der deutschen Gesellschaft. In: W. Abel u.a. (Hrsg.): Wirtschaft, Geschichte und Wirtschaftsgeschichte, Stuttgart 1966, S. 371-393. 11 Vgl. A. Wandruszka: Österreichs politische Struktur. Die Entwicklung der Parteien und politischen Bewegungen. In: H. Benedikt (Hrsg.): Geschichte der Republik Österreich, München 1977, S. 289-486. Einleitung 11 klären. Dabei werden aus einem nicht allein auf die Parteiorganisation fi xierten politisch-kulturellen Blickwinkel schon durch die Gegenüberstellung der reichsdeutschen und deutschösterreichischen "Milieus" bzw. "Lager" De fizite des jeweiligen Kategorienschemas ersichtlich. So war die in Österreich als "großdeutsche" Partei greifbare nationale Strömung tatsächlich auch im Deutschen Reich quer zu den traditionellen Scheidelinien zwischen Libe ralen und Konservativen wirksam, indem sie sich vor allem auf die Infra struktur der "nationalen Verbände" (Flotten-und Kolonialvereine, Alldeut scher Verband usw.) stützte und parteipolitisch eine Brücke von den Frei konservativen zu den Nationalliberalen schlug. Ebenso gab es reichsdeut sche Parallelen zu den österreichischen Christlichsozialen mit ihrer antise mitischen Mittelstandsagitation im städtischen Bereich. Umgekehrt fanden sich agrarkonservativ-ständische Kräfte wie in Preußen auch in Österreich, die dort trotz katholischer Konfession nicht einfach mit dem moderni stischen Populismus der Wiener Christlichsozialen in der Lueger-Periode gleichzusetzen sind. Auch eine liberale Teilkultur, konkret faßbar in der einflußreichen Hauptstadtpresse und etlichen Gewerbevereinen und Han delskammern, kann in Österreich nicht deshalb kategorial aus der Lagerbil dung herausfallen, weil entsprechende handlungsfähige Parteien anders als im Deutschen Reich nicht auftraten. Mit dem Konzept der politischen Teil kulturen läßt sich demnach der Ertrag des "Milieu"- und "Lager"-Ansatzes von Lepsius und Wandruszka auf korrespondierende Analyseeinheiten hin abgleichen, wobei abgesehen von unterschiedlichen Kräfteverhältnissen der Segmente einzig die Sonderstellung des reichsdeutschen Minderheitskatho lizismus als eigene Subkultur verbleibtP Eine wirkliche Alternative zur Differenzierung in politische Teilkulturen, die durchaus als milieugebundene Orientierungslager verstanden werden können, wäre erst mit dem Nachweis einer tendenziellen Bipolarisierung statt multifrontaler Segmentierung formuliert. Was in verschiedenen Epo chen und von gegensätzlichen Standpunkten aus die "zwei feindlichen Heerlager" der Klassenspaltung (Erfurter Programm der SPD 1891), die Bekämpfung der "Reichsfeinde" durch die "Reichsfreunde" (Bismarck-Ära) oder die Formierung entlang der Scheidelinie "Volksblock" contra "Reichsblock" (zweiter Präsidentenwahlgang 1925) genannt worden ist, ent spricht einer solchen dichotomischen Sichtweise der politischen Kräfte in jeweils antagonistischen Bündnisstrukturen. Die Fallstudie von Ernst Hanisch zu den österreichischen Republikfeiern (bezugnehmend auf den 12. November 1918) in diesem Band gibt Anhaltspunkte dafür, daß sich -nicht zuletzt durch den Rückzug aus der gebrochenen Staatsidentität auf die enorm mitgliederstarken Milieuorganisationen - anders oder zumindest stärker als in der Weimarer Republik die Konzentration der politisch-kul- 12 Zu dieser Thematik in vergleichender Perspektive ist instruktiv K.-E. Lönne: Politischer Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt 1986.

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