ßernd SteHensen Politische Steuerung im Arbeitsschutz Bernd Steifensen Politische Steuerung im Arbeitsschutz Einsatzbedingungen der Lasertechnik in der industriellen Materialbearbeitung Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Helmut Willke Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Dre Deutscne Bibliothek-CIP-Einheitsoufnahme Steffensen, Bernd: Politische Steuerung im Arbeitsschutz : Einsatzbedir1gungen der Lasertechnik in der industriellen Materialbearbeitung / ßernd Steffensen. Mit einem Geleitw. von Helmut Willke. (DUV : Sozialwissenschaft) Zug I.: ßielefeld, Univ, Diss., 1996 ISBN 978-3-8244-4256-0 ISBN 978-3-663-08863-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-08863-9 Alle Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden 1997 Ursprünglich erschienen bei Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden, 1997 Lektorat: Monika Mülhausen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzu lässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielföltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. http://www.duv.de Gedruckt auf säurefreiem Papier ISBN 978-3-8244-4256-0 Geleitwort Auf den ersten Blick mag es überraschen, sich mit Steuerungsproblemen im Bereich Arbeitsschutz zu befassen. Angesichts abnehmender Unfallzahlen bei einem gleichzei tigen Anstieg der Zahl der Erwerbspersonen in der Bundesrepublik stellt der Arbeits schutz seit den umfangliehen Reformen in der ersten Hälfte der siebziger Jahre einen Bereich dar, in dem politische Maßnahmen zu langfristigen Erfolgen geführt haben. Auch unter Arbeitsschutzexperten gelten die nach wie vor feststellbaren (tödlichen) Unfälle als kaum weiter reduzierbar. Aber auch die Mehlstauballergien von Bäckern oder die Hautprobleme von Friseuren können sich neben den mit deutlich mehr Auf merksamkeit durch die Medien lancierten Umweltschutzproblemen gegenwärtig kaum behaupten. Gerade fur den Bereich der Hochtechnologien, wie etwa fur die in der vor liegenden Arbeit betrachteten Lasertechnologie, gilt zudem, daß sie als besonders sau ber und als nicht mit gravierenden Gefahrdungen verbunden beurteilt wird. Die nur geringen Unfallzahlen sprechen fur diese Einschätzung. Interessant werden Arbeitsschutz und Lasertechnik aus steuerungstheoretischer Per spektive allerdings aus zwei Gründen: Erstens aufgrund der politischen Intention, die weitere Verbreitung der Lasertechnik aus Wettbewerbsgesichtspunkten auch über eine verbesserte Arbeitssicherheit zu fördern. Zweitens zeichnet sich die Lasertechnik im Einsatzbereich der industriellen Materialbearbeitung grundsätzlich durch eine Kombi nation von Unfallgefahrdungen und sinnlich kaum wahrnehmbaren Emissionsgefahr dungen aus. Erstere wurden von den Arbeitsschutzakteuren offensichtlich weitgehend ausgeräumt; dies zeigt die niedrige Zahl an Unfällen, die mit dem Lasereinsatz ver bunden sind. Daneben bleibt der Problembereich der Emissionsgefahrdungen weitge hend unbeachtet. Der Eindruck, daß beim Einsatz der Lasertechnik in der Materialbe arbeitung "nichts passiert", fuhrt deshalb in den Betrieben aber auch bei den außerbe trieblichen Arbeitsschützern vielfach zu non decisions. Die nur geringe Aufgeregtheit in der Arbeitsschutzpolitik gibt damit den Blick auf die normale Operationsweise des Regimes des deutschen Arbeitsschutzes frei, das sich durch ein hohes Maß an verhandlicher Einflußnahme und durch korporatistische Ver netzungen auszeichnet. Hieraus folgt, daß sich das Arbeitsschutzproblem Lasersicher heitnicht als ein allein betriebliches Problem untersuchen läßt. In den Mittelpunkt rük ken vielmehr die Interaktionsbeziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren im Arbeitsschutz. Damit kommen neben den betrieblichen Arbeitsschützern auch die Vertreter von Gewerbeaufsichtsämtern und Berufsgenossenschaften, von Landes- und Bundesministerien sowie von Verbänden in den Blick. Dieser umfassende Zugriff kann verdeutlichen, daß Arbeitsschutzpolitik sich nicht auf das Erlassen von Vor schriften beschränken kann. Um - wie beim Beispiel der Lasertechnik - mit wissen schaftlichen Ergebnissen auch auf der betrieblichen Ebene Veränderungen der Ein- V Satzbedingungen zu bewirken, muß das gesamte Netz der Akteure bewegt und beein flußt werden. Im vorliegenden Band verbindet Bernd Steffensen in beeindruckender Weise eine de taillierte empirische Beschreibung der Problematik des Arbeitsschutzes im Feld der Lasertechnik mit konzeptionellen Überlegungen zur Arbeitsschutzpolitik und deren möglichen Lehren fiir eine soziologisch informierte Steuerungstheorie. Dies macht das Buch fiir Praktiker ebenso interessant und anregend wie für steuerungstheoretisch In teressierte. Helmut Willke VI Vorwort Der betriebliche Arbeitsschutz gehört sicherlich zu den politischen Themen, die eher am unteren Ende der gesellschaftlichen Relevanzskala rangieren. Neben den Großpro blemen Arbeitslosigkeit, mangelndes Wirtschaftswachstum, als unzureichend beur teilter technologischer Fortschritt oder Umweltschutz scheint ein defizitärer Arbeits schutz doch eher unbedeutend. Als Uwe Borebers und ich Anfang 1992 begannen, uns am ASIF-Institut in Bielefeld mit dem Thema Anwendungsbedingungen der Laser technik und Lasersicherheit zu befassen, erwarteten wir in der Empirie in bezug auf die im folgenden behandelten Steuerungsmöglichkeiten im Arbeitsschutz keine Probleme. Diesbezüglich sind wir etwas blauäugig an das Thema herangegangen. Wir nahmen an, daß es zwischen den Formen des Lasereinsatzes einerseits und den Strategien der Be triebe, mit denen diese die bestehenden Sicherheitsprobleme bewältigen, andererseits einen engen Zusammenhang gibt. Das in der Literatur als "Arbeitsschutzsystem" be zeichnete institutionelle Gefiige aus Regelungen, Aufsichtsinstanzen und Verbänden schien uns ein ausreichender Transmissionsriemen zu sein, um Lasersicherheit in den Betrieben zu ermöglichen. Schon der erste soziologische Blick in die betriebliche Wirklichkeit belehrte uns eines besseren. Das Projekt wurde ab Oktober 1992 an der Akademie fiir Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg fortgesetzt. Im neu formierten Projektteam, dem nun statt Uwe Borebers Monika Kettlerund Jochen Barthel angehörten, fiihrten wir die empirischen Untersuchungen fort. Dabei wurden wir immer wieder mit dem Befund konfrontiert, daß das Regime des deutschen Arbeitsschutzes, zumindest was die Lasertechnik an geht, kaum Auswirkungen auf die Einsatzformen dieser neuen Technik hat. Ein Ziel unseres Projektes bestand darin, aus den betrieblichen Nutzungsbedingungen der La sertechnik Hinweise abzuleiten, in welchen Bereichen ein dringlicher Handlungsbedarf besteht, um mit technischen Normen die Lasersicherheit zu erhöhen. Da die Projektar beit jedoch zeigte, daß technische Normen, gesetzliche Regelungen oder auch Auf sichtsbehörden im betrieblichen Alltag kaum von Bedeutung sind, schälte sich nach und nach die Fragestellung der vorliegenden Dissertation heraus: Wie ist Steuerung im Arbeitsschutz überhaupt möglich, und welche Grenzen sind hierbei gegeben? Um diesen Fragen nachzugehen, waren theoretische Überlegungen und empirische Er gebnisse aufeinander zu beziehen. Eine systemtheoretische Zugangsweise erwies sich hierbei als fruchtbar. Die Entscheidung fiir diese Theorierichtung war nicht zuletzt durch eine gewisse "Verärgerung" darüber inspiriert, daß sich die Vertreter dieser Denkrichtung bislang kaum darum bemüht haben, die abstrakten theoretischen Überle gungen einmal konsequent auf ein einzelnes empirisches Beispiel zu beziehen. Die in den bislang vorliegenden Arbeiten zur Illustration der theoretischen Ausruhrungen ge- VII wählten Beispiele sind episodenhaft, vielfach plausibel, erscheinen aber zumeist auch eher trivial. Es stellte sich mir deshalb die Frage, was man soziologisch gewinnen kann, wenn man mit einer systemtheoretisch ausgerichteten Steuerungstheorie einmal einen einzelnen empirischen Sachverhalt von vorne bis hinten angeht. Was findet sich tatsächlich von jener wechselseitigen Undurchdringbarkeit, mit der in der Literatur verdeutlicht wird, daß direkte Steuerungsversuche scheitern müssen? Was sieht man bei der Betrachtung der beteiligten und damit handlungsfähigen Akteure, denen Kommunikationen ( Steue rungsversuche oder -blockaden) zugerechnet werden? Mit einer Vielzahl jener Akteure habe ich in den Jahren 1992-1995 Expertengesprä che geführt. Es handelte sich um Vertreter von Betrieben, die die Lasertechnik in einzelnen Abschnitten der Produktion einsetzen oder Laseranlagen herstellen, um Mitarbeiter von Gewerbeaufsichtsämtern, Landes- sowie Bundesministerien, von Normungsverbänden, Berufsgenossenschaften und Laserforschungszentren. Ihnen sei herzlich für die Bereitschaft gedankt, sich ausführlich und zum Teil mehrmals über ihre Einschätzung der Gefährdungen eines betrieblichen Lasereinsatzes befragen zu lassen. Der gleiche Dank gilt den Teilnehmern von zwei Workshops, die im Sommer 1993 und im Herbst 1994 an der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden Württemberg durchgeführt wurden. Der engagierten und zum Teil kontroversen Diskussion sind eine ganze Reihe der vorgestellten Einsichten geschuldet. Weiterhin bin ich Jochen Barthel zu Dank verpflichtet, mit dem ich die Ergebnisse des eigentlichen Projektes wie auch die von mir hieraus abgeleiteten Defizite des Arbeitsschutzsystems unzählige Male diskutiert habe. Danken möchte ich auch Hans Joachim Braczyk, der mir in der Schlußphase der Arbeit genügend Freiraum gelas sen hat, damit ich das "kleine Privatprojekt" 1996 endgültig abschließen konnte. Daneben sind Petra Hiller und Helmut Willke zu nennen, die die vorliegende Arbeit unbürokratisch betreuten, sowie Elke Ristok und Michael ~opf, die das Manuskript durchgesehen haben und eine Vielzahl orthographischer Fehler ausräumten. Ein besonderer Dank gilt Bettina, Jacob und Jasper, die zumeist akzeptiert haben, wenn ich später als andere Ehemänner und Väter nach Hause kam bzw. einen Teil des Abends, Wochenendes oder Urlaubsam Computer verbrachte. Widmen möchte ich diese Arbeit meinen Eltern, die inzwischen eingesehen haben, daß man nicht nur als Beamter, sondern auch als Soziologe Geld verdienen kann. Bernd Steffensen VIII Inhalt Abbildungsverzeichnis ................................................................................................ XI 1 Einleitung ...................................................................................................... . 1.1 Fragestellung ............................................................................................ 4 1.2 Methodisches Vorgehen und Anlage der Untersuchung ...................... 7 1.3 Aufbau der Arbeit ..................... ....... .... .................................................... 10 2 Lasertechnik und Lasersicherheit ...................................................... 13 2.1 Lasertechnik-Grundlagen und Einsatzfelder ..................................... 14 2.2 Der Lasereinsatz in der industriellen Materialbearbeitung ................ 17 2.3 Was ist Lasersicherheit? -begriffliche Bestimmungen ........................ 22 2.4 "Da passiert ja nichts!"-Lasersicherheit aus der Sicht der betrieblichen und außerbetrieblichen Akteure .............................. 26 3 Der Stand der Forschung ....................................................................... 39 3.1 Sozialwissenschaftliche Arbeiten zum Lasereinsatz und zur Lasersicherheit ......................................................................................... 40 3.2 Der Arbeitsschutz und seine Instanzen .................................................. 44 3.2.1 Arbeitssicherheit als Problem des Alltagshandeins von Arbeitsschutzexperten .............................................................. 46 3.2.2 Die Aufrechterhaltung von Arbeitssicherheit durch Verwaltungshandeln ....... ........................ ......................................... 49 3.3 Die technische Normung .......................................................................... 53 3.3.1 Die Normung als Aufgabe von Verbänden ..................................... 53 3.3.2 Die Funktion der technischen Normung.......................................... 56 4 Arbeitsschutzpolitik-theoretischeÜberlegungen und empirische Befunde ......................................................................... 61 4.1 Gesellschaftstheoretische Prämissen ...................................................... 63 IX 4.2 Steuerungstheoretische Implikationen ................................................... 67 4.2.1 Von der hierarchischen Steuerung zur Steuerung in einer polyzentrischen Gesellschaft .............................................. 75 4.2.2 Regulative Politik am Ende? ............................................................ 85 4.3 Theoretische Ansatzpunkte für aufgeklärte Steuerungs- versuche ...................................... ............................................................... 89 4.3.1 Teilsysteme und Organisationen...................................................... 91 4.3.2 Steuerung durch Erzeugung struktureller Kopplungen .................... 98 4.4 Steuerung im Arbeitsschutz .................................................................... 108 4.4.1 Die Steuerung von Wirtschaftsakteuren durch Rechtsvorschriften ........................................................................... 113 4.4.2 Der Vollzug politischer Programme durch die Verwaltung ............ 120 4.4.3 Die Kontrolle der Betriebe: Gewerbeaufsicht ................................. 125 4.4.4 Die Formulierung der Programme: politische Akteure und Interessenverbände .......................................................................... 137 4.4.5 Die Übernehme von Steuerungsaufgaben: Interessenverbände und ihre Mitglieder .......................................................................... 148 5 Schlußfolgerungen ..................................................................................... 155 Literatur ................................................................................................................ 173 X