ebook img

Politische Planung: Aufsätze zur Soziologie von Politik und Verwaltung PDF

255 Pages·1971·8.216 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Politische Planung: Aufsätze zur Soziologie von Politik und Verwaltung

Luhmann . Politische Planung Niklas Luhmann Politische Planung Aufsätze zur Soziologie von Politik und Verwaltung 4. Auflage Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1. Auflage 1971 2. Auflage 1975 3. Auflage 1983 4. Auflage 1994 ISBN 978-3-531-11073-8 ISBN 978-3-663-07662-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-07662-9 Alle Rechte vorbehalten 01971 Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmabH, Opladen 1971. Du Werk ein5chließlich aller 5einer Teile in urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrcchugeseues ist ohne Zunimmung des Verlags unzulissig und strafbar. Das gilt in5be sondere für VervielfäJtigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bür!cle, Darmstadt Vorwort Dieser Band stellt eine Reihe von Aufsätzen aus dem Bereich von Politik und Verwal tung zusammen, die teils bereits veröffentlicht, teils noch nicht veröffentlicht sind. Der Neudruck verfolgt vor allem den Zweck, den inneren Zusammenhang einer Reihe von überlegungen sichtbar zu machen, stärker, als dies im Einzelaufsatz durch Fußnoten und Verweisungen geschehen kann. Er soll Zugänglichkeit und Kritik erleichtern. Für Sammelbände einen bezeichnenden Titel zu finden, ist bekanntermaßen ein schwie riges Geschäft. Zu meinem Bedauern ist die Sitte, die ersten Worte des Textes zu wählen, fast völlig abhanden gekommen. »Viele klassische Begriffe« wäre ein schöner, distanznehmender Titel gewesen. Die Auseinandersetzung mit und die Abwendung von einer großen Tradition des ethischen Denkens über Politik, Recht, Staat und Ver waltung ist einer der Leitfäden durch diesen Band. Der andere ist »Politische Planung«. Wenn es um die klassischen Begriffe und um politische Planung geht, dann geht es letztlich um die Umkehrung der zeitlichen Grundorientierung von Vergangenheit auf Zukunft, deren Vollzug unsere Gesellschaftsordnung verlangt. »Planung« wäre dafür ein unzulänglicher Titel, wenn damit lediglich eine Art Vorbereitung des Handelns gemeint wäre. Die darauf bezogenen Planungstechnologien sind eine Sache für sich. Sie werden in den Aufsätzen dieses Bandes allenfalls beiläufig berührt. Vielmehr geht es in erster Linie um Konzeptionen des Gegenstandes Politik und Verwaltung, die diesen als plan bar erfassen. Die zunehmende Komplizierung und Verfeinerung der intellektuellen Ausrüstung des Planens - und dazu gehört nicht zuletzt die Ausrüstung für den weitläufigen Umweg über die Methoden der empirischen Sozialforschung - hat bereits die Planung der Planung und die Einplanung der Planungskapazitäten und der wahrscheinlichen Pla nungsfehler zum Problem werden lassen. Die Beschäftigung mit den Instrumenten tritt vor die Beschäftigung mit der Sache selbst. Parallel dazu wird das »Andere in die Lage versetzen, etwas tun zu können« zur Hauptbeschäftigung der Politiker. Diese Indirekt heit, diese Mühe und dieses ständige Scheitern des Planens und die damit einhergehende politische Beunruhigung fallen einem soziologischen, gleichsam planerisch unvorein genommenen Betrachter auf. All das scheint gefordert, nicht gewollt zu sein. Damit wird die vorherrschende Auffassung der Planung als einer Art instrumentellen Akti vismus zunehmender Sachbeherrschung fragwürdig, und man könnte auf den Gedan ken kommen, daß Apotheose und Not des Planens nichts weiter sind als ein Reflex der Zukünftigkeit des Gegenstandes. Damit ist gemeint, daß ein Sachbereich wie die Verwaltung selbst oder wie die gesell schaftlichen Teilsysteme, mit denen sie befaßt ist, eine offene Zukunft hat in dem Sinne, daß die Gegenwart weit mehr Möglichkeiten enthält, als aktualisiert werden können, so daß unter den möglichen künftigen Wirklichkeiten ausgewählt werden 5 muß. Planung wäre danach Reduktion und Bestimmung einer strukturell angelegten Offenheit für andere Möglichkeiten. Wenn diese Auffassung zutrifft, dann müßte alle Planung beginnen mit einer Konzeptualisierung ihres Gegenstandes, die diesen als kontingent begreift und seine anderen Möglichkeiten aufdedl:.t. Man könnte dies als eine »Problematisierung« des Gegenstandes bezeichnen. Jene klassischen Begriffe und diese Absicht der Problematisierung eines Gegenstandes als kontingent, als nur historisch, als positiv, als reformbedürftig, sind nicht mehr auf einen Nenner zu bringen. Gegenstandskonzepte, die die Zukunftspotentiale eines Sach bereichs strukturiert zum Ausdrudl:. und zur Entscheidung bringen können, müssen neu entwickelt werden. Ausgangspunkte dafür gibt es bereits in älteren Begriffstraditio nen, vor allem in der Theorie der logischen oder ontologischen Modalitäten: in der Begriffsgeschichte von contingens, in der Schöpfungstheorie, im Begriff der Kompossi bilität und in der Lehre von generativen Definitionen bei Leibniz, die über Erzeu gungsregeln das real Mögliche einschränkt und zu bestimmen sucht, oder in der Kon ditionalisierung des Möglichkeitsbegriffs bei Kant. Erst die moderne Systemtheorie scheint jedoch überzeugende, forschungsmäßig entwidl:.lungsfähige Ansätze für Ver fahren der restriktiven Ermöglichung zu enthalten. Sie erscheinen zunächst in den Abstraktionen des Modelldenkens, in der Nichtbeliebigkeit interner Zuordnungen im Modell, in Schranken der Variabilität, der Kompatibilität, der Substitutionsmöglich keiten, der tolerierbaren Interdependenzen usw. Die in diesem Band zusammengefaßten Studien erreichen nicht das Abstraktionsniveau einer soziologischen Planungstheorie. Sie versuchen, unter jeweils begrenztem Blick punkt Funktionen und damit Variationsmöglichkeiten im Gegenstandsfeld zu klären und damit abzutasten, wieviel Zukunft in der Sache selbst steckt. Nur im vorletzten und vor allem im letzten Beitrag wird die Reformmöglichkeit selbst zum Thema. Sie münden aus in die Forderung nach einer modell ge leiteten Technik des restriktiven Problematisierens. Bielefeld, im Februar 1971 Niklas Luhmann 6 Inhalt Vorwort............................................................. 5 Drucknachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Öffentliche Meinung .................................................. 9 Komplexität und Demokratie .......................................... 35 Funktionen der Rechtsprechung im politischen System .... . . . . . . . . . . . . . . .. 46 Gesellschaftliche und politische Bedingungen des Rechtsstaates. . . . . . . . . . . . .. 53 Politische Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 66 Zweck - Herrschaft - System: Grundbegriffe und Prämissen Max Webers.. .. 90 Lob der Routine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 113 Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten ............ 143 Opportunismus und Programmatik in der öffentlichen Verwaltung .......... 165 Reform und Information: Theoretische Überlegungen zur Reform der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 181 Reform des öffentlichen Dienstes: Zum Problem ihrer Probleme. . . . . . . . . . .. 203 7 Drucknachweise 1. öffentliche Meinung. Politische Vierteljahresschrift 11 (1970), S. 2-28. 2. Komplexität und Demokratie. Politische Vierteljahresschrift 10 (1969), S. 314-325. 3. Funktionen der Rechtsprechung im politischen System. In: Dritte Gewalt heute? Schriften der Evangelischen Akademie in Hessen und Nassau, Heft 84, Frankfurt 1969, S. 6-17. 4. Gesellschaftliche und politische Bedingungen des Rechtsstaates. In: Studien über Recht und Verwaltung, Köln-Berlin-Bonn-München 1967 (earl Heymanns), S. 81-102. 5. Politische Planung. Jahrbuch für Sozialwissenschaft 17 (1966), S. 271-296. 6. Zweck - Herrschaft - System. Grundbegriffe und Prämissen Max Webers. Der Staat 3 (1964), S. 129-158. 7. Lob der Routine. Verwaltungsarchiv 55 (1964), S. 1-33. 8. Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten. Die Verwaltung 1 (1968), S.3-30. 9. Opportunismus und Programmatik in der öffentlichen Verwaltung. Bisher nicht veröffent licht. 10. Reform und Information: Theoretische überlegungen zur Reform der Verwaltung. Die Verwaltung 3 (1970), S. 15-41. 11. Reform des öffentlichen Dienstes: Zum Problem ihrer Probleme. Bisher nicht veröffentlicht. 8 Öffentliche Meinung Viele klassische Begriffe der politischen Theorie finden sich heute in einer zwiespältigen Lage: Man kann sie weder einfach fallen lassen noch in ihrem ursprünglichen Bedeu tungsgehalt ernst nehmen. Sie scheinen wichtige evolutionäre Errungenschaften der neuzeitlichen Gesellschaft und ihrer politischen Systeme zu bezeichnen; dies aber in einer Weise, die nicht mehr befriedigt - gleichsam zu direkt, zu kompakt, zu einfach. Die neueren wissenschaftlichen Strömungen der Systemtheorie, der Entscheidungstheo rie, der Organisationstheorie, die die wissenschaftliche Kapazität für die Bearbeitung komplexer Sachverhalte auszuweiten suchen, fließen am traditionellen Begriffsschatz vorbei. Disziplinen, die ihn zu bewahren trachten, laufen eben damit Gefahr, rück ständig zu werden oder sich auf Hermeneutik und Gedankenhistorie zu beschränk~n. Unter diesen Umständen ist die Rekonstruktion klassischer politischer Begriffe mit neuartigen Denkmitteln eine reizvolle Aufgabe. Jene Begriffe waren nämlich nicht nur wissenschaftliche Konstrukte, sondern vor allem Antworten eines akuten faktischen Problembewußtseins. Begriffe wie Politik, Demo kratie, Herrschaft, Legitimität, Macht, Repräsentation, Rechtsstaat, Verfahren, öffent liche Meinung hatten kaum den Sinn, faktische Ereignisse oder Verläufe zu erklären; sie dienten der Fixierung von Problemlösungen als institutionelle Errungenschaften, und ihre eigene Problematik bestand zum guten Teil darin, daß die ihnen voraus liegende Systemproblematik ungeklärt, oft ungenannt blieb, und daß die »Lösung« nur in einer Kombination von Verhaltensforderungen und Folgeproblemen, nicht in einer Beseitigung des Problems bestehen konnte. Wenn diese Annahme zutrifft, müßte es möglich sein, durch Klärung und theoretische Begründung der Bezugsprobleme diese Begriffsantworten auf ihre Prämissen zu bringen, ihren Sinn zu rekonstruieren, die Funktion der gemeinten Strukturen und Prozesse zu erkennen und diese selbst dadurch einem Vergleich mit anderen Möglichkeiten auszusetzen 1". Ein solcher Versuch soll hier am Begriff der öffentlichen Meinung unternommen werden 2. Diese Arbeit setzt sich bewußt dem Einwand aus, daß das, was im folgenden unter dem Titel öffentlicher Meinung behandelt wird, mit dem klassischen Begriff nichts mehr zu tun habe oder doch seinen Wesenskern und seine eigentümliche Moralität verfehle. Um diesem Einwand auf den Weg zu helfen, seien ihm die zu attackierenden Prämissen bekanntgegeben : Wir gründen das Recht zur Fortführung des Begriffs auf die Konti nuität von Problem und Problemlösungsbereich und sehen das Bezugsproblem des Begriffs in der Kontingenz des rechtlich und politisch Möglichen, den Problemlösungs bereidl im Prozeß der politischen Kommunikation. Aus dem Bezug auf das Problem der Kontingenz folgt die Notwendigkeit einer Uminterpretation des Verhältnisses von öffentlicher Meinung und Kommunikationsprozeß: öffentliche Meinung kann nicht mehr einfach als politisch relevantes Ergebnis, sie muß als thematische Struktur öffent- e,. Anmerkungen siehe S. 30-34. 9 licher Kommunikation gesehen werden - mit anderen Worten: nicht mehr nur kausal als bewirkte und weiterwirkende Wirkung, sondern funktional als Selektionshilfe. I. »öffentliche Meinung« ist heute ein Begriff, dessen Gegenstand fraglich geworden - vielleicht gar nicht vorhanden ist. Zur Auflösung des Gegenstandes hat, und das ist bezeichnend, gerade die Absicht auf empirische Erforschung der öffentlichen Meinung beigetragen. Die empirische Forschung hat für beide Begriffsmerkmale Substitute ein führen müssen. Das Merkmal der Meinung ersetzt sie durch Antworten, die aus Anlaß von Befragungsaktionen gegeben werden 3. Das Merkmal der öffentlichkeit ersetzt sie durch das selektive Interesse der Politiker an solchen »Meinungen« 4 oder durch die gruppenmäßige Beeinflussung der Meinungsbildung. Kombiniert man die Substitute bei der Begriffsmerkmale, tritt die Problematik des Forschungsansatzes zutage 5. Die unbestreitbaren Erfolge dieser Forschung können jedenfalls nicht auf ihrer Theorie beruhen. So offenkundig diese wissenschaftliche Problematik seit langem ist, die Erinnerung an den klassischen Begriff und seine politische Funktion ist gleichwohl lebendig geblieben. Am Thema öffentliche Meinung wird die Unzulänglichkeit einer politischen Theorie spürbar, die nur aufs Institutionelle gerichtet ist. Die politische Macht und das politische Amt scheinen nicht zu genügen, um das politische Geschehen vollständig zu begreifen und es auf dem rechten Wege zu halten. Mit verlegener Ironie nennt V. O. Key 6 die öffentliche Meinung den heiligen Geist des politischen Systems. Dafür gilt es, einen besser geeigneten Begriff zu finden, der weder in die Sozialpsychologie noch in die Theologie ausgelagert werden muß, sondern in eine Theorie des politischen Systems integriert werden kann. Geht man auf die liberale Konzeption der öffentlichen Meinung zurück, wird aus deren Vorgeschichte zunächst deutlich, daß sie die alteuropäisch-naturrechtliche Wahr heitsbindung der Politik abzulösen bestimmt war. Die Gesellschaftsentwicklung des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit hatte zu einer stärkeren Differenzie rung von Religion, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft geführt mit der Folge, daß in diesen Teilbereichen des Gesellschaftssystems neuartige Autonomien und abstraktere Zielvorstellungen entstanden. Die überlieferten Wahrheitsgrundlagen der Politik ver loren dadurch ihre Glaubwürdigkeit und ihren Leitcharakter. Noch innerhalb des als Vernunftrecht interpretierten Naturrechts stellte das Rechtsdenken des 18. Jahrhun derts sich auf Positivität (Entscheidungs gesetztheit) der Rechtsgrundlagen um 7 und benötigte dafür einen neuartigen Orientierungsrahmen, der so hoher Kontingenz des rechtlich Möglichen gewachsen war. Trotz aller Versuche, invariante Zweck formeln und Vernunftsprinzipien als Grenzen der Politik festzuhalten, kam der Bedarf für eine labilere Führungsgröße auf, die ihre Gesichtspunkte und Themen ändern konnte. Sie konnte nicht mehr als Wahrheit, sondern nur noch als Meinung begriffen werden - als vorübergehend verfestigte Ansicht des Richtigen, die gewisse Kontrollen der subjek tiven Vernunft und der öffentlichen Diskussion durchlaufen hatte. öffentliche Mei nung ist gleichsam substantivierte politische Kontingenz - ein Substantiv, dem man die Lösung des Problems der Reduktion der Beliebigkeit des rechtlich und politisch Mög lichen anvertraut. 10 Um Näheres zu erfahren, muß man daher nach den Grundlagen dieses Vertrauens fragen, nach den systemstrukturellen Prämissen, auf denen es beruht, und kann dann prüfen, ob diese Annahmen auch für das Sozialsystem der voll industrialisierten Gesell schaft noch gelten. Wenn die Analysen von Habermas 8 im Faktischen zutreffen, kann man erkennen, daß dem klassischen Konzept der öffentlichen Meinung eine bestimmte Konstellation gesellschaftlicher Differenzierung zugrunde liegt, die folgende Merkmale aufweist: Die meinungbildenden Systeme sind kleine, diskutierende Zirkel, in denen Menschen sich als Menschen begegnen und annehmen können 9. Für deren interne Ord nung ist eine fehlende Trennung von Konflikt und Kooperation wesentlich - das heißt: man sucht den Konsens derer zu gewinnen, gegen die man argumentiert. Das ist im Rahmen kleiner Systeme möglich. Die Orientierungserleichterung jener Freund/Feind Differenzierung wird durch Institutionalisierung von Takt ersetzt - das heißt durch die Annahme der Freiheit der Selbstdarstellung des anderen als eigene Verhaltens grund lage, und dies mit einer Gewißheit, auf die man sich wechselseitig verlassen kann. Die ser Innenordnung entspricht als gesellschaftliche Lage solcher Systeme eine eigentüm liche Kombination von Ausdijferenzierung und Segmentierung. Ausdifferenziert sind die Zirkel insofern, als die an ihnen Beteiligten sich nicht an ihren eigenen anderen Rollen - Geschlecht, Alter, Stand, Beruf, Vermögen usw. - orientieren; auch dies besagt die Formel vom »Menschen als Menschen« oder der abstrakte Begriff des »Subjekts«. Segmentiert sind die Zirkel im Verhältnis zueinander, da sie als gleiche und nicht auf Grund einer ihnen zufallenden besonderen Funktion gebildet sind. Diese besondere Konstellation ließ, indem sie selbst latent blieb, das »Allgemeine« zum Thema und damit zum Problem werden; sie machte zugleich die Generalisierbarkeit der Vernunft plausibel. Gleichheit der diskutierenden Zirkel und Neutralisierung stan desgemäßer, politischer, wirtschaftlicher Einflüsse auf die Diskussion ermöglichten es, daß die in ihnen gebildete Meinung als allgemeine unterstellt werden konnte; daß die in ihnen gemachten Erfahrungen als allgemeingültig erschienen; daß die Erwartungen, die man als Resonanz auf eigenes Verhalten erwarten lernte, als Erwartungen jeder manns unterstellt werden und als solche die alten Institutionen ersetzen konnten; und daß man in einem moralisch begründeten Selbstverständnis sich zusammenfinden konnte, ohne ökonomische, klassen mäßige oder systemstrukturelle Bedingungen solchen Denkens mitbedenken zu müssen. So konnten Erfahrungen aktiviert werden, die ein unbeschwertes übergehen von individueller auf allgemeine Vernunft und dann auch von individuellem auf allgemeinen Willen nahelegten. Die neuen Mittel der Publika tion solcher Meinungen taten ein übriges, von dieser Möglichkeit zu überzeugen. Selt samerweise war es also gerade die Ausdifferenzierung aus der schon funktional diffe renzierten Gesellschaft, die es den Diskutierenden ermöglichte, sich selbst als »die Gesellschaft« zu begreifen - eine allerdings vorübergehende Chance. Daß jener Vernunftsglaube und damit auch der Glaube in das kritisch kontrollierende, Herrschaft verändernde Potential einer öffentlichen Meinung sich nicht halten ließ, zeigt ein Blick in die Geistesgeschichte. Für die Soziologie liegt es nahe, diesen Zerfall nicht als eine sich selbst erklärende, immanente, dialektische Entwicklung des Geistes zu deuten, sondern ihn auf die Unwahrscheinlichkeit und Nichtstabilisierbarkeit jener komplizierten Systemstruktur zurückzuführen, die diesen Glauben trug und ihm die notwendigen Erfahrungen zuführte. Uns fehlen zwar ausreichend formale gesellschafts theoretische Untersuchungen, die die Annahme begründen könnten, Ausdifferenzierung 11

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.