Politische Vierteljahresschrift Sonderheft 31/2000 Deutsche Vereinigung fur Politische Wissenschaft Politik und Technik Analysen zum Verhaltnis von technologischem, politischem und staatlichem Wandel am Anfang des 21.Jahrhunderts H erausgegeben von Georg Simonis, Renate Martinsen und Thomas Saretzki Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz fur diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhaltlich 1. Auflage Februar 2001 Aile Rechte vorbehalten © Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden, 2001 Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BerteismannSpringer. Das Werk einschlieElich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbe sondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.westdeutschervlg.de Hochste inhaltliche und technische Qualitat unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produk tion und Verbreitung unserer Bucher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die EinschweiBfolie besteht aus Polyathylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Satz: ITS Text und Satz GmbH, Herford ISBN-13: 978-3-531-13569-4 e-ISBN-13: 978-3-322-80387-0 DOT: 10.1007/978-3-322-80387-0 Inhaltsverzeichnis Renate Martinsen / Thomas Saretzki / Georg Simonis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX 1. Theoretische Konzeptionen zur Analyse des Verhaltnisses von Politik und T echnik Renate Mayntz T riebkrafte der T echniken twick! ung und die Rolle des St aates 3 Horst Hegmann Die Konsequenzen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts fur die normative Demokratietheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Das U mfeld staatlicher T echnikpolitik 2.1 Innovationswettbewerb Ulrich Dolata Risse im Netz - Macht, Konkurrenz und Kooperation in der Technikentwick- lung und -regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Josef Esser / Ronald Noppe Von nationalen T echnologienormen zur transnational en T echnologienormen- konkurrenz. Das Beispiel Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Ulrich Hilpert Zwischen Kompetenz und Umsetzung. Zu den Moglichkeiten und Grenzen befahigender staatlicher Politik. Das Beispiel Deutschlands nach der Wiedervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Sylke Nissen Global Cities: Technik und Stadtentwick!ung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 VI Inhaltsverzeichnis 2.2 Wandel der politischen Kommunikation Rainer Schmalz-Bruns Internet-Politik. Zum demokratischen Potenzial der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien 108 Hans J Kleinsteuber Neue Medien im Prozess der Globalisierung. Zum Verhaltnis von Medientechnik und Politik am Beispiel des Deutschen Auslandsrundfunks . . . . . . . . . . . . . . . .. 132 2.3 T echnisierungskonflikte Frank Marcinkowski Offentliche Kommunikation als praventive Risikoerzeugung - Politikwissenschaftlich relevante Ansatze der Risikokommunikationsforschung und neue empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 147 Wolfgang Fach Der umkampfte Fortschritt - Dber die Codierung des T echnikkonflikts. . . . . . . .. 167 Thomas Saretzki Entstehung, Verlauf und Wirkungen von Technisierungskonflikten: Die Rolle von BUrgerinitiativen, sozialen Bewegungen und politis chen Parteien . . . . . . . . .. 185 3. Veranderungen im politisch-administrativen System 3.1 Informatisierung staatlicher Institutionen Stephan BrOchler Does technology matter? Die Rolle von Informations- und Kommunikations techniken in Regierung und Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 213 Klaus Grimmer / Martin Wind Wandel des Verhaltnisses von BUrger und Staat durch die Informatisierung der Verwaltung .............................................. " 232 Frank Nul/meier Zwischen Informatisierung und Neuem Steuerungsmodell. Zum inneren Wandel der Verwaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 248 Inhaltsverzeichnis VII 3.2 Verwaltung und Staat in der Risikogesellschaft Hans-Jiirgen Lange / Volker Mittendorf Innere Sicherheit und Technik - Die Bedeutung technologischer Adaptionen im Hinblick aufSpezialisierung undAufgabenwandei der Polizei . . . . . . . . . . . .. 268 Ulrich Albrecht Neue Technologien der Kriegsfiihrung und ihre Auswirkungen auf die internatio- nale Ordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 293 3.3 Anwendungspotenziale und Einsatzformen neuer Sicherheitstechnik Nils C Bandelow Systeme der Zulassung und Oberwachung riskanter Techniken: Machtverluste diskutsiver Verwaltung und Gegenstrategien .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 302 Roland Czada Legitimation durch Risiko - Gefahrenvorsorge und Katastrophenschutz als Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 319 4. Vertikale Ausdifferenzierung der Handlungsebenen Daniel Barben / Maria Behrens Internationale Regime und Technologiepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 349 Edgar Grande Von der Technologie- zur Innovationspolitik - Europaische Forschungs- und Technologiepolitik im Zeitalter der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 368 Antje BlOcker / Dieter Rehfeld Regionale Innovationspolitik und innovative Regionalpolitik 388 5. Wandel der politischen T echniksteuerung 5.1 Neue Formen der Techniksteuerung Raymund Werle Liberalisierung und politische Techniksteuerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 407 Georg Simonis Die T A-Landschaft in Deutschland - Potenziale reflexiver T echniksteuerung . . . .. 425 VIII Inhaltsverzeichnis Weert Canzler / Meinolf Dierkes Informationelle T echniksteuerung: offentliche Diskurse und Leitbild- entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 457 5.2 Das Subjekt als Grenze der Techniksteuerung? Wolfgang van den Daele Gewissen, Angst und radikale Reform - Wie starke Ansprilche an die T echnikpolitik in diskursiven Arenen schwach werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 476 Renate Martinsen Ethikpolitik als mentale Steuerung der Technik - Zur Kultivierung des Gewissens im Diskurs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 499 Zusammenfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 526 Abstracts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 537 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 547 Einleitung Renate Martinsen / Thomas Saretzki / Georg Simonis 1m 20. Jahrhundert war wiederholt von einem "technischen Zeitalter" die Rede, wenn Zeitgenossen versucht haben, die pragenden Zlige der Epoche zu charakterisieren. Aus einer technikgeschichtlichen Perspektive mag eine solche historische Selbstbeschreibung zwar wie eine nichtssagende Leerformel erscheinen, da - objektiv gesehen - jede Zeit liber Techniken verfligte und insofern jedes Zeitalter immer auch ein "technisches" ge wesen ist. Gleichwohl: Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gelten Technologien bei vielen he ute lebenden Zeitgenossen erneut als besonders wirkungsmachtige, wenn nicht als entscheidende GroGen flir die zuklinftige Entwicklung moderner GeselIschaften. Wah rend der Politik kaum noch grundlegende Veranderungen zugetraut werden und selbst kleinere Reformen nur unter groGen Schwierigkeiten auf den Weg zu bringen sind, werden vor alIem neuen, aus der naturwissenschaftlichen Forschung hervorgegangenen Technologien vielfach geradezu revolutionare Qualitaten zugeschrieben. In Forschung und Entwicklung werden in immer rascherer Folge grundlegende "technologische Re volutionen" ausgerufen, die - daran haben ihre Promotoren keinen Zweifel - weder die GeselIschaft noch die Politik unberlihrr lassen. In Zukunft dlirfte sich, so die Hoff nung der einen und die Beflirchtung der anderen, die geselIschaftsverandernde Wir kung von wissenschaftlich-technischen Neuerungen eher noch ausweiten, verstarken und beschleunigen. Von der Arbeits- bis zur Lebenswelt - kaum ein Bereich der mate rielIen und kulturelIen Reproduktion moderner GeselIschaften, der nicht von den Fol gen einer rasch fortschreitenden Verwissenschaftlichung und T echnisierung beeinflusst ware. Die GegenwartsgeselIschaft scheint in ihrer weiteren Enrwicklung maGgeblich durch die Produktion, Verbreitung und Anwendung von wissenschaftlichem Wissen und technischen Innovationen gepragt zu sein. Sie wird vor diesem Hintergrund auch im politischen Raum als "Wissens-", "Wissenschafts-" oder "TechnikgeselIschaft" be schrieben - also aIs eine GeselIschaft, in der wissenschaftlich fundiertes Wissen und neue T echnologien als zentrale Ressourcen angesehen werden. Neues Wissen und neue Technologien erweitern die Denk- und Handlungsmog lichkeiten in modernen GeselIschaften. Vieles von dem, was vorher einfach als gege ben, unveranderbar und unverfligbar gaIt, erscheint nun als beherrschbar, konstruier bar, plan bar, entscheidbar. Zugleich bringen Verwissenschaftlichung und Technisie rung aber auch neue Denk- und Handlungszwange mit sich. Wo etwas neu entworfen und geplant werden kann, da wachst nicht nur die Moglichkeit, sondern auch der Zwang zu bewerten und zu entscheiden. Und das heiGt zunachst, sich darliber klar zu werden, wie bewertet und entschieden werden solI. Denn auch der Verzicht auf verflig bare oder entwickelbare Option en erscheint in einem solchen Zusammenhang als Wahl: aIs Entscheidung flir eine Option und gegen eine andere, ebenfalIs denk- und machbare. Gleich wie sie entscheiden: Nach traditionelIem Verstandnis falIt denen, die entscheiden konnen, auch die Verantworrung fur ihre Entscheidungen zu. Und das x Renate Martinsen / Thomas Saretzki / Georg Simonis schlieBt eme Vergegenwartigung der verfugbaren Optionen und ihrer voraussehbaren Folgen ein. Politisch relevant wird das viel beschriebene Doppelgesicht von Technisierungspro zessen nicht zuletzt dann, wenn neue Optionen und neue Zwange in der Gesellschaft ungleich verteilt sind, wenn handlungsermoglichende und -beschrankende Effekte also nicht die gleichen sozialen Gruppen treffen. T echnisierungsprozesse konnen so zu neu en Disparitaten, Machtverschiebungen und institutionellen Restrukturierungen beitra gen: FUr die einen wirken neue Technologien in der Gesellschaft wie "enabling struc tures", von denen ein "empowerment" ausgeht, wahrend andere mit neuen "con straints" konfrontiert sind, die ihre Handlungsspielraume einschranken. Bei vielfaltig verwendbaren "Querschnittstechnologien" wie den Informations- und Kommunika tionstechniken oder den neuen Biotechnologien konnen neue Optionen und neue Zwange auch dieselben Akteure betreffen, allerdings in unterschiedlicher Art und Wei se, in unterschiedlichen Rollen, in unterschiedlichen Lebenslagen oder - wie in der Biomedizin - zu unterschiedlichen Lebenszeiten. Solche multiplen und diskontinuierli chen Wirkungsmuster erschweren eindeutige Wahrnehmungen und Bewertungen. Gleichwohl: Neue Technologien ermoglichen neue gesellschaftliche Offnungs- und SchlieBungsprozesse, von denen die BUrger nicht nur als private Wirtschaftssubjekte betroffen sind. Die moglichen Folgen des wissenschaftlich-technischen Wandels geben vor diesem Hintergrund zu politischen Kontroversen Anlass, die nicht mehr ohne wei teres "privatisiert" werden konnen. Das gilt insbesondere dann, wenn sie als "Risiken" wahrgenommen werden, die in Rechte der BUrger eingreifen oder doch eingreifen konnten. Die Politik bleibt von der fortschreitenden Verwissenschaftlichung und Tech nisierung der Gesellschaft also nicht unberUhrt. Denn ihr wird die Verantwortung fUr die Schaffung der Voraussetzungen, aber auch fUr die Bewaltigung der Folgen von Technisierungsprozessen zugewiesen. Beide Aufgaben stehen zwar in einem Zusam menhang. Ihre Bearbeitung stellt die Politik allerdings vor unterschiedliche Anforde rungen. Als die Deutsche Vereinigung fUr Politische Wissenschaft sich auf ihrem 16. wis senschaftlichen Kongress an der Ruhr-Universitat Bochum zum ersten Mal auf einem an das ganze Fach gerichteten Forum mit dem Thema "Technik" beschaftigt hat, stand die Tagung unter dem Titel "Politik und die Macht der Technik". Der hier vorliegen de Band verzichtet auf die Heraushebung einer klassischen analytischen Kategorie der Politikwissenschaft und fragt statt dessen allgemeiner nach dem Verhaltnis von techno logischem, politischem und staatlichem Wan del. I Damit solI nicht gesagt werden, dass die Frage nach der Macht in diesem Zusammenhang an Bedeutung verloren hatte. Das gilt auch fUr die anderen, "der Politikwissenschaft eigenen Analysekriterien" wie Inte- 1 Es sei nicht verschwiegen, dass die Initiative zur Herstellung dieses PVS-Sonderheftes von ei nem Arbeitskreis der DVPW ausging, der den gleichen Titel tragt wie dieser Band. Der Ar beitskreis "Politik und T echnik" wurde 1988 auf dem 17. wissenschaftlichen KongreB der DVPW in Darmstadt auf Initiative von Klaus Grimmer gegrundet. Aus den Diskussionen die ses Arbeitskreises ist eine ganze Reihe von Publikationen hervorgegangen, vgl. Grimmer u.a. (1992), SuB/Becher (1993), Martinsen/Simonis (1995), Martinsen (1997), Martinsen/Simonis (2000) und Abels/Barben (i.E.).
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