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Poetische Strukturen der Moderne: Zeitgenössische Literatur zwischen alter und neuer Mythologie PDF

287 Pages·1992·31.7 MB·German
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Poetische Strukturen der Modeme SABINEWILKE Poetische Strukturen der Modeme Zeitgenossische Literatur zwischen alter und neuer Mythologie J.B.METZLERSCHEVERLAGSBUCHHANDLUNG STUTTGART DieDeutscheBibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Wilke,Sabine: Poetische Strukturen der Modeme : zeitgenossische Literatur zwischen alter und neucr Mythologie/Sabine Wilke.- Stuttgart:Metzler,1992 ISBN978-3-476-00819-0 ISBN 978-3-476-03394-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03394-9 DiesesWerkeinschlieBIich allerseinerTeile isturheberrechtlichgeschiitzt.Jede Vcrwcrtung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Veriagesunzulassig und strafbar.Das gilt insbesondere fur Ver vielfaltigungen,Ubersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung inelektronischenSystemen. ©1992Springer-VerlagGmbHDeutschland Ursprunglich erschienen bei J. B. metzlersche Verlagsbuchhandlung undCarlErnstPoeschelVerlagGmbHinStuttgart1992 INHALT VORBEMERKUNG 6 EINLEITUNG: Mythos und Rationalitat: ein historischerBlick aufeinige zeitgenossische Dialektisierungsversuche 7 KAPITEL EINs:Das Theater im Reich der Notwendigkeit: HeinerMUliersUmgang mit dem Mythos als Modell 39 KAPITEL ZWEI: »Kreuz- und Wendepunkte unsererZivilisation nach-denken«: Christa Wolfs Stellung im Umfeld der zeitgenossischen Mythos-Diskussion 81 KAPITEL DREI: »Das Durchscheinen von Mythologischem im Alltaglichen«: Anverwandlungen klassischer Mythologie bei Botho StrauB 119 KAPITEL VIER:Mythos und Phantasie in durren Zeiten: Verwandlungen eines romantischen Topos in den Texten Michael Endes 169 KAPITEL FONF:Die Dialektik von Aufklarung und Mythos in der letzten Welt:Christoph Ransmayrs Texte zwischen Modeme und Postmodeme 223 BIBLIOORAPHIE 263 VORBEMERKUNG Mein Dank geht an die Graduate School der University ofWashington sowie an das National Endowment for the Humanities, mit Hilfe deren Forschungsstipendien diese Studien fertiggestellt werden konnten. Dem Graduate School Research Fund sei an dieser Stelle ebenfalls ftir die fi nanzielle Unterstiitzung zur Drucklegung dieses Buches gedankt. Zu Dank verpflichtet bin ich auch der University Press of America sowie der American Association for Teachers ofGerman fur den Abdruck der Artikel >>>Riickhaltlose Subjektivitat« Subjekt-, Gesellschafts- und Ge schlechtsbewuBtsein bei Christa Wolf,« erschienen in Women in German Yearbook, 6 (1991), S. 28-45, und »>Kreuz- und Wendepunkte unserer Zivilisation nach-denken« Christa Wolfs Stellung im Umfeld der zeitge nossischen Mythos-Diskussion,« erschienen in German Quarterly, 60 (1988), S. 113-29, die in leicht umgearbeiteter Form hier im zweiten Kapitel verarbeitet wurden. Meinen personlichen Dank mochte ich meinem Mann und Kollegen Richard T.Gray aussprechen, dessen Zuspruch undKritikdieses Buch sehr viel verdankt. Seattle, Washington und Tiibingen 1990/91 EINLEITUNG Mythos und Rationalitat: ein historischer Blick auf einige zeitgenossische Dialektisierungsversuche Die Spiegel-Bestsellerliste der letzten Jahre weist so unterschiedliche Titel auf wie Michael Endes Marchenroman Die unendliche Geschichte, Patrick Siiskinds AnhiebserfolgDas Parfiim und Christa Wolfs Erzahlung Kassan dra.1mTheater erleben wir ganz ahnlich wie im Literaturbetrieb die Wie derauferstehung von Merlin und Parsival in Tankred Dorsts zweitagigem Buhnenspektakel, reisen nach Griechenland mit Botho StrauBund bestau nen den unglaublichen Erfolg der szenischen Landschaften von Heiner MUllerund Robert Wilson. 1m Kino uberwaltigt uns die Faszination mit dem Imaginaren, mit mythischen Raumen, und beim Durchgang durch die documenta acht im Sommer 1987uberrascht die Prasenz von spielerischen Momenten, von kreativer Aneignung von Tradition und expressiv-figuraler Malerei. Dies mag von ausen eine eklektischeSumrnedes zeitgenossischen kulturellen Klimas in der BRD darstellen; Tatsache aber ist, daBaIle ge nannten Titel und Veranstaltungen in einem entseheidenden Punkt uberein kommen und das ist ihr gemeinsames Interesse an der Wiederbelebung mythischer Stoffe, Raume und Funktionsweisen. In Anbetracht dieser Mythenrenaissancemochte ich in meinem Einflih rungsessay zu diesem Band,der Einzelstudien zum Problem der zeitgenos sischenliterarischenMythenrezeptionzusammenfaBt,diehistorischeDiskus sionnachzeichnen,diesichanderModellfunktiondesMythosbereitsinder Friihromantikunddann spaterimneunzehntenundfiiihenzwanzigstenJahr hundert entfacht hat sowie die Parallele zur zeitgenossischen Problematik herausarbeiten.Inden neunzigerJahrendesachtzehntenJahrhundertskristal lisierensichzweimiteinanderkonkurrierendeInterpretations- undDeutungs systemeheraus,diesichurndiekorrekteLektiireundBewertungdesPhano mens von Mythologie streiten: zum einen ist es Friedrich Schlegels und Friedrich Wilhelm Joseph Schellings produktionsasthetisch ausgerichtete Rede vonderneuenMythologie,dieaufdieFunktionsweisevonMythosals LegitimationszentrumphilosophischerSysteme imSpeziellenundkultureller Phanomene im Allgemeinen zielt: und zum anderen entsteht im Denken Friedrich Schleiermachers der erste Entwurfzu einer allgemeinen philoso phischen Hermeneutik, einer auf dem Modell der schopferischen Rekon- 8 Einleitung struktion des urspriinglichen Produktionsvorgangs imAkt des Verstehens basierendeInterpretationstheorie,dieinoffeneingestandenemGegensatzzur romantischen Rede von der neuen Mythologie diese Modellfunktion des Mythos ablehnt undbewuBtverdunkeln mochte,Meine Aufgabe wird nun sein,diesenGegensatzvonheuteausneuzubeleuchtenunddasgedankliche Feldzuanalysieren,aufdessenBasissolcheArgumentegefuhrtundteilwei se heutewiederaufgenommen werden. I Deutsche Philosophie und Literatur hat ein ganz eigenes Verhaltnis zur Mythologie,zur Antike und germanischenGotterwelt,die vieleliterarische Bewegungendurchzieht.DreiPeriodenmochte ich dabeibesondershervor heben: die Friihromantik, die literarische Modeme der ersten Halfte des zwanzigsten Jahrhunderts sowie die sogenannte Postmodeme der letzten zehnJahreetwa,inderenZeitraumalle in diesemBandbesprochenenTex te fallen.' Nun istja die Einstellung gegeniiber Funktionsweisen des My thosinder Aufklarungeiner wesentlichenRevisionundKritikuntergangen. Wie Hans Blumenbergin seinerArbeitam Mythos richtigbemerkt, war es der Aufklarung hochst merkwiirdig und im Grunde vollig unerklarlich, wieso es iiberhauptnoch ein allgemeines Interessean griechischer Mytho logie gab,nachdemman doch stichhaltigderenLiigencharakternachgewie sen habe.2 Johann Gottfried Herder ist es dann, der die heuristische Funk tionmythischerFabelnundPersonenfurdas philosophischeDenken wieder zuganglich gemacht hat, indem er zu ihrem verniinftigen Gebrauch als Quelle poetischer Strukturen rat. »Wird sie [die Mythologie] bios zu ver dunkelnden Anspielungenangewandt, so ist sie verwerflich- aber zu Bei spielen, zu Vergleichungen, zu einzelnen Bildem, da betrachte ich sie auf dem Rande der Geschichte als eine Quelle von poetischen Exempeln.e-' I Siehe zur allgemeinen Einfiihrung indie Geschichteder MythenrezeptionJande Vries,ForschungsgeschichtederMythologie (Frciburg:KarlAlber, 1961);sowiezur Erganzung undAufarbeitungderjUngstenLiteraturAxel Horstmanns Bericht »Der Mythosbegriffvom fruhen Christentumbiszur Gegenwart,«Archivfur Begriffsge schichte,23 (1979),S.7-54 undS. 197-254;Werner Betz, »Vom -Gotterwort- zum -Massenstandbild« Zur Wortgcschichtevon -Mythos,e«Mythos und Mythologie in derLiteraturdes neunzehnten Jahrhunderts, hrsg. von Helmut Koopmann (Frank furt:Klostermann, 1979),S. 11-24. 2Vgl. Hans Blumenberg,Arbeit am Mythos (Frankfurt: Suhrkamp, 1979),S.29lff. 3Johann Gottfried Herder, »Vom neueren Gebrauchder Mythologie,« St'imtliche Werke,hrsg.von BernhardSuphan (Berlin:Weidmann, 1877),S.434. MythosundRationalitiit 9 Das fur spatere Zeiten so Faszinierende an der Beschaftigung mit dem Modellcharakterdes Mythischen und seinerkulturkonstitutivenund sinnstif tenden Funktion wird hier allerdings ganz dem Dunkeln und Irrationalen zugewiesen und somit naturlich gleichzeitig tentativ unschadlich gemacht. Ganz anders fallt die Bewertung des Modellcharakters des Mythischen etwa dreiBig Jahre spater aus: als »Sprache der Phantasie« bewahrt der Mythos, wie Karl Philipp Moritz in seiner Einleitung zu Giitterlehre oder mythologischeDichtungen sagt, eine »geheime Spur zuder altesten verloh ren gegangenen Geschichte«auf,"Und hier setztgenaudie Problematik an, der ich an dieser Stelle und dann implizit inmeinen Einzelanalysenzeitge nossischer Texte nachgehen mochte: die Frage istdoch,was fureine Funk tion hat die am Beispiel von Herder demonstriertediskursive Abgrenzung von Bereichen, die der rationalen Betrachtung zuganglich gemacht werden diirfenundBereichendes Mythisch-Irrationalen,diederphilosophischenRe flexion unzuganglich sein sollen? Wie kommt es dazu,daBdas systemati sche Projekteiner allgemeinen philosophischen Hermeneutik, wieSchleier macher es progranunatisch formuliert,als Kritikder romantischenRede von der neuen Mythologie auftreten kann? Was speistdie bis heute tiefverwur zelteMeinung vonder Irrationalitatder Beschaftigung mitPhanomenen des Mythischen, die mit schneller Geste indie Naheder faschistischen Dunkel manner geriicktwird, gegen die schon Thomas Mann und ErnstBloch den Mythos rettenwollten.Mandenke indiesem Zusanunenhang anJiirgenHa bermas' mittlerweile beriihmt gewordene pauschale Abkanzelung des post modemen Mythos-Zitats inderArchitekturals Manifestation einer kultur konservativen Antimodeme, die alle Ansatze zur Bildung einer altemativen Form von Rationalitat im Keirnerstickt und sie stattdessen indie Nahe zur konservativenZivilisationskritikriickt.5 InfalschemEklektizismusundPlu ralismus iiberwinden, so Habermas, die Kunstwerke der Postmodeme tat sachlich existierende Kommunikationsgrenzen zwischen verschiedenenkul turellen Ausdrucksbereichen undmachen unssodie Moglichkeit vonrealer Versohnunglediglichvor,ohne siefaktischeinzuklagen.Stattdessenpladiert Habermas- sichaufdie ForschungsergebnisseAlbrecht Wellmers berufend - fur eine lebensweltliche Offnung der Kunsterfahrung, die auf die tatsach liche Erweiterung unseres Kommunikationsvermogens abzielt. Das Kunst werk berge dieses »Potential einer solchen Erweiterung der Sinn- und Sub- 4GotterlehreOllermythologischeDichtungen,hrsg.von KarlPhilipp Moritz (Berlin: Unger, 1795),S. 1-2. 5Vgl. Haberrnas,»DieModeme- ein unvollendetesProjekt,«DieZeit,39(26.Sept. 1980). 10 Einleitung jektgrenzen.c'' Das Beispiel,das Habermas andieserStellepositiverwahnt, istinteressanterweiseabergenaueinerder Kemtexteder zuAnfang skizzier ten Mythenrenaissance, namlich Peter Weiss' Roman Asthetikdes Wider stands. HaukeBrunkhorsthat.mitRecht wieichmeine,sichgegendie pauscha IeGleichsetzung vonromantischer Kulturkritik mit irrationalistischer Zivili sationskritikgewandt,wiesievon Habermasbehauptetwird.? DieTatsache, daBsich gewisseTeile der postmodemen Aufklarungskritik mit irrationalen Stromungen argumentativ eingelassen haben, ist doch noch kein Argument gegen das gesarnteProjekt der kritischen Neuformulierung eines zu rigoros gefaBtenRationalitiitsbegriffs undeinerHandinHandgehendenOffnungder kritischen Theorie gegeniiber neuen und anderen Aneignungsweisen des Mimetischen in der Kunst.Gerard Raulet formuliert das ganz ahnlich in seinem Vorwort zu dem Band Verabschiedung der (Post-)Moderne?: »Die Parole vom Eintritt indie Postmodemekann man nicht einfach zuruckwei sen,indemmanden -irrationalistischen-Gefahrendespostmodemen Diskur ses den Appell an eine -Vernunft- entgegensetzt, die bloBes Ideal bleibt, wennman nichtbeweisenkann,daBdieseremphatischeVemunftbegriff sich realisieren liiBt.«8Auf einem Mittelweg bewegt sichdabei Gregor Paul,der aufdereinen Seiteeinen »nicht-relativistischenRationalitiitsbegriffalsregu lative Idee«entwickelt,urn»die Idee einer allgemein-menschlichen Huma nitat«voranzubringen.?Andererseitsfiihltersichdochdazuangehalten,aus driicklichvorgefahrlichenTendenzen derMythologisierungzuwarnen: »an gesichtsderpopularenRemythisierungsversucheunsererKultur,einergewis sen Renaissance gefahrlicherReligiositat, der Verkiindigung sogenannter Neomythen,istausdriicklichaufdashierenthaltene inhumane Potentialauf merksarn zu machen.e'? Der hier verwendete Hurnanitatsbegriffbleibt je doch ausgesprochen unbestimmt undabstrakt. Eineahnlich briiskeReaktion findetman interessanterweiseauchbeiHans-GeorgGadamerunddessenBe sprechungder friihromantischen Aufklarungskritik,diesich auf den Mythos beruft: »In Wahrheit istdie Voraussetzung des geheirnnisvollenDunkels, in dem ein allem Denken vorausliegendes mythisches KollektivbewuBtsein 6Albrecht Wellmer, Zur Dialektik von Moderne undPostmoderne:Vernunftkritik nachAdorno(Frankfurt:Suhrkamp, 1985), S.66. 7Hauke Brunkhorst, »Romantikund Kulturkritik:Zerstorungderdialektischen Ver nunft?,«Merkur,35 (1985),S.484-96. 8Gerard Raulet,»Vorwort.. Verabschiedungder(Post-)Moderne?:Eineinterdiszi plindreDebatte(Tubingen:Narr, 1987),S. 10. 9Gregor Paul, Mythos,PhilosophieundRationalitiit(Frankfurt: Lang, 1988),S. 2. 10Paul,Mythos,PhilosophieundRationalitiit,S. 146-47.

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