Plastizit ä tstheorie und ihre Anwendung auf Festigkeitsprobleme Ingenieurwissenschaftliche Bibliothek Herausgegeben von lstvän Szabö, Berlin Plastizit ät stheorie und ihre Anwendung auf Festigkeitsprobleme Karl-August Reckling von Dr.-Ing., o. Professor für Mechanik an der Technischen Universität Berlin Mit 173 Abbildungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1967 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) oder auf andere Art zu vervielfältigen © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1967 Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1967 Softcoverreprint ofthe bardeover Istedition 1967 Library of Congress Catalog Card Number 67-16 785 ISBN 978-3-662-12715-5 ISBN 978-3-662-12714-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-12714-8 Titelnummer 4249 Vorwort In den beiden letzten Jahrzehnten ist in die Festigkeitsforschung immer mehr das nichtelastische Werkstoffverhalten einbezogen wor den. Die Ergebnisse dieser Forschung berücksichtigt der Ingenieur in Deutschland allerdings zur Zeit noch selten bei seinen praktischen Festigkeitsrechnungen. Über diese Erweiterung der Festigkeitslehre fehlt im deutschsprachigen Raum eine zusammenfassende Darstellung. Ich wollte mit diesem Buch dazu beitragen, diese Lücke zu schließen und das Interesse für dieses Gebiet zu fördern. Warum ist diese Erweiterung überhaupt für den Ingenieur von Bedeutung, der durch Generationen hindurch Maschinen, Fahrzeuge und Bauwerke meist nur auf Grund von Festigkeitsrechnungen ent warf, bei denen er elastisches Werkstoffverhalten voraussetzte? Es gibt hierauf drei Antworten: Erstens kann man in der klaRsischen Festigkeitslehre nicht berücksichtigen, daß die im allgemeinen hoch gradig statisch unbestimmten Konstruktionen weit über ihre elasti sche Grenzlast hinaus belastet werden können, bevor sie zusammen brechen, und daß diese Überlastbarkeit je nach dem Einzelfall sehr verschieden ist. Die einzelnen Teile einer auf Grund von elastizitäts theoretischen Rechnungen entworfenen Konstruktion haben also ganz verschiedene Sicherheiten gegenüber dem Zusammenbruch. Der Ent wurf nach der Plastizitätstheorie führt dagegen zu einer Konstruktion mit gleicher Sicherheit ih1er Teile gegenüber dem Zusammenbruch, das heißt zu einer besseren Ausnutzung des Materials. Zweitens sind die Rechnungen nach der Elastizitätstheorie insofern schon unreali stisch, als sie die Plastizierung des Werkstoffs an Stellen mit Span nungskonzentrationen nicht berücksichtigen. Drittens sind sie auf wendiger als plastizitätstheoretische Festigkeitsrechnungen. Um eine möglichst geschlossene Darstellung geben zu können, habe ich mich auf das von Zeit und Temperatur unabhängige plastische Werkstoffverhalten beschränkt. Verwendet man für bestimmte Zeit punkte bekannte Verzerrungs-Spannungs-Gesetze, so kann man viele Ergebnisse sinngemäß auf zeitabhängiges Werkstoffverhalten (Krie chen) übertragen. VI Vorwort Besonderen Wert habe ich auf eine möglichst anschauliche Dar stellung des derzeitigen Standes der für den Ingenieur wichtigen phy sikalischen und mathematischen Grundlagen der Plastizitätstheorie gelegt. Insofern kann das Buch auch als Ausgang für die Behandlung von Problemen mit großen Verzerrungen dienen, wie sie bei den Um formvorgängen der Metallverarbeitung auftreten. In den Anwendun gen habe ich mich dann auf Probleme der Festigkeitslehre beschränkt, bei denen die Verzerrungen klein sind. Dabei steht die Frage nach Ver formungen, Tragfähigkeit und Stabilität der Konstruktionen oder ihrer Teile im Vordergrund. Den derzeitigen Stand der Verfahren und die Grenzen der plasti zitätstheoretischen Festigkeitsrechnung habe ich an Hand von über sichtlichen Beispielen aus den verschiedensten Bereichen dargestellt, um eine tragfähige Grundlage für die Durchführung von Entwurfs rechnungen und für wissenschaftliche Weiterarbeit zu schaffen. Dabei wird der Leser manches finden, das anders als bisher behandelt wurde oder Bekanntes ergänzt, zum Beispiel in den Abschnitten über schiefe Biegung, Energieprinzipien, Traglasttheorie zweiter Ordnung, zusam mengesetzte Beanspruchung von Balken, über Turbinenscheiben und die Beulung von Rechteckplatten. Das Buch wendet sich vorwiegend an Dozenten und Studenten des Bauingenieurwesens, Flugzeugbaus, Schiffbaus und der Techni schen Mechanik an Technischen Hochschulen und Fachschulen sowie an Ingenieure, die in Konstruktion und Entwicklung auf diesen GB bieten tätig sind. Bei der Abfassung des Buches habe ich die in meinen Vorlesungen über Plastizitätstheorie gewonnenen Erfahrungen berück sichtigt. Das Buch hat aber nicht nur den Charakter eines Lehrbuches, sondern es enthält auch viele Ergebnisse, die sich unmittelbar für die praktische Festigkeitsrechnung verwenden lassen. Ich hoffe daher, daß es in manchen Bereichen zur Einführung der plastizitätstheoretischen Berechnungsverfahren in die Entwurfspraxis anregen wird. Bei der großen Zahl von Arbeiten, die Jahr für Jahr über dieses Gebiet veröffentlicht werden, werden es mir die Autoren von nicht genannten Arbeiten nachsehen, daß ich nur verhältnismäßig wenige Arbeiten zitiert habe. Eine vollständige Dokumentation aller in diesem Zusammenhang interessierenden Literaturstellen wäre zu umfangreich geworden. Meinem verehrten Lehrer und jetzigen Kollegen, Herrn Professor Dr.-Ing. I. SzAB6, möchte ich an dieser Stelle dafür danken, daß er mich zur Arbeit auf dem Gebiet der Plastizitätstheorie angeregt und zur Abfassung dieses Buches aufgefordert hat. Meinen Mitarbeitern, insbesondere meinem Oberingenieur, Herrn Dr.-Ing. K.-H. SeHRADER und den Herren Dr.-Ing. J. MYSZKOWSKI, Vorwort VII Dipl.-Ing. K. BuRTH, Dipl.-Ing. P. GUMMERT und Dipl.-Ing. CHR. HARS habe ich dafür zu danken, daß sie mich durch viele zu Abänderungen, Ergänzungen und Verbesserungen führende Diskussionen sowie bei der Kontrolle der Rechnungen wirksam unterstützten. Dem Springer Verlag danke ich für die gute Ausstattung des Buches und für die Berücksichtigung meiner Wünsche. Berlin, im Frühjahr 1967 Karl-August Reckling Inhaltsverzeichnis I. Allgemeine Grundlagen Seite § 1. Einführung .... 1 1.1 Plastisches Werkstoffverhalten . 1 1.2 Voraussetzungen und Zielsetzung 3 1.3 Geschichtliche Entwicklung und Literatur 5 1.4 Differentielle oder finite Verzerrungs-Spannungs-Gesetze 7. 10 § 2. Physikalische Grundlagen . . . . . • 12 2.1 Die Kristallstruktur der Materie . . . . . . . . 12 2.2 Versetzungen und Eigenspannungen . . . . . . 20 § 3. Phänomenologie des plastischen Werkstoffverhaltens. 27 3.1 Die Struktur polykristalliner Werkstoffe 27 3.2 Fließlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.3 Volumendilatation und Querkontraktion . . . . 30 3.4 Verformung infolge allgemeiner Spannungszustände 31 3.5 Zug- und Druckversuche . . . . . . . . . . . . 32 3.6 Elastische Hysteresis und BAusomNGER-Effekt . . 39 § 4. Die Energie-und Extremalprinzipien in der Plastizitätslehre 40 4.1 Prinzip der virtuellen Arbeiten . . . . . . 41 4.1.1 Prinzip der virtuellen Verschiebungen . . . . . . 41 4.1.2 Prinzip der virtuellen Kräfte . . . . . . . . . 43 4.2 Spezielle Sätze für monoton wachsende Zustandsfunktionen . 45 4.3 Erweiterte Energiesätze unter Berücksichtigung eines Restspan nungszustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.4 Allgemeine Sätze für plastisches Werkstoffverhalten . . . . . . 50 4.5 Sätze zur Berechnung der Traglast statisch unbestimmter Trag- werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.6 Sätze für stabiles Werkstoffverhalten . . . . . . . 56 4. 7 Satz für das Einspielen (shake-down) von Tragwerken 61 II. Einachsige Spannungszustände § 5. Einfache Systeme und Fachwerke . . . . . . . . . 63 5.1 Modell für einfach statisch unbestimmte Systeme 63 5.1.1 Das Modell mit einsinniger Belastung . . . 64 5.1.2 Das Modell mit wechselnder Belastung . . 65 5.1.3 Normierte Darstellung nach PRAGER für das Verhalten des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 5.1.4 Anwendung der Extremalprinzipien auf das Modell . 69 5.2 Das Modell aus verfestigendem Werkstoff. . . . . . . . 71 Inhaltsverzeichnis IX Seite 5.3 Einfach statisch unbestimmtes Tragwerk mit mehreren veränder lichen Lasten . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.3.1 Proportionale Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . 74 5.3.2 Variables Lastverhältnis ohne Entlastung . . . . . . . . 77 5.3.3 Variables Lastverhältnis mit Entlastung. Progressive Pla- stizierung bzw. Einspielen . . . . . . . . . . . . 77 5.4 Traglast und optimale Ausnutzung von Gelenkfachwerken 83 5.4.1 Symmetrischer Gelenkrahmen . . . . 83 5.4.2 Gelenkfachwerk . . . . . . . . . . 84 § 6. Biegung gerader Balken. Das Spannungsproblem 88 6.1 Voraussetzungen. . . . . . . . . . . . . 88 6.2 Grundgleichungen des Biegeproblems. . . . 90 6.3 Schiefe Biegung von Balken mit doppeltsymmetrischem Quer- schnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 6.3.1 Rechteckquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . 93 6.3.2 Tragfähigkeit eines idealisierten Sandwich-Querschnitts . . 97 6.4 Momentenbelastung in einer Längssymmetrieebene des Quer- schnitts . . . . . . . . . . . 100 6.4.1 Doppeltsymmetrischer Fall . . . . . 100 6.4.1.1 Rechteckquerschnitt . . . . . 101 6.4.1.2 Beliebige doppeltsymmetrische Querschnitte und idealplastischer Werkstoff. . . . . . . . . . . . 102 6.4.2 Einfachsymmetrischer Fall. . . . . . . . . . . . . . . 107 6.4.2.1 Alleiniger Einfluß der Unsymmetrie des Querschnitts 108 6.4.2.2 Einfluß der Längskräfte 110 6.5 Restspannungen . . . 117 § 7. Durchbiegung von Balken 119 7.1 Integration der Differentialgleichung der Biegelinie 119 7 .1.1 Balken mit gleichmäßiger Belastung 120 7.1.2 Balken mit Einzellast . . . . . . . . . . . 125 7.1.3 Einfach statisch unbestimmt gelagerter Balken. 126 7.2 Energieprinzipien in Anwendung auf die Balkenbiegung 132 7.2.1 Ergänzungsenergie und Prinzip der virtuellen Kräfte 132 7.2.2 Beidseitig eingespannter Balken mit Einzellast . . . 135 7.2.2.1 Rechteckquerschnitt und idealplastischer Werkstoff 136 7.2.2.2 I-Querschnitt und verfestigender Werkstoff .... 138 7. 2.3 Beidseitig eingespannter Balken mit gleichmäßiger Belastung 140 7.2.3.1 Rechteckquerschnitt und idealplastischer Werkstoff 140 7.2.3.2 I-Querschnitt und verfestigender Werkstoff 143 § 8. Traglasttheorie für Balken- und Rahmentragwerke 144 8.1 Vorbetrachtungen . . . . . . . 144 8.1.1 Die Fließgelenk-Hypothese 144 8.1.2 Grundlegende Sätze .... 146 8.1.3 Zwei erläuternde Beispiele . 148 8.1.4 Ein Paradoxon der Traglasttheorie 150 8.2 Ausbau der Theorie . . . . . . . . . 153 8.2.1 Anzahl der Grundmechanismen und Fließgelenke . 153 8.2.2 Kombination von Grundmechanismen. . . . . . 155 X Inhaltsverzeichnis Seite 8.2.3 Durchlaufträger . . . . . . . . . 156 8.2.4 Rechteckrahmen . . . . . . . . . 160 8.3 Veränderliche Belastungen und Einspielen 168 8.3.1 Die Einspielsätze für Biegungstragwerke. 168 8.3.2 Rechteckrahmen . . . . . . . . 171 8.4 Traglasttheorie zweiter Ordnung • . . . 176 8.4.1 Der Biegebalken mit Längskräften 176 8.4.2 Rahmentragwerke . . . . . . . 182 m. Mehrachsige Spannungszustände § 9. Grundlagen. 192 9.1 Allgemeiner Spannungszustand 192 9.2 Verzerrungszustand ... 197 9.3 Fließbedingungen . . . . . 202 9.3.1 Isotrope Werkstoffe. . 202 9.3.2 Anisotrope Werkstoffe 208 9.4 Verzerrungs-Spannungs-Gesetze. Verfestigungshypothesen. 210 9.4.1 Isotrope Werkstoffe. . , . • . . . . . . . . . . 210 9.4.1.1 Elastisoher Werkstoffbereich . . . . . . . 210 9.4.1.2 Fließ-bzw. Verfestigungsbereich des Werkstoffes 211 9.4.1.3 Finite Verzerrungs-Spannungs-Gesetze 220 9.4.2 Anisotrope Werkstoffe 221 § 10. Der Biegebalken mit Querkräften •. 223 10.1 Balken mit Rechteckquerschnitt 224 10.2 Balken mit I-Querschnitt ... 234 § 11. Torsion von Stäben . . . . . . . . 241 11.1 Erweiterung der Theorie von DE SAINT-VENANT 241 11.1.1 Allgemeingültige Beziehungen· . 241 11.1.2 Hohlquerschnitte . . . . . . . 243 11.1.3 Verschiedene Werkstoffgesetze , 244 11.2 Teilweise plastizierte Querschnitte . . 248 11.2.1 Das Problem und seine Analoga 248 11.2.2 Rechnerische Lösung. Verwölbung 251 11.3 Tragfähigkeit tordierter Stäbe . . . . 255 11.3.1 Einfaohberandete Querschnitte . 265 11.3.2 Hohlquerschnitte . . . 257 11.4 Einfluß von Längsspannungen . 260 11.4.1 Allgemeines ...•.. 260 11.4.2 Torsion und Längskräfte 262 11.4.3 Torsion und Biegung . . 262 11.5 Restspannungen . . . . . . . 267 § 12. Rotationssymmetrische Spannungszustände. 270 12.1 Druckbehälter als Hohlkugel . . . 270 12.1.1 Spannungszustand .... 270 12.1.2 Aufweitung der Hohlkugel . 274 12.2 Zylindrische Hochdruckbehälter 278 12.2.1 Allgemeines . . . . . . . 278