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Placeless Topographies: Jewish Perspectives on the Literature of Exile PDF

240 Pages·2014·20.918 MB·German
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Conditio Judaica 43 Studien und Quellen zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte Herausgegeben von Hans Otto Horch in Verbindung mit Alfred Bodenheimer, Mark H. Gelber und Jakob Hessing Placeless Topographies Jewish Perspectives on the Literature of Exile Edited by Bernhard Greiner Max Niemeyer Verlag Tübingen 2003 Veröffentlicht mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Bonn Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-65143-1 ISSN 0941-5866 © Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2003 http://www. niemeyer. de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer- halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Nädele Verlags- und Industriebuchbinderei, Nehren Inhalt Vorwort Exil und Exilliteratur im jüdischen Horizont 1 Guy Stern From Exile Experience to Exile Studies 21 Sidra DeKoven Ezrahi When Exiles Return: Jerusalem as Topos of the Mind and Soil 39 Jakob Hessing Heinrich Heine's Reisebilder as Images of Exile 53 Philipp Theisohn Erde / Papier. Kafka, Literatur und Landnahme 61 Pierre Bouretz Yichuv as Teshuvah: Gershom Scholem's Settlement in Jerusalem as Return from Assimilation 89 Mark H. Gelber Stefan Zweig's Conceptions of Exile 103 Christoph Schmidt Deus sive natura. The Transformation of the Jewish Apocalyptic Version of History into a Natural History in Jizchak Fritz Baer's Treatise of »Galut« (Exile) 115 Doerte Bischoff Exile, Trauma and the Modern Jewish Experience: The Example of Else Lasker-Schüler 127 Adi Gordon German Exiles in the >Orient<. The German-language Weekly Orient (Haifa, 1942-1943) between German Exile and Zionist Aliya 149 VI Inhalt Bernhard Greiner Re-Präsentation: Exil als Zeichenpraxis bei Anna Seghers 161 Rochelle Tobias The Homecoming of a Word: Mystical Language Philosophy in Celan's »Mit allen Gedanken« 175 Carola Hilfrich »The Land of Others«. Geographies of Exile in Hélène Cixous's writings 187 Frank Stern The Two-Way Ticket to Hollywood and the Master-Images of 20th Century Modernism 203 Philipp Theisohn Nach Jerusalem 217 Autoren des Bandes 223 Personenregister 227 Vorwort Exil und Exilliteratur im jüdischen Horizont Der vorliegende Band geht auf eine Konferenz über jüdische Perspektiven der Exilliteratur zurück, die im Mai 2001 an der Hebräischen Universität in Jerusa- lem stattgefunden hat. Die Konzentration auf jüdische Aspekte der Exillitera- tur und die Wahl des Konferenzortes waren ein Programm und wurden von den Teilnehmern auch als ein solches aufgegriffen: der Erwartung folgend, daß zum einen gerade durch die >Einschränkung< auf jüdische Erfahrungen und Traditionen der Horizont der Exilliteratur-Forschung entschieden erweitert werde, und daß zum andern das Ins-Spiel-Bringen des Ortes Jerusalem grund- legende Paradoxien von Exilliteratur schärfer hervortreten lasse. Das babylonische Exil der Juden ist die erste uns bekannte Exilerfahrung eines Volkes und schon diese zeigt die charakteristische Strategie der Literari- sierung des Exils, d. i. den Versuch, durch Narration aus der Erfahrung des Verlusts Identität neu zu begründen. Seit 2.500 Jahren ist in der jüdischen Tradition die Erfahrung des Exils präsent und ist eine Vielfalt von Strategien ausgebildet worden, diese Erfahrung zu bewältigen, theoretisch und praktisch u. a. auf den Feldern der Theologie, der Philosophie (Gedächtniskultur), der Geschichte wie der Literatur. Gleichwohl konnte ein Experte wie Yosef Hayim Yerushalmi auf das Paradox verweisen, daß einerseits aufgrund der konstituti- ven jüdischen Erfahrung des Exils »jede umfassende Geschichte der Juden letztlich auch eine Geschichte des jüdischen Exils sein müßte«, andererseits aber »die eigentliche historische Analyse des Exils wohl erst noch geleistet werden« müsse.1 Als Wegweisungen zu dieser noch ausstehenden Arbeit ver- weist Yerushalmi auf den Band Golah venekhar (»Exil und Entfremdung«, 1929/30) von Yehezkel Kaufmann und auf die Studie Galut von Yitzhak Baer; letztere preist er um ihrer Kürze und Prägnanz willen. Es ist erstaunlich, daß dieses Buch 1936 in Nazi-Deutschland erscheinen konnte. Christoph Schmidt untersucht im vorliegenden Band den Umschlag im jüdischen Geschichtsden- ken, den diese Studie vollzieht und zugleich reflektiert. Die jüdische Tradition legt eine anthropologische Universalisierung des Exil- gedankens nahe, derart, daß es das Wesen der menschlichen Existenz ausma- che, aus der dem Menschen ursprünglich zugehörigen Welt vertrieben zu sein: 1 Yosef Hayim Yerushalmi: Exil und Vertreibung in der jüdischen Geschichte. In: ders., Ein Feld in Anatot. Versuche über jüdische Geschichte. Aus dem Amerikani- schen von Wolfgang Heuss und Bruni Röhm. Berlin: Wagenbach 1993 (Kleine kul- turwissenschaftliche Bibliothek; 44), S. 21-38, hier S. 21. 2 Vorwort theologisch-geschichtsphilosophisch im Gedanken der Vertreibung aus dem Paradies, psychologisch im Konzept des Geburtstraumas resp. der Ablösung aus dem Stadium der Mutter-Kind Dyade (des >primären Narzißmus<), sprach- philosophisch-poetologisch im Gedanken, aus der magisch-mythischen Sprach- welt, in der Wort und Sache eins sind, in diesem Sinne aus der Welt der heili- gen Sprachen herausgefallen zu sein.2 Gegenüber solch universalgeschichtli- cher Fassung des Exilgedankens auf der Grundlage einer scharfen Opposition von Heimat und Fremde, Bei-Sich-Sein und Außer-Sich-Sein bringt die jüdi- sche Geschichte im engeren Sinn, die mit Gottes Bund mit Abraham einsetzt, eben diese Opposition ins Gleiten. Die Geschichte des von Gott auserwählten Volkes setzt damit ein, daß Gott Abraham gebietet, seine Heimat zu verlassen, um einer ihm versprochenen neuen Heimat willen. Die Geburt des jüdischen Volkes, die Offenbarung und der Bund am Sinai, findet in einem Zwischen- raum statt, das Land der Knechtschaft ist verlassen, die Ankunft im gelobten Land steht aber noch aus; für das Nichtbefolgen der auferlegten Gebote wird als Strafe Exil in fürchterlicher Weise angedroht (Deut. 28,63 und 64—67, Lev. 26). So ist Exil in jüdischer Tradition integraler Bestandteil von Gemein- schaftsbildung und Landnahme.3 Das theologische Konzept hat sodann seit dem babylonischen Exil auch historische Entsprechungen, zuerst, nach dem Ende des babylonischen Exils und in den folgenden Jahrhunderten, als Effekt jüdischer Migration, im Spannungsfeld von Heimat und Diaspora, seit der Zerstörung des zweiten Tempels und der Vertreibung dann unter der Bedin- gung, daß der Identität begründende Bezugsort des Exils absolut entzogen ist. Die Konzentration auf jüdische Perspektiven des Exils gibt der Auseinander- setzung mit Exilliteratur eine umfassende historische Tiefe, zugleich erweitert sie diese Auseinandersetzung literarisch, da sich in diesem Horizont jede Beschrän- kung auf eine Nationalliteratur von vornherein verbietet. In diesem weiten jüdi- schen Erfahrungshorizont von Exil und Exilliteratur sind auch neue, produktive Zugänge zu dem literarischen Corpus zu erwarten, das in der deutschen Litera- turgeschichte unter dem Begriff >Exilliteratur< zusammengefaßt wird, d. i. »eine Literatur, deren Autoren durch Verbannung, Vertreibung oder Flucht von ihrem Wirkungsfeld und damit auch von ihrer angestammten sprachlich-kulturellen Lebenswelt getrennt wurden, ohne jedoch die emotionale bzw. intentionale Beziehung zu ihrem Herkunftsland gänzlich aufzukündigen oder einzubüßen«.4 Diese Definition bleibt allgemein, so daß sie ζ. B. auch Ovids Tristia ex Ponto umfaßt oder Autoren, die im Zuge der europäischen Revolutionen oder der auf diese folgenden Epochen repressiver Restauration ihre geographische, politische und sprachliche Heimat verlassen haben (etwa Heine und Börne in Paris, Marx in London). In der deutschsprachigen Literaturgeschichte wird >Exilliteratur< 2 Zu dieser Universalisierung des Exilgedankens: Elisabeth Bronfen: Exil in der Lite- ratur: Zwischen Metapher und Realität. In: Arcadia 28 (1993), S. 167-183. 3 Ausführlicher hierzu in der Einleitung zum eigenen Beitrag im vorliegenden Band. 4 Bernhard Spies: Exilliteratur. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Berlin, New York: de Gruyter 1997, Bd 2, S. 537-540, hier S. 537. Exil und Exilliteratur im jüdischen Horizont 3 gleichwohl auf Werke eingeschränkt, die zwischen 1933 und 1945 von Flücht- lingen aus dem Machtbereich von Nazi-Deutschland verfaßt worden sind. Guy Stern zeichnet in seinem Beitrag - als Betroffener - den Übergang von der Er- fahrung des Exils zur Konstitution des Genres >Exilliteratur< im genannten enge- ren Sinn und der auf diese bezogenen Exilliteraturforschung nach. Die Auseinandersetzung mit Exilliteratur, die der vorliegende Band doku- mentiert, hat im Rahmen der Konzentration auf die jüdische Erfahrung des Exils einen weiteren Akzent darin, daß sie den Ort Jerusalem systematisch einbezieht. Jerusalem ist zum einen der Ort, auf den in der jüdischen Tradition seit der Vernichtung des Tempels und der Vertreibung nur als entzogener Ort - A-Topos - Bezug genommen werden kann, was die produktive Kraft hervor- bringt, das Entzogene mit Bedeutung aufzuladen: neben dem historisch realen der topologische, allegorische und anagogische Sinn von >Jerusalem<, die Transformation mithin von Jerusalem zur Idee. So steht Jerusalem im Span- nungsfeld von real-historischer und ideeller Stadt, seit Begründung der zioni- stischen Bewegung aber auch im Spannungsfeld von Exil und Heimkehr, das semiologisch die Frage herauffuhrt, wie Präsenz im Raum der Repräsentation geleistet werden kann,5 theologisch ist diese Frage in der Opposition von mes- sianischer und geschichtlicher Existenz impliziert. Die messianische Idee im Judentum, das Leben in der Hoffnung, was auch besagt: im Aufschub, so hat Gershom Scholem betont, hat den Preis »der unendlichen Schwäche der jüdi- schen Geschichte, die im Exil zum Einsatz auf der geschichtlichen Ebene nicht bereit war. Sie hat die Schwäche des Vorläufigen, des Provisorischen, das sich nicht ausgibt. Denn die messianische Idee ist nicht nur Trost und Hoffnung. In jedem Versuch ihres Vollzuges brechen die Abgründe auf, die jede ihrer Ge- stalten ad absurdum führen.«6 Jerusalem als Bezugsort von Exilliteratur treibt die Widersprüchlichkeit dieser Atopie mit besonderer Schärfe heraus. Zur Idee aufgeladen transzendiert dieser >Ort< jede Konkretisierung, um doch zugleich als der Antipode schlechthin von Exil zu firmieren. Kompliziert wird der Raumgedanke im Konzept >Exilliteratur<, konzentriert man sich auf die jüdische Perspektive, weiter dadurch, daß auch der genuine Ort des Exils selbst, Babylon, in jüdischer Tradition in abgründiger Widersprüch- lichkeit gedacht ist. Babylon ist nicht nur der erste historische Ort des jüdischen Exils, sondern auch der Ort der Sprachverwirrung, des Verlustes mithin der Heimat in >einer< Sprache (vgl. Gen. 11,1: »Es hatte aber alle Welt einerlei Zun- gen und Sprache«). Nach der Sintflut hatte Gott seinen Bund mit den Menschen (Noah) erneuert und dies mit dem Gebot verbunden, sich in der Welt zu zer- streuen, was die Bibelerzählung dann auch festhält im Aufzählen der Nachkom- men Noahs, der diesen entspringenden Völker und Sprachen. Danach aber setzt Gen. 11 mit der Aussage ein, daß alle Welt eine Sprache hatte, daß die Men- 5 Hierzu ausfuhrlicher der Beitrag von Philipp Theisohn in diesem Band. 6 Gershom Scholem: Zum Verständnis der messianischen Idee im Judentum. In: ders., Über einige Grundbegriffe des Judentums. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1970 (Suhrkamp- Taschenbuch; 414), S. 121-167, hier S. 166f. 4 Vorwort sehen in der Ebene von Sinear eine Gemeinschaft werden und bleiben wollten, als Volks- und Sprachgemeinschaft, und daß sie dies wollten aus Furcht vor Zerstreuung. Sie wollten eines bleiben und zum Zeichen dieser Einheit einen Turm bauen. Die Menschen wollten identifizieren, totalisieren, d. h. das Vielerlei von Einem, vom eigenen Zentrum her denken, was besagt, das >Andere<, Fremde als das Andere des Eigenen zu fassen und es sich so zu unterwerfen. Gott hatte den Noachitischen Menschen geboten, »seid fruchtbar und meh- ret euch und füllet die Erde« (Gen. 9,1). Daß dies besagte, sich zu zerstreuen, hält der Bibeltext positiv im Aufzählen der verschiedenen Völker und Spra- chen fest, die aus Noahs Nachkommen hervorgegangen sind, negativ in der Furcht der Menschen von Sinear, zerstreut zu werden, sowie im Effekt der von Gott geschaffenen Sprachverwirrung: »so zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder« (Gen. 11,8). Zerstreuung als Gebot Gottes ist allerdings unerfüll- bar. Zerstreuen die Menschen sich, bleiben sie darin zurückbezogen auf das Gebot des Herrn als einheitsstiftenden Grund, bleibt das Vielerlei von einer ursprünglichen Einheit her gedacht, hat wirkliche Zerstreuung mithin nicht stattgefunden. Zerstreuen die Menschen sich aber nicht, schaffen sie eine Ge- meinschaft mit dem Erbauen von Stadt und Turm, haben sie sich zwar von ihrem ursprünglichen Bezugspunkt, Gottes Gebot, losgesagt, aber sich eben auch nicht zerstreut, bilden sie vielmehr eine vom Ursprung unabhängige Ein- heit. Gottes Niederfahren und Verwirren der Sprache, abstrakt formuliert: die Negation der Nicht-Zerstreuung, leistet erst eine Zerstreuung, die keinen ein- heitsstiftenden Grund mehr hat; denn nun gibt es weder einen positiven Rück- bezug zu Gottes Gebot, noch eine vom Ursprung unabhängige Einheit. Mit der Verwirrung der Sprache schafft Gott die Bedingung für die Unmöglichkeit des Vollendens. Die Nicht-Vollendung des Turms, das nicht vollendete Zeichen, wird zum Ort der Öffnung für eine Vielfalt, für ein Fremdes, das nicht auf eine vorgängige Einheit (als das Eigene) zurückbezogen werden kann. Babylon, der paradigmatische Ort des Exils, ist widersprüchlich. Das Erbauen von Stadt und Turm steht für Totalisierung, d. i. für ein Denken, das das Ande- re der Logik der Identität unterwirft. Zugleich steht Babylon für Zerstreuung, für Vertrieben-Werden aus einem identifizierenden Denken, was auch besagt: für die Chance des Hinübergehens zum Anderen als Anderem. Wenn man das konstitutive Anliegen und die konstitutive Leistung von Exilliteratur darin erkennen kann, Identität aus einer Narration zu begründen, die zwei Orte in Beziehung setzt, den Ort des Schreibens und den Ort der Zugehörigkeit, d. h. der Heimat als dem Bezugspunkt des Schreibens, so sind in der jüdischen Tradition diese beiden Orte - Babylon und Jerusalem - als in sich wider- sprüchlich bestimmt. Babylon ist der Ort des Exils, aber als Ort von Gemein- schaftsbildung durch Identifizieren und Totalisieren, in der jedoch eine ab- gründige Zerstreuung schon immer am Werke ist. Umgekehrt führt Jerusalem als das geistige und reale Zentrum des Judentums dessen Paradox mit sich, daß in die jüdische Gemeinschaftsbildung von jeher das Exil einbeschlossen ist. Das jüdische Schreiben des Exils findet in >Babylon< statt, das als Ort abgrün-

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