PHYSII{ALISC;H-TECHNISCHES .. J?UR PRAI{Tll{U~f ~IEDIZINER EINE EINFUHRUNG IN DIE ANWENDUNG VON MESSl\IETHODEN UND APPARATUREN VON DH.PHIL. AijFRED KRJ1JTHLOW EH EM. I. ASS ISTENT AM P HYSI KALIS CHEN INSTITUT DE R UN IVERS I 'l' AT BASE I, l\IIT 12i ABBILDU~GEN SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH 1930 ISBN 978-3-662-26858-2 ISBN 978-3-662-28324-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-28324-0 ALLE RECHTE. INSBESONOEI{E DAS DER UBERSETZUNG IN :FREMDE SPRACHEK, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1930 BY SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG URSPRUNGLICH ERSCHIENEN BEl JULIUS SPRINGER IN BERLIN 1930 Geleitwort. Die Ausbildung der Mediziner in Physik entspricht heute nicht mehr ihrer zunehmenden Bedeutung in Therapie und Diagnose. Mancherorts sucht man die Studierenden der Medizin in einem allgemeinen Anfanger praktikum auszubilden, doch ist der Erfolg in verschiedener Richtung aus zwei Grunden unerfreulich. Einmal fehlt es den Medizinern fiir die Aufnahme und innere Verarbeitung der propadeutischen Facher an Zeit, und dann sind die Anfangerpraktiken im allgemeinen fiir die Stu dierenden der Naturwissenschaften eingerichtet, indem darin das Messen und Berechnen mit aus allen Gebieten der Physik ausgewahlten Me thoden geubt vnrd. Dem Zeitmangel ist kaum abzuhelfen. Mir scheint aber, daB man die verfugbare Zeit rationeller fiir das Physikstudium ausnutzen solle. Nach verschiedenen Besprechungen mit Dozenten der Physiologic, der inneren Medizin und der Chirurgie, die alle eine bessere praktisch physikalische Ausbildung der Mediziner fordern, wurde in Basel ein Physikalisches Praktikum fiir Mediziner eingerichtet. Darin werden in einem zweistiindigen Kurs wahrend eines Semesters hauptsachlich medizinische Anwendungen der Physik mit den Studierenden durch genommen, wie z. B. Verwendung von Gleichstrom und Wechselstrom, Transformatoren, Pantostat, Diathermic, Rontgenapparaturen, Linsen, Brillen, Mikroskop usw. Dabei wird selbstverstandlich das Physi kalische, das Prinzipielle und nicht das Medizinische betont. Aile Be teiligten mussen sich an dem Zusammenstellen der Apparaturen, an den Experimenten und Messungen selbst. betatigen. Die Studierenden haben bei einem Praktikum das Empfinden, daB diese Behandlung des Stoffes im Gegensatz zu den Methoden eines naturwissenschaftlich rein quantitativ eingestellten Praktikums ihrer spateren Tatigkeit unbedingt forderlich und daB diese praktische Aus bildung zum Verstandnis und der technischen Handhabung der physika lisch-medizinischen Apparate notwendig sei. Da ein geeignetes Lehrmittel fUr dieses Praktikum fehlte, habe ich Herrn Dr. KRETHLOW veranlaBt, ein solches zu verfassen. DaB das Buch auf Anraten von Physiologen und Medizinern einen erweiterten Umfang angenommen hat, um auch Arzten und Klinikern in etwas spezielleren physikalisch-medizinischen Problemen dienlich zu sein, ist fast selbst verstandlich. Ich wtinsche dem kleinen Buche guten Erfolg. Basel, im Oktober 1929. Professor AUG. HAGENBACH V orsteher der physikalischen Anstalt der Universitat. a* Zur Einfiihrung. Das Buch von Herrn Dr. KRETHLOW client den gleichen Zwecken wie der physikalische Kursus fiir Mediziner, dem es auch seine Ent stehung verdankt. Dieser Kursus hat seit seinem Bestehen in Basel einen ausgezeichneten Erfolg, und ich bin Herrn Professor HAGENBACH dankbar, daB er ihn eingefiihrt hat. Die Notwendigkeit eines physika lischen Praktikums fiir Mediziner ist auch allgemein anerkannt worden, sodaB die gemischte Kommission von Arzten und Fakultatsvertretern fiir die Reform der schweizerischen Priifungsordnung ein Obligatorium empfohlen hat. Die immer zunehmende Anwendung physikalischer Methoden zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken hat dieses Bediirfnis geschaffen. Dem Medizinstudenten wird nicht nur durch einen solchen Kursus die Bedeutung der Physik fiir die arztliche Praxis in seiner ersten Studienzeit vor Augen gefiihrt, sondern die Beherrschung einer gewissen Technik erleichtert ihm auch in den spateren Semestern die Erlernung physiologischer und klinischer Methoden. Der Arzt steht den neu eingefiihrten und von den Firmen angepriesenen Apparaten viel sicherer gegeniiber, wenn er in der Physik nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch etwas ausgebildet ist. Als Anleitung zum physikalischen Praktikum fiir Mediziner ist das vorliegende Buch lebhaft zu begriiBen. Es bringt in zweckmaBiger Auswahl die fiir den Mediziner beim gegenwartigen Stand der Wissen schaft wichtigsten Methoden und macht sie in gut gegliickter Beschran kung auf das Notwendige und mit Vermeidung der dem Mediziner meistens unzuganglichen hoheren Mathematik verstandlich. Wir Kli niker wiinschen deshalb dem Buch eine recht weite Verbreitung. Basel, im Oktober 1929. Professor R. STAEHELIN Direktor der medizinischen U ni versitat sklinik. Vorwort. Fiir den Mediziner spielt die Anwendung physikalischer Wissens gebiete sowohl zur Erkennung und Behandlung von Krankheiten als auch zur Feststellung des Krankheitsverlaufes eine immer gri:iBere Rolle. Oft werden nur qualitative, immer mehr aber quantitative Unter suchungs- und MeBmethoden benutzt. Rasch und sicher muB eine Diagnose gestellt, ein Apparat in Betrieb gesetzt oder z. B. eine Strah lungsdosismessung vorgenommen werden konnen. Tausend ,,Kleinig keiten" sind dabei oft von ausschlaggebender Bedeutung. Urn diese Kleinigkeiten nicht zu iibersehen, ist eine genaue Kenntnis aller in Be tracht kommenden physikalischen Faktoren erforderlich. Nur durch ein alle Punkte iibersehendes Wissen ist das sichere Arbeiten und die Uberzeugung des Konnens gewahrleistet. Allerdings ist dazu ein gutes Gedachtnis Grundbedingung. Der in der Praxis stehende Arzt kann begreiflicherweise nicht immer den gerade in Betracht kommenden physikalischen Stoff gegenwartig haben, und der Anfanger muB ihn erst kennenlernen. In der Literatur existieren wohl einzelne Arbeiten und Werke, welche dem Mediziner zur Einfiihrung in Spezialgebiete dienen konnen, meines Wissens aber keines, das ihm in knappen Ziigen eine Ubersicht gibt iiber die wich tigsten, auf allen Zweigen der Physik fuBenden und in der Medizin lib lichen MeBmethoden und Apparaturen. Diese Lucke soll das vor liegende Biichlein ausfiillen. Urspriinglich war es nur als physikalisches, fiir den Mediziner speziell zugeschnittenes ,Praktikum" gedacht und zwar derart, daB in den einzelnen Kapiteln eine knappe theoretische Einleitung - womoglich ohne jede Mathematik - gegeben werden sollte mit daran anschlie Bender Ausfiihrung einer praktischen Messung. Wegleitend hierzu waren die Erfahrungen, die ich seinerzeit bei der auf Veranlassung meines friiheren Chefs, Herrn Professor Dr. A. HAGENBACH, vorgenommenen Ein richtung und darauffolgenden Mithilfe im Basler ,Medizinerpraktikum" sammeln konnte. Beim Ausarbeiten des Biichleins schien mir aber von Vorteil zu sein, diesen Rahmen etwas zu iiberschreiten und auch auf solche Methoden und Apparate einzugehen, welche nicht nur fiir eine der ausgefiihrten Messungen maBgebend sind, sondern auch fiir den Praktiker von Interesse sein diirften. Diese Erweiterung wurde mir auch von physiologischer und medizinischer Seite nahegelegt. Ich bin mir wohl bewuBt, daB vieles mit der gerade noch zutraglichen Kiirze beschrieben ist und daB der eine oder andere der Leser eine aus fiihrlichere Darstellung gewiinscht hatte. Das Biichlein stellt aber einen VI Vorwort. ersten Versuch dar, dem Mediziner in gedrangtester Form die bei den meisten seiner Arbeiten notigen physikalischen und technischen Kennt nisse zu vermitteln. Wenn ihm infolgedessen verschiedene Mangel an haften, so diirfte dies begreiflich sein und vom Leser mit giitiger Nach sicht beurteilt werden. Allen Lesern, welche die Liebenswiirdigkeit haben, mir Mangel, Unrichtigkeiten oder Wiinsche auf Erweiterungen mitteilen zu wollen, bin ich dankbar. In der Autorzitation bin ich mit gro13er Willkiir verfahren insofern, daB ich viele prominente Forscher nicht angefiihrt habe. Dies geschah nur zur Vermeidung jeder Weitschweifigkeit. Urn dem Wunsche tieferen Einarbeitens in Spezialgebiete wenigstens einigermaBen Rechnung zu tragen, habe ich den einzelnen Kapiteln kurze Literaturangaben beigefiigt. Die zitierten Arbeiten (fiir welche dasselbe gilt wie fiir die Autorzitation) weisen den Weg und geben ihrer seits Literatur, welche das ganze Spezialgebiet zuganglich macht. Denjenigen Lesern, welche sich besonders fiir physikalische MeBmetho den, deren erreichbare Genauigkeiten usw. interessieren, sei das fur den Experimentalphysiker als Standard geltende Lehrbuch der prak tischen Physik von F. KoHLRAUSCH (Teubner, Leipzig) aufs Warmste empfohlen. Er findet darin alles Wiinschenswerte. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. A. HAGENBACH fiir die Anregung zur Ausarbeitung dieses Biichleins und ihm sowie Herrn Prof. Dr. med. R. STAEHELIN fiir die in Iiebens wiirdiger Weise beigefiigten Begleitworte zu danken. Meinen besten Dank mochte ich auch dem Verlage, insbesondere Herrn Dr. F. SPRINGER, aussprechen sowohl fiir die Verlagsiibernahme und vorziigliche Aus stattung des Biichleins als auch sein zuvorkommendes Eingehen auf meine Wiinsche. Th un (Schweiz), im Oktober 1929. A. KRETHLOW. Inhaltsverzeiclmis. Seite I. w agungen 1 Waage und Wagungen 1 Dichtebestimmungen 8 Torsionswaagen 11 II. Optik . . . . . . . . 13 Linsengesetze, Brennweitenbestimmungen . 13 Mikroskope . . . . . . . . . 20 Drehung der Polarisationsebene 25 Spektralanalyse 33 Emissionsspektren . . . . . . 38 Absorptionsspektren . . . . . 40 Quantitative Absorptionsmessungen 48 Quarzlampen und Hohensonnenbestrahlungen . 5{) Die ultrarote Strahlung und deren Wirkung auf das Auge 64 III. Elektrizi tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Allgemeines und Widerstandsmessungen an festen Korpern 69 Widerstandsmessung bei Elektrolyten 74 Gleich- und Wechselstrom 77 Elektrische Me13instrumente . . . 82 Pantostaten und Anschlu13gerate 85 Temperaturmessungen . . . . . 87 Hochfrequenzstriime und Diathermie . 9{) Medizinische Praxis . . . . . 106 Diathermieapparate der Praxis 111 Rontgenstrahlen . . . . . . . 113 Hochspannungsapparate und Gleichrichter 130 Messung der Hochspannung . 135 Rontgenapparaturen . . . . 139 Hartemesser . . . . . . . . 14 7 Dosimeter oder Dosismesser . 149 Phantome und Felderwahler 157 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Gefahren und Schutzma13nahmen im Riintgenbetrieb 166 IV. Radioaktivitat 172 Radioaktive Familien 17 5 V. Haemodynamik . . . 185 Die Pulsfrequenz . . . 18{) Pulsform . . . . . . 188 Absolute Druckmessungen . . 192 Bestimmung des Minimal- und des Maximaldruckes nach der Schwin- gungsmethode . . . . . . . 19{) Volumbolometrie . . . . . . . . . . . . . . . . 198 VI. Elektrokardiographie . . . . . . . . . . . . . 205 VII. Analyse von Herztiinen und Atemgerauschen 214 VIII. Elektrische Felder physiologischen Ursprunges 225 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 I. 'Vagungen. Waage und Wagungen. Die Waage dient zur Massenbestimmung. Sie ist eines der am meisten verbreiteten und zugleich das genauesteMeBinstrument und wird deshalb zu vielen Untersuchungen verwendet. In der Biologie z. B. werden chemische, d. h. stoffliche Anderungen mit Vorliebe mit der Waage ausgefUhrt. Bei einer guten Analysenwaage kann man im Durchschnitt bt.s 100 g B e1 a stung 0 , 1 mg nach we1. sen, d . h . 0•1000001,". , g 10010 000 T e1' I d er zu wagenden GroBe. Ohne aile VorsichtsmaBregeln zu beriicksichtigen, den Millionstel, eine Genauigkeit, die bei anderen physikalischen Messungen selten erreicht wird. Die Masseneinheit, das Gramm, ist definiert als der tausendste Teil des im ,Bureau International des Poids et Mesures" in Sevres bei Paris aufbewahrten Normalkilogramms. Sie entspricht mit einer sehr kleinen Abweichung der Masse eines Kubikzentimeters Wasser von 4° C. Jede Masse unterliegt der Gravitation. Sie wird von der Erde an gezogen mit einer Kraft, welche 980 Dynen im Mittel entspricht. Das Produkt aus der Masse eines Korpers und der anziehenden Kraft der Erde bezeichnet man als Gewicht des Korpers. Die anziehende Kraft der Erde ist auf ihrer Oberflache an verschiedenen Breitengraden, der Erdabplattung wegen, etwas verschieden. Die Masse eines Korpers wird dadurch nicht beriihrt, wohl aber-wenn auch in bescheidenem MaBe sein Gewicht. In praxi setzt man gleichwohl immer Masse gleich Ge wicht. Die Ausfiihrungsformen der Waagen sind je nach ihrem Verwendungs zwecke verschieden. Fur wissenschaftliche Untersuchungen und da, wo man an genaue Bestimmung nicht zu groBer Massen gebunden ist, wie z. B. bei der Verabreichung bestimmter Dosen von Giftstoffen und Heilmitteln an Patienten, beniitzt man die Laboratoriumswaage (vgl. Abb. 1). Sie besteht aus einer festen Saule, auf welcher der mit einer Stahlschneide versehene und auf einer Stahl- oder Achatplatte ruhende Waagebalken liegt. Auf heiden Seiten des Waagebalkens haugen die Waagschalen, ebenfalls gelagert mit Stahlschneiden auf Stahl- bzw. Achatplatten. Ander Mitte des Waagebalkens ist vertikal abwarts ein Zeiger (Nadel) befestigt, dessen Ausschlag auf einer Skala abgelesen wird. Die Waage kann durch Drehen eines Griffes arretiert werden, wodurch Waagebalken und Waagschalen von ihren Lagern gehoben werden. Das gauze W aagensystem ist in einem Glaskasten mit vorderer und seitlichen Glastiiren eingeschlossen. Krethlow, Physik. 1 2 Wagungen. Legt man auf eine Schale z. B. die linke, den zu wagenden Korper, so besteht seine Wagung darin, das durch ihn hervorgerufene Dreh moment mittels auf die rechte Schale gelegter Massen zu kompensieren. Eine Wagung fallt aber nur dann richtig aus, wenn die Waage vom Konstrukteur in allen Punkten ordnungsgemaB aufgebaut ist und aile an sie zu stellenden Anforderungen beriicksichtigt sind. Auch bei guten Konstruktionen ist es nicht ausgeschlossen, daB sich das eine oder andere Konstruktions element mit der Zeit andert und deshalb ofters eine Kontrolle der W aagen notwendig ist. W ora uf es hierbei ankommt, soli im fol genden an Hand der Abb.2 kurz besprochen werden. Die Abbildung zeigt schematisch die Kon struktion einer Waage. A sei die Schneide der Balkenauflage am fe sten Stander, B und C die Schneiden, auf wei chen die Bugel der Waagschalen aufliegen und s der Schwer punkt des Waagebal Abb. 1. Prazisionswaage. kens. Auf jeder der heiden Schalen P und P' liege dieselbe Masse M (hzw. M'). Offenhar sollte dann die Waage keinen Ausschlag gehen; denn es sind die heiden Drehmomente, welche aus dem Produkt von Kraft M · g hzw. M' · g (g = Gravitationskonstante) und Hehelarm AB hzw. AC gehildet werden, einander gleich. Gibt die Waage trotz der Gleich- [8 AI c heit der heiden Massen M einen Ausschlag, so hedeutet dies, daB die Schneidenahstande AB und AC nicht gleich groB sind. Der durch diese Ungleichheit hei Wagungen hervorgerufene Feh f' ler ist proportional dem Verhaltnisse der heiden Hehelarme. Wagt man verschiedene Massen Abb, 2. Schema der Waage. und legt hierb ei jedesma 1 d ie Gewich tstuck e auf dieselbe, z. B. die rechte Schale, so werden samtliche gewogenen Massen urn einen hestimmten Faktor, namlich das Verhaltnis der heiden Hehelarme zueinander, zu groB oder zu klein. Wenn die Massen von Kor pern nur relativ zueinander hekannt sein sollen, wie dies hei Dichtehe· stimmungen, chemischen Analysen usw. der Fall ist, so fallt eine Un gleicharmigkeit des Waagehalkens auBer Betracht, vorausgesetzt, daB die zu wagenden Massen immer auf dieselhe Schale gelegt werden. Bei