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Philosophie der Epochenschwelle: Augustin zwischen Antike und Mittelalter (Quellen und Studien zur Philosophie) PDF

305 Pages·2008·0.83 MB·German
by  Seele
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Preview Philosophie der Epochenschwelle: Augustin zwischen Antike und Mittelalter (Quellen und Studien zur Philosophie)

Philosophie der Epochenschwelle: Augustin zwischen Antike und Mittelalter Peter Seele Walter de Gruyter PPeetteerr SSeeeellee PPhhiilloossoopphhiiee ddeerr EEppoocchheennsscchhwweellllee ≥≥ QQuueelllleenn uunndd SSttuuddiieenn zzuurr PPhhiilloossoopphhiiee HHeerraauussggeeggeebbeenn vvoonn JJeennss HHaallffwwaasssseenn,, DDoommiinniikk PPeerrlleerr,, MMiicchhaaeell QQuuaannttee BBaanndd 8800 WWaalltteerr ddee GGrruuyytteerr ·· BBeerrlliinn ·· NNeeww YYoorrkk PPhhiilloossoopphhiiee ddeerr EEppoocchheennsscchhwweellllee AAuugguussttiinn zzwwiisscchheenn AAnnttiikkee uunndd MMiitttteellaalltteerr vvoonn PPeetteerr SSeeeellee WWaalltteerr ddee GGrruuyytteerr ·· BBeerrlliinn ·· NNeeww YYoorrkk GGeeddrruucckktt mmiitt UUnntteerrssttüüttzzuunngg ddeerr DDeeuuttsscchheenn FFoorrsscchhuunnggssggeesseellllsscchhaafftt ((DDFFGG)) (cid:2)(cid:2)(cid:2)(cid:2) GGeeddrruucckkttaauuffssääuurreeffrreeiieemmPPaappiieerr,, ddaassddiieeUUSS--AANNSSII--NNoorrmmüübbeerrHHaallttbbaarrkkeeiitteerrffüülllltt.. 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Er stellt daher eine nahezu ideale Figur dar, wenn man die Frage abhandeln will, wie sich historische Transformationsprozesse beschreiben und interpretieren lassen.Hinzukommt,dasssichauf AugustinuseinegewaltigeMengevon philosophischen, theologischen, historischen und philologischen Unter- suchungen bezieht; seine Person und sein Werk gehçren zu den bester- forschten Themen der westlichen Geistesgeschichte (cid:3)berhaupt. Seele nutzt diese Chance, indem er in souver(cid:4)nem R(cid:3)ckgriff auf die vorhan- dene Forschung neue Akzente in der Bewertung der Figur des Kirchen- vaters setzt. Augustinus von Hippo (354–430) ist neben Descartes und Kant vielleicht der einzige Autor aus der westlichen Philosophiegeschichte, der uns glauben l(cid:4)sst, das ansonsten verfemte Epochenschema von Antike, Mittelalter und Neuzeit kçnne doch noch ein Kçrnchen Wahrheit be- sitzen. Denn in Augustins Biographie und seinem Denken kommen die Spannungen und Ambiguit(cid:4)ten (Seele spricht hier von ,Fuzziness‘) einer (cid:2)bergangszeit in erstaunlich deutlicher Form zum Vorschein. Einerseits bildet die intellektuelle und politische Welt der Antike den festen Be- zugspunkt des Augustinus. Der Kirchenvater gehçrt dem Diskussions- kontext der antiken Philosophie an, deren intellektualistische Grund- haltung er (cid:3)bernimmt und an deren Themen, Lehrgehalten und Me- thoden er sich auch dann orientiert, wenn er spezifisch christliche The- men behandelt. Dasselbe gilt f(cid:3)r den politisch-religiçsen Kontext. Noch in Augustins fr(cid:3)hem Erwachsenenalter diskutierte man im christlich gewordenen Rom (cid:3)ber eine Wiederzulassung der heidnischen Kultord- nung und (cid:3)ber eine mçgliche Restitution der paganen Staatstheologie; VI Christoph Horn beides wurde schließlich von Christen wie dem Mail(cid:4)nder Bischof Am- brosius verhindert. Andererseits erweisen sich in Augustins Leben Fak- toren als bestimmend, die auf die Vçlkerwanderungszeit und das Mit- telalter vorausweisen. Seine Lebenszeit f(cid:4)llt in die Phase des endg(cid:3)ltigen Niedergangs des westrçmischen Reichs. Die Einnahme Roms durch die Westgoten am 24.August 410 kommentierte er in dem ausf(cid:3)hrlichen Werk De civitate Dei; und er starb im August 430 in Hippo Regius w(cid:4)hrend einer Belagerung der Stadt durch die Vandalen. Eine wichtige Bemerkung ist hier, dass die Epochenbezeichnung ,Sp(cid:4)tantike‘ innerhalb der Philosophiegeschichte erheblich problemati- scher ist als im Fall der politischen Geschichte. Denn w(cid:4)hrend es (cid:3)ber- zeugend wirkt, die Antike in dem Zeitraum zwischen dem Beginn der Vçlkerwanderung (die in der Schlacht bei Adrianopel im Jahr 378 den Hçhepunkt der Auseinandersetzung findet) und der Auflçsung des westrçmischen Reichs (durch die Absetzung von Kaiser Romulus Au- gustulus im Jahr 476) enden zu lassen, gibt es eine weitgehend koh(cid:4)rente philosophisch-literarische Entwicklung zwischen dem dritten und dem achten Jahrhundert, eine Entwicklung also, die von der politischen Diskontinuit(cid:4)t der Vçlkerwanderungszeit nicht wesentlich ber(cid:3)hrt wird. Heidnische Autoren wie die Neuplatoniker Plotin, Porphyrios und Pro- klos und christliche Philosophen wie Marius Victorinus, Pseudo-Dio- nysius Areopagita, Boethius und Gregor der Große gehçren derselben intellektuellenGesamtszeneriean.Esscheintdahernichtangemessen,bei der Festlegung von philosophiehistorischen Epochengrenzen der allge- meinen Geschichte zu folgen; in der Philosophiegeschichte d(cid:3)rfte es ratsamer sein, unter der Sp(cid:4)tantike den Zeitraum ungef(cid:4)hr zwischen 250 und 700, also grob zwischen dem Regierungsantritt Kaiser Diokletians (284) und dem Tod des englischen Gelehrten Beda (735), zu verstehen. Philosophisch-literarisch gesehen liegen die markanten Einschnitte und Neuorientierungen im dritten und im achten Jahrhundert. Nun kann man die so definierte Sp(cid:4)tantike mit einigem Recht auch als eine Art von ,Proto-Mittelalter‘ bezeichnen. Denn die im westlichen Mittelalter zug(cid:4)nglichen antiken Texte wurden in dieser Zeit ausgew(cid:4)hlt, ins Lateinische (cid:3)bersetzt und in maßgeblicher Form kommentiert. Mehr noch, in dieser Zeit fand die f(cid:3)r das Mittelalter wesentliche Begegnung der antiken Kultur mit dem Christentum statt; f(cid:3)r die Herausbildung einer selbst(cid:4)ndigen christlichen Literatur, Theologie und Philosophie vollziehen sich hier die entscheidenden Weichenstellungen. Sogar das dogmatische Grundger(cid:3)st des Christentums wird auf den Konzilien dieser Epoche (und das heißt bis zu einem gewissen Grad auch im Geist Augustinus als Philosoph einer Epochenschwelle VII dieser Epoche) formuliert. Was die philosophische Fortwirkung der Sp(cid:4)tantike anlangt, so lassen sich mittelalterliche Ph(cid:4)nomene wie die Dominanz des Platonismus, die bis ins 13.Jahrhundert reicht, die Konzeption eines „nach Erkenntnis suchenden Glaubens“ (fides quaerens intellectum), die Konzeption der sieben freien K(cid:3)nste (septem artes libe- rales) oder auch die hochdifferenzierte Kommentierungstechnik (ein- schließlich der philosophisch-allegorischen Schriftauslegung) erst im BlickaufdiesehistorischeKonstellationerkl(cid:4)ren.Eswarendief(cid:3)hrenden christlichen Platoniker Augustinus, Dionysius und Boethius, die f(cid:3)r das fr(cid:3)he, aber auch noch f(cid:3)r das hohe Mittelalter eine pr(cid:4)gende Wirkung entfalteten. Vor allem Augustinus, der ein gewaltiges Textcorpus von mehr als einhundert Schriften hinterlassen hat, bildete mit seinem Werk – so l(cid:4)sst sich ohne (cid:2)bertreibung sagen – eine zentrale und maßgebliche Grundlage der mittelalterlichen Philosophie. Wenn es zutrifft, dass Augustinus f(cid:3)r das europ(cid:4)ische Mittelalter der zentrale Vermittler und Interpret antiker Philosophie ist, dann l(cid:4)sst sich vermuten, dass dem Kirchenvater einige der Innovationen zuzuschreiben sind, die die Philosophie des Mittelalters und der Neuzeit gegen(cid:3)ber der Antike aufweist. Vergleichende Untersuchungen zur Philosophiege- schichte erkennen ihm bekanntlich zahlreiche bedeutende Neuerungen zu. Wie berechtigt diese Zuschreibungen sind, dar(cid:3)ber gehen die Mei- nungenderPhilosophiehistoriker allerdingsweitauseinander.Miteiniger Wahrscheinlichkeit ist der Bischof von Hippo derjenige, der erstmals ausf(cid:3)hrlich einen dezisionistischen Willensbegriff formuliert hat, wie er imSp(cid:4)tmittelalterund inderNeuzeit re(cid:3)ssierte. Auf Augustinusgeht die neuzeitliche Konzeption einer epochen(cid:3)bergreifenden, die Weltge- schichte interpretierenden Geschichtsphilosophie zur(cid:3)ck; ebenso d(cid:3)rfte das cartesische Cogito von ihm inspiriert sein. H(cid:4)ufig wird behauptet, Augustinus sei der Entdecker des subjektiven Zeiterlebnisses im Unter- schied zur physikalischen Außenzeit. Zwar nicht als erster, aber doch in maßgeblicher Form hat der Kirchenvater Wçrter als Zeichen interpre- tiert; mit seinem Namen ist zudem eine fr(cid:3)he Formulierung des ,se- miologischen Dreiecks‘ in der Zeichentheorie verbunden. Augustinus hat sich darum bem(cid:3)ht, das Substanz-Akzidens-Verh(cid:4)ltnis um eine Theorie derRelationenzuerg(cid:4)nzen.Vermutlichister(cid:3)berdiesderersteAutor,der die Einheit seiner komplexen Biographie als philosophisches Problem erfasst. Nat(cid:3)rlich laden Augustins Innovationen zu pointierten Wertungen ein, die entscheidende Fortschritte oder fatale Fehlentwicklungen mit seinem Werk verkn(cid:3)pfen wollen. Gerade die zuletzt genannte Leistung VIII Christoph Horn des Bischofs von Hippo findet sich h(cid:4)ufig in geistesgeschichtlichen Entwicklungstheorien. Man behauptet etwa, Augustinus habe in den Confessiones die moderne Identit(cid:4)t mit ihren Charakteristika Freiheit, Einsamkeit, Schulderfahrung und Gebrochenheit antizipiert und maß- geblich vorbereitet. Augustinus, der Ahnherr der cartesischen Erkennt- nistheorie, habe mit seiner Wendung nach innen einen verh(cid:4)ngnisvollen Schritt vollzogen: auf ihn gehe der moderne ,Irrweg‘ einer Ansetzung ,innerer Gegenst(cid:4)nde‘und eines weltlosen Ich zur(cid:3)ck. Charles Taylor hat in seiner bedeutenden Studie Quellen des Selbst die Genese des modernen Selbstbewusstseins untersucht und dabei die, wie er meint, problemati- sche Tendenz der Moderne herausgestellt, die „innere Stimme meiner wahren Empfindungen“ dar(cid:3)ber befinden zu lassen, was gut ist (vgl.1994: 630). Indem Taylor die Bedeutung Augustins f(cid:3)r die carte- sische Erkenntnistheorie hervorhebt, behauptet er, der Kirchenvater habe mit der Wendung nach innen einen verh(cid:4)ngnisvollen ersten Schritt zur Subjektivierung der Wirklichkeit vollzogen: auf Augustinus lasse sich die moderne,Verirrung‘einerAnsetzunginnererObjekteundeinesweltlosen Ich zur(cid:3)ckf(cid:3)hren. Mit Blick auf solche (cid:2)bergangsph(cid:4)nomene, deren Reichweite man vern(cid:3)nftig einsch(cid:4)tzen sollte, leistet Peter Seeles Buch Wesentliches, be- sonders durch die n(cid:3)tzliche Unterscheidung von Big Bang- und Gra- dualismus-Perspektive. Seeles Untersuchung hilft uns, falsche Zuspit- zungen zu vermeiden und pointierte Entgegensetzungen miteinander zu vermitteln.DiePh(cid:4)nomenevon(cid:2)berlappungundUnsch(cid:4)rfesindes,auf die Seele aufmerksam macht. Augustinus hat in seinen Confessiones gleichsam das Genre der selbstkritischen, ja geradezu selbstentlarvenden Autobiographie erfunden. Er scheint der erste gewesen zu sein, der seine persçnlicheEntwicklungmitihrenkontinuierlichenLinienwiemitihren Bruchstellen schonungslos und freim(cid:3)tig dargestellt hat. Insofern ist es von besonderem Interesse, gerade ihn zum Gegenstand einer Analyse der innovativen und beharrenden Faktoren zu machen, die f(cid:3)r jeden Um- bruch charakteristisch sind. Danksagungen Die Dissertation istentstanden amInstitutf(cid:3)r Philosophie derHeinrich- Heine-Universit(cid:4)t D(cid:3)sseldorf und wurde von Prof. Dr. Christoph Kann und Prof. Dr. Dieter Birnbacher formal wie inhaltlich durch regelm(cid:4)ßige Gespr(cid:4)che und philosophische Erçrterungen einzelner Fragen bestens betreut.EingebettetwardieArbeitindenKontextdesvonderDeutschen Forschungsgemeinschaft gefçrderten Graduiertenkollegs „Europ(cid:4)ische Geschichtsdarstellungen“und hier mçchte ich namentlich den Sprechern Prof. Dr. Johannes Laudage und Prof. Dr. Wilhelm Busse sowie dem ProfessoriumundmeinenMitkollegiatenf(cid:3)rvieleantreibendeGespr(cid:4)che danken. Die Disputation ist (cid:3)ber die formale Notwendigkeit hinaus zu einem fruchtbaren Gedankenaustausch insbesondere (cid:3)ber die Bekehrung Au- gustins und deren Auswirkungen auf dessen philosophisches Werk ge- worden. Neben Prof. Dr. Kann und Prof. Dr. Birnbacher nahmen an diesem Gespr(cid:4)ch Prof. Dr. Vittoria Bors(cid:5) als Vorsitzende der Kommis- sion, sowie Prof. Dr. Volker Beeh und Jun. Prof. Dr. Achim Landwehr teil. Abgesehen von den universit(cid:4)tsinternen Gespr(cid:4)chen trug der Aus- tausch der hier behandelten Forschungsfrage mit einer Reihe von Wis- senschaftlern zum Gelingen der Arbeit bei. Dem zwanglosen Ge- spr(cid:4)chskreis von Philosophen der Universit(cid:4)ten Bonn, Kçln und D(cid:3)s- seldorf verdanke ich wesentliche Verbesserungen der Arbeit sowie die Umschiffungen begrifflicher Unw(cid:4)gbarkeiten. Hier mçchte ich insbe- sondere Prof. Dr. Christoph Horn (Bonn) sowie Prof. Dr. Andreas Speer (Kçln) danken. Besondere Achtung gilt Prof. Dr. Rudolf zur Lippe, bei dem ich in Oldenburg studiert habe und der die akademische Konzentration auf (cid:2)berg(cid:4)nge und Schwellen als philosophischen Topos maßgeblich gefçr- dert hat. Dieses gemeinsame Gespr(cid:4)ch dauert seit (cid:3)ber zehn Jahren an. Prof. Dr. J(cid:3)rgen Werner (Witten/Herdecke) mçchte ich als ausgesuchten Kenner und Gespr(cid:4)chspartner Hans Blumenbergs erw(cid:4)hnen. Unser an- haltendes Gespr(cid:4)ch begr(cid:3)ndet und begleitet unsere langj(cid:4)hrige Zusam-

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