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Philolog und Kultfigur: Friedrich Nietzsche und seine Antike in Deutschland PDF

293 Pages·1999·27.11 MB·German
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Philolog und Kultfigur Henry van de Velde (1863-1957): Tempel für ein Nietzsche-Denkmal in Wei mar: vierter und endgültiger Entwurf, ca. Mai/Juni 1912. Auf Bitten Harry Graf Kesslers begann van de Velde im April 1911 mit einer Reihe von Entwürfen für die Anlage, die aus »Tempel«, Schwimmbecken und Stadion bestehen sollte. Vier Phasen hat der Kunsthistoriker Günther Stamm (1973175) unterschieden. Van de Velde beginnt - wohl unter dem unmittelbaren Einfluß von Kesslers entschieden graecisierender Vorgabe - im Stile des akademischen Klassizismus mit einer griechischen Tempelfront, modifiziert diese in einer zweiten Phase und bricht den Versuch ab. Der dritte und der vierte und letzte Entwurf sind Zeugnis einer »ausdrucksvolleren Formensprache«, der »massive(n) und simple(n) Monumentalität dessen, was man >assyrische< grandeur genannt hat« (Stamm, S.324). Dieses Monument soll Nietzsches »Weltanschauung verkörpern« und als Kultort dienen, nicht griechisch, nicht christlich, sondern modern in assyrischer Größe. Es ist eine gelehrte »Transposition der Persönlichkeit Nietzsches in eine große architektonische Formel« (Kessler), »expressiv«, nicht »constructiv«, d.i. nicht klassizistisch, sondern »großer Stil«. Van de Velde liest Nietzsche, um sich »mit seinen Gedanken und Vorstellungen über Architektur vertraut zu machen«, und findet: »Architektur ist eine Art Macht-Beredsamkeit in Formen, bald überredend, selbst schmeichelnd, bald bloss be fehlend. Das höchste Gefühl von Macht und Sicherheit kommt in dem zum Ausdruck, was grossen Stil hat. Die Macht, die keinen Beweis mehr nöthig hat; die es verschmäht zu gefallen ... ein Gesetz unter Gesetzen.« (GD, Streifzüge eines Unzeitgemässem, 10). Die Planungen wurden nicht verwirklicht. Bibliographische Notiz: G. Stamm, .Monumental Architecture and Ideology: Henry van de Velde's and Harry GrafKeller's Project for a Nietzsche Monument at Weimar, 1910-14.« In: Gentse Bijdragen tot de Kunstgeschiedenis 23 (1973-75) 303-342; Abb. nach dieser Veröffentlichung, Original in der Bibliotheque Royale, Brüssel; zu der Charakterisierung »assyrische grandeur« vgl. EN. Bohrer, s.v. •A ssyrian Revi val«. The Dictionary ofArt, London 1996, Bd. 2,642 f. (mit Literatur) - H. van de Velde, Geschichte meines Lebens, herausgegeben und übertragen von Hans Curjel, München 1962; 21986; die Zitate S. 351f. Vgl. .Der Nietzsche-Kult in Weimar I«, in diesem Band. Hubert Cancik Hildegard Cancik- Lindemaier Philolog und Kultfigur Friedrich Nietzsche und seine Antike in Deutschland Verlag J. B. Metzler Stuttgart . Weimar 1999 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Cancik, Hubert: Philolog und Kultfigur : Friedrich Nietzsche und seine Antike in Deutschland / Hubert Cancik ; Hildegard Cancik-Lindemaier. - Stuttgart ; Weimar: Metzler, 1999 ISBN 978-3-476-01676-8 ISBN 978-3-476-01676-8 ISBN 978-3-476-03778-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03778-7 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtIich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 1999 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1999 Inhalt Vorwort.............................................. IX I PHILOLOGICA Otto Jahns Vorlesung »Grundzüge der Archäologie« (Bonn, Sommer 1865) in den Mitschriften von Eduard Hiller und Friedrich Nietzsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Nietzsches »Mysterienlehre« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 35 Das Thema »Religion und Kultur« bei Friedrich Nietzsche und Franz Overbeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 51 »Philologie als Beruf«. Zu Formengeschichte, Thema und Tradition der unvollendeten vierten Unzeitgemäßen Friedrich NietZsches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 69 11 PHILHELLENISMUS, JUDENTUM, CHRISTENTUM »Mongolen, Semiten, Rassegriechen«. Nietzsches Umgang mit den Rassenlehren seiner Zeit ........... 87 Der »psychologische Typus des Erlösers« und die Möglichkeit seiner Darstellung bei Franz Overbeck und Friedrich Nietzsche .......................... 105 Nietzsches Antike und die jüdische Kritik ............ 131 III KULT UND BILDUNGSREFORM Formen der Nietzsche-Rezeption in Deutschland. Archiv, Bewegung, Gesellschaft, Kult, Museum und Bestand 153 Der Nietzsche-Kult in Weimar (I). Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der wilhelminischen Ära ........ 179 VIII INHALT Der Einfluß Friedrich Nietzsches auf Berliner Schul- kritiker der wilhelminischen Ära ................... 205 Der Einfluß Friedrich N ietzsches auf klassische Philologen in Deutschland bis 1945. Philologen am Nietzsche-Archiv (I) ............................. 231 Der Nietzsche-Kult in Weimar (11). Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der nationalsozialistischen Ära (1942-1944) .................................... 251 Literaturverzeichnis ............................. 278 Nachweis der Erscheinungsorte .................... 286 Register ....................................... 288 VOIWort 1. »Philolog« hat Nietzsche sich genannt: den Anspruch, der mit diesem Titel verbunden ist, hat er auch in seinen letzten Schriften nicht aufgegeben. Der Titel dient hier dazu, die wissenschaftliche und pädagogische Seite seiner Tätigkeit zu bezeichnen: Student und Professor der klassischen Philologie, Lehrer und Schulreformator, geistesaristokratischer Kritiker der Moderne und des bürgerlichen Humanismus. "Kultfigur« wurde Nietzsche durch die Selbststilisierung seines Lebens und den Verehrungsdrang schon seiner frühesten Anhänger: der Ausdruck »Nietzsche-Kult« ist bereits vor 1900 in Gebrauch. >Kultfigur< bezeichnet jene Rezeptionsweise, die Symbole, Lcbcns daten, Andenken zu einer mythischen und kultischen Konstellation formt. Durch Feiern, Totenehrung und heroisierende Darstellung werden die Elemente der geschichtlichen persona neu konfiguriert, auratisiert, als Kultfigur konstruiert. Bald nach Nietzsches Tod ist ein vielfältiger Nietzsche-Kult in Weimar eingerichtet: zunächst als bescheidener Totenkult, mit umfangreicher Hagiographie, in klei nen Lesezirkeln, bald aber mit monumentaler Planung und großer Architektur. Mit den Stichworten >Philolog< und >Kultfigur< werden nur Aus schnitte aus Nietzsches Tätigkeit und seiner Rezeption erfaßt. Der Philosoph und Poet, seine Philosophie und ihre Quellen sind aus gespart. Zentrum ist die Antike und Nietzsches Antike, wie er sie von der Bonner Studienzeit bis zu seiner Abrechnung mit dem antiken Judentum und Christentum im Jahre 1888, kurz vor seinem Zusam menbruch, aufgebaut hat.1 Nietzsche der Philolog führt in die päd agogischen Reformbewegungen seiner Zeit, zu Gymnasialreform und Jugendbewegung. Nietzsches Antike hat eine mehr oder we niger verborgene Anziehungskraft auf klassische Philologen in der wilhelminischen, Weimarer und nationalsozialistischen Ära. In Nietzsches Antikenkonstruktion werden Modelle von Psychologie und Religionssoziologie sichtbar; besonders schwierig und folgen reich ist seine Verflechtung von Griechenliebe und Judenfeind schaft. 2. Die Aufsätze, die hier zusammengestellt sind, entstanden in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren. Sie sind aus Vorträgen entstanden, für ein bestinnntes Publikum, bei besonderen Anlässen. 1 Vgl. Cancik, Nietzsches Antike, 1995, dazu: E. Behler, .Nietzsche und die Antike«, in: Nietzsche-Studien 26 (1997) 514-528. Vgl. ders., in: Internatio nal Journal ojthe Classical Tradition 4.3 (1998/1999). x VORWORT Ihre Zufälligkeit und Uneinheitlichkeit ist nicht durch Überarbei tung retouchiert worden. Von der Korrektur offensichtlicher Fehler abgesehen, wurden keine Veränderungen vorgenommen, gelegent liche Wiederholungen sind in Kauf genommen. Neue Literatur wurde nicht eingearbeitet. Auch die Danksagungen wurden in ihrer einstigen Fonn belassen, obschon viele der dort Genannten inzwi schen Titel und Ämter erworben haben. Auf allen hier berührten Gebieten sind die Fortschritte der For schung erheblich. Die kritische Edition von Nietzsches Nachlaß schreitet voran; gleichzeitig wachsen die Ansprüche an die Aus gaben, die Editionsprinzipien und die Reflexion über Textarten und Textstufen verfeinern sich ständig. Einige Beobachtungen und Be denken zu der Gestaltung der bewundernswerten Kritischen Ge samtausgabe durch Giorgio Colli und Mazzino Montinari haben die Verfasser als kritische Benutzer seit einigen Jahren formuliert.2 Neue Ansätze für die Bewältigung der enonnen Manuskriptmasse im Nietzsche-Archiv ergaben sich durch die Erforschung der Entste hung dieser Sammlung3 und durch die Erprobung neuer Editions prinzipien.4 Die Nietzsche-Forschung wird zunehmend unterstützt durch die Publikation von Korrespondenzen seiner Freunde5, sowie die Neuausgabe der Werke und die Erschließung des Nachlasses von Franz Overbeck (OWN). Die Erforschung von Nietzsches Quellen und seiner Wirkung, seiner Bibliothek und seiner Lektüren werden weiter gefördert; durch die Erschließung seiner Zeitschriften und Zeitungen gelingt es immer mehr, Nietzsehe den Leser und Verar- 2 1989 auf einem von Siegfried Jäkel organisierten Kongreß der Universität Turku, 1990 in einem Colloquium der Maison des Sciences de I'Homme, Paris. Dieses Colloquium wurde von den Organisatoren Dominique Bourel und Jacques Le Rider publiziert unter dem Titel De Sils-Maria a Jerusalem. Nietzsche et le judalsme - Les intellectuels juifs et Nietzsche, Paris 1991; darin (S.21-46): Cancik/Cancik-Lindemaier »Philhellenisme et antisemi tisme en Allemagne. Le cas Nietzsehe«. 3 Eine materialreiche Dokumentation zur Geschichte des Nietzsche-Archivs hat David M. Hoffmann 1991 vorgelegt. 4 W. Groddeck, »>Vorstufe< und .Fragment«<, in: M. Stern (Hg.), Iextkonstitu tion bei mündlicher und bei schriftlicher Überlieferung, Tübingen 1991, 165-175; M. Kohlenbach u. W. Groddeck, »Zwischenüberlegungen zur Edi tion von Nietzsches l\fachlaß«, in: Iext Kritische Beiträge 1 (1995) 21-39; -Editorische Vorbemerkung«, in KGW III 5,1, 1997 (hg. von Michael Koh lenbach und Marie-Luise Haase). 5 Franz Overbeck -Heinrich Köselitz. Briefwechsel. Herausgegeben und kom mentiert von D.M. Hoffmann. N. Peter, T. Salfinger, Berlin - New York 1998; Andreas Urs Sommer, Der Geist der Historie und das Ende des Christentums. Zur »Waffengenossenschajt« von Friedrich Nietzsche und Franz Overbeck, Berlin 1997; Niklaus Peter, Im Schatten der Modernität. Franz Overbecks Weg zur »Christlichkeit unserer heutigen Theologie«, Stuttgart - Weimar 1992; Franz Overbeck - Erwin Rohde. Briefiuechsel. Herausgegeben und kommentiert von Andreas Patzer, Berlin - New York 1990.

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