J. SCHÖPF Pharmakot erap· e der Schizophrenie Unter Mitarbeit von C. Bryois, P. Eich, T. Huber und F. Seywert Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage STEINKOPFF Priv.-Doz. Dr. med. ]OSEF SCHÖPF Steinwiesstrasse 32 CH-8032 Zürich E-Mall: [email protected] www.schoepf-psychiatrie.ch ISBN 978-3-7985-1437-9 ISBN 978-3-7985-1950-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-7985-1950-3 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte. insbesondere die der übersetzung. des Nachdrucks. des Vortrags. der Entnahme von Abbildungen und Tabellen. der Funksendung. der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. bleiben. auch bei nur auszugsweiser Verwertung. vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Ein zelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bun desrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. hup://www.steinkopff.springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 200 I. 2004 Ursprünglich erschienen bei SteinkopffVeriag Darmstadt Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen. Handelsnamen. Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme. dass solche Na men im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwen der im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Verlagsredaktion: Sabine Ibkendanz - Herstellung: Klemens Schwind Umschlaggestaltung: Erich Kirchner. Heidelberg Satz: K+ V Fotosatz GmbH. Beerfelden SPIN 10957387 85/7231 - 5 4 3 2 1 - Gedruckt auf säurefreiem Papier Vorwort zur zweiten Auflage Die modernen atypischen Neuroleptika etablieren sich als Substanzen der ersten Wahl bei der Schizophreniebehand lung. Sie stellen hinsichtlich Effizienz und Vertraglichkeit einen echten Fortschritt der Therapie dar. In relativ rascher Abfolge werden neue Antipsychotika eingefuhrt, Auch diese neuen Substanzen weisen gewisse somatische Risiken auf, die der behandelnde Arzt kennen und angemessen berucksichtigen muss. Zu Recht widmet man heute bei psychischer Krankheit der somatischen Ge sundheit mehr Aufmerksamkeit als frtiher, Die vorliegende uberarbeitete und erweiterte zweite Auf lage gibt unter Berticksichtigung der neuen Entwicklungen einen Uberblick tiber die moderne Therapie mit Antipsycho tika. Zurich und Lans/Tirol, JOSEF SCHOPF im September 2003 Inhaltsverzeichnis Therapie mit Neuroleptika, sonstige biologische Therapien . Aligemeines 1 Einteilung der Neuroleptika 2 Auswahl des Neuroleptikums 9 DurchfUhrung derneuroleptischenTherapie . ... .. .... 10 Therapieresistenz ..... .. .... . .... ... .... . ..... 15 Wechsel des Neuroleptikums 17 Alterspatienten 18 Plasmaspiegeluntersuchungen .. .. .... .. .... . ..... 19 Interaktionen 19 Gut bekannte Nebenwirkungen von Neuroleptika . .. 25 Neurologische Nebenwirkungen 25 Psychische Nebenwirkungen .. ..... .. .... ... ... .. 31 Aligemein somatische Nebenwirkungen ..... .. ..... . 33 Aktuell diskutierte Nebenwirkungen von Neuroleptika 41 Vorbemerkung 41 Ofc-Zeit-Verlanqerunq 41 Andere kardiale Nebenwirkungen 47 Gewichtszunahme .... .. ...... .. ..... . .. .... .. 48 VIII Inhaltsverzeichnis Diabetes mellitus 50 Hypercholesterinarnie, Hypertriqlyzeridarnie 52 Metabolisches Syndrom 52 Hyperprolaktinarnie ... .. .. .. .... . ... . .. ... 53 Dosierung ausqewahlter Neuroleptika 59 Dosierung von Depotneuroleptika 61 WeiterfUhrende Literatur .. .. ... .. ... ...... .. ..... 63 1 Therapie mit Neuroleptika, sonstige biologische Therapien Allgemeines Die Schizophrenie ist eine schwere Erkrankung, jedoch wunscht nur ein Teilder Patienten, wenigstens initial, eine Therapie. Es ist vorteilhaft, wenn eine Schizophrenie nicht zu lange unbehandelt bleibt. Verharrt der Patient im psy chotischen Zustand, konnen sich Ruckzugstendenzen und andere Sekundarfolgen der Erkrankung akzentuieren. An dererseits reagieren die Patienten auch nach jahrelang be stehender Symptomatik gut auf die Behandlung. Die Therapie der Schizophrenie ist komplex. In der aku ten Phase liegt das Schwergewicht auf der Pharmakothera pie, im weiteren Verlauf haben nichtmedikamentose Be handlungen eine zusatzliche wichtige Bedeutung. Es kommen biologische und psychotherapeutische Ver fahren zum Einsatz. Der Sinn einer Therapie auf verschie denen Ebenen kann durch das sog. Vulnerabilitats-Stress Modell begrundet werden, nach welchem Patienten mit Schizophrenie eine besondere Tendenz aufweisen, unter psychischer Belastung Krankheitssymptome zu entwickeln. Eine Symptomverminderung kann einerseits durch Neuro leptika erzielt werden, welche diese Vulnerabilitat biolo gisch reduzieren. Andererseits konnen bessere Bewalti gungsstrategien und eine angemessene Lebensgestaltung J. Schöpf, Pharmakotherapie der Schizophrenie © Steinkopff Verlag Darmstadt 2004 2 1Therapie mitNeuroleptika, sonstige biologischeTherapien zur Stressreduktion beitragen und dadurch protektiv wir ken. Die biologische Schizophrenietherapie ist weitgehend identisch mit der neuroleptischen Behandlung. Neuroleptika wirken bei Schizophrenie und anderen psychotischen Zu standen,weshalb die Bezeichnung"antipsychotischerEffekt" zutreffend ist. Zur Effizienz der Neuroleptika kann als reprasentatives Beispiel eine altere, aus dem [ahr 1968 stammende Multi zenter-Studie des National Institute of Mental Health (Be thesda, USA) angegeben werden, bei der 75% der neuro leptisch, jedoch nur 25% der plazebobehandelten Patienten innerhalb von 6 Wochen eine wesentliche Zustandsverbes serung erfuhren. Diese stellt sich im Allgemeinen kontinu ierlich von Behandlungsbeginn an ein. Die Neuroleptika wirken gegen das schizophrene Gesamtsyndrom, allerdings gegen Positivsymptome besser als gegen Negativsymptome. Die Effizienz der Neuroleptika ist nur teilweise zufrie denstellend, und besonders die alteren, typischen Neuro leptika weisen z.T. betrachtliche Nebenwirkungen auf. An dererseits sind die Neuroleptika unverzichtbar. Praktisch alle akut kranken und viele chronisch kranken schizophre nen Patienten benotigen eine neuroleptische Medikation. Einteilung der Neuroleptika Chlorpromazin und seine Folgesubstanzen erhielten den Namen "Neuroleptikum" wegen der neurologischen Be gleiteffekte, wie dem Parkinsonoid und anderen extrapyra midalmotorischen Symptomen (EPS). Man glaubte ur sprunglich, dass die Auslosung eines Parkinsonoids fur Einteilung derNeuroleptika 3 den antipsychotischen Effekt notig sei. Dies wurde aber durch die Entwicklung der atypischen Neuroleptika wider legt. Allerdings weist das Parkinsonoid auf den fur die an tipsychotische Wirkung wichtigen dopaminblockierenden Effektder Neuroleptika hin. Neuroleptika konnen auf Grund ihrer chemischen Struk tur klassifiziert werden, z.B. in Phenothiazine, Butyrophe none u.a. Diese Klassifikation ist fur klinische Zweckewe nig ergiebig. Heute ist die Einteilung in typische und atypi sche Neuroleptika ublich. Typische Neuroleptika verursachen EPS und zeigen einen Parallelismus von antipsychotischen und extrapyramidalen Wirkungen. Biochemisch hemmen diese Substanzen die D2-Rezeptorenaller4zerebralen Dopaminbahnen.Dabeiwer den die antipsychotischen Effektedurch die mesolimbische und diemesokortikale,dieextrapyramidalendurchdienigro striatale und die neuroendokrinologischen durch die tube roinfundibulare Bahn vermittelt. Obersicht 1: Typische Neuroleptika Parallelismus von antipsychotischen und extrapyramidalen Effekten Wirksamkeit besonders gegen Positivsymptome Unspezifischer D2-Antagonismus Atypische Neuroleptika sind antipsychotische Substanzen mit nur geringen oder ganz ohne extrapyramidale Effekte. Sie wirken global mindestens gleich gut antipsychotisch wie typische Neuroleptika, sind aber bei Negativsymptomen besser wirksam. Nichtsdestoweniger bleibt auch bei ihnen die Wirkung gegen Negativsymptome oft unbefriedigend. Atypische Neuroleptika besitzen auch sog. neurokognitive Effekte, d.h. sie verbessern gestorte neuropsychologische 4 1Therapie mitNeuroleptika, sonstige biologischeTherapien Funktionen wie Konzentration, Aufmerksamkeit und plane risches Denken. Auch atypische Neuroleptika hemmen Do paminrezeptoren. Es gibt heute kein Antipsychotikum ohne dopaminblockierende Wirkung. Die Diskordanz von anti psychotischemund extrapyramidalem Effektist je nach Sub stanz durch unterschiedliche biochemische Eigenschaften bedingt. AIleatypischen Neuroleptika weisen eine selektive Wirkung auf die mesolimbische Dopaminbahn auf. Siebesit zen alle aufserAmisulprid eine kombinierte D2-/SHT2-anta gonistische Wirkung, wobei die SHT2-Komponente fur die Effizienz gegen Negativsymptome und die verminderte Ten denz zu EPSverantwortlich ist. Amisulprid bewirkt in niedriger Dosis eine Blockierung prasynaptischer D2-Rezeptoren. Dies fuhrt, so nimmt man an, im kortikalen Bereich zu einer vermehrten Dopamin freisetzung und als Folge davon zu einer Verminderung von Negativsymptomen. Bei hoherer Dosierung wird durch Hemmung postsynaptischer D2-Rezeptoren die mesolimbi sche Dopaminbahn blockiert. Aripiprazol ist ein partieller Dopaminagonist/-antago nist. Dabei soll der Antagonismus die Positivsymptome verrnindern, die mit einer Hyperaktivitat der mesolimbi schen Dopaminbahn zusammenhangen, Der Agonismus hingegen soll die Negativsymptome gUnstig beeinflussen, welche man als Folge einer Hypoaktivitat im Bereich der mesokortikalen Dopaminbahn betrachtet. Aripiprazol be sitzt auch SHT2-antagonistische sowie SHTlA-partiell ago nistische Wirkungen, die zu seiner antidepressiven Kom ponente beitragen konnten, Einteilung derNeuroleptika 5 Obersicht 2: Atypische Neuroleptika Antipsychotischer Effekt bei geringen oder fehlenden EPS Global mindestens gleich gutwirksam wie typische Neuroleptika GegenNegativsymptomebesserwirksamalstypischeNeuroleptika Neurokognitive Effekte Selektivitat furmesolimbische Dopaminbahn, D2-/SHT2-Antago nismus, Antagonismus prasynaptischer D2-Rezeptoren, partieller Dopaminagonismus Unterteilung typischer Neuroleptika. Typische Neurolepti ka konnen unterteilt werden nach der sog. neuroleptischen Potenz, d.h. der auf das Gewicht bezogenen Wirksamkeit. Dieser Klassifikation kommt, auBer bei den Aquivalenz angaben (Ubersicht 3), wenig Bedeutung zu. Wenn man trotzdem von den hochpotenten und niedrigpotenten Neu roleptika spricht, so ist dies in erster Linie durch das hau fig unterschiedliche Nebenwirkungsprofil begriindet. Viele niedrigpotente Neuroleptika weisen zugleich sedierende Ef fekte auf, die zu Behandlungsbeginn therapeutisch er wiinscht sein konnen. Bei einigen niedrigpotenten Neuro leptika ist die neuroleptische Potenz so gering, dass sie in den iiblichen Dosierungen kaum antipsychotisch wirken. Promazin besitzt keinen antipsychotischen Effekt. Unterteilung atypischer Neuroleptika. Auch diese Substan zen wirken alle etwa gleich stark antipsychotisch, und zwar sowohl global als auch auf einzelne Symptome. So ergibt sich diesbeziiglich kein Ansatzpunkt fur eine Unterteilung. Hinsichtlich des biochemischen Wirkungsmechanismus be stehen Unterschiede zwischen den verschiedenen Substan zen (Ubersicht 2), wobei die klinische Relevanz dieser Dif ferenzen unsicher ist.