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petra volpe PDF

32 Pages·2016·1.66 MB·German
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BULLETIN NR. 2/2016 DAS MITGLIEDERMAGAZIN DER FRAUENZENTRALE ZÜRICH THEMA SINGLE Die vielen Facetten des Single-Lebens FEIERN SIE MIT UNS 8. März 2017 - Tag der Frau. LASSEN SIE SICH BERATEN Vorsorgen: besser früher als später! PETRA VOLPE ZÜRCHERIN DES QUARTALS iInNhHaAlLtT höhepunkt 2016 Die Frauentagung Seite 22 – 24 zürcherin des Quartals Petra Volpe Single Seite 20 – 21 Unser grosses Thema Seite 6 – 17 4 – 5 newS 20 – 21 zürcherin deS QuarTalS Neuigkeiten, die der Petra Volpe über ihren neuen Film Frauenzentrale aufgefallen sind «Die Göttliche Ordnung» 6 – 7 Thema Single 22 – 24 anläSSe rückSchau Alles über den Begriff «Single» – von Frauentagung 2016 als Höhepunkt in der Geschichte bis zur Statistik der zweiten Jahreshälfte 8 – 9 SingleS erzählen 25 anläSSe VorSchau Frauen verschiedenen Alters geben Das erwartet unsere Mitglieder und Inte- Einblick in ihr Leben ressentinnen im ersten Halbjahr 2017 10 – 11 luSTig iST daS Singleleben 26 – 27 neue kollekTiVmiTligder 99 Gründe, allein zu bleiben. The Help GmbH und die Lesbenorgani- Aus dem NZZFolio, Mai 1999. sation (LOS) stellen sich vor 12 – 16 round-Table 28 VorSorgeangeboT Expertinnen sprechen über das Beraterin Silvia Villars spricht über Thema Single ihre Erfahrungen 17 erbSchafTSplanung 29 anläSSe kollekTiVmiTglieder Weshalb sich Singles, um ihre Nachlass- Spannendes von Frauen für Frauen im planung kümmern sollten! Kanton Zürich 18 – 19 inTerneS 30 leSerinnenbriefe Über das politische Engagement und Was unsere Mitglieder beschäftigt und was weitere News der Frauenzentrale sie toll finden an der Frauenzentrale HERAUSGEBERIN REDAKTION UND PRODUKTION LAYOUT – Alexandra Eggenberger um Frauenzentrale Zürich Sandra Plaza KORREKTORIN – Brigitte Müller SS Am Schanzengraben 29, 8002 Zürich REDAKTIONSKOMMISSION FOTOS – Susanne Oberli / FILMSTILL S. 21 – Daniel Ammann e pr Tel. 044 206 30 20, Fax 044 206 30 21 Andrea Gisler, Susanna Häberlin, Sandra Plaza DRUCK – Brändle Druck AG m E-Mail: [email protected] TiTelbild – Petra Volpe MITGLIEDERMAGAZIN DER FRAUENZENTRALE i www.frauenzentrale-zh.ch FOTOGRAFIN – Andrea Kroth SPENDENKONTO – PC 80-4343-0 22 BBUULLLLEETTIINN 22//22001166 eEdDiItToOrriIaAlL editorial In der Geschichte der Frauenzentrale bilden die unverheirateten Frauen, die sich ihren Lebensunterhalt selber verdienen mussten oder wollten, eine seltsame Leer- stelle. Es gab sie, aber sie blieben unsichtbar. Mit diesem Bulletin möchten wir die Single-Frauen sichtbar machen. Sie werden se- hen: Singles sind nicht unglückliche, egoistische, karriereorientierte Menschen, die sich vor Beziehungen scheuen, keine Verantwortung übernehmen und nach dem Lustprinzip leben. Weil Singles nicht der traditionellen Norm von Ehe und Familie entsprechen, sind sie mit vielen Vorurteilen konfrontiert. In der öffentlichen Diskus- sion, in der Politik, in den Medien kommen sie kaum vor. Man könnte fast meinen, es handle sich um eine Randgruppe. Dabei ist der Einpersonenhaushalt in der Schweiz seit 1990 die häufigste Wohnform. AndreA gisler Die Frauenzentrale setzt sich für die Wahlfreiheit in der Lebensgestaltung ein. Als Präsidentin Single zu leben ist eine von verschiedenen Lebensformen in unserer pluralistischen Gesellschaft. Dass diese Lebensform als gleichwertig angesehen wird, sollte selbst- verständlich sein, ist es aber nicht. Frauen, die die ihnen zugeschriebene Rolle nicht erfüllen, hatten es noch nie einfach …. Vorstandsmitglied Wir suchen ein Haben Sie Zeit und Motivation, sich für Frauenthemen einzusetzen? Die Frauenzentrale Zürich sucht eine neue Vorstandskollegin für das Ressort «juristische Projekte und Vernehmlassungen». In dieser Funktion erarbeiten Sie Vernehmlassungen zu frauenspezifischen Themen. Sie sind Teil des grössten Frauen-Dachverbandes im Kanton Zürich und arbeiten mit einem engagierten Team zusammen. Weitere Informationen über dieses ehrenamtliche Engagement erhalten Sie von der Präsidentin Andrea Gisler ([email protected], Telefon: 044 206 30 26). wir freuen uns über ihre bewerbung! BULLETIN 2/2016 3 zzüürriIcchh –– ffrraauUEeNn –– nNEewwss Vergewaltigung: mildes Urteil empört In St. Gallen vergewaltigte ein 28-jähriger Mann eine knapp 16-jährige Frau, neun weitere minder- jährige Mädchen hat er missbraucht. Für seine schlimmen Taten wurde der zehnfache Sexual- straftäter – der einige Übergriffe filmte und an Chat-Partner schickte – zu einer bedingten Frei- heitsstrafe von nur 24 Monaten verurteilt. Das be- deutet, er bleibt tatsächlich auf freiem Fuss. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, sorgte Politik: Kandidatinnen kom- aber für grosses Aufsehen wegen der Milde der Strafe. Ein solches Urteil ist in der Schweiz jedoch men seltener zu Wort keine Seltenheit. So muss jeder dritte verurteilte Vergewaltiger nicht ins Gefängnis, wie aus Zahlen Medienpräsenz ist in einem wahlkampf ein wichtiger faktor für den Erfolg. des Bundesamtes für Statistik hervorgeht. 2015 Im auftrag des Bundes hat ein forschungsteam der Universität freiburg wurden 82 Vergewaltiger rechtskräftig verurteilt, nun die Berichterstattung in den vier wochen vor den wahlen analysiert. Die analyse zeigt, dass im Vergleich zu den offiziellen wahllisten des wovon 26 mit einer bedingten Strafe davon ka- Bundesamtes für statistik in allen drei sprachregionen Kandidatinnen men. Wie die «Sonntagszeitung» berichtet, sagte unter- und Kandidaten überrepräsentiert waren. während knapp 24 Fabrice A., ein Mehrfachvergewaltiger und Mör- Prozent aller Kandidierenden in der Medienberichterstattung frauen der kürzlich vor Gericht, die milde Strafe für sein waren, fanden sich auf den wahllisten knapp 35 Prozent Kandidatinnen. erstes Sexualdelikt sei für ihn «fast ein Freipass Die gute Nachricht: sobald Kandidierende in die Vorwahlberichterstattung zum Weitermachen» gewesen. Laut dem Kriminolo- Eingang fanden, wurden sie mehrheitlich gleich behandelt. Eine Themati- gen Martin Killias gibt es europaweit kein anderes sierung und Bewertung von Äusserlichkeiten spielte an den Darstellungen Land, in welchem man nach einer Verurteilung we- weder bei Kandidatinnen noch bei Kandidaten eine grosse rolle. auch gen Vergewaltigung so selten ins Gefängnis muss bezüglich der zuordnung bestimmter politischer Themen zu frauen bzw. wie in der Schweiz. Quelle: www.frauensicht.ch Männern stimmen die resultate der studie zuversichtlich. Es gibt schweiz- weit gesehen kein Thema, das eindeutig nur Kandidatinnen oder nur Kandidaten zugeschrieben wird. Quelle: www.frauensicht.ch Trend: Nach Mutter- schaftsurlaub Kündigung Kein staatliches Bordell Das Gesetz verbietet Unternehmen, Frauen wäh- Ein Bordell zu betreiben, ist keine staatliche aufgabe. Das stadt- rend der Schwangerschaft und 16 Wochen nach zürcher Parlament erteilte einem entsprechenden sP-Vorstoss anfang der Geburt zu kündigen. Danach jedoch erlischt November eine absage. Dieser wollte mit einem städtischen Bordell- der besondere Schutz – was einige Arbeitgeber betrieb Prostituierte schützen. prompt nutzen, um Frauen freizustellen, wie eine Statistik der Konferenz der Schlichtungsstellen zeigt. Dabei handelt es sich oft um Frauen, die Junge Zürcherin schreibt zum gleichen Pensum wie vorher weiterarbeiten wollen. Das Problem ist ein dominierendes The- Klettergeschichte ma bei Schweizer Beratungsstellen. «Wir ver- zeichnen einen enormen Anstieg an Anfragen Petra Klingler überrascht in Paris: Die 24-Jährige ist Weltmeisterin im und Beratungen zu diesem Thema», so Aner Volo- Bouldern, einer Form von Sportklettern. Damit schreibt die Zürcherin, die der vom Gleichstellungsbüro der Stadt Zürich zu sich gegen die Japanerinnen Miho «SRF». Die Zahl der Fälle sei vier Mal so hoch wie Nonaka und Akiyo Noguchi noch 2013. Weitere Gleichstellungsbüros sowie durchsetzte, Schweizer Sportge- die Schlichtungsstellen für Diskriminierungsfra- schichte. Denn bisher hat noch gen in Basel und Zürich bestätigen den Trend. Der keine Schweizerin den Sprung in Bundesrat scheint das Problem erkannt zu haben: den Boulder-Final geschafft. In einer Antwort auf einen Vorstoss schrieb er im Sportklettern wird bei den nächsten Mai 2016, Mütter würden nach der Geburt ihrer Sommerspielen 2020 in Tokio zum Kinder zunehmend diskriminiert. olympischen Programm gehören. 44 BBUULLLLEETTIINN 22//22001156 zzüürriIcchh –– ffrraauUeEnN –– nNEewwss #SchweizerAufschrei gegen Sexismus In der Schweiz schilderten in den letzten Monaten Frauen und zum Nachdenken anregen wollen; wenn man als Frau einen Männer unter #SchweizerAufschrei ihre Erfahrungen mit Mann mit nach Hause nehme, solle man sich seiner Verantwor- sexueller Belästigung und Sexismus im Alltag. Auslöser war die tung bewusst sein und ganz klar kommunizieren, was man will Aussage von Nationalrätin Andrea Geissbühler (SVP) in einem und was nicht. Trotzdem machten Userinnen und User ihrem Beitrag auf TeleBärn: Naive Frauen, die fremde Männer nach Ärger in den sozialen Medien Luft. Das Phänomen #Aufschrei dem Ausgang mit nach Hause nehmen und dann «ein bisschen entstand 2013 in Deutschland. Das Magazin «Stern» hatte einen mitmachen und dann plötzlich doch nicht wollen», hätten eine Artikel von Laura Himmelreich veröffentlicht. Die Journalistin Mitschuld, wenn sie vergewaltigt werden. Zwar relativierte bezichtigte darin den FDP-Politiker Rainer Brüderle des sexuell Geissbühler ihre Aussage wenig später: Sie habe die Frauen übergriffigen Verhaltens ihr gegenüber. Im Jahr 2186 sind Frauen und Männer gleichgestellt Die Fortschritte bei der Gleichstellung von Mann und Frau haben sie im Schnitt länger arbeiten. in der Schweiz stark nachgelassen. Vor allem in der Wirtschaft Zudem stagniert die Erwerbsquote: gibt es Nachholbedarf. In einem internationalen Ranking von 144 Der Durchschnitt für Frauen liegt Ländern hat die Schweiz ihren Platz in den Top 10 abgeben weltweit bei 54 Prozent, für Männer müssen. Die Schweiz ist neu auf Platz 11. Dies belegt der Global hingegen bei 81 Prozent. Gender Gap Report, der jedes Jahr die Fortschritte bei der Die Schweiz erreicht über alle Gleichstellung bewertet. Der Report ging im Vorjahr noch davon Bereiche hinweg 77 Prozent, eine aus, dass die Kluft in diesem Bereich innerhalb von 118 Jahren leichte Verschlechterung gegenüber überwunden werden könne. Neu rechnen die Autoren mit 170 dem Vorjahr. Bei der politischen Jahren. Noch nie seit 2008 war das Gefälle mit 59 Prozent Gleichstellung hat sie sich zwar um grösser (100 Prozent = totale Gleichstellung). Für den einen Rang auf Platz 15 verbessert. Rückschritt machen die Autoren der Studie die ungleichen Hingegen ist sie bei der ökonomi- Löhne verantwortlich. Weltweit erhalten Frauen durchschnitt- schen Gleichstellung um 13 Plätze lich die Hälfte des Gehalts ihrer männlichen Kollegen, obwohl auf Rang 30 abgerutscht. Ausländerinnen treiben Klimaseniorinnen verklagen doppelt so häufig ab Bundesrat heisse sommer sind für ältere frauen eine Gefahr. Deshalb machen  Im Jahr 2014 lag die Rate der Schwangerschaftsabbrü- 459 frauen im ahV-alter mobil – darunter Prominente wie die ehemalige che bei der Schweizerinnen bei 0,44 Prozent, jene der zürcher stadträtin Monika stocker, alt-sP-Präsidentin christiane Brunner Ausländerinnen bei 0,96 Prozent, schreibt das Bundes- amt für Statistik. Die meisten Ausländerinnen, die sich für oder Judith Giovannelli-Blocher. sie verklagen den Gesamtbundesrat, weil einen Abbruch ihrer Schwangerschaft entschieden, die Klimaerwärmung zu krassen hitzetagen führen werde und dies waren zwischen 20 und 24 Jahre alt. Am häufigsten insbesondere für seniorinnen gefährlich werden könne. Die seniorinnen stammten sie 2014 aus Afrika: 35,1 Afrikanerinnen von stören sich am bundesrätlichen reduktionsziel des cO2-ausstosses von Tausend hatten sich gegen ein Kind entschieden. Es 20 Prozent im Vergleich zu 1990. Dies sei zu tief für die Begrenzung der folgten Frauen aus Lateinamerika und aus dem Nahen Klimaerwärmung auf maximal 2 Grad. «weil eine Erwärmung von mehr als und Mittleren Osten. Barbara Berger, Geschäftsleiterin zwei Grad mit sehr hoher wahrscheinlichkeit zu einer gefährlichen Sexuelle Gesundheit Schweiz, sieht dafür verschiedene anthropogenen störung des Klimasystems führt, verletzt der Bund mit Gründe: «Vereinfacht gesagt haben viele Migrantinnen seinem derzeitigen Klimaziel die Bundesverfassung (Vorsorgeprinzip und durch Sprachschwierigkeiten einen weniger guten Zu- recht auf Leben) und die Europäische gang zu Informationen und Verhütung. Deshalb haben Menschenrechtskonvention», so die wir die Internetseite sex-i lanciert mit Informationen in frauen. Ob das juristische Vorge- den verschiedensten Sprachen.» Weiter würden auch hen chance auf Erfolg hat, ist laut die sozioökonomischen Verhältnisse der Frauen eine Experten unmöglich vorherzusagen. Rolle spielen: «Viele Migrantinnen verfügen über Es ist die erste Beschwerde dieser art weniger finanzielle Mittel als Schweizerinnen. Ausgaben in der schweiz, vergleichbare fälle für Verhütung sind teuer und müssen selbst bezahlt gibt es keine. werden. Deshalb haben sie bei diesen Frauen oft www.klimaseniorinnen.ch gezwungenermassen keine Priorität.» www.20min.ch BBUULLLLEETTIINN 22//22001156 55 single Doppelte Benachteiligung als Single Der Umgang mit singles ist ambivalent. entweder man bemitleidet sie, weil sie keinen Mann haben, oder man beneidet sie für ihre Freiheiten. Finanziell sind sie klar benachteiligt. Und die Politik tut nichts dagegen. TexT Drittel der Haushalte nur eine Person lebt. meist nicht als selbst gewählt betrachtet Sandra Plaza Das würde rund 1,5 Millionen Singles ent- wird. Werbung, Politik und Medien sugge- sprechen. Es stellt sich nur die Frage, ob rieren, dass die Lebensform als Paar das Armer Single! Alleinstehende werden ent- eine 80-jährige Witwe in ihrer Einzimmer- Ideal ist. Einer Frau, die Single ist, fehlt weder bemitleidet, oder das Gegenteil ist wohnung wirklich als Single definiert wer- ein Mann zum kompletten Glück, so die der Fall, und weibliche Singles werden den kann. Über die Anzahl Personen ohne gängige Meinung. Vor allem die Renais- wahlweise als Hedonistinnen, Egoistinnen festen Partner fehlen verlässliche Zahlen. sance der Romantik und die Vorstellung oder Narzisstinen bezeichnet. Solche Bilder von ewiger Liebe der letzten 30 Jahre halten sich hartnäckig. Dabei weiss man Immer mehr Einpersonen-Haushalte haben die defizitorientierten Bilder des nicht einmal genau, wie viele Singles es in Fakt ist: Einpersonen-Haushalte sind in Alleinlebens wieder verstärkt. Die ameri- der Schweiz gibt. Die Schwierigkeit beginnt der Schweiz seit 1990 die verbreitetste kanische Sozialpsychologin Bella DePaulo schon bei der Definition. Der Begriff kam in Wohnform. Und es gibt immer mehr beschreibt dieses Phänomen als Singlis- den 1970er Jahren in den USA auf und fand davon. Das liegt an den vielen unter- mus. In ihrem Buch «Singlism – What It Is, zum Ende des Jahrzehnts auch im deut- schiedlichen Lebensentwürfen. Einperso- Why It Matters, and How to Stop It» erklärt schen Sprachgebrauch Eingang. Es war nen-Haushalte sind auch ein Zeichen des die Professorin der Universität von Kalifor- eine Zeit, in der vor allem Frauen began- Wohlstandes und der Emanzipation. nien, dass es sich dabei genauso um nen, sich aus ihren einengenden Ehen zu Heute studieren Frauen, sind berufstätig, einen -ismus handle wie beim Sexismus lösen. Eine dauerhafte Bindung einzuge- finanziell unabhängig und bekommen oder Rassismus. DePaulo bezeichnet die hen, war – vor allem für die jüngere Gene- später Kinder – wenn überhaupt. Und sie Obsession von der Suche nach der gros- ration – nicht mehr das Wichtigste. Und so können gut alleine leben. Ganz allgemein sen Liebe als «Matrimania». Der Singlis- bekamen die Ledigen irgendwann den leben jüngere Frauen und Männer gerne mus, sagt sie deshalb, diskriminiert all neuen Begriff «Single» zugewiesen. Was im eigenen Haushalt. Es gibt aber auch jene, die einen anderen Weg wählen, ob zuvor negativ klang – ledig oder unverhei- die «Committed Singles», die dauerhaft gewollt oder ungewollt. ratet – wurde plötzlich schick. Heute wer- und selbst gewählt allein leben. Und dann den Singles oft als Menschen definiert, die gibt es die Geschiedenen und Witwen. Von der Politik im Stich gelassen alleine leben. Der «Blick» titelte im Juli «Die Sylvia Locher, Präsidentin von Pro Single Schweiz ist ein Single-Land», weil das Bun- Die Ehe als Ideal Schweiz, der Interessensgemeinschaft desamtes für Statistik (BFS) Zahlen veröf- Alleinlebende Frauen verbindet, dass ihre der Alleinlebenden, ärgert sich auch, fentlichte, nach denen in mehr als einem Unabhängigkeit von der Gesellschaft dass die Gesellschaft auf das perfekte 6 BUlleTin 2/2016 single Familienbild ausgerichtet ist. Die Politik fördere nur die Familie und setze sich Hätten Sie es gewusst? kaum für Alleinstehende ein. Und tatsäch- lich: In der Politik fehlen Diskussionen über die finanzielle Last, die Menschen zu tragen haben, die allein leben. Alleinste- 1960 war nicht einmal jeder fünfte zent höher als für eine Akademikerin. hende zu vertreten, scheint für Politikerin- Haushalt in der Stadt Zürich ein Einper- Chinesische Akademikerinnen konsul- nen und Politiker uninteressant. «Alleine sonen-Haushalt. Damals gab es in der tieren deshalb gleich nach Diplomab- zu leben ist ein Tabuthema. Dabei wohnt Stadt insgesamt 150 000 Haushalte, schluss ein Heiratsinstitut. Dies, weil in der Stadt Zürich in 50 Prozent aller heute sind es 195 707. Für die starke sie als zu alt gelten, um sich die Strapa- Haushalte nur eine Person», so Sylvia Zunahme sind die Einpersonen-Haus- zen einer Partnerwahl zuzumuten. In Locher. «Es ist ein bisschen, als ob die halte verantwortlich. Singapur tritt der Staat gar als Kuppler Leute Angst hätten, selbst mal in diese auf und versucht, die seit Jahrzehnten Situation zu geraten. Was als Botschaft 29 Prozent der Singles haben bei ver- wachsende Zahl alleinstehender Aka- rüberkommt: Allein leben ist schlimm. gangenen Beziehungen den Partner im demikerinnen mit diversen Dating- Aber das ist Unsinn.» Internet kennengelernt. Events an den Mann und letztlich zum Kinderkriegen zu bringen. Werden Singles benachteiligt? 38 Prozent der alleinstehenden Schlimm ist vielmehr, dass Singles viel Frauen haben keine Lust auf eine Japan ist das Single-Land schlecht- höhere Ausgaben haben als Paare. Die Beziehung – davon viele der Genera- hin. 61,4 Prozent der unverheirateten Haushaltskosten eines Paares belaufen tion 50+. Männer zwischen 18 und 34 Jahre sind sich ohne Kinder nur auf das 1,5-fache in keiner Beziehung. Bei den Frauen der Kosten eines Alleinstehenden – Internationale Studien stellen fest, sind es 49,5 Prozent. Das ist neuer dabei verdienen in einem 2-Personen- dass gewollte Kinderlosigkeit in engem Rekord. Noch 1987 waren 49 Prozent Haushalt meist beide. «Das Bild vom Zusammenhang mit höherer Bildung der Männer und 40 Prozent der Frauen reichen Single ist völlig falsch», ärgert steht. Das ist auch in der Schweiz so. Singles. Seither steigt dieser Wert kon- sich Sylvia Locher. Die Pro-Kopf-Ausga- Die Zahlen hier sind nicht so drama- stant an. Früher nannte man eine ben seien höher – nicht nur bezüglich tisch wie in den USA oder in Deutsch- unverheiratete 25-Jährige in Japan der täglichen Lebenshaltungskosten wie land und Japan, wo sich mittlerweile «Weihnachtskuchen» – den wolle am Miete, Strom und Energie. Auch bei den 30   Prozent der Frauen gegen eine 25. Dezember keiner mehr. Mittler- Steuern würden Singles höher belastet Familie entscheiden. In der Schweiz weile ist daraus immerhin ein «Silves- als Paar- oder Familienhaushalte. Je haben rund 30 Prozent der Frauen mit terkuchen» geworden. Die neue nach Kanton betrage die Steuerlast Hochschulabschluss keine Kinder. Bei Grenze liegt bei 31 Jahren. Single- einer ledigen Person bis zu dreimal so den Frauen, die die obligatorische frauen Mitte dreissig heissen «mak- viel wie jene einer Familie mit zwei Kin- Schule besucht haben, liegt die Quote einu» – Verliererhund. dern. Und auch bei den Sozialversiche- der Kinderlosen hingegen nur bei rungen müssten kinderlose Ledige hohe 13 Prozent, bei jenen mit Lehrabschluss Am 11. November 2009 riefen Chinas Solidaritätsbeiträge leisten für Hinterlas- sind es 15 Prozent. Diesbezüglich Online-Händler als Gegenstück zum senenrenten, bei der Pensionskasse und ähnelt die Schweiz eher Italien oder Valentinstag den «Singles Day» ins der AHV. Und stirbt der Single vor dem Taiwan als Schweden und Kanada. Leben. Das Shoppen sollte Singles Ruhestand, kassieren die Pensionskas- über ihre Einsamkeit hinwegtrösten. sen sein Erspartes. Vor 50 Jahren waren Frauen eine Der Tag wird wegen der vier Einsen in Rarität, die Mitte 30 Matura oder Stu- Folge jedes Jahr am 11.11. gefeiert. Die Quellenangabe: dium absolviert hatten und nicht ver- Zahl 1 symbolisiert den Single. Das heiratet waren oder in fester bekannte chinesische Internet-Waren- www.prosingleschweiz.ch Partnerschaft lebten. Heute sind nur haus Alibaba meldete bereits in den knapp 45 Prozent der Akademikerin- ersten fünf Minuten des Tages einen www.bsv.admin.ch nen zwischen 30 und 45 Jahren verhei- Umsatz von über 1 Milliarde Dollar. In ratet. Bei den Männern derselben 24 Stunden «Singles Day» geben die www.srf.ch, «Einsam auch in der Alters- und Bildungskategorie sind 66 chinesischen Konsumentinnen und Statistik: Singles in der Schweiz» Prozent verheiratet. Konsumenten mehr aus als die US-Bürger an den fünf Tagen von «Die Single-Falle: Frauen und Die Wahrscheinlichkeit, zu heiraten, Thanksgiving bis Cyber Monday, dem Männer in Zeiten der Selbstver- ist in der Schweiz für eine Sekundar- Höhepunkt für Online-Shopper in den wirklichung», Lena Kornyeyeva, schul-Absolventin um beinahe 20 Pro- Vereinigten Staaten. Heyne-Verlag, 2015 BUlleTin 2/2016 7 singlefrauen Für ein erfülltes Leben braucht es keinen Partner Fünf Frauen zwischen 23 und 80 Jahren geben Einblick in ihr Leben als Single und berichten über Vor- und Nachteile. TexT andrea gisler, sandra plaza Theres Krämer, 80 Jahre, Winterthur Josephine, 59 Jahre, Zürich Ich bin in einer grossen Familie Ich hatte zwei Beziehungen: Im Alter von 15 bis 21 und von 26 bis mit sechs Geschwistern aufge- 33, mit beiden Partnern habe ich zusammengelebt. Seither bin ich wachsen und stellte mir vor, Single und habe mich nicht mehr bemüht, dies zu ändern. Bei dass ich selber einmal eine meinem zweiten Partner war das anders, ihn habe ich durch eine grosse Familie mit fünf Söhnen Partnervermittlung kennengelernt. Das war damals, im Gegen- haben würde. Meine Eltern satz zu heute unüblich, weshalb wir es niemandem erzählten. führten ein Innendekorations- Warum sich keine grosse Liebesgeschichte mehr ergeben hat, ist geschäft, und so ging mein schwierig zu sagen. Den Hauptgrund sehe ich darin, dass ich mich Wunsch, Vorhangverkäuferin zu in meiner jetzigen Situation sehr wohl fühle. Meine Arbeit, meine lernen, in Erfüllung. Nach Abschluss der Lehre übernahm ich Freizeitaktivitäten und auch mein soziales Engagement, die mir 19-jährig eine Filiale des elterlichen Vorhanggeschäfts. sehr wichtig sind, erfüllen mich. Ich kann mir gut vorstellen, für Mit 30 verliebte ich mich in einen verheirateten Mann. Die immer als Single zu leben, ohne eine Partnerschaft grundsätzlich Situation belastete mich sehr, auch gesundheitlich. Ich ging auszuschliessen. Was ich nicht mehr will, ist, mit jemanden für sieben Monate nach Berlin, wo ich als Verkäuferin in zusammenzuleben. Ich schätze die vielen Freiheiten als Single einem Teppich- und Vorhanggeschäft arbeitete. Von da an sehr, doch manchmal fehlt mir – trotz meinem engen Freundes- dachte ich, dass ich wohl ledig bleiben würde. Als ich aus kreis – der regelmässige Austausch mit einer Person, die mir sehr Berlin zurückkehrte, eröffnete ich die «Boutique Metzgasse nahesteht und jederzeit für mich da wäre. Und es gibt die selte- 16» in Winterthur. Verheiratete Freundinnen, die kleine Kinder nen Momente, in denen ich die Zweisamkeit vermisse, die einem hatten, beneideten mich um meine Arbeit. Im Laufe der Jahre nur ein Partner geben kann. Was mich am Single-Sein immer mehr erweiterte ich das Sortiment von Stoff über Glas-, Haushalt- ärgert, ist die finanzielle Benachteiligung: Beim Steuersystem, und Papeterieartikel bis hin zur umsatzstärksten Damen- den Sozialversicherungen und den Pensionskassen fühle ich mich mode. Auch Ladenfläche und Personal wuchsen. Bei meiner benachteiligt, weil ich (zu)viel mittragen muss, was anderen zugu- Pensionierung waren es zehn Mitarbeiterinnen. Die Zusam- tekommt. Die Bedürfnisse der Singles sind in der Politik leider menarbeit war sehr gut, obwohl es ja immer heisst, bei reinen kein Thema. Wer vertritt unsere Anliegen? Frauenteams gebe es ständig Streitereien. Das Geschäft führte ich erfolgreich bis zu meiner Pensionierung 1998. Früher wurde ich häufig nicht zu Ehepaaren eingeladen. Jana, 41 Jahre, Zürich Alleinstehende Frauen waren in der Gesellschaft nicht als Von Ende 20 bis Ende 30 führte ich eine glückliche Beziehung. Mit vollwertige Personen akzeptiert. Ich wäre früher nie allein ihm hätte ich mir vorstellen können, Kinder zu haben. Heute, über in ein Café gegangen, ich hätte mich nicht wohl gefühlt. zehn Jahre später, bin ich immer noch Single. Die ersten Jahre nach Ferien waren für mich eher ein Muss. Als ich noch jünger der Trennung war ich aktiver auf der Suche nach einem Mann, es war, fühlte ich mich an Sonntagen oft alleine. Ich machte schien mir das logischste. In den letzten Jahren nicht mehr. Ich bin mich nie aktiv auf die Suche nach einem Mann. Dafür war happy so, wie es ist. Meine Schwester und Familie leben in der ich zu stolz. Ich hätte mich auch nie verkuppeln lassen. Nähe, zudem habe ich sehr enge Freundinnen. Ich vermisse eigent- Manche fanden, ich sei zu heikel. lich nichts und kann mir heute gut auch ein Leben ohne Kinder Als Single schätze ich, dass ich alles selber frei entschei- vorstellen. Und doch fände ich es schön, wieder einmal so richtig den kann, ohne dass ich jemanden fragen muss. Als Nach- «geflasht» zu sein. Diese Nähe vom Verliebtsein, sich an einen teil sehe ich, dass ich keine Kinder habe. Junge halten Sonntagnachmitag vor dem Fernseher in eine Decke zu kuscheln, beweglich. Generationenübergreifende Kontakte sind mir Ferien zu planen … Wäre ich aber in einer Beziehung, wer weiss, heute noch wichtig. Ich habe ein erfülltes Leben und bin vielleicht würde ich mich dann nach meinem eigenen Sofa und dafür sehr dankbar. nach Ruhe sehnen ... 8 BULLETIN 2/2016 singlefrauen Melanie Mettler, 38 Jahre, Bern von mir ist das Zusammenleben mit ver- Ich lebte lange in Beziehungen und stellte schiedenen Generationen und Lebensent- mir ein Leben mit Familie vor. Mehrere würfen in einem Mehrparteienhaus. Schicksalsschläge haben dazu geführt, Als Single spüre ich aber immer wieder meinen Lebensentwurf zu überdenken. Vorurteile: Mit einer Frau, die keinen Part- Zum ersten Mal stellte ich mir die Frage, ner und keine Kinder hat, stimmt etwas wie wohl ein Leben ohne Partner und nicht. Ein Leben, das nicht der Norm ent- Familie sein würde. Das war für mich spricht, ist für viele bedrohlich. Zuweilen damals eine beängstigende Vorstellung. werde ich auch bemitleidet oder benei- Unerwartet gelangte ich nach einem det. Auch der Vorwurf, man sei als Single anfänglich schmerzhaften Prozess zur Ein- nicht bereit, gesellschaftliche Verantwor- sicht, dass ich meine Vorstellung eines tung zu übernehmen, ist meines Erach- sinnhaften Lebens gut (oder gar besser) Ausmass engagieren, wie mir das jetzt tens deplatziert. auch ohne Familie leben kann. Ich führe möglich ist. In meinem Umfeld gibt es einige, die rela- intensive Beziehungen mit allen Hochs Den grössten Nachteil meines Lebensent- tiv spät eine Familie gegründet haben. und Tiefs, ich bin integriert in meine Nach- wurfs sehe ich darin, dass es aufwendig Ihre Lebenssituationen haben sich barschaft und übernehme mit ehrenamt- ist, sich eine Art Familie zu schaffen, also dadurch stark geändert, vom ungebunde- lichem Engagement gesellschaftliche Menschen, mit denen ich mein Leben und nen Leben mit vielen Freiheiten zum Verantwortung. Heute ist es nicht so, dass auch meinen Alltag teilen kann. Es ist Leben in einer Kleinfamilie. Zeit für Aus- ich mich mit der Situation als Single arran- wichtig, ein Umfeld zu haben, das einen gang ist kaum mehr vorhanden. Teilweise gieren muss. Ich bin zufrieden. trägt. Es ist für mich ein Riesenglück, tra- meinen sie, ohne Familie würde ich immer Als Single habe ich den Vorteil, dass ich gende Beziehungen in meinen Leben zu noch das Leben einer 20-Jährigen führen. unabhängiger entscheiden kann, wofür haben. Dazu gehört auch, dass ich mich Das ist aber nicht die Realität. ich Zeit und Energie investiere. Zudem dem Familienleben meiner Freunde Ich kann mir vorstellen, für immer ohne arbeite ich bewusst Teilzeit, um mir Zeit anpasse. Ich kann nicht erwarten, dass Partner zu sein. Ich kann mir aber auch für dieses Engagement zu nehmen. Hätte sich mein Umfeld für mein Leben interes- vorstellen, irgendwann wieder in einer ich eine eigene Familie mit kleinen Kin- siert, wenn ich mich nicht für ihr Leben Partnerschaft zu leben. Ich bin nicht Sin- dern, wäre ich viel mehr eingebunden. Ich interessiere. Es ist mir deshalb wichtig, gle, um der Nähe auszuweichen. Aktiv auf könnte mich in der Politik, in der Nachbar- auch eine Beziehung zu den Kindern mei- Partnersuche bin ich nicht. Man muss dem schaft und im Freundeskreis nicht in dem ner Freunde zu pflegen. Ein Lebenstraum Leben Gelegenheiten geben .... der mehr Zeit für mich zu haben und Meine Generation hat grosse Wahlfrei- ungebunden zu sein. Ich kann machen, heiten. Sie will die vielen Möglichkeiten worauf ich spontan Lust habe. Entschei- nutzen und sich nicht zu früh definitiv an dungen kann ich frei treffen. Eine Bezie- etwas binden. Dies zeigt sich, denke ich, hung gibt einem aber auch viele auch beim Thema Beziehung. Bei den Emotionen und Erlebnisse mit, die man meisten besteht trotzdem der Wunsch als Single natürlich nicht gleich erleben nach einer Partnerschaft mit Kindern. Es kann. Zudem kann ein Partner entlasten gibt jedoch ein Spannungsfeld zwischen und Unterstützung geben. Das fehlt, dem Wunsch, ungebunden und frei zu wenn man allein ist, wobei Familie und sein und dem Wunsch nach einer Fami- Freundeskreis diese Lücke füllen können. lie. Ich glaube, es besteht ein grosser Als Single spürt man die gesellschaftli- Leistungs- und Perfektionsdruck. Viele chen Erwartungen. Die glückliche, funkti- scheuen sich deshalb, eine Beziehung onierende Familie gilt als Ideal. Es einzugehen. Nathalie Dubler, 23 Jahre, Rüti herrscht die Meinung vor, dass das für Ich kann mir nicht vorstellen, für immer Nach einer längeren Beziehung merkten jede/n erstrebenswert ist. Wer keine Kin- Single zu bleiben. Ich geniesse die Zeit mein Freund und ich, dass wir uns in der oder keinen Partner möchte, stösst jetzt so, wie sie ist, aber es ist auch andere Richtungen entwickelten. Vor auf Unverständnis und muss sich recht- schön, in einer Beziehung zu leben. rund einem halben Jahr haben wir fertigen. Jüngere Singles hören oft die Später möchte ich eine Familie. Ich gemeinsam entschieden, uns zu trennen. Frage, ob sie jemanden kennengelernt fühle mich wohl im Moment und bin Seither bin ich Single. Ich schätze es, wie- haben und ob sie Kinder wollen. nicht aktiv auf Partnersuche. BULLETIN 2/2016 9 Lustig ist das singleleben singles Mai 1999 nZZ Folio FOLIO NZZ Lustig ist das singLELEbEn Neunundneunzig Gründe, allein zu bleiben. Man würde es mir, wie gesagt, nicht ge- Die Frauen werden viel älter als die Män- TexT ben, dass ich auch einmal einen hatte ner. Ich glaube aber nicht, dass das ein Greta Breitenmoser und daher auch einmal sozial erhaben Naturgesetz ist. Es gibt keinen Grund da- Z ugegeben: Wenn ich Gäste habe, war, als Teil eines richtigen Ehepaars zu für. An dem, was man alles nicht kann könnte ich schon manchmal einen richtigen Ehepaaren nach Hause eingela- und zu was allem man nicht zu gebrau- gebrauchen, weil die immer gera- den wurde, zusammen mit anderen rich- chen ist, ist noch keiner gestorben. Einer, de dann vor der Türe stehen, wenn das tigen Ehepaaren. den man für nichts gebrauchen kann, tut Apérogebäck im Backofen bei 300 Grad ja wahrscheinlich auch nicht viel, also noch eine halbe Minute braucht, so dass Als ich mich scheiden liess, bevor mich kann der sich schonen. Also müssten die ich nur rein theoretisch weiss, dass es am Ende noch Kinder zu einem noch rich- Männer eigentlich älter werden als die Apérogebäck auch anders als verkohlt tigeren Paar machen konnten, veränder- Frauen. gibt. Oder dann haben sie die Unart, einen te sich mein Sozialleben sowieso grund- nach der Suppe in der Küche aufzusu- legend, unter anderem auch so: Ich Werden sie aber nicht. chen, aus Nettigkeit oder weil am Tisch wurde ab sofort kaum mehr zu Paaren der Gesprächsstoff ausgegangen ist, und eingeladen. Da würden jetzt alle, die Ich meine, welche Frau wollte schon, man ist gerade dabei, den Kartoffelstock mich noch nie gesehen haben, sagen: nachdem sie ein Leben lang nach eige- vom Küchenboden in die Schüssel zurück- das ist so, weil die Ehefrauen Angst um nem Gutdünken im Haus schalten und zuschaufeln. Hätte man also einen, dann ihre Ehemänner hatten! Das glaube ich walten konnte, plötzlich einen Mann, der könnte der an der Tür die Gäste abfangen aber noch nicht einmal. Ich glaube eher, ihr beim Abtrocknen dreinredet und ihr und sie daran hindern, zur Unzeit in die sie können einfach nur in Paaren rech- auch sonst bei des Hauses Pflege im We- Küche zu kommen, indem er geistreiche nen. Sie haben Geschirr und Besteck nur ge ist. Tischgespräche führt. Und könnte sich in gerader Zahl. Teller und Tassen und überhaupt ein bisschen nützlich machen. Messer zum Beispiel haben sie acht. Sie- Pensionierungsschock, wenn ich das ben haben sie nicht. schon höre. So schön ist das Arbeiten «Ach, was! Mit der Weinflasche auf dem nun auch wieder nicht, dass man einen Tisch herumtropfen ist alles, was der Ich hatte eine Schulfreundin, die hiess Schock kriegt, wenn man damit aufhört. kann», sagt eine Freundin, die einen hat. Rosemarie Habergras und sagte immer, Und auch gleich noch daran stirbt. Dazu sie werde einmal nur heiraten, um nicht lassen sich Bärlauch und Aronstab doch Man würde es mir vielleicht nicht geben, mehr Rosemarie Habergras zu heissen. viel zu leicht verwechseln. Oder Schnee- aber ich hatte auch mal einen. Weil wir Jetzt heisst sie Rosemarie Pfütz. glöckchen und Chicorée, wenn der Wald beide berufstätig waren, also ich auch, fehlt. und zwar voll, teilten wir uns die Hausar- Auch so etwas: keinen Hund würde man beit: er brachte jeweils donnerstags den zuerst ein paar Jahre lang Fips und dann Also, ich verstehe das schon. Das Sin- Kehrichtsack hinunter, und ich machte für den Rest des Lebens Geraldinetto ru- gleleben ist schön, aber ziemlich teuer. den Rest. fen, aber mit den Frauen tut man›s. Oder Zum Beispiel wirft der Single drei Viertel besser, die Frauen, auch ganz junge, die des gekauften Gemüses weg, weil er gel- Ich war eine frühe Verfechterin des soge- eigentlich modern denken müssten, und be Pupillen kriegt, wenn er das ganze nannten koedukativen Unterrichtes, der auch alte, die nicht mal im Scherz als abgepackte Kilogramm Karotten aufisst. bewirken soll, dass die Buben stricken Grund anführen können, sie möchten, Und zum Beispiel zahlt der Single die und die Mädchen Nägel einschlagen ler- dass die Kinder gleich heissen wie sie, Konzessionsgebühr fürs Radiohören und nen. Nun ist es mir ziemlich wurst, ob die sind immer noch ganz wild darauf, ihren fürs Fernsehsehen allein, während zwei Männer stricken können oder nicht (sie Namen aufzugeben und damit aller Welt das durch zwei teilen können. Und lädt können es sowieso nicht), aber es ist mir ihren durch Heirat gesteigerten Wert ein Paar einen Single ins Restaurant ein, nicht wurst, dass ich keine Steckdosen kundzutun. Und wenn man dann hin- dann bezahlen zwei für einen. Revan- flicken und mit keiner Schlagbohrmaschi- guckt, guckt man gleich wieder weg. chiert der sich, dann blecht er allein für ne hantieren kann und dergleichen und Heissen jetzt Frau Haubentaucher statt zwei. Auf Reisen bezahlen wir den dop- somit mindestens partiell noch auf einen Fräulein Blumenkohl und erzählen mit pelten Preis für die halbe Aussicht direkt Mann angewiesen bin. Oder wäre. Denn holder Röte im Gesicht, wie sie auf dem neben dem Lift, und im Speisesaal krie- dazu sind sie offenbar auch nicht zu ge- Standesamt um ein Haar mit falschem gen wir den Tisch direkt neben dem Sa- brauchen, sagen die Freundinnen, die Namen unterschrieben hätten. Und drei latbuffet. Die Wohnungsmiete ist auch einen haben. Wozu sie denn überhaupt Jahre später heissen sie wieder Blumen- viel teurer für einen allein, eine Zweizim- zu gebrauchen sind, habe ich gefragt. Sie kohl, und der Haubentaucher ist ein merwohnung kostet viel mehr als eine sagten alle: «Für nichts.» Arsch. halbe Vierzimmerwohnung mit gleichem 10 BULLETIN 2/2016

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Dass diese Lebensform als gleichwertig angesehen wird, sollte selbst- verständlich sein .. haus Alibaba meldete bereits in den ersten fünf Minuten
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