Karsten Junge, Udo Mildenberger, Jochen Wittmann (Hrsg.) Perspektiven und Facetten der Produktionswirtschaft GABLER EDITION WISSENSCHAFT Karsten Junge, Udo Mildenberger, Jochen Wittmann (Hrsg.) Perspektiven und Facetten der Produktionswirtschaft Schwerpunkte der Mainzer Forschung Deutscher Universit~its-Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1. Auflage Mai 2003 Aile Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag GmbH, Wiesbaden, 2003 Lektorat: Brigitte Siegel/Sabine Scholler Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer. www.duv.de Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN·13: 978·3·8244·7825·5 e·ISBN·13: 978·3·322·81507·1 DOl: 10.1007/978·3·322·81507·1 Vorwort der Herausgeber v Vorwort der Herausgeber Univ.-Professor Dr. Klaus Bellmann, Inhaber des Lehrstuhls fijr Produktionswirtschaft an der Johannes Gutenberg-Universitiit Mainz und Direktor des Center for Market Oriented Product and Production Management (CMPP), feiert am 1. Juni 2003 seinen 60. Geburtstag. Dies nehmen seine Schi.iler zum Anlass, ihrem akademischen Lehrer auf diesem Wege ihre herzlichsten Gliickwiinsche zu iibermitteln und als Zeichen ihres Dankes und ihrer tiefen Verbundenheit den vorliegenden Sammelband zu widmen. Die Autoren des Werkes - aktive und ehemalige Mitarbeiter und Doktoranden von Professor Bellmann - wollen mit ihren Aufsiitzen einen Einblick in die Mainzer Pro duktionswirtschaft geben, die sowohl in inhaltlicher als auch in methodischer Hinsicht untrennbar mit der Person Klaus Bellmann verkniipft ist. In seiner mehr als zehnjiihri gen Tiitigkeit als Inhaber des Lehrstuhls fi.ir Produktionswirtschaft der Universitiit Mainz hat Klaus Bellmann gleicherma13en die traditionelle, quantitativ orientierte Pro duktionswirtschaft weiter vorangetrieben, als auch die herkommlichen Grenzen des Fachgebietes immer wieder um qualitative Aspekte erweitert. Einen Hauch seines Credos "wissenschaftlich Bewiihrtes mit Visioniirem zu verbinden und kritisch zu hinterfragen" dokumentieren seine Schi.iler mit dem vorliegenden Sammelband. Mit ihren Beitriigen wollen sie die vielschichtigen Facetten der betriebswirtschaftlichen Domane Produktionswirtschaft nach Mainzer Couleur beleuchten und dabei aufzeigen, wie sich die vielfaItigen Anregungen ihres akademischen Lehrers Klaus Bellmann in ihrem eigenen wissenschaftlichen Denken und Handeln niedergeschlagen haben. Die Autoren hoffen, dass sie damit auch einen Beitrag leisten konnen, die Diskussion unter Wissenschaftlern und Unternehmenspraktikern auf einem hochaktuellen Forschungs feld der Betriebswirtschaftslehre weiter zu bereichern und zu fdrdern. Der Dank der Herausgeber gilt den Autoren, aus deren Wissen, Innovationskraft und Kreativitiit sie bei der Erstellung dieses Werkes schopfen durften und die mit ihrem fi nanziellen Beitrag diesen Sammelband ermoglichten. Ferner mochten die Herausgeber Frau Ute Wrasmann und Frau Sabine Scholler yom Deutschen Universitiits-Verlag, Wiesbaden besonders danken, die mit ihrer sehr konstruktiven und stets freundlichen Unterstiitzung zur Entstehung dieses Bandes beigetragen haben. Karsten Junge Udo Mildenberger Jochen Wittmann Inhaltsverzeichnis VII Inhaltsverzeichnis Udo Mildenberger Mainzer Produktionswirtschaft - Eine Interpretation ............................................ 1 Dominic Friederich Simulation zur Unterstiitzung der Fertigungssteuerung ....................................... l1 Dagmar Kessler Kennzah1ensysteme zur Effizienzmessung und Steuerung der Logistik ............. 25 Robert Hauber Performance Measurement in der F orschung & Entwicklung ............................. 41 Jerome Hoog / Anshuman Khare General Motors Corporation (Canada)- An Environmental Performance Review .............................................................. 55 Jochen Wittmann Strategisches Budgetmanagement fiir Entwicklungsprojekte: der Ansatz des Target Project Budgeting ............................................................. 73 Michael Junge Modularisierung in der Automobilindustrie - Neue Trends erfordern neue Methoden ................................................................ 89 Stefan Muller Produktionsmaterialeinkauf in der Automobilindustrie ..................................... 105 Karsten Junge Moden und Methoden in der Logistik - Ein kurzer Uberblick tiber Ansatze zur Planung von Logistiknetzen ................ 117 Rainer Frei EntstOrung der Supply Chain in Unternehmen der Chemischen Industrie ........ 129 Hans Meissner Center-Konzepte - Zur Frage unternehmungsinterner Anwendungen marktorientierter Koordinations-und Motivationsprinzipien ........................................................ 151 Erik Spickschen / Hilla Uppenkamp Case Study: Internes Unternehmertum Roche Diagnostics Venturing .............. 171 Alexander Meier Anreizsystem zur Unterstiitzung des Total-Quality-Managements Sytemanalytischer Bezugsrahmen, Anforderungen an das Mitarbeiterverhalten und allgemeines Rahmenkonzept... ............................ 183 Alan Hippe / Carsten Reibe Wertorientierte Steuerung des Continental Konzerns ........................................ 205 VIII Inhaltsverzeichnis Guido Kaupe Segmentberichterstattung - Katalysator zur Harmonisierung des Rechnungswesens? .................................. 219 Frank Himpel Betriebswirtschaftliche Modelle ......................................................................... 239 Kai Berendes Umgang mit komplexen okonomischen Systemen tiber systemdynamische Mikrowelten ................................................................ 257 Udo Mildenberger* Mainzer Produktionswirtschaft - Eine Interpretation 1. Systematisierung(en) der Domane Produktionswirtschaft Der vorliegende Sammelband ist iiberschrieben mit dem Tite1 "Perspektiven und Fa cetten der Produktionswirtschaft - Schwerpunkte der Mainzer Forschung". Auf den ersten Blick scheint diesem Titel ein gewisser Widerspruch inne zu wohnen. In der iiblicherweise im Wissenschaftsbetrieb verwendeten Terminologie steht das Etikett 'Mainzer .. .' doch genau dafiir ein, dass es sich urn ein in sich geschlossenes, konsisten tes, aufeinander abgestimrntes Aussagegebaude handelt. Wie kann es da unterschied liche Perspektiven und Facetten geben, was ja nichts anderes bedeutet, als dass Ecken, Kanten, Unstimmigkeiten und sogar Widerspriiche zwischen einzelnen Aussagen oder Aussagengruppen auftauchen konnen. Urn diese Frage auch nur annahemd zu beant worten und damit den vermeintlichen Widerspruch zumindest etwas aufzulosen, ist es hilfreich, sich zunachst einmal ganz allgemein der betriebswirtschaftlichen Domane Produktionswirtschaft zu zuwenden. Versucht man die Frage "Was ist das Betrachtungsobjekt und das Erkenntnisziel der Produktionswirtschaft?" auf empirischem Wege zu beantworten, gelangt man schnell zu dem naheliegenden, einfachen Antwortmuster "Produktionswirtschaft ist das, was Wirtschaftswissenschaftler mit dem Schwerpunktfach Produktionswirtschaft in wis senschaftlicher Hinsicht tun". Fiir den mit diesem Beitrag verfolgten Zweck einer Ein fiihrung in die Thematik reicht es aus, die Konstrukte in einer sehr einfachen Art und Weise zu operationalisieren. Basis der weiteren Ausfiihrungen ist daher eine Analyse der inhaltlichen und methodischen Selbstdarstellungen produktionwirtschaftlicher Lehrstlihle an deutschen Hochschulen. Ohne die Analyse oder deren Ergebnisse hier im Detail darzustellen, lasst sich zusamrnenfassend konstatieren: So klar und eindeutig das Antwortmuster ist, so vielfaltig, unterschiedlich und zum Teil sogar widersprlich lich sind die Selbstpositionierungen der Lehrstlihle. Die Bandbreite reicht von Lehr stlihlen, die das Objekt der Produktionswirtschaft auf den Fertigungsbereich beschran ken und nahezu ausschlieBlich praxeologische Erkenntnisziele verfolgen, iiber Lehr stiihle, die unter Produktionswirtschaft ganz allgemein die Beschaftigung mit sozio okonomischen Fragestellungen der Gliter- und Dienstleistungsproduktion verstehen, Dr. Udo Mildenberger, Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl fur ABWL und Produktions wirtschaft, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Johannes Gutenberg-Universitat Mainz, Jakob-Welder-Weg 9, D-55099 Mainz, eMail: [email protected]. 2 Udo Mildenberger bis hin zu Lehrstilhlen, die mit Produktionswirtschaft in erster Linie quantitativ-for male Frage-und Probiemstellungen der Produktions-und Kostentheorie subsumieren. Wie diese kurze Auflistung bereits zeigt, ist eine empirisch orientierte Festlegung des Betrachtungsobjektes und der Erkenntniszie1e der Produktionswirtschaft nur bedingt moglich. Die Analyse und Gestaltung von Produktionsprozessen kann zwar als ge meinsamer Kembereich identifiziert werden; eine weitere Konkretisierung scheitert je doch an der Vie1zahl und der Heterogenitat der jeweiligen Interpretationen des WAS und des WIE der Produktionswirtschaft durch die einze1nen produktionswirtschaftli chen Forscherinnen und Forscher. Aus diesem Grund wird im Weiteren ein theore tisch-konzeptioneller Zugang gewiihlt. In einer ersten Anniiherung lasst sich feststel len, dass sich die betriebswirtschaftliche Domane Produktionswirtschaft mit sozio okonomischen Aspekten der Kombination und Transformation von Sachgiitem und Dienstleistungen als lnputfaktoren zu Angebotsleistungen (Outputfaktoren) in Unter nehmen und WertschOpfungsverbiinden befasst. Auch wenn sich die aktuelle Diskus sion majorell auf Kombinations- und Transformationsprozesse von und zu Sachgiitem konzentriert, konnen theoretisch grundsatzlich aIle Leistungserstellungsprozesse Ge genstand der Produktionswirtschaft sein. Neben der Analyse, Planung, Steuerung und Kontrolle der Leistungserstellung unter Beachtung okonomischer, okologischer und sozialer Zie1e sind auch die der Leistungserstellung vor- und nachgelagerten be trieblichen Funktionen und Prozesse (z. B. Mikro- und Makrologistik, Materialbereit stellung und Lagerhaltung, Forschung und Entwicklung, Lieferantenwahl, Koordina tion von Transaktionsprozessen im Wertschopfungsverbund usw.) von Interesse fur die produktionswirtschaftliche Forschung. Zur weiteren Differenzierung muss das Fach Produktionswirtschaft in zwei, im Hin blick auf das Erkenntniszie1 wesensverschiedene Welten aufgespaltet werden: Produk tions- und Kostentheorie sowie Produktionsmanagement. Wesentliches Erkenntnisziel der Produktions- und Kostentheorie ist die formale Abbildung, Beschreibung und Er klarung der quantitativen, mengen- und wertbezogenen Beziehungen zwischen einge setzten Faktoren (Input) und ausgebrachten Giitem (Output) unter Berucksichtigung der Produktionsbedingungen (Throughput) bei Leistungserstellungsprozessen. Etwas vereinfacht und damit zwangslaufig auch etwas undifferenziert kann diese For schungsrichtung als 'Gutenberg-Schule' der Produktionswirtschaft bezeichnet werden. 1m Gegensatz zu der primar auf Beschreibungs- und Erklarungsziele ausgerichteten Produktions- und Kostentheorie liegt der Fokus des Produktionsmanagements in der Gewinnung von Gestaltungsempfehlungen fur die Managementpraxis. Aus dies em Grund wird das Produktionsmanagement auch haufig als praxeologischer Zweig der Produktionswirtschaft bezeichnet. Urn den gesamten Handlungsrahmen und die einzel nen Gestaltungsbereiche des Produktionsmanagements vollstiindig zu erfassen, ist es hilfreich, Produktionsmanagement einerseits mit Hilfe des Kriteriums Starke und Dau er der Erfolgswirkungen in eine strategische, taktische und operative Ebene zu unter teilen und anderseits inhaltlich zwischen Produkt-lProgrammgestaltung, Potential gestaltung sowie Prozessgestaltung zu differenzieren. Mainzer Produktionswirtschaft - Eine Interpretation 3 Typische Aufgaben der Programmgestaltung sind die Festlegung von generellen Pro dukt- oder Betatigungsfeldern eines Unternehmens (strategische Ebene), die Festle gung der Breite und Tiefe des Produktions- und Absatzprogramms (taktische Ebene) sowie die Bestimmung des nach Art und Menge optimalen Programms in jeder einzel nen Periode (operative Ebene). Die F estlegung von Produktionsstandorten und jewei liger Betriebsgro13e sind typische Beispiele fur die Aufgaben der strategischen Poten tialgestaltung. Dagegen stehen Fragen der Kapazitatsdimensionierung, des Technolo gieeinsatzes sowie der grundsatzlichen Bestellpolitik im Zentrum der taktischen Po tentialgestaltung. Aufgabe der operativen Potentialgestaltung ist es, die zur Realisie rung des Produktionsprogramms erforderlichen Produktionsfaktoren in der richtigen Menge und zum richtigen Zeitpunkt bereit zu stellen. 1m Rahmen der strategischen Prozessgestaltung erfolgt die Festlegung der generellen Produktionsablaufe, die in der taktischen Prozessgestaltung u. a. zu innerbetrieblichen Standortplanen umgesetzt werden. Wesentliches Aufgabengebiet der operativen Prozessgestaltung schliel3lich ist die Gewahrleistung eines technisch und wirtschaftlich optimalen Einsatzes samtlicher vorhandener Kapazitaten. Neben dies en grundlegenden Gestaltungsbereichen treten vor allem in jtingster Zeit integrative und tibergreifende Fragestellungen des Produktionsmanagements verstarkt in den Mitte1punkt des Interesses. Das Spektrum der Fragen reicht hierbei beispiels weise von tibergreifenden Aspekten der Programm-, Potential- und Prozessgestaltung mit Hilfe von PPS-Systemen, tiber tibergreifende Managementansatze wie Qualitats management oder Umweltmanagement bis hin zu unternehmenstibergreifenden Fragen der Leistungserstellung und deren Koordination in Netzwerken und/oder Werts chop fungsverbtinden. Etwas tiberspitzt formuliert, kann damit konstatiert werden: Wahrend die traditionelle produktionswirtschaftliche Forschung durch eine stark isoliert, funk tionsorientierte Perspektive gepragt ist, dominiert in der aktuellen bzw. modernen pro duktionswirtschaftlichen Forschung eine stark integrative, funktions- und untemeh menstibergreifende Prozessperspektive. 2. Der Mainzer Weg Aufbauend auf den beschriebenen allgemeinen Charakteristika des Fachs Produktions wirtschaft stellt sich nun die Frage, was die spezifischen Kennzeichen der Produk tionswirtschaft Mainzer Pragung sind. Der Ausdruck 'Produktionswirtschaft Mainzer Pragung' oder kurz 'Mainzer Produktionswirtschaft' steht dabei fur die inhaltliche und methodische Ausrichtung des Fachs bzw. des Lehrstuhls fur Produktionswirtschaft am rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereich der Universitat Mainz unter Leitung von Professor Dr. Klaus Bellmann. In Analogie zur bisherigen Vorgehenswie se wird zur Beantwortung dieser Frage auch hier zunachst wieder ein empirischer Zu gang unter Rtickgriff auf die Selbstdarstellung des Lehrstuhls gewahlt.