Kunst und Gesellschaft Herausgegeben von Ch. Steuerwald, Mainz, Deutschland Die Reihe Kunst und Gesellschaft führt verschiedene Ansätze der Soziologie der Kunst zusammen und macht sie einem interessierten Publikum zugänglich. In theoretischen als auch empirischen Arbeiten werden dabei verschiedene Kunst- formen wie etwa die Bildenden und Darstellenden Künste, die Musik und die L iteratur hinsichtlich ihrer gesellschaft lichen und künstlerischen Bedeutung und Struktur untersucht. Dies beinhaltet nicht nur Analysen zu Kunstwerken und - formen, sondern auch Studien zur Produktion, Vermittlung und Rezeption von Kunst. Neben aktuellen Arbeiten stellt die Reihe auch klassische Texte der Kunst- soziologie vor. Damit sollen zum einen die Zusammenhänge zwischen Kunst und Gesellschaft herausgearbeitet werden. Zum anderen zielt die Reihe darauf, die Relevanz einer Soziologie der Kunst auch in Abgrenzung zu anderen Arbeitsgebieten und Dis- ziplinen hervorzuheben. Herausgegeben von Christian Steuerwald Universität Mainz, Deutschland Christian Steuerwald Frank Schröder (Hrsg.) Perspektiven der Kunstsoziologie Praxis, System, Werk Herausgeber Christian Steuerwald, Frank Schröder, Mainz, Deutschland Frankfurt, Deutschland ISBN 978-3-531-19005-1 ISBN 978-3-531-19006-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-531-19006-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Einbandabbildung: © Christiane Schürkmann Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de Inhalt Christian Steuerwald und Frank Schröder Einleitung ......................................................................................... 7 Andreas Göbel Weltkunst ....................................................................................... 13 Konstadinos Maras Amerikanische Kunst: Eine systemtheoretische Rekonstruktion .. 39 Lutz Hieber »Kunst« oder »Nicht-Kunst« ......................................................... 61 Andrea Glauser Die Stadt als Kunstwerk ................................................................. 91 Sarah Hilterscheid Ko-Konstitution von Kunstgeschichten und Kunstkonzepten ..... 115 Jens Kastner Kunstproduktion und soziale Bewegungen .................................. 129 Tasos Zembylas Die Bedeutung des Praxisbegriffs für die Kunstsoziologie ......... 149 Julian Müller Bildkommunikation ..................................................................... 165 Oliver Schmidtke und Frank Schröder Soziologische Filmanalyse als Werkanalyse ............................... 179 Christian Steuerwald Mit Goffman im Theater .............................................................. 201 Hinweise zu den Autorinnen und den Autoren ............................ 227 Einleitung Christian Steuerwald und Frank Schröder C. Steuerwald/F. Schröder Die Soziologie der Künste untersucht verschiedene Formen der Kunst in ver- schiedenen sozialen Kontexten. Neben den verschiedenen Kunstformen wie etwa der Bildenden und Darstellenden Kunst, der Literatur, Musik, Film oder Archi- tektur interessiert sich die Soziologie der Künste für die Produktion, Vermittlung und Rezeption von Kunst, als auch für die gesellschaftliche Funktion und den gesellschaftlichen Stellenwert der Kunst und den Einfluß von Gesellschaften auf die Kunst sowie für eine »Soziologie des Kunstwerkes« – also etwa für Fragen, was Künstler praktisch tun, wenn sie Kunst hervorbringen, welchen Stellenwert Künstler in der Gesellschaft haben, wie Gesellschaften Kunstsyteme und unter- schiedliche Kunstformen ausbilden, wie Kunstwerke mit soziologischen Metho- den zu verstehen sind, welche Kunstwerke aus welchen Gründen für Museen ausgewählt werden, wie Ausstellungen funktionieren, wer Ausstellungen oder Ballettvorführungen besucht, wie Kunst vom Publikum rezipiert wird und wel- che gesellschaftlichen Akteure welche Kunstwerke favorisieren. Darüber hinaus zeichnet sich die Soziologie der Künste nicht nur durch unterschiedliche Arbeits- felder aus, sondern auch durch eine Vielfalt theoretischer und empirischer Zu- gänge. So finden sich neben makrosoziologisch auch mikrosoziologisch ausge- richtete Arbeiten, neben quantitativen auch qualitative Unterschungen. Dies spiegelt nicht nur die Organisation der soziologischen Disziplin insgesamt wider, sondern vor allem auch die Vielfalt des Untersuchungsgegenstandes. Die Geschichte einer Soziologie der Künste liest sich als eine »verdeckte« oder eine »unsichtbare« Geschichte. Obwohl kunstsoziologische Fragestellungen schon relativ früh bearbeitet wurden, wie es etwa die klassische Arbeit von Max Weber (1921) zur Musiksoziologie oder die zahlreichen Studien von Georg Simmel (etwa 1957, 1967) zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigen, und sich wis- senschaftshistorisch auch vor der Institutionalisierung einer soziologischen Wis- senschaft kunstsoziologische Fragestellungen nachweisen lassen, kommt der Soziologie der Künste keine prominente Stellung in der Soziologie zu. Analog zu anderen soziologischen Arbeitsgebieten wie etwa der Soziologie des Körpers werden kunstsoziologische Fragestellungen in der Fachgeschichte zwar stets bearbeitet. Jedoch wurden die Einzelstudien in der Soziologie nur selten regis- C. Steuerwald, F. Schröder (Hrsg.), Perspektiven der Kunstsoziologie, Kunst und Gesellschaft, DOI 10.1007/978-3-531-19006-8_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 8 C. Steuerwald/F. Schröder triert und noch seltener rezipiert, so dass die Geschichte der Soziologie der Künste sich eben als eine »verdeckte« Geschichte darstellt, die zwar vorhanden, aber eben nicht präsent ist. Einer der Gründe, warum sich kaum eine intensive Auseinandersetzung mit den vorgelegten kunstsoziologischen Arbeiten beobach- ten lässt, liegt sicherlich an den fachintern bedeutenden Diskursen wie etwa um die Soziologie von Talcott Parsons oder den Werturteilsstreit, die die Arbeiten zu einer Soziologie der Kunst »verdecken«. Damit einher geht auch, dass der Sozio- logie der Künste in Deutschland bis zu der Gründung des Arbeitskreises »Sozio- logie der Künste« im Jahr 2010 kein organisierter Arbeitszusammenhang zu- grunde liegt. Im Unterschied zu der eher randständigen Stellung einer Soziologie der Künste in Deutschland, die sich zumindest für das 20. Jahrhundert aufzeigen lässt, ist die Soziologie der Künste international weitaus besser aufgestellt. Ne- ben verschiedenen Forschungsnetzwerken und Arbeits- und Sektionsgruppen etwa in der Schweiz, Frankreich oder den USA zeigt sich dies auch an der Prä- senz kunstsoziologischer Fachzeitschriften wie etwa der Sociologie de l´Art in Frankreich. Überhaupt kommt vor allem der französischen Soziologie der Kunst eine herausragende Bedeutung im internationalen Kontext zu, da nicht nur eine Vielzahl prominenter französischer Kultur-, Sozial- und Geisteswissenschaftler sich mit der Kunst auseinandersetzen und kunstsoziologische Fragestellungen bearbeiten wie etwa Claude Levi-Strauss, Roland Barthes, Michel Foucault, Pierre Bourdieu und Gilles Deleuze. Auch ist eine Rückkoppelung kunstsoziolo- gischer Arbeiten an die Soziologie nachweisbar. Prominentes Beispiel ist hier wohl Pierre Bourdieu (1974), der sein Konzept des Habitus unter anderem über die Rezeption der kunsthistorischen Studien von Erwin Panofsky entwickelt. Auch wenn für das 20. Jahrhundert wohl die Diagnosen zutreffen, dass die Soziologie der Kunst „in Deutschland im Vergleich zu anderen Teilsoziologien sicherlich nicht zu den Bindestrichsoziologien [gehört], die man als institutiona- lisierte Teilbereiche der Soziologie bezeichnen könnte“ (Gerhards 1997, S. 7) und in Deutschland eine Soziologie der Kunst nicht dieselbe bedeutende Rolle spielt wie etwa in Frankreich, den Vereinigten Staaten oder sogar in Östereich, wie Volker Kirchberg und Ulf Wuggenig die Situation zusammenfassen (Kirch- berg/ Wuggenig 2004, S. 8)1, lässt sich diese Situation der Soziologie der Kunst für das 21. Jahrhundert so nicht mehr beurteilen. Neben einer Vielzahl kunstso- ziologischer Veröffentlichungen zeigt sich dies vor allem an der Gründung des Arbeitskreises für eine Soziologie der Künste im Oktober 2010 auf dem DGS- Kongess in Frankfurt. Im Oktober 2011 gehören dem Arbeitskreis knapp über 1 Im englischen Original heißt es: “In Germany, a sociology of art does not play the same important role as it does in France, the United States, or even, as we will show, in Austria.” (Kirchberg/ Wuggenig 2004, S. 8) Einleitung 9 100 Mitglieder an, wovon ca. 40% weiblich und ca. 60% männlich sind. Unter Berücksichtigung lokaler Arbeitszusammenhänge zeigt sich, dass nicht nur etwa 40 Städte vertreten sind, in denen zumeist nur eine oder zwei Personen in dem Informationsverteiler aufgenommen sind. Ausnahme hiervon sind unter anderem Berlin, Lüneburg, Frankfurt am Main, Freiburg, Wien und Bern, die jeweils mehrere Mitglieder haben. Auch zeigt sich, dass der Arbeitskreis sich nicht auf Deutschland beschränkt, sondern ebenso Mitglieder vor allem aus Österreich und der Schweiz hat. Derzeitige Sprecherin des Arbeitskreises ist Dagmar Danko. Darüber hinaus lässt sich auch, wie die einleitende Definition aufzeigt, ein erwei- tertes Verständnis hinsichtlich der Untersuchungsfelder beobachten. Im Unter- schied zu der Auffassung, dass die „Analyse der Kunstwerke selbst […] Aufgabe der darauf spezialisierten Geisteswissenschaften [ist] – der Kunstgeschichte, der Literatur- und Musikwissenschaften“ (Gerhards 1997, S. 8) und in der Soziolo- gie der Kunst Analysen von Kunstwerken von nur untergeordneter Bedeutung sind, lässt sich mittlerweile auch eine zunehmende Bearbeitung einer Soziologie des Kunstwerkes registrieren etwa über soziologische Kunstwerkanalysen oder der Auseinandersetzung um den Werkbegriff, die fachintern jedoch kontrovers diskutiert werden. Die vorliegende Veröffentlichung fasst verschiedene neuere soziologische Perspektiven auf die Kunst zusammen, die auf der ersten im Oktober 2012 in Mainz stattgefundenen Tagung des Arbeitskreises einer Soziologie der Künste diskutiert wurden. Primär geht es hierbei um Analysen von Praktiken, Systemen, Kunstwerken sowie Kunstorten, die in den verschiedenen Beiträgen je nach Schwerpunktsetzung theoretisch und/oder empirisch untersucht werden. Infolge des Anspruchs, neuere Perspektiven der deutschsprachigen Soziologie auf die Kunst zusammenzuführen und die Vielfalt kunstsoziologischer Forschungen anzuerkennen, ist der Band insgesamt offen angelegt. Neben den nachstehend aufgeführten kunstsoziologischen Perspektiven, Untersuchungen und der Bear- beitung soziologischer Probleme lässt schließlich auch die Organisation der Tagung ein zentrales soziologisches Problem erkennen: die Kontingenz von Handlungen und die daran angeschlossenen Probleme von Prognosen und Plan- barkeit. Zum einen war die Tagung ursprünglich in Frankfurt geplant. Sie musste jedoch unter anderem aufgrund der gleichzeitig stattfindenden Buchmesse kurz- fristig nach Mainz verlegt werden. Zum anderen konnten nicht alle eingeladenen Personen letztlich vortragen, ein nicht angekündigter Vortrag wurde kurzfristig in Folge des Ausfalls aufgenommen und auch die Reihenfolge musste aus Ter- mingründen geändert werden. Dies erklärt schließlich, warum einige aus dem Organisationsteam schlussendlich nicht nur mit einem Vortrag, sondern auch mit einem Beitrag in dieser Veröffentlichung vertreten sind. In verschiedenen Phasen der Tagungsorganisation haben mitgearbeitet: Amalia Barboza, Felicia Herr- 10 C. Steuerwald/F. Schröder schaft, Bertram Ritter, Oliver Schmidtke, Frank Schröder und Christian Steuer- wald. Zu den einzelnen Beiträgen: Der Beitrag von Andreas Göbel setzt an der Ungenauigkeit des Begriffs der Weltkunst an, der theoriegeschichtlich auf Problemstellungen hinsichtlich des Weltkonzeptes und der Weltgesellschaft der Systemtheorie Luhmannscher Pro- venienz zurückzuführen ist. Unter Berücksichtigung historischer Hinweise auf die kunstsysteminternen Programmvariationen, die sich prominent am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert aufzeigen lassen und die dafür verantwortlich sind, dass auch außereuropäische Kunst zunehmend im Weltkunstsystem als Kunst verstanden werden kann, zeigt Göbel semantische Vorschläge und strukturelle Umbauten auf, wie der Begriff theoriesoziologisch verstanden werden müsste, damit etwa europäische und afrikanische Kunstbegriffe und Kunstsysteme glei- chermaßen behandelt werden können. Ausgehend von der Beobachtung, dass die amerikanische Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts alle notwendigen Strukturmerkmale eines ausdiffe- renzierten Kunstsystems aufweist, rekonstruiert Konstadinos Maras Ausschnitte aus der US-amerikanischen Kunstgeschichte, um Hinweise auf Prozesslogiken und Merkmale gegenwärtiger Kunstkommunikation herausstellen zu können. Ebenso im Anschluss an die Systemtheorie von Niklas Luhmann geht Maras am Beispiel der amerikanischen Kunstgeschichte und ihren Kunstwerken schließlich den Fragen nach, wie Unterscheidungen im Kunstsystem gezogen, wie Grenzen markiert und wie kommunikative Anschlussmöglichkeiten hergestellt werden. An der Unterscheidung der deutschen und der US-amerikanischen Kunstge- schichte des 20. Jahrhunderts diskutiert Lutz Hieber die in der Kunst zu beobach- tenden Unterscheidungen von Kunst und Nicht-Kunst und die damit verbunde- nen Probleme für den Gegenstandsbereich der Kunstsoziologie. Unter Aufarbei- tung der grundlegenden Bedeutung von Avantgarden für die Kunst begründet Hieber das Auseinanderdriften der mitteleuropäischen und US-amerikanischen Kunst und ihr Verständnis von Kunst und Nicht-Kunst vor allem über die Ver- nichtung der Avantgarde im Nationalsozialismus und ihre Migration nach Nord- amerika. Ausgehend von der Beobachtung, dass in den internen Auseinandersetzun- gen der Stadtplanung zunehmend auch Fragen der Stadtästhetik verhandelt wer- den, diskutiert Andrea Glauser aktuelle Positionen zu Stadtbildfragen mit Blick auf die Hochhausdebatten in den Städten London, Paris und Wien. Vor allem an der Frage, wie zeitgenössische Architektur in bestehende und historisch gewach- sene Stadtstrukturen integriert werden kann, zeigt Glauser darüber hinaus auf,