Heidelberger Taschenbücher Band 202 Basistext Psychologie J. B. Rotter D. 1. Hochreich Persönlichkeit Theorien Messung Forschung Übersetzt von Petra Baumann-Frankenberger Springer-Verlag Berlin Heidelberg N ew York 1979 Julian B. Rotter, Ph. D., Professor of Psychology Dorothy J. Hochreich University of Connecticut, StOffS, CT 06268/USA Übersetzerin: Petra Baumann-Frankenberger Im Weidenauel16a, D-5064 Rösrath Titel der amerikanischen Originalausgabe: Personality, 1st Edition Copyright © 1975 by Scott, Foresman and Company, Glenview, IL 60025/USA ISBN 978-3-540-09469-2 ISBN 978-3-642-51135-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-51135-6 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek. Rotter, Julian B.: Persön lichkeit: Theorien, Messung, Forschung/ J. B. Rotter; D. J. Hochreich. Übers. von Petra Baumann-Frankenberger. - Berlin, Heidelberg, New York : Springer, 1979. (Heidelberger Taschenbücher; Bd. 202: Basistext Psychologie) Einheitssacht.: Personality < dt. > ISBN 978-3-540-09469-2 NE: Hochreich, Dorothy J. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbil dungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähn lichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugs weiser Verwertung, vorbehalten. Bei Vervielfaltigung rur gewerb liche Zwecke ist gemäß § 54 UrhG eine Vergütung an den Verlag zu zahlen, deren Höhe mit dem Verlag zu vereinbaren ist. © by Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 1979 Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1979 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne Kennzeichnung nicht zu der An nahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: Beltz Offsetdruck, Hemsbach/Bergstr. 2126/3140-543210 Vorwort Mit diesem Buch unternehmen wir den Versuch, dem Studenten eine Einführung in die drei wichtigsten Aspekte der Persönlichkeitsforschung zu geben. Diese drei Aspekte sind: repräsentative Theorien, empirische Daten und Meß methoden. Zuerst stellen wir ausgewählte Theorien vor, welche die Gedankengänge vieler Psychologen beeinflußt haben. Wir beschreiben diese Theorien nicht nur, wir versuchen auch, dem Studenten Wege aufzuzeigen, mit denen diese Theorien bewertet und miteinander verglichen werden können, auch dann, wenn sie von ganz verschiede nen Standpunkten ausgehen. Mit anderen Worten, wir bieten dem Studenten das Werkzeug an, mit dem er nicht nur die in diesem Buch vorgestellten, sondern auch andere Theorien verstehen und einschätzen kann. Zweitens stellen wir einige Gebiete der empirischen For schung vor, um den Studenten mit der für die Persönlich keitsforschung typischen Art von Daten bekannt zu ma chen. Die Erhebung dieser Daten und die Aufstellung eines Zusammenhangs zwischen diesen Daten und theoretischen Hypothesen wollen wir den Studenten zeigen. Hierfür beschreiben wir bestimmte experimentelle Untersuchungen im Detail, so daß der Student erkennen kann, warum die Studie unternommen wurde, wie die Daten erhoben und wie verschiedene Interpretationen auf die Ergebnisse angewen det wurden. In einigen Fällen wird diese Art des Vorgehens veranschaulichen, wie Theorie und Forschung Hand in Hand gehen können. Drittens geben wir dem Studenten einen Überblick sowohl über Arten der Instrumente zur Messung der Persönlichkeit als auch über die Probleme der Messung im allgemeinen, so daß er oder sie die Daten in der Persönlichkeitsforschung besser verstehen kann. Anstatt einfach die vielen Tests zur Messung der Persönlichkeitseigenarten nur zu beschreiben, diskutieren wir die allgemeinen Probleme bei Messungen V und die Vor-und Nachteile von verschiedenen Ansätzen zur Messung. Da wir alle drei genannten wichtigen Aspekte der Persön lichkeitsforschung in einer kurzen Einführung in dieses Gebiet unterbringen wollten, mußten wir selektiv vorgehen; es war hier nicht möglich, alle interessanten und relevanten Dinge darzustellen. Wir haben solche Theorien und empiri sche Ansätze ausgewählt, die repräsentativ für das Gebiet der Persönlichkeitsforschung in der Vergangenheit und in der Gegenwart sind. Wir selbst bevorzugen die Persönlichkeitstheorie des Sozia len Lernens, die in Kapitel 8 vorgestellt wird. Autoren mit anderen theoretischen Standpunkten würden wahrschein lich eine andere Auswahl treffen. Fräulein Mary Davis sind wir für ihre unschätzbare Hilfe bei der Vorbereitung des Manuskripts für dieses Buch zu Dank verpflichtet. Julian B. Rotter Dorothy J. Hochreich VI Inhaltsverzeichnis 1 Die Persönlichkeitsforschung .. . . . . . . . 1 Das Ziel der Persönlichkeitsforschung . . . . . 1 Die Eigenschaften einer Persönlichkeitstheorie 6 Psychologische Konstrukte . . . . . . . . . 6 Gütekriterien für Konstrukte: Reliabilität und Nützlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 8 2 Dimensionen der Persönlichkeitstheorien 10 Formale Dimensionen . . . . . . . . . . 11 Systematisch versus nicht-systematisch 11 Operational versus nicht-operational . 15 Inhaltlich versus prozessual . . . . . . 16 Dimensionen für die Erklärung der individuellen Unterschiede. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17 Vererbung und Anlage versus Lerngeschichte 17 Generalisierung versus Spezifizierung. . 19 Innerliche versus Situationsbestimmung 21 Motivationale Annahmen . . . . . . . 22 Veränderung der Persönlichkeit . . . . -23 Repräsentative Persönlichkeitstheorien 23 3 Freuds Psychoanalyse . . . . . . . . 25 Wichtigste grundsätzliche Annahmen 26 Energie und Triebe . . . . . . 27 Die Struktur der Persönlichkeit . . 28 Entwicklungsstadien . . . . . . . . 30 Angst und psychologische Abwehr 33 Psychoanalytische Therapie . . . . 35 Repräsentative Forschungsergebnisse 38 Wichtigste Verdienste . . . . . . . 42 Zusammenfassung und Diskussion . 42 VII 4 Eriksons Theorie der psychosozialen Entwicklung . . . . . . . . . . . 47 Acht Lebensalter des Menschen: Die psychosozialen Stadien. . . . 47 Ur-Vertrauen versus Ur-Mißtrauen. . 48 Autonomie versus Scham und Zweifel 48 Initiative versus Schuld gefühl . . . . . 49 Leistung versus Minderwertigkeitsgefühl 50 Identität versus Rollendiffusion . . . . 50 Intimität versus Isolierung ...... 52 Zeugende Fähigkeit versus Stagnation 53 Ich-Integrität versus Verzweiflung 53 Repräsentative Forschungsergebnisse 54 Wichtigste Verdienste . . . . . . . . 54 5 Adlers Individualpsychologie . 56 Drei grundsätzliche Annahmen 57 Individuelle Unterschiede . . 57 Familiendynamik ...... 59 Eltern-Kind-Beziehungen. 60 Geschwisterbeziehungen . 61 Fehlanpassung . . . . . . . . 63 Adlerianische Psychotherapie 66 Repräsentative Forschungsergebnisse 67 Wichtigste Verdienste . . . . . . . 70 Zusammenfassung und Diskussion . 70 6 Rogers' "Selbst-Theorie". . . . 75 Grundsätzliche Annahmen .. 77 Entwicklung der Persönlichkeit 77 Selbst-Verwirklichung und organismischer Bewertungsprozeß ......... 77 Das Konzept des Selbst . . . . . . . 78 Bedürfnis nach positiver Beachtung. 80 Bedürfnis nach Selbst-Beachtung . 80 Werthaltungen ...... 81 Fehlanpassung . . . . . . . . 81 Psychotherapie nach Rogers . 83 VIII Repräsentative Forschungsergebnisse 84 Wichtigste Verdienste . . . . . . . 86 Zusammenfassung und Diskussion . 87 7 Maslows Ganzheitstheorie . 90 Grundsätzliche Annahmen 90 Grundbedürfnisse . . . . . 91 Physiologische Bedürfnisse 91 Sicherheitsbedürfnisse . . . 92 Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Liebe 93 Bedürfnisse nach Wertschätzung . . . . . 94 Bedürfnis nach Selbst-Verwirklichung . . 94 Weitere Merkmale der Grundbedürfnisse 95 Psychische Gesundheit und Fehlanpassung 96 Selbst-verwirklichte Menschen. 97 Psychotherapie. . . . . . . . . . . 99 Wichtigste Verdienste . . . . . . . 100 Zusammenfassung und Diskussion 100 8 Rotters Theorie des Sozialen Lernens 104 Grundsätzliche Annahmen 105 Grundkonstrukte .. 106 Verhaltenspotential 106 Erwartung. . . . . 107 Verstärkungswert . 109 Psychologische Situation 110 Die Verhaltensformel und das Konzept der psychologischen Bedürfnisse . . . . 111 Niedrige Bewegungsfreiheit und hoher Bedürfniswert . . . . . . . . 114 Minimales Zielniveau . . . . 116 Generalisierte Erwartungen: Problemlösungsfähigkeiten 117 Psychotherapie. . . . 119 Forschungsergebnisse . . . 123 Wichtigste Verdienste . . . 125 Zusammenfassung und Diskussion 125 IX 9 Die Messung der Persönlichkeit . 128 Ziele der Persönlichkeitsmessung 129 Reliabilität und Validität .... 130 Probleme der Persönlichkeitsmessung . 132 Techniken der Persönlichkeitserfassung . 137 Das Interview . . . . 13 7 Der Fragebogen. . . . . 140 Projektive Techniken . . 147 Freie Wortassoziation 150 Rorschach-Test. . . . 151 Thematischer Apperzeptionstest 152 Satzergänzungsmethode . . . . 154 Methoden zur Verhaltensbeobaclitung 155 Verhaltens tests 156 Soziometrie . . . . . . . . . . . . . . 158 10 Einige empirische Ansätze in der Persönlichkeitsforschung . . . . . 160 Angst .............. 161 Aggression, Feindseligkeit und Ärger 170 Zwischenmenschliches Vertrauen . . 178 Selbst-versus Fremdkontrolle der Verstärkung 184 11 Standort und Bedeutung der Persönlichkeitsforschung . . 191 Persönlichkeitsforschung und Sozialwissenschaften . . . . 191 Der gegenwärtige Stand der Persönlichkeitsforschung . 194 Literaturverzeichnis 197 Autorenverzeichnis . 200 Sachverzeichnis .. 201 x 1 Die Persönlichkeitsforschung Die Erforschung der Persönlichkeit ist ein schwieriges und verwickeltes Unterfangen. Es umfaßt eine Vielzahl von Techniken, Ansätzen und Wegen, die Eigenheiten des Menschen und seines Verhaltens zu erfassen. Bevor wir hier beginnen, uns mit einigen der Wege zu befassen, die Persönlichkeitspsychologen der Vergangenheit und der Gegenwart beschritten, wollen wir zunächst versuchen festzulegen, was wir als Ziele der Persönlichkeitsforschung ansehen wollen und was zu einer Persön lichkeitstheorie gehört. In der Alltagssprache wird das Wort "Persönlichkeit" oft für das allumfassende, überdauernde "Wesen" eines Menschen verwendet oder aber für etwas, worüber eine bestimmte Person verfügt oder nicht verfügt; z. B. "Sie ist eine Persönlichkeit" oder "Er hat eine aggressive Persönlichkeit". Psychologen jedoch sprechen über die Menschen eher in bestimmten Charakterzügen oder in zusammenhängenden Gefügen von charakteristischen Arten der Umwelt-Bewältigung. Viele Autoren von Persönlichkeitslehrbüchern haben seitenweise die Frage "Was ist Persönlichkeit?" diskutiert. Es liegt auf der Hand, daß verschiedene Psychologen Persönlichkeit jeweils unterschiedlich ver standen wissen möchten. In den meisten Fällen wird der Begriff jedoch zur Zuordnung von charakteristischen, relativ stabilen Denk-, Erle bens- und Verhaltensweisen zu einem Individuum benutzt. Dabei sino solche stabilen Eigenschaften ausgenommen, die unter die Überschrift "Intelligenz" oder "besondere Fähigkeiten" fallen, d. h. Verhaltenswei sen, die mit Hilfe standardisierter Intelligenz-, Leistungs- oder Fähig keitstests gemessen werden. In diesem Buch soll "Persönlichkeit" als ein hypothetisches Konstrukt verstanden werden, als ein Begriff, der der Bezeichnung bestimmter Aspekte menschlichen Verhaltens dient, nicht der Erfassung des menschlichen "Wesens". Das Ziel der Persänlichkeitsforschung Durch die ganze Geschichte hindurch hat jede Kultur Möglichkeiten entwickelt, Menschen zu beschreiben - mitzuteilen, wie jemand ist. 1