Patronymica Romanica 17 Publiés par Dieter Kremer en collaboration avec Maria Giovanna Arcamone, Antoni M. Badia i Margarit, Ivo Castro, Marianne Mulon, Jean-Marie Pierret et Marius Sala Onomastik Akten des 18. Internationalen Kongresses für Namenforschung Trier; 12.-17. April 1993 Band IV Personennamen und Ortsnamen In Zusammenarbeit mit Thorsten Andersson herausgegeben von Dieter Kremer Max Niemeyer Verlag Tübingen 1999 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Onomastik / [Akten des 18. Internationalen Kongresses für Namenforschung, Trier, 12.- 17. April 1993]. - Tübingen : Niemeyer Bd. 4. Personennamen und Ortsnamen / in Zusammenarb. mit Thorsten Andersson hrsg. von Dieter Kremer. - 1999 (Patronymica romanica; 17) ISBN 3-484-55517-3 ISSN 0938-3387 © Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 1999 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier Druck: Weihert-Druck, Darmstadt Die Druckvorlage wurde von Norbert Weinhold erstellt. Einband: Industriebuchbinderei Nadele, Nehren SEKTION IV Personennamen und Ortsnamen Leitung: Thorsten Andersson (Uppsala) Beratung: Ricardo Cierbide (Vitoria/Gasteiz), Frans Debrabandere (Brugge), Botolv Helleland (Oslo), Mary R. Miller (Washington), Svante Strandberg (Uppsala), Dom- ni{a Tomescu (Bucureçti), Heinz Jürgen Wolf (Bonn) Thorsten Andersson (Uppsala) Einleitung 1 Evert Melefors (Uppsala) Personal names in relation to place names in Gotland (Sweden) 4 Allan Rostvik (Uppsala) A special type of farm and family names in the province of Dalecarlia (Sweden) 8 Ann-Christin Mattisson (Uppsala and Gävle) Women's names in Swedish place names 13 Maria Dolores Gordon Peral / Stefan Ruhstaller (Sevilla) Nombres personales femeninos de difusión local basados en nombres de lugar 20 Svante Strandberg (Uppsala) Beziehungen zwischen Personennamen und Ortsnamen 38 Mary R. Miller (Washington, D.C.) Closing the circle 45 Tom Schmidt (Oslo) Norwegian place names in -byZ-bo with anthroponymic specifics 51 Liljana Dimitrova-Todorova (Sofia) Die Personennamen in der bulgarischen Toponymie 64 Lâszlô Vincze (Budapest) Personennamen und andere Eigennamen in mittelalterlichen ungarischen Straßennamen 69 Laimute Baiode (Riga) Latvian hydronyms of anthroponymic origin 76 Wolf-Armin Frhr.v. Reitzenstein (München) Personennamen als Bergnamen 82 VI Satoko Ueno (Kôchi-shi) Coastal names originated from personal names in Japan 88 Akikatsu Kagami (Tsu-shi) Why the toponyms from personal names are rare in modern Japan? 102 Henri Dorion (Québec) Anthroponymie et toponymie franco-québécoises: hypothèses de travail et perspectives de recherche 106 Thomas J. Gasque (Vermillion) Personal names as placenames in South Dakota's Black Hills 113 Mohamed Aghali-Zakara (Paris) Onomastique Berbère - Interférence des anthroponymes et des toponymes en Touareg 119 Margaret Gelling (Birmingham) Personal names in English place-Names 131 John Insley (Bad Königshofen) Tarleton and related problems (Summary) 135 Domnifa Tomescu (Bucarest) Typologie des noms de personne roumains issus de noms de lieux 137 Pierre Gauthier (St.-Vincent-sur-Jard) Les anthroponymes dans les Toponymes Gallo-Romains du Département de la Vienne (France) 142 Heinz Jürgen Wolf (Bonn) Anthroponymes à base toponymique et toponymes à base anthroponymique en Sardaigne 154 Botolv Helleland (Oslo) Ortsnamen als Ursprung von Familiennamen in Norwegen 159 Anne Svanevik (Henefoss) The opposition between Norwegian farm names and their corresponding family names 169 Giulia Mastrelli Anzilotti (Firenze) Deutsche Hof- und Familiennamen im Trentino (Italien) 174 Margit Frank (Göteborg) Hamburger, Frankfurter usw., nicht aber Nürnberger. Jüdische Herkunftsnamen 182 VII John Field (Evington) English field-names formed from personal names 187 Marje Joalaid (Tallinn) Personennamen in den siidwepsischen Ortsnamen 194 Marja Kallasmaa (Tallinn) Personal names in Estonian place-names 199 Karlheinz Hengst (Zwickau) Slawische Personennamen in deutschen Ortsnamen sozioonomastisch betrachtet .. 203 Alfonso Irigoyen Echevarría (Bilbao) Toponomástica y antroponimia del dominio lingüístico Vascónico 212 M" Fátima Carrera de la Red (Santander) Castilian toponyms with the title Don between Cea and Pisuerga 225 Maria Alice Femandes (Faro) Noms de personne et toponymie de l'Algarve 236 Alberto González Rodríguez (Santander) Interrelations between anthroponymy and toponymy in a valley of Cantabria 269 Gonzalo Navaza (Vigo) Quelques noms de personne dans les noms d'endroits de la Galice méridionale 281 Elzbieta Foster (Berlin) Von Personennamen abgeleitete Ortsnamen in einem slawisch-deutschen Kontaktgebiet (Brandenburg) 305 Barbara Czopek (Krakow) Personennamen in den Ortsnamen deutscher Herkunft auf dem Gebiet Polens 311 PODIUMSDISKUSSION Personennamen in Ortsnamen - Ortsnamen in Personennamen Anthroponymisch-toponymische Beziehungen (Svante Strandberg) 320 Personennamen in Ortsnamen - Ortsnamen in Personennamen in der Romania {Heinz Jürgen Wolf) 322 Vili Entstehung der Familiennamen in Norwegen (Botolv Helleland) 327 Von Deutsch zu Szwedzk(i). Einige aus Länder- oder Nationalitäts- bezeichnungen gebildete jüdische Familiennamen (Margit Frank) 328 Personal name and place-name chronology (John Insley) 329 Thorsten Andersson (Uppsala) Einleitung Das Ziel der Arbeit der Sektion IV war es, von möglichst vielen Seiten die Beziehun- gen zwischen Personennamen und Ortsnamen in verschiedenen Sprachen zu beleuch- ten. Insgesamt wurden auf dem Kongreß 38 Referate gehalten. In den hier vorgelegten Akten erscheinen 35 dieser Beiträge sowie noch ein Referat, das auf dem Kongreß nicht vorgetragen werden konnte. Auf die Vorträge folgte eine meistens rege Diskus- sion, die hier konzentriert wiedergegeben wird. In einer abschließenden Podiumsdis- kussion wurden wesentliche Aspekte der Beziehungen zwischen Personennamen und Ortsnamen von einigen Referenten der Sektion zusammengefaßt und ergänzend beleuchtet. Wie es sich auf einem onomastischen Weltkongreß gebührt, wurden Namen vieler Sprachen analysiert. Am stärksten vertreten war - in herkömmlicher Weise - Europa mit Untersuchungen romanischer, keltischer, germanischer, slawischer, baltischer und finnisch-ugrischer Namen. Aus Nordamerika gab es Beiträge über englische und fran- zösische Namen, während indianisches und eskimoisches Namengut nur gestreift wurde. Berberische Namen aus dem nordwestlichen Afrika wurden erörtert, während arabische Namen nur am Rande erschienen. Asien war, wie es auf den internationalen Namenkongressen schon lange üblich war, durch Japan vertreten. Jüdische Familien- namen deutscher Herkunft wurden in einem Referat besonders beachtet. Die hier veröffentlichten Beiträge geben eine gute Auffassung von den verschiede- nen Fragen, die die Namenforschung gegenwärtig beschäftigen. Es handelt sich um mannigfaltige und komplizierte Beziehungen zwischen den beiden Namenkategorien Personennamen und Ortsnamen. Besonders eingehend wird die Rolle der Personennamen für die Bildung von Orts- namen, sowohl Siedlungsnamen als auch Flurnamen (im engeren Sinne), Bergnamen und Gewässernamen, behandelt. Von morphologischer Seite werden dabei die ver- schiedenen Arten von Namenbildung beachtet. Den klassischen Wortbildungsarten Derivation und Komposition steht dabei die in romanischen Sprachen verbreitete syn- tagmatische Struktur mit Präpositionen gegenüber. Der Gegensatz zwischen slawischer Ableitung und germanischer Zusammensetzung wird aus dem slawisch-deutschen Sprachkontaktgebiet beleuchtet. Die berberische Namenstruktur wird didaktisch vorge- führt. Die japanische Namenbildung mit speziellen verbindenden Partikeln hätte einem westlichen Publikum auch gern näher erläutert werden können. Unveränderte Über- nahme eines Personennamens als Ortsname, wie sie z.B. in nordamerikanischen Namen wie Washington vorkommt, wird auch exemplifiziert, aber es wird auch vorge- führt, wie formale Übereinstimmung sekundär, durch Ellipse entstanden, sein kann. Große Aufmerksamkeit wird der Frage gewidmet, in welcher Beziehung die Perso- nen zu den betreffenden nach ihnen benannten Örtlichkeiten gestanden haben. Beson- ders bei Siedlungsnamen handelt es sich selbstverständlich hauptsächlich um Besitzer oder Benutzer. Frauennamen, die dabei eine untergeordnete Rolle spielen, finden sich vor allem in jüngeren Ortsnamentypen, wo sie an Neusiedlerinnen erinnern (Mattis- son). Frauen können aber auch in alten Namen als the womenfolks of thegns die füh- rende Oberklasse vertreten (Gelling). Im deutsch-slawischen Kontaktgebiet wird ein Versuch unternommen, anhand der Personennamen die Siedlungsnamen sozial zu stratifizieren (Hengst). 2 Thorsten Andersson In anderen Namen als Siedlungsnamen sind Personennamen in Ortsnamen meistens anders als durch Besitz oder Nutzung begründet. Oft handelt es sich um Ereignisna- men, die also auf besondere Vorfälle, z.B. Unfall oder Selbstmord, zurückzuführen sind. Andere Gründe sind spezielle Tätigkeit, z.B. Fischerei, oder zufälliges Versteck. Sagengestalten spielen auch eine wichtige Rolle, anscheinend besonders in Bergna- men. Unter sowohl Siedlungsnamen als auch anderen Ortsnamen finden sich ferner sog. Memorialnamen, die an bekannte Personen erinnern. Nicht zuletzt sind solche Namen in Nordamerika zu finden, wo sie mit der Einbeziehung dieses Kontinents in die Inter- essensphäre der Weißen zusammenhängen. Eine zusammenfassende Systematisierung der Gründe des Gebrauchs von Perso- nennamen in der Ortsnamenbildung wäre wünschenswert. Im großen und ganzen scheint es sich um semantische Universalien zu handeln. Das Feststellen von Personennamen in Ortsnamen ist keinesfalls unproblematisch. Es kann sich in Zusammensetzungen oft ebensogut um homonyme Appellative handeln; die Morphologie hilft zwar oft, jedoch keinesfalls immer, diese Frage zu ent- scheiden. In den hier vorgelegten Akten wird z.B. eine alte Streitfrage, inwieweit englische Ortsnamen Personennamen oder Appellative (Gelände-, Vogel- und Pflan- zenbezeichnungen) enthalten, vergegenwärtigt. Eine Unsicherheit, ob ein Personenname oder ein Appellativ in einem Ortsnamen vorliegt, beinhaltet auch ganz allgemein eine Warnung vor der Rekonstruktion von Wörtern, Namen wie Appellativen, aus Ortsnamen. Nichtsdestoweniger dienen Ortsna- men oft dazu, alte Personennamen zu belegen oder gar zu erschließen. So sind genui- ne wepsische Personennamen und viele altertümliche bulgarische Namen, die von der orthodoxen Kirche verdrängt wurden, in Ortsnamen zu finden (Joalaid, Dimitrova- Todorova), und verlorengegangene galicische Namen sind noch in Ortsnamen vorhan- den (Navaza). Der westslawische Personennamenschatz wird durch Ortsnamen im öst- lichen Deutschland erheblich erweitert (Foster, Hengst). Aus verschiedenen Referaten geht hervor, wie unter bestimmten Gesellschaftsver- hältnissen einerseits Hofnamen und andererseits Bei- oder Familiennamen, zuweilen wohl eher als Haushaltsnamen zu betrachten, ohne deutliche Grenze ineinander über- greifen oder, anders ausgedrückt, die Namen eine schillernde Zwischenstellung einneh- men. Ein näherer Vergleich solcher Konstellationen wäre für die Beurteilung der Komplexität des Phänomens günstig, da das Nebeneinander oft aus einer zu engen Perspek tive betrachtet zu werden scheint. Häufiger kommen Personen- und Ortsnamen in einer Art onymischen Kreislaufs vor, z.B. in einer Kette Personenname - Ortsname - Personenbeiname - Ortsname. Closing the circle wird es in einem Beitrag genannt (Miller). In diesem "Kreislauf' sind Genitivformen von Personennamen, die als Hofnamen dienen, sowie Einwohner- bezeichnungen, die als Beinamen benutzt werden, von wesentlicher Bedeutung. Sprachkontaktfragen spielen in mehreren Beiträgen eine mehr oder weniger hervor- tretende Rolle. Vor allem handelt es sich dabei um Kontakte zwischen verschiedenen europäischen Sprachzweigen, Romanisch, Keltisch, Germanisch, Slawisch, Baltisch, Finnisch-Ugrisch, oder auch zwischen Sprachen ein und desselben Sprachzweigs wie Englisch und Nordisch in England. Der Sprachkontakt kann unterschiedlich verlaufen. Wenn er mit Zwang irgendeiner Art verbunden ist, wird die Situation emotiv geladen. Das Verdrängen wepsischer und bulgarischer Personennamen durch die orthodoxe Kirche (s. oben) kann nicht reibungslos vor sich gegangen sein. Aus der Gegenwart