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Permanentes Provisorium : Hans Blumenbergs Umwege PDF

281 Pages·2015·2.011 MB·German
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Heidgen, Koch, Köhler (Hg.) Permanentes Provisorium Michael Heidgen, Matthias Koch, Christian Köhler (Hg.) Permanentes Provisorium Hans Blumenbergs Umwege Wilhelm Fink Gedruckt mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn Umschlagabbildung: Andreas Cellarius: Harmonia Macrocosmica, Amsterdam, 1661, Bildtafel 4. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. © 2015 Wilhelm Fink, Paderborn (Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.fink.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Printed in Germany Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn ISBN 978-3-7705-5701-1 INHALT MICHAEL HEIDGEN, MATTHIAS KOCH, CHRISTIAN KÖHLER Permanentes Provisorium. Hans Blumenbergs Umwege: Zur Einleitung ............................................. 9 *** MANFRED SOMMER Wirklichkeit auf Widerruf? ......................................................................... 25 JÜRGEN GOLDSTEIN Rationale Provisorien. Die cartesische Selbstbehauptung und die Funktion von Weltmodellen ..... 37 RÜDIGER ZILL Auch eine Kritik der reinen Rationalität. Hans Blumenbergs Anti-Methodologie ...................................................... 53 *** ALEXANDER FRIEDRICH Daseinsgrundprobleme. Blumenbergs Metaphorologie als Kultur- und Technikphilosophie ........... 75 MICHAEL MAKROPOULOS Blumenberg und die Ontologie des ästhetischen Gegenstands ................... 93 6 INHALT ANDREAS PRIBERSKY „Sichtbarkeit“: Hans Blumenbergs Umweg in die Moderne? ............................................. 113 SEBASTIAN TRÄNKLE Die Vernunft und ihre Umwege. Zur Rettung der Rhetorik bei Hans Blumenberg und Theodor W. Adorno ............................................... 123 SANDRA MARKEWITZ Umwege der Grammatik. Über Blumenberg und Wittgenstein ........................................................... 145 PIERRE MATTERN „Ich habe Nessy gesehen.“ Zur Fremd- und Selbstreferenz in Blumenbergs Anekdotenglossen .......... 159 *** MARTINA PHILIPPI Phänomenologische Beschreibung der Phänomenologie? Blumenbergs Perspektivenwechsel ............................................................ 173 MARION SCHUMM Blumenberg und die Intermittenz des Bewusstseins .................................. 189 *** NICOLA ZAMBON Wie ein erloschener Stern, der nachleuchtet. Marginalien zu Hans Blumenbergs Matthäuspassion ................................ 207 INHALT 7 PHILIPP STOELLGER Die Passion als ‚Entlastung vom Absoluten‘. Negative Christologie im Zeichen der Tränen Gottes ................................. 225 PETER SCHALLENBERG Säkularisierter Schiffbruch und provisorische Moral. Anmerkungen zu Hans Blumenberg aus Sicht der Theologie .................... 259 ABBILDUNGSVERZEICHNIS .......................................................................... 275 ÜBER DIE AUTORINNEN UND AUTOREN ...................................................... 277 MICHAEL HEIDGEN, MATTHIAS KOCH, CHRISTIAN KÖHLER PERMANENTES PROVISORIUM. HANS BLUMENBERGS UMWEGE: ZUR EINLEITUNG „Nur wenn wir Umwege einschlagen, können wir existieren.“ Hans Blumenberg, Die Sorge geht über den Fluß, S. 137 Mit den Umwegen fokussiert Hans Blumenberg eine Figur, die einem moder- nen Ökonomieverständnis scheinbar zuwiderläuft; „denn im strengsten Sinne erhält nur der kürzeste Weg das Gütesiegel der Vernunft, und alles rechts und links daran entlang und vorbei ist das der Stringenz nach Überflüssige, das sich der Frage nach seiner Existenzberechtigung so schwer zu stellen ver- mag“.1 Entgegen dieser ratio-konformen Bestimmung im strengsten Sinne weist Blumenberg den Umweg nicht als unvernünftige und damit zu tilgende Abirrung aus, sondern vielmehr als eine grundlegende Figur menschlicher Selbstbehauptung. Blumenbergs Umweg-Überlegungen sind auf mehreren Ebenen anzusie- deln. Der Umweg ist – erstens – Bestandteil seiner Kulturtheorie und, die obi- gen Zitate deuten es an, eine existenzielle Angelegenheit für das Kulturtier Mensch. Er ist an den im weitesten Sinne rhetorischen Zugriff des Menschen auf seine Umwelt gebunden und steht in engem Verhältnis zu zeitlichen Figu- ren wie Verzögerung oder Antizipation. Als Leistung der menschlichen Welt- orientierung und -ermächtigung verstanden, ist dem Umweg bei Blumenberg eine überhistorische anthropologische Dimension inne. Im Kontext des men- schlichen Überlebensmanagements steht dem Umweg dabei das Provisorische im Spannungsfeld von Distanzierung und Handlungsermächtigung zur Seite; wo Ersterer einer Ökonomie des angemessenen Verhaltens (scheinbar) wider- spricht, ermöglicht Letzteres ein Verhalten unter dem Modus, als ob man wüsste, was eigentlich der richtige Weg wäre. Einer anthropologischen, allgemeinen Begründung von Umweg und Provi- sorium steht – zweitens – eine historische Perspektive zur Seite, aus der sich die beiden Figuren als Elemente eines besonderen, und zwar modernen Prob- lemfeldes zu erkennen geben. Ein besonderer Stellenwert kommt dabei, wie der kommende Abschnitt darlegt, seiner kritischen Auseinandersetzung mit Descartes und dessen morale par provision zu. Anhand dieser Spannung zwi- 1 Hans Blumenberg, „Umwege“, in: ders., Die Sorge geht über den Fluß, Frankfurt am Main, 1987, S. 137. 10 MICHAEL HEIDGEN, MATTHIAS KOCH, CHRISTIAN KÖHLER schen anthropologischen und historischen Aspekten lässt sich – drittens – da- rauf hinweisen, dass Umweg und Provisorium auch methodische Funktionen im Prozess der Erkenntnisgewinnung und -vermittlung haben: Der direkte Weg in der Argumentation ist nicht Blumenbergs Angelegenheit. Vielmehr bindet er seine Überlegungen ein in Makroerzählungen zur Wissenschafts- und Menschheitsgeschichte, arbeitet mit Abschweifungen und gelehrten Aus- flügen in benachbarte Disziplinen, oder vermittelt seine Thematiken literari- siert in Glossen, Anekdoten und pointierten Reflexionen über Dinge und Per- sonen von Interesse. Die Reichweite der Argumente steht dabei in enger Verbindung zu dieser Darstellungsweise, und zwar durchaus in Absehung da- von, ob es sich um eine kleine Form oder ein großes Werk handelt. Manche kulturtheoretische These, pointierte Epochenskizze oder apodiktisch anmuten- de Aussage gibt sich als vorläufig, als eine Feststellung unter Vorbehalt. Die- ser dreifachen Verortung des Umwegs – anthropologisch, historisch, metho- disch – im Werke Blumenbergs versucht der Band sich anzunähern. I. Blumenbergs Philosophie des Provisoriums und des Umwegs gewinnt ihre Konturen im Besonderen durch die Reibung an Descartes, so auch hinsichtlich des für die beiden Denkfiguren zentralen Verhältnisses von Vorläufigkeit und Endgültigkeit. Blumenberg erhebt Descartes’ Konzept einer morale par provi- sion zum maßgeblichen Programm der Moderne, allerdings in der Zurückwei- sung seiner Pointe einer morale definitive, die erst mit Vollendung der theore- tischen Erkenntnis möglich werden und von einer provisorischen Moral zwischenzeitlich nur vertreten werden sollte. Der Fehlschluss, dem Descartes nach Blumenberg dabei unterlag, betraf nicht etwa die Hoffnung auf die tat- sächliche Realisierbarkeit dieser morale definitive, sondern die Tatsache, dass er diese Zwischenzeit an dem philosophisch seit eh und je Verbindlichen nor- mativ ausrichtete und das Vorläufige so de facto als Stillstand inszenierte: „Descartes erkannte nichts von der Rückwirkung des theoretischen Prozesses auf das vermeintliche Interim der provisorischen Moral.“2 Dessen bildhaftes Beispiel für einen Anwendungsfall seiner provisorischen Einstellung verdeut- licht dieses Problem: Verirrt sich ein Spaziergänger im Wald, so wird ihm die mathematische Versicherung, dass alle Wälder endlich seien, in der konkreten Situation kaum weiterhelfen, denn das Axiom liefert keinerlei Orientierungs- wissen – mit eventuell fatalen Folgen. Überleben ist im Wald eine Frage des Handelns unter Zeitdruck, eine Frage der richtigen und immer wieder neuen Einschätzung der Situation. Und in einer konkreten Situation der (wie auch immer gearteten) Orientierungslosigkeit bedarf es, statt des vermeintlich gera- 2 Hans Blumenberg, „Anthropologische Annäherung an die Aktualität der Rhetorik“, in: ders., Wirklichkeiten, in denen wir leben, Stuttgart, 1981, S. 104-136, hier: S. 110.

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