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Passauer Land PDF

92 Pages·2009·4.169 MB·German
by  JahnWolfgang
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# 01 / 8,– € Passauer Land edition n r e y bayern a b n o ti di e menschen geschichte kulturraum tausend jahre Land der abtei d n natur erLeben a L r e u Literarische Lese a s s a an den fLüssen P 1 0 von aLten wirtshäusern und gutem essen haus der bayerischen geschichte haus der bayerischen geschichte passauer land 6 14 22 inhalt seite Passauer Land und Edition Bayern - Warum Region nicht gleich Provinz ist von richard loibl ........................................................02 rubriken Passauer Land und das Dreiländereck von max brunner ............................................................06 02 einLeiTunG Anmerkungen zur Identität von stefan rammer .............................................................................10 44 06 DreiLÄnDereCk Ein Raum der Übergänge von armin ratusny ...................................................................................12 10 iDenTiTÄT Natur erleben - im Raum Passau von ralf braun ............................................................................14 12 ÜberGÄnGe Das Nibelungenlied und Passau von diana stock-megies ..........................................................21 14 nATur erLeben Passau, meine Vaterstadt von egon johannes greipl ....................................................................22 22 VATerSTADT Passau – eine Stadt, geprägt von Feuer und Wasser von gerd brunner ............................26 26 LebenSrAuM Das Land der Abtei von herbert w. wurster ....................................................................................28 28 GeSCHiCHTe Burgen und Schlösser in Passau von monika soffner-loibl.....................................................31 31 kunST Kunst-Denkmäler im Passauer Land 50 nACHkrieGSZeiT von alois brunner und monika soffner-loibl ................................................................................33 62 58 uniVerSiTÄT Erinnerungen an die Nachkriegszeit von heidi koenen ................................................................50 62 MuSik Die Universität dringt in die Stadt von bettina caspary..............................................................58 66 LiTerATur Die Musiklandschaft Passaus von edith rabenstein ......................................................................62 70 Wir SinD Wer Literarische Lese an den Flüssen von stefan rammer ...................................................................66 72 kAbAreTT Wirtschaft und Handwerk im Passauer Land von stefan rammer .........................................68 74 STeinMeTZkunST Das KabarettJazzCafeRestaurant „ScharfrichterHaus“ von gerd brunner ............................72 78 bAuernDÖrFer Von alter Steinmetzkunst im Bayerischen Wald von paul praxl ...............................................74 80 GuTeS eSSen Bauernhäuser, Bauernhöfe, Dörfer von martin ortmeier ............................................................78 85 SerViCeeTeiL Von Brot und Milch, alten Wirtshäusern und gutem Essen von martin ortmeier ..........80 74 88 iMPreSSuM Historischer Abriss ..............................................................................................................................................84 Serviceteil ...............................................................................................................................................................85 Impressum ..............................................................................................................................................................88 80 passauer land 2 einleitung passauer land und edition bayern warum region nicht gleich provinz ist im sommer 2007 begann das Haus der Bayerischen Geschichte der wichtige Beitrag der regionen zur Globalisierung im Auftrag des Bayerischen Landtags sich mit einer neuen Reihe von Ausstellungen und Veröffentlichungen zu den Das fanden wir nicht. Als Historiker wissen wir von der Gleichzeitig- bayerischen Regionen zu beschäftigen. Die Reihen BAYERN- keit des Ungleichzeitigen oder präziser in soziologischer Definition AUSSTELLUNG und EDITION BAYERN wurden in Zusammenar- von der simultanen Universalisierung des Partikularen und Parti- beit mit vielen Fachleuten geboren. Freilich stießen wir nicht kularisierung des Universalen (Roland Robertson). Das bedeutet, immer auf ungeteilte Begeisterung. Musste das sein, sich dass die Globalisierung zur Vorherrschaft der Massenkultur auf unterhalb der Landesebene mit der „Provinz“ auseinander- Kosten der traditionellen Vielfalt führt, dass dadurch aber auch eine zusetzen, noch dazu im Zeitalter der Globalisierung? Jeder Art Protestkultur für die Verteidigung regionaler Eigenart entsteht. rede von weltweiter Vernetzung, Weltwirtschaftssystem, Beide Bewegungen sind kennzeichnend für die Globalisierung, die globalen Informationssystemen und multikultureller Weltge- deshalb auch „Glokalisierung“ heißt. sellschaft – und jetzt kämen wir mit regionalen Identitäten und Geschichtskulturen vom Berchtesgadener Land bis zu Globale Tendenzen werden immer lokal wirksam und führen zur den Haßbergen. Region sei im globalen Zeitalter doch nun Vermischung kreativ angeeigneter neuer Kulturelemente mit vor- wirklich „out“. handenen. Ein konkretes Beispiel hierfür wäre die Biermösl Blosn, die in „Plattln in Umtata“ afrikanisch-bayerische Begegnungen schildert, die musikalischen Traditionen verwebt und damit weltweit auf YouTube abrufbar ist. Dementsprechend sind sich Soziologen und Zukunftsforscher einig, dass die Regionen und ihre lokalen Traditionen auch im Zeitalter der Globalisierung von Bedeutung bleiben werden. passauer land 3 die Menschen waren um 1900 nicht weniger mobil als heute Augen hat, wird auch kaum behaupten, dass statistisch gesehen die Internationalität der Wanderungsbewegung überproportional zu- Und wer noch eines weiteren Beweises bedarf, der sei auf die genommen hat. Zugegeben: Die Qualität ist eine andere geworden, Statistik verwiesen: Die Süddeutsche Zeitung berichtete im Bayern ist heute Zuwanderungsland und die Führungsschichten vergangenen Jahr unter der Schlagzeile „Heimat existiert“ mit sind stärker unterwegs und internationalisiert. Für die Mehrheit Verweis auf das Internet-Portal meinestadt.de, dass 54,7 Prozent der der Bevölkerung ist Heimatstadt und -region aber noch immer Bundesbürger noch immer an ihrem Geburtsort oder zumindest in eine feste Größe. Das sollte sich auch in Schule und Ausbildung – einer Nachbargemeinde leben würden. Die Schlussfolgerung, dass früher meinte man diesbezüglich Heimat- und Sachkunde sowie die Globalisierung nur ein „Gekräusel an der Oberfläche“ sei, die nur Landesgeschichte – wieder besser abbilden, besonders auch in der einen Teil der Menschen aktiv betreffe, ist nicht leicht von der Hand Wertschätzung regionaler Traditionen. zu weisen. dialekt und protestkultur Noch interessanter wird diese Überlegung, wenn man die histo- rische Dimension einbezieht und sich fragt, ob sich in den letzten Die Niederbayern wird ganz besonders der Hinweis der Soziologen 100 Jahren hinsichtlich Wanderungsbewegungen viel verändert hat. auf die Protestkultur freuen, weil die Pflege des niederbayerischen Die Antwort lässt sich leicht finden: 1907 lebten noch genauso viele Dialektes den größten Spaß immer in der „Fremde“ macht; von Menschen an ihrem Geburtsort wie 100 Jahre später. Anders herum Django Asül über Erwin Huber bis zu Sigi Zimmerschied ist die Reihe gesagt waren unsere Vorfahren um die Jahrhundertwende ähnlich der Botschafter lang. Der Dialekt, über Jahrzehnte gescholten und mobil wie wir heute. Und wer die Amerika-Auswanderung vor verdrängt, wird wieder wertgeschätzt, vor allem im Norden der 4 einleitung Bundesrepublik, wo er schon fast verschwunden war. Das Zeit- herausragenden Erfolgsmodell vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht Magazin berichtete hierüber im Juni 2008 eindrucksvoll unter den entwickelte (so genannter Mythos Bayern). Es wäre auch zweifelhaft beiden Leitgedanken „Ganz Deutschland ist vom Hochdeutsch be- gewesen, ob bei einer Separierung der Schwaben alle Schwaben herrscht … Ganz Deutschland? Nein!“ (frei nach Uderzo/Goscinny) dabei gewesen wären. Dies gilt vor allem für die Allgäuer, die zwar und „Jede Provinz liebt ihren Dialekt, denn er ist doch das eigent- zum Regierungsbezirk Bayerisch-Schwaben gehören, sich aber nicht liche Element, in welchem die Seele Atem schöpft“ in erster Linie als Schwaben begreifen. Und damit sind wir bei den (ebenso frei nach Goethe). Regionen angelangt, wie wir sie in der EDITION BAYERN verstehen. Bayern hat hier aufgrund der Beharrlichkeit seiner Pädagogen noch Regionen sind Landstriche des Freistaats Bayern und seiner Bezirke, den größten Nachholbedarf, insbesondere was den Großraum Mün- die geprägt sind durch politisch-staatlich-administrative, mehr chen betrifft. In den Regionen wird dagegen noch viel fränkisch, aber noch durch sozioökonomisch-kulturelle Gemeinsamkeiten. schwäbisch und bayerisch geredet. Sie sind also auch was die Spra- Geografische Grundlagen und historische Traditionen erweisen sich che betrifft nicht Provinz, sondern Vorreiter der Heterogenisierung, hier noch immer als wirkmächtig wie die Beispiele Bayerischer Wald, ohne die die Globalisierung, wie wir jetzt wissen, nicht funktioniert. Berchtesgadener Land oder Fränkische Schweiz zeigen. Was jedoch nicht heißt, dass sich Regionen nicht neu erfinden könnten, wie Die bayerischen Regionen sind wichtig und dem Haus der Baye- etwa das Wittelsbacher Land in Schwaben. Beobachten wird man rischen Geschichte eine eigene Schriftenreihe wert. Den ersten die Euregio- und besonders die Metropolitanregionen, inwiefern sie Band dieser EDITION BAYERN haben Sie, liebe Leserin oder Leser, neue vielleicht sogar suprastaatliche Raumeinheiten hervorbringen. gerade erworben. Bevor wir Sie in das Passau-Heft entlassen, möch- ten wir Ihnen aber noch sagen, was wir unter Region verstehen und niederbayern und das passauer land welche Ziele wir mit unserer Schriftenreihe verfolgen. Regionen umfassen Land und Menschen, die etwas gemeinsam ha- Was ist eine region? ben, sei es Geschichte, Sprache oder Ausrichtung auf ein Zentrum. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass alle Verfasser nie- Der Freistaat Bayern ist stolz auf seine lange Geschichte und seine derbayerischer Geschichten und Landesbeschreibungen nicht auf Eigenstaatlichkeit, auch wenn wir nicht mehr Rechte haben als die den Punkt bringen konnten, was den Niederbayern – im Vergleich anderen deutschen Bundesländer, uns aber mehr herausnehmen. zum Oberbayern – wirklich ausmacht. Dagegen glaubte man, den Bayern hat sogar eine eigene Verfassung, die älter als das Grund- Bewohner des Bayerischen Waldes von den Niederbayern südlich gesetz ist. Darin ist von der mehr als 1000-jährigen Geschichte des der Donau klar abgrenzen zu können. „Hot da eppa Eppar eppas bayerischen Volkes die Rede. Das hat Ärger gegeben, weil sich die ton?“ (Hat dir etwa jemand etwas zu Leide getan?), einen derartigen lange gemeinsame staatliche Tradition nur auf Altbayern bezieht, Satz traute Bernhard Gruber in seiner 1848 erschienen Landeskunde also Ober- und Niederbayern sowie (die meiste Zeit) die Oberpfalz. nur dem Waidler zu. Das war der Rest des bayerischen Stammesherzogtums, zu dem einmal alle österreichischen Länder gehört hatten. Dieses Altbayern Prägend und unterscheidbar scheinen also die Regionen wie das wurde in den Napoleonischen Kriegen um Schwaben und Franken Passauer Land zu sein, hinter dem sich großenteils das alte Hochstift erweitert. Alles zusammen wurde 1806 zum Königreich Bayern er- Passau verbirgt, also der Staat der Fürstbischöfe. Im Land zwischen hoben. Besonders die Franken konnten in diesem Königreich hohes Donau und Böhmischer Grenze waren sie nicht nur geistliche Gewicht beanspruchen, weil sie im 19. Jahrhundert die sprichwört- Oberhirten, sondern Landesherren. Zentralorte waren die Bischofs- lichen „Mehreren“ waren, also zahlreicher als die Altbayern. stadt Passau mit der Landesfestung Oberhaus, Wolfstein, Wegscheid, Hauzenberg, Untergriesbach, Obernzell und Waldkirchen. Nach Und die Franken waren verärgert, weil die Altbayern in ihren Augen dem einstmals größten Grundherrn, dem Benediktinerinnenkloster so taten, als hätte sich Bayern nicht verändert. Die Schwaben sahen Niedernburg, nannte man den Kern des Hochstifts auch „Land der dies ähnlich, einige überlegten, ob man sich nicht besser mit den Abtei“. 1010 wird es als Region erstmals in den schriftlichen Quellen Württembergern zusammentun sollte. Daraus wurde jedoch nichts, fassbar, feiert also 1000-jähriges Jubiläum. weil sich der Freistaat Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem passauer land 5 Bayerische Grenzstädte waren Hals, Grafenau und Vilshofen, kultu- Experten der Passauer Geschichte mit erfahrenen Kulturfachleuten, relle Zentren die Klöster Aldersbach, Asbach, Fürstenzell, Vornbach Journalisten und Touristikern zusammengebracht. Ihnen allen sei für sowie die Adelssitze, allen voran die Reichsgrafschaft Neuburg, die die Mitarbeit unter erheblichem Zeitdruck herzlich gedankt. 1730 noch dem Hochstift Passau einverleibt wurde. Diese lokalen Mittelpunkte hatten trotz anderer Staatszugehörigkeit enge Ver- Für die Finanzierung gilt der Dank dem Bayerischen Landtag, flechtungen mit der Bischofsstadt Passau. Sie sind heute noch spür- besonders Herrn Abgeordneten Georg Winter, außerdem Herrn bar oder wieder lebendig, insbesondere durch die Gründung des Ministerialrat Dr. Andreas Baur, der im Rahmen des Modellversuches großen Landkreises Passau 1972. Darüber hinaus richtet sich auch Tourismus und Denkmalpflege die Edition Bayern wesentlich mit das nördliche Innviertel nicht nur nach Linz, sondern auch wieder voranbrachte. Hilfreich und weiterführend war für uns der Kon- nach Passau aus. Selbst die Verbindungen nach Tschechien, einst takt mit Herrn Martin Wölzmüller vom Bayerischen Landesverein durch die Goldenen Steige eng mit den Donaustädten vernetzt, für Heimatpflege. Stellvertretend für alle, die die Verbreitung des könnten sich 20 Jahre nach dem Aufreißen des Eisernen Vorhangs Passau-Bandes tatkräftig vorantrieben, danken wir Herrn Landrat langsam wieder festigen. Franz Meyer sowie Herrn DDr. Axel Diekmann von der Passauer Neuen Presse. Schließlich gilt der Dank den Mitarbeiterinnen und Glückwünsche zum 1000-jährigen Jubiläum Mitarbeitern um und im Haus der Bayerischen Geschichte: Herrn Manfred Wilhelm vom Büro Wilhelm für die Gestaltung des Bandes, Die Region Passau ist also alles andere als provinziell. Grund genug Frau Diana Stock-Megies für die Redaktion und ganz besonders für den Freistaat Bayern und das Haus der Bayerischen Geschichte Herrn Projektleiter Dr. Wolfgang Jahn für die engagierte Leitung des zum 1000-jährigen Jubiläum des „Landes der Abtei“ herzlich zu Unternehmens Edition Bayern sowie Frau Evamaria Brockhoff für die gratulieren und mit den Glückwünschen die Herausgabe der Textredaktion und Herrn Referenten Dr. Peter Wolf, der vor allem in Nummer 1 der EDITION BAYERN zu verbinden. Unser Ziel ist es, der Entstehungsphase des Projektes viele grundlegende Arbeiten damit den Einheimischen ein attraktives Hilfsmittel an die Hand übernahm. Dem Bayerischen Rundfunk danken wir für die Bereit- zu geben, um einen schnellen Zugang zur Geschichte und Kultur schaft, die Edition Bayern als Medienpartner zu unterstützen. ihrer Heimat zu gewinnen, gleichzeitig aber auch dem Kulturtouris- mus zu dienen, der gleichermaßen einen raschen, aber fundierten dr. richard loibl Zugriff anstrebt. Um diese Ziele zu erreichen, haben wir anerkannte direktor des hauses der bayerischen geschichte 6 dreiländereck passau und das dreiländereck anmerkungen zu einer historischen grenzregion aus kultureller perspektive Topographische KarTe des passauer hochsTifTs; Kopie nach einem origianl von 1566 dreiländereck 7 alTsTadT miT dom und vesTe oberhaus vesTe oberhaus 2004 beleuchteten das land Oberösterreich sowie die Stadt und relle Entwicklung der Residenzstadt Passau maßgeblich. Passau war der Landkreis Passau in der gemeinsamen Ausstellung „Grenzenlos. Umschlagplatz und Zollstation für Transporte auf Inn und Donau Geschichte der Menschen am Inn“ die Geschichte der Grenzregion sowie auf den Straßen nach Böhmen. Die beträchtliche Höhe des am Inn. 2010 steht ein neues Jubiläum an: 1000 Jahre „Land der Handelsaufkommens zeigt sich am Namen dieser Straßen: Goldene Abtei“ mit vielen Veranstaltungen im ehemaligen fürstbischöflichen Steige. Stiftsland und wieder über die Grenzen hinaus in Österreich und Tschechien. Die Verbindungen zwischen den Menschen auf beiden Handel und Residenz belebten Handwerk und Kunst. Eine umfang- Seiten haben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs (1989) und ver- reiche Bautätigkeit war die Folge. Nach den Stadtbränden von 1662 stärkt durch den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union (2004) und 1680, bei denen wesentliche Teile der gotischen Stadt untergin- und die Abschaffung der Grenzkontrollen (2007) große Fortschritte gen, entstand das barocke Passau mit seinen prunkvollen Kirchen gemacht. und prächtigen Bürgerhäusern. Vorwiegend italienische Baumeister und Stuckateure waren es, die jetzt dem Stadtbild ihren Stempel Diese Beispiele verdeutlichen, dass Vergangenheit und Gegenwart aufdrückten. Die Namen Carlo Lurago, Giovanni Battista Carlone und der Passauer Region von der Grenzsituation geprägt sind. Passau Carpoforo Tencalla stehen für das neue „italienische“ Gesicht Passaus. war seit dem Mittelalter nicht nur die wirtschaftlich bedeutendste Stadt der Region und geistig-geistliches Zentrum, sondern auch die residenzstadt war jedoch nicht nur geprägt vom Reichtum bis 1783 Mittelpunkt der größten Diözese des Heiligen Römischen durch Handel und Gewerbe und vom Kunstsinn ihrer Bürgerschaft, Reichs deutscher Nation. Die zentralen Funktionen reichen aber sondern auch durch Bildung und Wissenschaft. Aus dem Jesuiten- noch viel weiter zurück: Ein keltisches Oppidum (bis 50/40 v. Chr.) kollegium (1612) entstand 1772 die Fürstbischöfliche Akademie, ist ebenso belegt wie fünf Kastelle, die die Römer im Lauf fast eines Ursprung der späteren Philosophisch-Theologischen Hochschule halben Jahrtausends auf der Halbinsel zwischen Donau und Inn und in gewisser Weise Urmutter der Passauer Universität. Die bzw. im Gebiet der heutigen Innstadt mit den zugehörigen Zivil- bischöfliche Residenz und die Schlösser der Umgebung waren im siedlungen erbauten. Eines dieser Kastelle bzw. ihre Besatzung hat aufgeklärten 18. Jahrhundert nicht nur Kristallisationspunkte für der Stadt ihren späteren Namen gegeben: Batavis (ca. 160 n. Chr.), Kunst und Musik, sondern auch für die Auseinandersetzung mit Pazzawe, Passau. Am Inn verlief die Grenze zwischen den römischen neuen Geistesströmungen. Provinzen Rätien und Noricum. Von hier aus agierte der heilige Seve- rin zum Ende des 5. Jahrhunderts als römischer Flüchtlingskommis- Passau war in seiner Geschichte stets eine europäische Stadt. Ein sar. Trotz dieser Fluchtbewegung kann man davon ausgehen, dass erheblicher Teil der Bewohner bestand aus Zuwanderern, die sich Passau ununterbrochen besiedelt war. Unterstrichen wird dies durch als Künstler, Gelehrte, Händler oder Schiffsleute hier niedergelassen die Bestätigung – nicht die Neueinsetzung – des Passauer Bischofs hatten. Das daraus resultierende Bewusstsein hat den politischen Vivilo durch Bonifatius im Jahr 739. und wirtschaftlichen Niedergang der Stadt nach der Säkularisati- on und die Eingliederung in das Königreich Bayern (1803) relativ Schon im 9. Jahrhundert war Passau ein christliches Missionszent- unbeschadet überstanden, ebenso wie den Zerfall des Deutschen rum für den österreichischen und ungarischen Raum. Der erste Bundes 1866 mit dem Ausscheiden des österreichischen Nachbarn. christliche König Ungarns, Vajk, wurde auf den Namen Stephan Dieses Bewusstsein hat wesentlich zu einem von Verständnis und getauft. Seine Witwe Gisela wurde Mitte des 11. Jahrhunderts Toleranz geprägten Klima beigetragen, das es in den Jahren nach Äbtissin im Passauer Kloster Niedernburg. Seit 999 war der Passauer 1945 ermöglicht hat, die Vielzahl von Problemen, die mit der beson- Bischof Stadtherr und saß später als Territorialherr für das „Land der deren südostbayerischen Grenz- und Randlage zusammenhingen, Abtei“ neben den weltlichen Fürsten auf der Reichsfürstenbank. Die zu lösen. Passau war Auffangbecken für die Flüchtlingsströme aus Residenzfunktion und der Handel prägten die politische und kultu- Tschechien, aus Ost- und Südosteuropa. Für Tausende Vertriebene 8 dreiländereck Tischzeichen (Kehlheimer), 1871 wurden Stadt und Region zur zweiten Heimat. Die Integration ging Wissenschaftsstandort. Mit ca. 1,3 Millionen Tagesgästen und über bemerkenswert rasch vor sich. In kleineren Dimensionen gilt das 400 000 Übernachtungen ist einer der wesentlichsten Wirtschafts- auch für die Aufnahme der Flüchtlinge des Ungarnaufstands 1956 faktoren Passaus nach wie vor der Tourismus. Auch hier ist es neben und aus der DDR 1989. der Schönheit der Stadt die Attraktivität des (multi-)kulturellen Angebots, die die Besucher nach Passau zieht. In diesem Klima konnte auch die Idee der Festspiele Europäische Wochen geboren werden, in deren Rahmen seit 1952 Künstler Blickt man zurück auf die Entwicklung der vergangenen zwei Jahr- aus aller Welt in Passau und der benachbarten Region auftreten. zehnte so ist festzustellen, dass neben dem Ausbau der schon lange Von Beginn an sollte der Eiserne Vorhang durch Musik, Schauspiel, etablierten Kooperationen mit Österreich die Zusammenarbeit mit Literatur und bildende Kunst überwunden werden. Die geänderte Tschechien große Fortschritte gemacht hat. Historiker, Archivare und politische Gesamtkonstellation nach der Öffnung der Grenzen zu Museumsleute auf beiden Seiten arbeiten zusammen, um Ursachen den östlichen Nachbarn 1989 hat in der ostbayerischen Grenzregi- und Hintergründe der wechselvollen gemeinsamen Geschichte zu on auf fast alle Bereiche des täglichen Lebens Einfluss genommen. ergründen. Herausragende Projekte waren die Bayerische Landes- Allein durch seine günstige Lage am Schnittpunkt zweier europä- ausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte 2007 „Bayern ischer Entwicklungsachsen (München–Passau–Prag und Regens- und Böhmen“ und die Neukonzeption des Passauer Oberhausmuse- burg–Passau–Linz–Wien) entwickelt sich der Großraum Passau als ums mit seinen viel beachteten Ausstellungen „Weißes Gold“ 1995 Drehscheibe und Brückenkopf zwischen den wirtschaftsstarken Re- bis „Passau – Mythos und Geschichte“ 2007. gionen Westeuropas und den aufstrebenden Märkten Osteuropas. max brunner Die Universität Passau, die Fachhochschule Deggendorf und die in Straubing neu entstehenden Forschungseinrichtungen stärken den diözesanKarTe des passauer hochsTifTs, Kopie nach einem original von 1566

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