Passagen der Wiederholung Elisabeth Strowick Passagen der Wiederholung Kierkegaard - Lacan - Freud Verlag 1. B. Metzler Stuttgart . Weimar D 18 Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Strowick, Elisabeth: Passagen der WiederholunglKierkegaard -Lacan -Freud Elisabeth Strowick.- Stuttgart ; Weimar: Metzler, 1999 ISBN 978-3-476-45225-2 ISBN 978-3-476-04318-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-04318-4 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. M & P Schriftenreihe für Wissenschaft und Forschung © 1999 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B.Metzlersche Verlagsbuchhandlung und earl Ernst Poeschel VerlagGmbH in Stuttgart 1999 INHALTSVERZEICHNIS Einleitung I. Kierkegaards paradoxe Dialektik der Wiederholung 1. "Die Wiederholung. Ein Versuch in der experimentierenden 7 Psychologie von Constantin Constantius". Eine Lektüre 1.1. Eingang 7 1.2. Im Streit um die Bewegung. 10 Philosophische Annäherungen 1.3. Constantin Constantius -die Ironie des Pseudonyms 42 1.4. Der "schnurrige" Gang der "Wiederholung" 73 1.5. Ein ungleiches Paar 79 1.6. Der junge Mensch und die höfische Liebe 83 1.7. Die Dichter-Ausnahme als Übergang zum Religiösen 104 1.8. Der Einspruch der Ausnahme: Hiob 118 2. Die Doppelbewegung der Unendlichkeit 151 2.1. Schweigen. Annäherungen an Abraham 151 2.2. Doppelte Versuchung. Abrahams paradoxes Opfer 163 2.3. Zeugnis 171 2.4. Abrahams widersinniger Widerstand. Durchgang 178 durch die Angst in der Endlichkeit des Daseins 2.5. Die teleologische Suspension des Ethischen und die 187 absolute Pflicht gegen Gott. Abrahams "verdächtige" Liebe 2.6. Das Paradox der Verantwortung als Gabe des Todes. 195 Nächstenliebe 2.7. Das Paradox der alltäglichen Wiederholung oder: Der 210 unsichtbar-traumatische Sprung im Gang des Daseins 2.8. Abraham ist ganz anders. Extime Innerlichkeit 213 des Glaubens und der Wiederholung 2.9. Das existentielle Paradox oder: Die Unruhe des Subjekts. 217 Kierkegaards religiöse Ethik als Religionskritik 2.10. Ein-Maligkeit der Wiederholung - Doppelbewegung 218 des Schibboleth. Die Wiederholung als Losung I Lösung der Ethik 3. Die Wiederholung als paradoxer Akt der Wahl 231 3.1. Der paradoxe Akt der Wahl 232 3.2. Wahlwiederholung 247 11. Die Wiederholung und die Ethik der Psychoanalyse 1. Das Sujet der Wiederholung 255 1.1. Die paradoxe Ursache des Unbewußten 255 1.2. Die Ironie des Objekts 268 1.3. Das Ding als Los der Wiederholung oder: 278 Das Lotteriewunder des Einzelnen 2. Die Ethik der Psychoanalyse 292 2.1. Das prekäre Ding der Ethik 292 2.2. Die Katharsis, das Opfer und die 306 doppelte Tragik des Begehrens III. Der Schriftzug der Wiederholung 1. Ironie und Paradox der Mitteilung 327 1.1. Das Ding mit der Ironie 329 1.2. Das Paradox der Mit-Teilung: 356 "In die Wahrheit hineinbetrügen" 2. Der phantasmatische Zug des Automatischen 365 2.1. Die entwendete Letter 365 2.2. Die paradox-differentielle Einheit des Umwegs 388 2.3. Kafka und das Automatische 398 2.3.1. Medienqual 399 2.3.2. Unheimliche Korrespondenz 404 2.3.3. Tele-Visionen 406 2.3.4. Tele-Pathie 408 2.3.5. Küsse als Tele-Objekte oder: 410 Die paradoxe Speise der Wiederholung 3. Der Akt der Schrift 417 3.1. Nachträglichkeit der Urszene: Vemeinung und 417 Verwerfung. Freuds Urteil 3.2. Im Zeichen des Phantasmas. Das Phantasma der Schrift 430 3.2.1. Der Wolfsmann im Strudel der Zeit 431 3.2.2. Akt des Lesens - Lesewahl. 437 Zeichenschaft - Zeugenschaft 3.2.3. Satz-Zeichen: Aporetische Passagen 446 der Wiederholung 3.2.4. Schrebers "Brüllwunder". 451 Widerrufung des Urteils 4. Die Wiederholung. Trauma und Umweg der Schrift 463 4.1. Spaziergänge und andere Passagen 463 4.2. Der Zauderrhythmus der Schrift 478 4.3. Hinken. Der Ausgang der Wiederholung 485 Literaturverzeichnis 489 EINLEITUNG Kierkegaards Pseudonym Constantin Conc;tantius nennt die Wiederholung "die neue Kategorie, welche entdeckt werden soll.'.! In der folgenden Untersuchung handelt es sich weniger um eine Entdeckung der Wie derholung als um ihre In-Szene-Setzung über ein konstellatives Text- und Lektüreverfahren. Ausgehend von Texten Kierkegaards, der Psychoana lyse und der Dekonstruktion ist die Frage, die diese Arbeit bewegt, inwie fern die Wiederholung als ethische Figur gedacht werden kann. Indem Freud in seiner späten Triebtheorie den Wiederholungszwang als grundlegend fur das Psychische annimmt und von ihm her den Todestrieb ableitet, konstatiert er nicht nur den strukturellen Zusammen hang von Wiederholung und Wunsch, sondern wirft er zugleich die Frage nach der Darstellbarkeit in radikaler Weise auf Mit dem Todestrieb gibt Freud die Wiederholung von einer absoluten Differenz her zu denken, die jeglicher Aufhebung entgeht und derart die Logik der Repräsentation irritiert. An diese Überlegungen anknüpfend akzentuiert Lacans von Kierkegaard inspirierte Wiederaufnahme des Wiederholungszwangs im Rahmen der Konzeption des Begehrens die Bedeutung der Wiederholung fur die Subjektkonstitution und Ethik der Psychoanalyse. Gemäß der symbolischen Strukturierung des Begehrens ist die Verschränkung von Ethik und Wiederholung nicht von sprachtheoreti schen Überlegungen zu trennen. Dies zeigen Lacans Ausfuhrungen zum Symbolischen wie auch Derridas Analysen des Zusammenhanges von Wiederholung und Zeichen bzw. Schrift. Doch auch Kierkegaards Texten ist ein solcher Zusammenhang nicht unbekannt. Das Textverfahren der Ironie bzw. indirekten Mitteilung, welches insbesondere die pseudony- I Sören Kierkegaard, Die Wiederholung, übersetzt von Liselotte Richter, Hamburg, 1991, S. 22 (Wenn nicht anders angegeben, wird im folgenden nach dieser Ausgabe zitiert.) men Schriften charakterisiert, gilt Kierkegaard als paradoxe Mitteilungs form des Ethischen. Insofern die Wiederholung :fiir Kierkegaard die Be wegung der Verantwortung des Einzelnen beschreibt, tritt sie in die differentielle Verweisungsstruktur der Sprache ein. Mit seiner Forderung nach der neuen Kategorie der Wiederholung zielt Constantin Constantius auf ein Denken des Paradox'. Qua Ironie ist die Wiederholung nicht als Kategorie im herkömmlichen Sinn, sondern als deren ironische Verstellung zu lesen, d.h. als radikale Irritation und Befragung der Kategoriebildung auf ihre Konstitutionsbedingungen hin. Die Wiederholung ist die paradoxe Kategorie der Bewegung, des Über gangs, - eine Passage, die das kategoriale Denken und die Metaphysik unterläuft. Kierkegaard schreibt: " ... die Wiederholung ist das Interesse der Metaphysik und zugleich das Interesse, an dem die Metaphysik stran det"l. Als Grenzbewegung des Inter-esses, das :fiir Kierkegaard die lei denschaftlichen Züge des Singulären trägt, wird die Wiederholung zum methodischen Problem. Kierkegaards Textverfahren ist von der ironischen Aushöhlung der Kategorien affiziert. Seine Schriften fügen sich in keine bestimmte wissenschaftliche Disziplin, vielmehr beschreiben sie Grenzgänge / Pas sagen zwischen Literatur, Philosophie, Theologie und Psychologie. Sei Kierkegaard ein literarischer Philosoph, sei er ein 'religiöser Schriftstel ler,2, in jedem Fall ist er einer, der schreibt. Kierkegaards 'neue Katego rie' der Wiederholung verschränkt sich mit einer Unvergessenheit der Schrift. Wo die Schrift unvergessen ist, ist die Kategorie in Zweifel ge zogen, überbordet und in Bewegung versetzt, das Denken zum Grenz gang aufgefordert und ermuntert. Kierkegaards Schreiben ist Wiederho lung im Sinne der Bewegung des Übergangs. Indem Kierkegaard die Bewegung der Wiederholung zu denken gibt, insistiert er auf die Schrift, I ibid., S. 23 2 vgl. Martin Heidegger, Holzwege, Frankfurt am Main, 1963, S. 230; Hermann Deuser, Kierkegaard. Die Philosophie des religiösen Schriftstellers, Darmstadt, 1985 2