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Paradigmen der Bewegungsforschung: Entstehung und Entwicklung von Neuen sozialen Bewegungen und Rechtsextremismus PDF

261 Pages·1998·6.137 MB·German
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Kai-Uwe Hellmann Ruud Koopmans Paradigmen der Bewegungs- forschung Entstehung und Entwicklung von Neuen Sozialen Bewegungen und Rechtsextremismus Kai-Uwe Hellmann . Ruud Koopmans (Hrsg.) Paradigmen der Bewegungsforschung Kai-Uwe Hellmann . Ruud Koopmans (Hrsg.) Paradigmen der Bewegungsforschung Entstehung und Entwicklung von Neuen sozialen Bewegungen und Rechtsextremismus Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Alle Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden 1998 Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden, 1998 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechdich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. http://www.westdeutschervlg.de Höchste inhaltliche und technische Qualität unsern Produkte ist unser Ziel. Bei der Produk tion und Verbreitung unserer Bücher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Einschweillfolie besteht aus Polyäthylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt ISBN 978-3-531-13250-1 ISBN 978-3-663-10990-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-10990-7 Inhalt Einführung Kai-Uwe Hel/mann Paradigmen der Bewegungsforschung. Forschungs- und Erklärungsansätze - ein Überblick ............................................... 9 Neue Soziale Bewegungen Kar/-Werner Brand Humanistischer Mittelklassen-Radikalismus. Die Erklärungskraft historisch-struktureller Deutungen am Beispiel der' neuen sozialen Bewegungen' .......................................................................... 33 Ro/and Roth 'Patch-Work' . Kollektive Identitäten neuer sozialer Bewegungen ................................................ 51 Tibor Kliment Durch Dramatisierung zum Protest? Theoretische Grundlegung und empirischer Ertrag des Framing-Konzepts .......... 69 Kar/-Dieter Opp Die Perspektive der Ressourcenmobilisierung und die Theorie kollektiven HandeIns. Eine Anwendung zur Erklärung der Ökologiebewegung in der Bundesrepublik ...... 90 Dieter Rucht Komplexe Phänomene - komplexe Erklärungen. Die politischen Gelegenheitsstrukturen der neuen sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik .......................................................................................... 109 6 Inhalt Rechtsextremismus C/aus Leggewie Neo-Kapitalismus und Neue Rechte. Sozialstrukturelle Voraussetzungen radikaler rechter Bewegungen ....................... 131 Werner Bergmann / Rainer Erb "In Treue zur Nation". Zur kollektiven Identität der rechtsextremen Bewegung ...................................... 149 Wolfgang Gessenharter Rückrufzur 'selbstbewußten Nation'. Analyse eines neurechten Frames aus bewegungstheoretischer Sicht.. ................ 166 Bert Klandermans Ausländerfeindliche Bewegungen und Parteien im Vier-Länder-Vergleich. Ressourcenmobilisierung, KostenlNutzen-Relationen, Organisationen und soziale Netzwerke ................................................................................................. 181 Ruud Koopmans Rechtsextremismus, fremdenfeindliche Mobilisierung und Einwanderungspolitik. Bewegungsanalyse unter dem Gesichtspunkt politischer Gelegenheitsstrukturen ... 198 Schlußbetrachtung Ruud Koopmans Konkurrierende Paradigmen oder friedlich ko-existierende Komplemente? Eine Bilanz der Theorien sozialer Bewegungen ................................................... 215 Anmerkungen ....................................................................................................... 233 Literatur ................................................................................................................ 249 Einführung Kai-Uwe Hellmann Paradigmen der Bewegungsforschung Forschungs- und Erklärungsansätze - ein Überblick 1. Einleitung Protest gehört in unserer Gesellschaft zum Alltag. Ständig treibt es Menschen auf die Straße, werden Parolen skandiert, Veränderungen gefordert, und zieht der Pro test sich in die Länge, dauert gar an und mobilisiert immer mehr Menschen, haben wir es bald mit einer sozialen Bewegung zu tun. Das Auftreten von Protestaktionen und sozialen Bewegungen bedeutet aber nicht nur für die Politik eine Herausforde rung, sondern auch für die Wissenschaft. Denn was ist eine soziale Bewegung, wie kommt es zu Protest? Wer nimmt daran teil und weshalb? Wie funktioniert Mobili sierung und was sind die notwendigen und hinreichenden Möglichkeitsbedingungen erfolgreicher Mobilisierung? Welcher Einfluß kommt der Gesellschaft und speziell der Politik zu, wenn es um die Entstehung und Entwicklung von Protestbewegungen geht? Wovon hängt der Erfolg einer sozialen Bewegung ab, und was passiert mit der Bewegung, nachdem die Mobilisierungsphase ihren Höhepunkt überschritten hat? All dies sind Fragen, die im Laufe der lahrzehnte zur Ausbildung einer eigenen Fachdisziplin innerhalb der Sozialwissenschaften geführt haben, nämlich der So ziologie sozialer Bewegungen oder kurz Bewegungsforschung. Dabei ist die Bewe gungsforschung noch relativ jung, denn erst in den letzten 10 bis 20 lahren hat sich eine Spezifik von Theorien, Methoden und Objekten herauskristallisiert, die es ge stattet, die Bewegungsforschung nicht nur für sich, sondern auch von anderen Fach bereichen der Sozialwissenschaften eindeutig abzugrenzen. Vor diesem Hintergrund stellt sich aber die Frage: Womit haben wir es bei der Bewegungsforschung gegen wärtig zu tun? Was finden wir vor, was spielt sich dort ab? Der vorliegende Sam melband nimmt bei diesen Fragen seinen Ausgang und versucht, deutlich zu ma chen, daß und weshalb sich die Bewegungsforschung - so wie Thomas S. Kuhn (1976) es beschrieben hat - auf dem Weg zur normalen Wissenschaft befindet. 10 Kai-Uwe Hel/mann 2. Zur Entstehung und Entwicklung der Bewegungsforschung Wo und wann genau der eigentliche Grundstein der Bewegungsforschung gelegt worden ist, läßt sich heute kaum mehr feststellen (Pankoke 1970; Hofmann 1971; Rammstedt 1978). Sicherlich aber hat die Bewegungsforschung ihre Wurze.ln..Jetzt lich in der Aufklärung. "Alles Denken der sozialen Bewegung nimmt seinen Aus gang von den großen Ideen der Aufklärungsphilosophie." (Hofmann 1971: 8) Denn schon die Aufklärung selbst stellte - das 'finstere' Mittelalter hinter sich lassend - einen 'Aufbruch in eine andere Gesellschaft', die der Modeme dar, die uns als' ein unvollendetes Projekt' noch immer beschäftigt und ständig neue Bewegungen aus sich hervorbringt, die das Projekt 'Modeme' doch noch zu vollenden - oder schon wieder zu be enden suchen (Berger/Berger/Kessler 1975; Eder 1993; Münch 1994; Hellmann 1997). Ohne also alle Aspekte berücksichtigen zu können, die für die Begründung der Bewegungsforschung ausschlaggebend waren, sind die Anfange doch in der Aufklä rung zu finden. Dabei macht Wem er Hofmann gleich zwei "Haltungen" (Hofmann 1971: 12) geltend, denen man heute Bewegungscharakter zusprechen kann: jene, die in der Romantik als Gegenbewegung zur Aufklärung ihren Ausdruck fand, und die jenige, welche gerade im Sinne der Aufklärung fur die Verwirklichung der Ideen der Aufklärung eintrat. Letztere markiert aber mit der Französischen Revolution - so Joachim Raschke - den entscheidenden 'take-off (Pankoke) für "die erste soziale Bewegung in einem modemen Sinne" (Raschke 1985: 22), woraus sich dann die eigentliche, noch heute gebräuchliche Prägung des Begriffs 'mouvement social' von Denkern wie Henri de Saint-Simon, Charles Fourier oder Auguste Comte entwik kelte, deren Rezeption durch Lorenz von Stein 1842 den Begriff 'sociale Bewe gung' schließlich auch für Deutschland populär gemacht hat.! Bei der Frage nach dem Höhe- und Angelpunkt der Denkgeschichte der sozialen Bewegung ist nach Hofmann davon auszugehen, daß erst mit den Arbeiten des (frü hen) Karl Marx eine halbwegs konzise Theorie zu sozialen Bewegungen zur Verfü gung stand, "so daß schlechthin von einer vor- und nach-Marxschen Theorie zu sprechen ist."2 Aber ob es nun Marx oder doch von Stein war, "der als erster soziale Bewegung soziologisch reflektierte"3: Ohne Zweifel hat Marx maßgeblich Anteil daran gehabt, der wissenschaftlichen Beschäftigung mit sozialen Bewegungen zum Durchbruch zu verhelfen, als er und später dann vor allem Friedrich Engels4 Hegels Bewegungsgesetz aus dem Gebiete des Geistigen in die Gesellschaft übertrugen und hier eine Dialektik in der Abfolge gesellschaftlicher Epochen zu erkennen glaubten, die wesentlich durch Klassenkämpfe vorangetrieben wird, wie es dann im 'Kommu nistischen Manifest' zu lesen stand: "Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen." Demnach weist jede Gesellschaft in sich selbst strukturelle Spannungen und Widersprüche auf, die - wie der Gegensatz von Kapital und Arbeit - schon von sich aus den Keim des Neuen in sich tragen. Dieser Keim nimmt dann in einer sozialen Bewegung seine Endgestalt an, nämlich die des Paradigmen der Bewegungsforschung 11 'Totengräbers' der bisherigen Gesellschaft, um zur rechten Zeit die 'revolutionäre Umgestaltung der ganzen Gesellschaft' in die Wege zu leiten und durch das Neue zu ersetzen. Wenn heute auch kaum noch jemand Marx/Engels einfach darin folgen dürfte, soziale Bewegungen geschichtsphilosophisch zu begreifen, hat dieser Bewegungs begriff doch entscheidenden Einfluß gehabt auf die weitere Beschäftigung mit so zialen Bewegungen, sowohl praktisch als auch theoretisch. Dies betrifft nicht nur die Verortung sozialer Bewegungen auf der Makro-Ebene, ihre Beziehung zu ge sellschaftlichen Zentralkonflikten und ihre Bedeutung fur sozialen Wandel, sondern auch ihre Verbundenheit mit der Sozialstruktur der Gesamtgesellschaft und die Pro blematik des Übergangs einer 'Klasse an sich' in eine 'Klasse fl.ir sich', wodurch sie dann zum kollektiven Akteur wird - nicht zu vergessen die 'wissenschaftliche' Uto pie der klassen losen Gesellschaft als Endstadium der Geschichte aller bisherigen Gesellschaften. Neben dem Marxismus sind aber auch andere Ansätze zu nennen, die fur die Entwicklung der Bewegungsforschung von Bedeutung waren. Hier ist vor allem die Beschäftigung mit der Masse aus psychologischer Perspektive anzufuhren. Als Va ter der Massenpsychologie kann sicherlich Gustave Le Bon gelten, dem es vorrangig um die Veränderungen ging, die das Individuum in der Masse erfährt: "Schwund der bewußten Persönlichkeit, Vorherrschaft der unbewußten Persönlichkeit, Orien tierung der Gefl.ihle und Gedanken in derselben Richtung durch Suggestion und An steckung, Tendenz zur unverzüglichen Verwirklichung der suggerierten Ideen." (Le Bon 1912: 17) So betrachtet, entwickelt sich der Mensch in der Masse zum Tier zu rück, das nur noch durch seine Ängste und Affekte bestimmt wird.5 "Das Individu um ist nicht mehr es selbst, es ist ein willenloser Automat geworden." (ebd.) Was vorherrscht, wenn Menschen in Massen auftreten, ist somit nicht mehr vernunftge leitetes Handeln, sondern irrationales Verhalten, in sich unbegründet und ohne Re flexion auf Kontext und Konsequenzen. Diese Sichtweise auf die 'Natur' der Masse, die der von Marx/Engels in vielen Punkten diametral gegenübersteht, hat nicht minder einflußreich auf die auch wis senschaftliche Beschäftigung mit sozialen Bewegungen gewirkt. Vor allem Arbeiten zur 'mass society' (Arendt, Kornhauser), die sich insbesondere mit totalitären Mas senbewegungen auseinandergesetzt haben, sind nachhaltig von der Auffassung ge prägt, daß Massen irrational veranlagt sind. Dabei wird der Anlaß fur das Auftreten solcher Massenbewegungen - und hier fließt zumeist Durkheims Anomie-Idee mit ein - darin gesehen, daß die modeme Gesellschaft die Individuen aufg rund von In dividualisierungs- und Atomisierungstendenzen basal verunsichere, verängstige und völlig ohne Orientierung lasse, worauf sie sich zu Massen zusammenfinden, um die sen Verlust an individueller Sicherheit durch kollektiven Protest zu kompensieren zu suchen. Noch heute sticht gerade diese Sichtweise, der letztendlich die Unterschei dung von Elite und Masse zugrunde liegt, bei der Kritik sozialer Bewegungen im mer wieder hervor, wenn protestierenden Individuen psychopathologische Züge und

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