Pädagogisch- psychologische Diagnostik Band 2 Anwendungsbereiche und Praxisfelder von Hans-Peter Langfeldt und Lothar Tent Hogrefe Verlag für Psychologie l Göttingen Bern Toronto Seattle l l l Prof. Dr. Hans-Peter Langfeldt, geb. 1943. 1965 Staatsexamen zum Lehramt an Volksschulen, 1971 Diplom-Psychologe Marburg, 1977 Promotion Köln/Bonn, 1983 Habilitation im Fach Pädagogische Psychologie Marburg. Ab 1971 Tätigkeit in verschiedenen Funktionen an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und an der Pädagogischen Hochschule Rheinland. 1987- 1990 Lehrstuhlvertreter und Professor in Würzburg. Seit 1991 Professor am Institut für Pädagogische Psychologie der Universität Frankfurt am Main. Prof. Dr. Lothar Tent, geb. 1928. 1948-1952 Lehramtsstudium, 1952-1960 Lehrer. 1958 Diplom-Psychologe, 1962 Promotion. 1962-1968 Wissenschaftlicher Assistent an der Univer- sität Marburg. 1968 Habilitation im Fach Psychologie. 1968/69 Professur für Pädagogische Psychologie an der Universität Gießen. 1969 Professur für Sonderpädagogik an der Universität Marburg. Seit 1973 Professor am Fachbereich Psychologie der Universität Marburg. Seit 1993 emeritiert. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pädagogisch-psychologische Diagnostik.- Göttingen; Bern; Toronto; Seattle: Hogrefe, Verl. für Psychologie Bd. 2. Anwendungsbereiche und Praxisfelder/ Hans-Peter Langfeldt; Lothar Tent.- 1999 ISBN 3-8017-0406-8 0 by Hogrefe-Verlag, Göttingen · Bern · Toronto · Seattle 1999 Rohnsweg 25, D-37085 Göttingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts- gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfil- mungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck: Dieterichsche Universitätsbuchdruckerei W. Fr. Kaestner GmbH & Co. KG, D-37124 Göttingen-Rosdorf Printed in Germany Auf säurefreiem Papier gedruckt ISBN 3-8017-0406-8 Vorwort Aus verschiedenen Gründen erscheint Band 2 der Pädagogisch-psychologischen Dia- gnostik später als ursprünglich vorgesehen. Ingeborg Stelzl, Koautorin des ersten Bandes, ist ausgeschieden, weil sie ihrem eigentlichen Interessenschwerpunkt den Vorrang geben mußte. An ihre und zugleich an die erste Stelle ist Hans-Peter Langfeldt getreten. Band 1 behandelt in drei Teilen grundlegende Annahmen und Definitionen der professionellen Diagnostik, wichtige testtheoretische Modelle sowie pädagogische, berufsethische und rechtliche Rahmenbedingungen der diagnostischen Praxis. Dieser Praxis wendet sich der vorliegende Band in erster Linie zu, allerdings ohne das theo- retische und methodische Fundament zu vernachlässigen. Er ist also kein Rezept- buch, d.h. er enthält keine Gebrauchsanweisung, z.B. wie eine Untersuchung von Schulanfängern, Lernbehinderten oder Hochbegabten im einzelnen durchzuführen ist. Vielmehr erfährt der Leser, auf welchen Annahmen solche Untersuchungen beruhen, was bei ihrer Durchführung zu beachten ist, welche Verfahren dafür - exemplarisch - zur Verfügung stehen und welche Forschungsergebnisse für die Fragestellung be- langvoll sind. Wie Band 1 soll der zweite Band vor allem Studierenden der Psychologie und der Pädagogik im zweiten Studienabschnitt diagnostisches Fachwissen und Problembe- wußtsein vermitteln. Er setzt Grundkenntnisse in der Diagnostik voraus und kann zusammen mit einer solchen Basis der Prüfungsvorbereitung dienen. Obwohl der vorliegende Band auf dem ersten aufbaut und häufig darauf verweist, können die Vorkenntnisse natürlich auch auf anderem Wege erworben sein. Beide Bände bilden zwar eine Einheit, sind aber voneinander unabhängig zu benutzen. Auch im zweiten Band haben wir uns bemüht, die Pädagogisch-psychologische Diagnostik als Pars pro toto zu behandeln, d.h. an ihr die allgemeinen Probleme und Prinzipien der diagno- stischen Praxis beispielhaft zu verdeutlichen. Wir denken, daß der Band zugleich Praktikern entgegenkommt, die daran interes- siert sind, ihre Kenntnisse aufzufrischen oder sich neu zu orientieren. Nach einer Erhebung von Schorr (1995) nimmt die Diagnostik bei den pädagogisch-psycho- logisch tätigen Kollegen etwa ein Drittel ihrer Gesamttätigkeit ein. Davon entfallen auf das explorative Gespräch 49 % und jeweils 23% auf die Verhaltensbeobachtung und die Testanwendung. Die Diagnostik insgesamt hat also nach wie vor einen hohen praktischen Stellenwert. Die Gliederung des Bandes folgt einer einfachen Systematik. An die Rekapitulati- on einiger Grundlagen diagnostischen Handelns und die Charakterisierung des dia- gnostischen Prozesses bis zum Abfassen von Gutachten (Teil 1) schließen sich die Informationsquellen an, die dem Diagnostiker zu Gebote stehen, eine Auswahl spezi- eller Tests und Fragebogen eingeschlossen (Teil II). Die beiden folgenden Teile sind den besonderen pädagogisch-psychologischen Fragestellungen gewidmet, die diagno- stische Entscheidungshilfen erfordern, sei es im Zusammenhang mit Schullaufbahn und Ausbildung (Teil III), sei es bei individuellem Interventionsbedarf (Teil IV). Der abschließende Teil V ist der Erörterung aktueller Probleme der Pädagogisch-psycho- 6 Vorwort logischen Diagnostik vorbehalten. Dabei haben wir darauf verzichtet, unproduktive Scheinkontroversen wie die zur Förder- versus Selektionsdiagnostik oder Status- versus Prozeßdiagnostik fortzuführen, und beschränken uns auf kurze Anmerkungen dazu. Teil 1 sowie die Abschnitte 4.1 und 17 sind überwiegend von Lothar Tent, alle üb- rigen vorwiegend von Hans-Peter Langfeldt verfaßt. Wie bei Band 1 wird der Inhalt des vorliegenden Bandes von beiden Autoren gemeinsam vertreten. Der fachkundige Leser wird das eine oder andere vermissen. So kommen sozialpsychologische Mode- ratorvariablen wie Klassen-, Schul- oder Familienklima bei unserer Systematik nur randständig vor. Der erste Band hat, soviel wir wissen, eine insgesamt positive Reso- nanz gefunden. Das wünschen wir uns - trotz möglicher Schwächen - auch für die überfällige Fortsetzung. Kritische Rückmeldungen nehmen wir gleichwohl gern ent- gegen. Bei den geschlechtstypischen Personenbezeichnungen haben wir die umständliche Verdoppelung zumeist vermieden und statt dessen hier und da zwischen den Ge- schlechtem gewechselt. Mit Psychologen sind immer auch Psychologinnen gemeint, mit Lehrerinnen auch Lehrer usw. Mit Kindern gibt es ohnehin kein Problem. Besonderer Dank gilt unserer Frankfurter Mitarbeiterin Frau Gisela Stöckel für die kompetente Herstellung der Druckvorlage und Herrn Dr. Michael Vogtmeier vom Verlag für seine beharrliche Geduld. Frankfurt/Main und Marburg, im Juli 1998 Hans-Peter Langfeldt Lothar Tent Inhaltsverzeichnis Teil I Grundlagen und Ablauf diagnostischen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Funktion und Nutzen der Pädagogisch-psychologischen Diagnostik.... 13 1.1 Die Aufgaben der Pädagogisch-psychologischen Diagnostik...................... 13 1.2 Zur Nützlichkeit Pädagogisch-psychologischer Diagnostik......................... 16 1.2.1 Diagnostische Entscheidungen..................................................................... 17 1.2.2 Grundsätze der Nutzenbestimmung ............................................................ .20 2. Die diagnostische Situation ....................................................................... .25 2.1 Interaktion und Kommunikation................................................................. .25 2.2 Die Gestaltung der diagnostischen Situation.. ............................................. .27 3. Derdiagnostische Prozeß.......................................................................... .33 3.1 Einige Vorbemerkungen............................................................................... 33 3.1.1 ZurTerminologie.. ....................................................................................... .33 3.1.2 Zur Praxeologie diagnostischen Handelns .................................................. .34 3.2 DerUntersuchungsablauf............................................................................ .35 3.3 Die diagnostische Urteilsbildung ................................................................. 39 3.4 Psychodiagnostische Gutachten ................................................................... 44 3.4.1 Richtlinien und Regeln für die Abfassung.................................................. .44 3.4.2 Mustergutachten .......................................................................................... .51 Zusammenfassung und Literaturempfehlungen zu Teil I.......................................... .65 Teil II Diagnostische Informationsquellen ................................................... .69 4. Zensuren und Zeugnisse als diagnostische Information .........................71 4.1 Notengebung................................................................................................. 71 4.1.1 Funktion........................................................................................................ 71 4.1.2 Notenskalen .................................................................................................. 73 4.1.3 Empirische Eigenschaften........................................................................... .74 4.2 Verbale Beurteilungen.. ................................................................................ 77 4.3 Implizite Persönlichkeitstheorien von Lehrpersonen.................................. .82 5. Tests zur Beschreibung des Schulleistungsstandes: Schulleistungstests ...................................................................................... 85 5.1 Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für dritte und vierte Klassen (WRT3+) ........................................................ 86 5.2 Schulleistungstest Deutsch für vierte Klassen (CT-D4).............................. .87 5.3 Diagnose- und Förderblätter, Rechenfertigkeiten ......................................... 88 8 Inhaltsverzeichnis 6. Beispiele pädagogisch relevanter Tests und Fragebögen...................... .91 6.1 Adaptives Intelligenz-Diagnostikum (AID)................................................. 91 6.2 Lerntestbatterie “Schlußfolgerndes Denken” (LTS).................................... . 96 6.3 Testreihe zur Prüfung der Konzentrationsfähigkeit (TPK).......................... 98 6.4 Persönlichkeitsfragebogen für Kinder zwischen 9 und 14 Jahren (PFK 9-14) ................................................................................................. 100 7. Diagnostische Gesprächsformen: Anamnese und Exploration........... 103 7.1 Grundlagen und Fehlermöglichkeiten........................................................ 103 7.2 Durchführungshilfen.................................................................................. 106 8. Beobachten und Beschreiben.................................................................. 109 8.1 Definition ................................................................................................... 109 8.2 Verbal-Systeme zur Beschreibung von Verhalten ..................................... 110 8.3 Nominal-Systeme: Index- und Kategorien-Systeme.................................. 111 8.4 Dimensional-Systeme.. ............................................................................... 114 8.5 Beobachtungstendenzen............................................................................. 116 9. Projektive Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Zusammenfassung und Literaturempfehlungen zu Teil II...................................... . .... 119 Teil III Pädagogisch-psychologische Diagnostik bei Schullaufbahnentscheidungen ........................................................... 123 10. Rahmenbedingungen und Voraussetzungen ......................................... 125 10.1 Institutionelle Rahmenbedingungen.. ......................................................... 125 10.2 Charakteristika selektiver Laufbahnentscheidungen.................................. 127 10.2.1 Prognosen als Voraussetzung..................................................................... 127 10.2.2 Effizienz..................................................................................................... 129 11. Einschulung .............................................................................................. 135 11.1 Das Konstrukt “Schulreife”........................................................................ 135 11.2 Schulreifetests ............................................................................................ 139 11.3 Diagnostische Entscheidungen und ihre Folgen........................................ 144 11.4 Diagnostische Praxis.................................................................................. 146 11.4.1 Vorzeitige Einschulung .............................................................................. 146 11.4.2 Zurückstellung.. .......................................................................................... 148 12. Umschulung in die Sonderschule für Lernbehinderte ........................ 151 12.1 Vorbemerkung: Behinderung und Schulsystem.. ....................................... 151 12.2 Das Konstrukt “Lernbehinderung”............................................................. 154 12.3 Schulische Rahmenbedingungen.. .............................................................. 156 Inhaltsverzeichnis 9 12.4 Validität der Diagnose “lernbehindert” ...................................................... 157 12.4.1 Konstruktvalidität....................................................................................... 157 12.4.2 Diagnostische Entscheidungen und ihre Folgen......................................... 158 12.5 Diagnostische Praxis .................................................................................. 159 13. Übertritt in die Sekundarstufe I ..................................................... 161 13.1 Das Konstrukt “Eignung” ........................................................................... 161 13.2 Diagnostische Entscheidungen und ihre Folgen......................................... 163 13.3 Diagnostische Praxis .................................................................................. 165 14. Hochschulzugang .................................................................................... 169 14.1 Medizinstudium als Beispiel ...................................................................... 169 14.2 Der Test für medizinische Studiengänge: Inhalt und prognostische Validität.. ............................................................................. 170 14.3 Diagnostische Entscheidungen undihreFolgen......................................... 171 15. Berufsberatung, Personalauswahl und Berufsausbildung ................ 175 15.1 Berufsberatung und Personalauswahl: Gemeinsamkeiten undUnterschiede.. ...................................................................................... 175 15.2 Berufsausbildung.. ...................................................................................... 177 Zusammenfassung und Literaturempfehlungen für Teil III ...................................... 178 Teil IV Pädagogisch-psychologische Diagnostik bei individueller Intervention .................................................................. 181 16. Geltungsbereiche Pädagogisch-psychologischer Diagnostik im Rahmen individueller Intervention ........................................................ 183 16.1 Pädagogisch-psychologische Diagnostik als Teil der Erziehungsberatung .................................................................................... 183 16.2 Grenzbereiche Pädgogisch-psychologischer Diagnostik............................ 185 17. Hochbegabungsdiagnostik ..................................................................... 189 17.1 Zum Stand der psychologischen Hochbegabungsforschung in Deutschland............................................................................................ 189 17.2 Zur Theorie der Hochbegabung.................................................................. 190 17.3 Die Identifizierung Hochbegabter .............................................................. 193 18. Diagnostik von Lernstörungen .............................................................. 199 18.1 Definitionen und Konzepte ........................................................................ 199 18.2 Diagnostik von Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (Legasthenie) ........... 201 18.3 Rechenschwierigkeiten (Dyskalkulie) ....................................................... 209 10 Inhaltsverzeichnis 19. Diagnostik von Verhaltensstörungen..................................................... 217 19.1 Definitionen und Konzepte....................................................................... .217 19.2 Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen..................................... .220 19.3 Aggressivität und dissoziales Verhalten.................................................... 227 19.4 Angst und Ängstlichkeit............................................................................ .233 Zusammenfassung undLiteraturempfehlungen zu TeilIV..................................... .237 Teil V Aktuelle Entwicklungen und Desiderate ........................................ 241 20. Computergestützte Diagnostik................................................................ 243 20.1 Definition und Anwendungsprinzipien...................................................... 243 20.2 Itemdarbietung und Itementwicklung ....................................................... .245 20.3 Implementierung “neuer” Testkonzepte.. .................................................. .245 20.4 Steuerung des diagnostischen Prozesses.................................................... 246 21. Evaluation in Schule und Hochschule.................................................... 249 21.1 Gegenstande der Evaluation....................................................................... 249 21.2 Evaluation von Unterricht in Schulen........................................................ 250 21.2.1 Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler .................................................. 250 21.2.2 Lehrfähigkeit der Lehrenden...................................................................... 251 21.3 Evaluation der Lehrean Hochschulen....................................................... .252 22. Pädagogisch-psychologische Diagnostik zwischen Stagnation und Fortschritt ......................................................................................... 255 22.1 Zwischenbilanz .......................................................................................... 255 22.2 Perspektiven............................................................................................... 256 Zusammenfassung und Literaturempfehlungen zu Teil V ....................................... 260 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 261 Verzeichnis der Testabkürzungen........................................................................ 289 Autorenregister ..................................................................................................... 291 Sachregister ........................................................................................................... 298 Anhang: Inhaltsverzeichnis von Band 1 .............................................................. 306 Anhang: Stichwortverzeichnis ausBand 1 .......................................................... 309 Teil I Grundlagen und Ablauf diagnostischen Handelns 1. Wozu braucht man Pädagogisch-psychologische Diagnostik? 2. Was heißt Klassifikation, und wie kommen diagnostische Entscheidungen zu- stande? 3. Läßt sich der Nutzen Pädagogisch-psychologischer Diagnostik berechnen? 4. Welche sozialpsychologischen Prozesse bestimmen die diagnostische Situation, und was ist bei der Kontaktgestaltung zu beachten? 5. Was heißt diagnostischer Prozeß, und worauf stützt sich diagnostisches Han- deln? 6. Wie laufen diagnostische Untersuchungen ab, und wie werden diagnostische Urteile gebildet? 7. Wie teilt man die Ergebnisse mit? Vorstrukturierende Lesehilfe Im ersten Band (Tent & Stelzl, 1993) ging es um die begriffliche Klärung dessen, was Diagnostik ist und bewirken soll, um ihre testtheoretischen Grundlagen sowie um pädagogische, berufsethische und rechtliche Rahmenbedingungen für ihre An- wendung. In diesem Band steht die diagnostische Praxis im Vordergrund. Teil I be- faßt sich nach einem Rückgriff auf die Ziele der Pädagogisch-psychologischen Dia- gnostik mit entscheidungstheoretischen und sozialpsychologischen Aspekten sowie mit Vorgaben für die Gestaltung diagnostischer Untersuchungen von der Ausgangs- frage bis zur Abfassung von Gutachten. Die praktische Diagnostik wird als zweckrationales problemlösendes Handeln be- trachtet, das wie das pädagogische Handeln dem Optimierungsgebot folgt. Sie trägt zur Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit pädagogischer Entscheidungen bei. Ihre Effizienz ist auch eine Frage der Kosten-Nutzen-Relation. Diagnostische Untersu- chungen bestehen aus einer Abfolge von Interaktions- und Kommunikationsprozes- sen. Eine Reihe theoretisch, empirisch oder rechtlich begründeter Verhaltensregeln für den Diagnostiker soll ein möglichst hohes Maß an Objektivität gewahrleisten. Die Regeln beziehen sich auf den Umgang mit dem Probanden, auf die Abfolge der Handlungsschritte, auf die Urteilsbildung sowie auf die Vermittlung der Untersu- chungsergebnisse. Den Schluß bilden Auszüge aus zwei Beispielgutachten. 1. Funktion und Nutzen der Pädagogisch- psychologischen Diagnostik Vorstrukturierende Lesehilfe Pädagogisches Handeln ist darauf gerichtet, das Verhalten anderer mit mentalen Mitteln zu beeinflussen. Sein Erfolg hängt (u.a.) davon ab, daß man die individuellen Lernvoraussetzungen möglichst genau kennt (Diagnose) und einschätzen kann, wel- che der verfügbaren pädagogischen Behandlungsalternativen unter den gegebenen Randbedingungen die beste ist (Prognose). Der erwartete Lernerfolg bedarf der Überprüfung (Veränderungsmessung). Ihr Ergebnis entspricht der Lernvoraussetzung für die nächste pädagogische Maßnahme. Unabhängig von Fragestellung und Verwertungszusammenhang führt Diagnostik in der Regel zur Zuordnung von Individuen zu Gruppen mit gleicher Merkmalsaus- prägung (Klassifikation). Dies geschieht grundsätzlich anhand rationaler, nachvoll- ziehbarer Entscheidungsprozeduren. Die professionelle Pädagogisch-psychologische Diagnostik ist in dem Maße effizient, wie gezeigt werden kann, daß sie nach Daten- qualität und Verfahrensökonomie der besten alternativen Entscheidungsstrategie überlegen ist. 1.1 Die Aufgaben der Pädagogisch-psychologischen Diagnostik Ziel von Erziehung und Unterricht ist, vereinfacht gesagt, das Verhalten anderer mittels mentaler Beeinflussung möglichst dauerhaft zu verändern. Erziehen und Leh- ren bestehen aus dem intentionalen Herbeiführen systematischer Veränderungen an Personmerkmalen durch Lernen, d.h. auf dem Weg über kognitive Prozesse der In- formationsaufnahme und -Verarbeitung samt ihrer emotionalen und motivationalen Begleitzustande. Es geht darum, gegebene individuelle Istwerte von Merkmalen in neue, bestimmten Sollwerten entsprechende oder angenäherte Istwerte zu überführen. In der professionellen Pädagogik gelten Individualisierung und Differenzierung als unumstrittene Grundsätze der Organisation von Lehren und Lernen. Welche Ziele im einzelnen es auch immer verfolgt, pädagogisches Handeln unterliegt dem allge- meinen Optimierungsgebot, demzufolge Entscheidungen so getroffen werden sollen, daß die Lernenden so gut wie möglich gefordert oder vor Nachteilen möglichst be- wahrt werden (Erfolgsmaximierung, Risikominimierung). Dementsprechend besteht die Funktion der Pädagogisch-psychologischen Diagno- stik im wesentlichen darin, Grundlagen für “richtige” pädagogische Entscheidungen zu liefern, d.h. folgende praktische Aufgaben zu erfüllen: die tatsächlichen Ausgangsbedingungen bei den Lernenden zu klaren (Diagnose l von Lernvoraussetzungen oder Befindlichkeitszuständen)