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Pädagogik und Erziehungsalltag in der DDR: Zwischen Systemvorgaben und Pluralität PDF

348 Pages·1993·12.328 MB·German
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Pädagogik und Erziehungsalltag in der DDR Studien zur Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung Herausgegeben von BemdDewe Heinz-Hermann Krüger Winfried Marotzki Band 2 Heinz-Hermann Krüger Winfried Marotzki (Hrsg.) Pädagogik und Erziehungsa11tag in der DDR Zwischen Systemvorgaben und Pluralität + Leske Budrich, Opladen 1994 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pä3agogik und ErziehungsaIItag in der DDR : zwischen Systemvorgaben und Plu ralitätlHeinz-Hermann Krüger; Winfried Marotzki (Hrsg.). !-Opladen : Leske und Budrich, 1994 (Studien zur Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung ; Bd. 2) ISBN 978-3-8100-1160-2 ISBN 978-3-322-99776-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-99776-0 NE: Krüger, Heinz-Hennann [Hrsg.]; GT © 1994 by Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung au ßerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzu lässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfil mungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhaltsverzeichnis Einführung 7 Ernst Cloer Universitäre Pädagogik in der früheren DDR - ausschließlich Legitmationswissenschaft? Untersuchungen zur Pluralität pädagogischer Denkfonnen 17 Dietrich Benner, Horst Sladek Das Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule und die unterschiedliche Auslegung seiner hannonistischen Annahmen zum Verhältnis von Begabung und Bestimmung in den Jahren 1946/47 37 Winfried Marotzki, Walter Bauer Zur sittlich-patriotischen Erziehung in der DDR-Pädagogik 55 Woifgang Eichler Methodologische Fragen der Theoriebildung in der Allgemeinen Pädagogik der DDR 95 Marita Appoltshauser, Thomas Gatzemann, Peter Menck »Erziehung« im erziehungswissenschaftlichen Diskurs in Deutschland 1945 - 1989. Eine Projektskizze 117 Jörg Ruhloff, Jochen Riemen Zur Fonn von Kritik in der DDR-Pädagogik 127 Lothar Wigger, Karl-Heim Walter, Cornelia Hilbrich Schulstrukturentscheidungen aus argumentationsanalystischer Sicht. Am Beispiel der Refonn der Abiturstufe in der DDR 137 Reinhard Golz Geschichte der Erziehung zwischen Vorgaben und Gestaltungsversuchen 161 Brita Rang Historische Pädagogik =Politische Pädagogik? Überlegungen zum Verhältnis von Politik und Geschichte der Erziehung in der DDR 177 HUmar Hoffmann Die Entwicklung des Kindergartens in der Sowjetischen Besatzungszone bis zur Gründung der DDR - Neuanfang zwischen Dogmatismus und Demokratisierung 193 Heinz-Elmar Tenorth, Andreas Paetz, Sonja Kudella »Politisierung des Schulalitags in der DDR«. Skizze und erste Ergebnisse eines Forschungsvorhabens 209 Rotraud Coriand Die Selbsttätigkeit des Schülers und die Führungsrolle des Lehrers-kritischer Rückblick auf die Didaktikforschung der 80er Jahre in der DDR 233 Franz-Peter Schimunek Soll und Haben. Erste Bilanz des Wandlungsprozesses im Bildungswesen Thüringens am Beispiel der Stadt Erfurt 243 Wolfgang Ortlepp Ausgewählte Aspekte der Ausbildung von Unterstufenlehrern in der DDR 257 Heinz-Hermann Krüger 'Wie Ernst Thälmann treu und kühn .. .' Zur Politisierung des Studien- und Forschungsalitags in der DDR am Beispiel der Pionierleiterausbildung 275 Jan H Olbertz Zwischen Systemgebundenheit und Variabilität Erwachsenenbildung in der DDR 295 Thomas Olk, Kerstin Bertram Jugendhilfe in Ostdeutschland vor und nach der Wende 321 Autorenverzeichnis 351 Heinz-Hermann Krüger, Winfried Marotzki Pädagogik und Erziehungsalltag in der DDR - Eine Einführung Mit dem Zusammenbruch der DDR ist auch die DDR-Pädagogik an ihr Ende gekommen. Lohnt sich überhaupt noch die Auseinandersetzung mit der Geschichte einer Disziplin, der nachgesagt wird, daß sie eingespannt in die Parteiherrschaft der SED nur mit dazu beigetragen habe, aus der DDR einen geschlossenen Erziehungs- und Weltanschauungsstaat zu machen? Warum soll man sich noch einmal mit dem Erziehungsalitag in Schulen, Hochschulen sowie in außerschulischen Einrichtungen beschäftigen, wenn deren Funktionen ohnehin nur darin bestanden haben sollen, die »ideologi sche Homogenisierung der Gesellschaft« zu sichern? (Anweiler u.a. 1992, S.13-14) Im Gegensatz zu pauschalisierenden Denkweisen, die in der DDR-Päd agogik ausschließlich eine uniforme Staatspädagogik sehen, zielt der hier vorgelegte Sammelband auf Differenzierungen. Intention ist es, ein komple xes Bild der Pädagogik und des Erziehungsalitags in der DDR zu zeichnen, das die Eingebundenheit in staatliche Formierungsabsichten ebenso aufzeigt wie die Brüche und Ambivalenzen im Herrschaftssystem. Dabei können die in diesem Band vorgestellten Beiträge jedoch nur erste Ansätze und exem plarische thematische Ausschnitte aus dem noch aufzuarbeitenden For schungsfeld skizzieren. Denn das Ende der DDR bedeutet für die kritische Rekonstruktion der Pädagogik und des Erziehungsalitags in der DDR erst den Anfang. Diese Diagnose mag angesichts der Tatsache, daß in Westdeutschland be reits seit den 50er Jahren eine vergleichende Deutschlandforschung existiert, vielleicht paradox erscheinen Doch diese Studien aus dem Kontext der ver gleichenden pädagogischen Deutschlandforschung weisen einige Leerstel len und Schwachpunkte auf. Erstens liegt der thematische Akzent vieler Arbeiten auf Strukturanalysen des Bildungssystems, auf der Geschichte der Lehrplanentwicklung oder auf Fragen der polytechnischen Bildung (vgl. u.v.a. Anweiler 1969, 1990; Baacke 1979; Fischer 1992; Waterkamp 1990), während Rekonstruktionen pädagogischer Denkformen und Theoriedebatten in der allgemeinen Pädagogik, aber auch in den Teildisziplinen, eher spär lich ausfallen (vgl. Langewellpott 1973; eloer 1986, 1988 und in diesem Band). Zweitens können die in der vergleichenden Bildungsforschung ge wählten makrosoziologischen Theorieansätze zur Analyse der Entwicklung 8 Heinz-Hermann Krüger, Winfried Marotzki von Bildung und Erziehung in der DDR nicht hinreichend überzeugen. Das vor allem in den 50er und 60er Jahren entwickelte und neuerdings auch von ostdeutschen Autoren wiederbelebte Totalitarismuskonzept kann aufg rund des generell unterstellten totalen Führungsanspruchs der SED auf die Berei che von Bildung und Erziehung Fonnen von Resistenz und Widerstand nicht erklären. Außerdem wird in solch einem Theoriekonzept nicht hinrei chend zwischen dem unterschiedlichen Grad der politischen Einflußnahmen auf den verschiedenen Ebenen pädagogischen Wissens und Handeins diffe renziert. Aber auch das in den späten 60er und 70er Jahren favorisierte Kon zept der Industriegesellschaft, oft verbunden mit den Annahmen einer Konvergenztheorie, die die ähnlichen Entwicklungen im Bildungswesen der BRD und DDR vor allem unter bildungsökonomischen Perspektiven betonte (vgl. Anweiler 1990, S. 2, als neuere Variante einer Konvergenztheorie Gruschka 1992) greift zu kurz, da in diesem Theorieansatz die spezifischen Herrschaftsfonnen und Legitimationsmuster staatssozialistischer Gesell schaften weitgehend ausgeblendet bleiben. Eine dritte Einschränkung, mit der die vergleichende Deutschlandforschung konfrontiert war, waren die fehlenden Zugänge zu Archiven oder zu empirischen Originaldaten, die selbst in der DDR oft geheim gehalten wurden (vgl. BüchnerlKrüger 1991, S. 7). Deshalb konnten sich die westdeutschen Forscher bei ihren Analysen nur auf offizielle Dokumente und die wenigen vorliegenden Arbeiten stüt zen, aus denen zumeist die wesentlichen empirischen Grundlagen nicht er sichtlich waren. Diese Situation hat sich nach der politischen Wende in der DDR und der deutsch-deutschen Vereinigung gravierend verändert. Archive verschieden ster Provinienz (Universitätsarchive, Partei archive etc.) mit offiziellen Do kumenten und nichtoffiziellem Material stehen für Recherchen zur Verfügung. Empirische Original daten sind für Sekundäranalysen zugäng lich. Pädagogische Zeitzeugen aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern und Ge nerationen können befragt werden. Die veränderten methodischen Möglichkeiten und Handlungsspielräume eröffnen zugleich die Chance, neue Aufgabenbereiche und Themengebiete für die pädagogische DDR-For schung zu erschließen. So sind Arbeiten zur Alltags- und Regionalgeschich te, etwa zu Biographie- und Karrieremustern von Neulehrern in der Sozialgeschichte der Erziehung in der DDR (vgl. MBJS Brandenburg 1992, S. 5) oder zur Aufarbeitung des regionalen refonnpädagogischen Erbes in den neuen Bundesländern (vgl. Pehnke 1992) möglich, die sich auf Quellen analysen bzw. Methoden der oral-history stützen können. Bezugnehmend auf solche Verfahren kann auch die Wissenschaftsgeschichte der DDR-Päd agogik neu rekonstruiert werden, indem Z.B. in Fallstudien zu einzelnen pädagogischen Fakultäten der Versuch gemacht wird, Theorie- und Theore- Einfohrung 9 tikergeschichten in Wechselbeziehung mit der ökonomischen, soziopoliti sehen und Universitätsgeschichte zu interpretieren (vgl. dazu auch den Bei trag von eloer in diesem Band). Durch solche Fallstudien sowie durch die detaillierte Analyse von Tauwetterperioden im Verlaufe der Geschichte der DDR (vgl. z.B. zur pädagogischen Revisionismusdebatte in den Jahren 1955 - 1958: Geissler 1992) können auch die wenigen bislang vorliegenden Peri odisierungsversuche zur Theoriegeschichte der DDR-Pädagogik etwa von Kirchhöfer (1992) und Kirchhöfer/Wessel (1991), die unterhalb des späte stens im Verlaufe der 50er Jahre durchgesetzten marxistisch-leninistischen Paradigmas als erziehungsphilosophischer Grundlage für die Pädagogik noch eine kybernetische Wende in den 60er Jahren und eine individualitäts orientierte Wende in den 80er Jahren ausmachen, empirisch überprüft und gegebenenfalls revidiert werden. Erforderlich ist nicht nur eine Überarbei tung der bislang vorliegenden bildungsgeschichtlichen Periodisierungsver suche, die sich zumeist an schulpolitischen Entwicklungsetappen (vgl. etwa Fischer 1992, S. 29) orientieren. Notwendig für die zukünftige pädagogi sche DDR-Forschung ist es auch, bei den Analysen zwischen den unter schiedlichen Ebenen, Orten und Verwendungszusammenhängen pädagogi schen Wissens und Handeins genau zu differenzieren. Zwar ist davon aus zugehen, daß die SED und das Ministerium für Volksbildung alle ihr direkt oder indirekt unterstellten pädagogischen Institutionen ihrem politisch-ideo logischen Führungsanspruch zu unterwerfen suchte. Aber erst detailliertere Fallstudien zu den Entscheidungsprozessen im Ministerium für Volksbil dung, im Bereich der APW, der Pädagogik an Hochschulen und Universitä ten, auf der Ebene der Einzelschulen und auch zum integrierten zweiten schulischen Erziehungssystem in Gestalt der Pioniere und der FDJ werden zeigen, ob und wie diese Mechanismen funktioniert haben und wo Freiräu me für abweichende Orientierungen und Handlungspraxen bestanden. Ein weiteres Forschungsdesiderat für die pädagogische DDR-Forschung ist die historische Aufarbeitung der theoretischen Diskurse in den verschie denen erziehungswissenschaftlichen Teildisziplinen, wie etwa der Sozial pädagogik (vgl. Böllert/Otto 1992) oder der Erwachsenenbildung und der konkreten Erziehungspraxen in den außerschulischen pädagogischen Institu tionen, seien es z.B. die Jugendwerkhöfe oder die politischen Weiterbil dungsangebote der SED. Bleibt schließlich als zentrale Aufgabe der aktuellen erziehungswissenschaftlichen Forschung noch die Analyse der vielfältigen Transformationsprozesse im Hochschul-, Bildungs-, Erzie hungs- und Sozialwesen in den neuen Bundesländern seit der deutsch-deut schen Vereinigung mit ihren Auswirkungen auf die von diesem Umstrukturierungsprozeß Betroffenen zu nennen, die die Bildungs-, Ju gendhilfe- oder auch die Kindheits- und Jugendforschung vor neue große 10 Heinz-Hermann Krüger, WinJriedMarotzki Herausforderungen stellen (vgl. DudekiTenorth 1993; KrügerlHaak/Musiol 1993; Marotzki 1993). Zur Bearbeitung und analytischen Durchdringung der skizzierten Frage und ThemensteIlungen ist die erziehungswissenschaftliehe DDR-Forschung auch auf neue theoretische Bezugsgrößen angewiesen, die jenseits der tradi tionellen totalitarismus- und konvergenztheoretischen Lesarten liegen. Ein umfassendes und theoretisch konsistentes Erklärungsmodell, das die spezifi schen Herrschaftsformen, die sozialstrukturelle und organisatorische Ver faßtheit sowie die Einbindung von Bildung und Erziehung in die DDR-Gesellschaft ebenso analytisch fassen kann wie den Legitimations glauben bzw. Legitimationsverfall bei weiten Kreisen der DDR-Bevölke rung, liegt nicht vor. Dennoch liefern sowohl modernisierungstheoretische Ansätze, etwa das Theorem von der selektiven Modernisierung (Zinnecker 1991) oder differenzierungstheoretische Ansätze, die auf die geringe Diffe renziertheit des politischen Systems und die Entdifferenzierung der Sozial struktur hinweisen (Kohli/Joas 1993) als auch herrschafts soziologische Ansätze, die die Entwicklung der DDR im Spannungsfeld von pseudo-patri archalischer Herrschaft und staatsbürokratischen Rationalitätskriterien (Meuschel 1992) zu begreifen suchen, plausible Deutungsvorschläge zur Analyse der makrosozialen Bedingungen der DDR-Gesellschaft. Umgekehrt kann vermutlich die Langzeitidentifikation von Teilen der Aufbaueliten mit den Machtstrukturen des SED-Regimes nur mentalitäts geschichtlich mit de ren Herkunft aus der Oppositionsbewegung gegenüber dem Nationalsozia lismus erklärt werden, während für die Diagnose des rapiden Legitima tionsverfalls bei weiten Teilen der DDR-Bevölkerung im Verlaufe der 80er Ansätze aus der Wertewandeldiskussion (vgl. Friedrich 1991) hilfreich sein können. Solche Deutungsversuche eignen sich im Rahmen bildungshistori scher Untersuchungen sicherlich zur Erklärung der gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen und individuellen Voraussetzungen von Erziehungs und Bildungsprozessen. Notwendig sind darüberhinaus jedoch genuin erzie hungswissenschaftliche Theoriekonzepte, seien sie nun bildungstheoreti scher (Benner 1991) oder argumentationsanalytischer Provinienz (Wigger/ WalterlHilbrich in diesem Band), die die Spezifika von pädagogischen Denkformen und Handlungsprozessen . im Kontext der Gesellschaft der DDR kategorial fassen können. Das hier in groben Umrissen skizzierte Forschungsprogramm und Aufga benspektrum für die zukünftige pädagogische DDR-Forschung wird durch die Beiträge in diesem Sammelband nur in ersten Ansätzen eingelöst. Die Artikel, die von Autoren aus Ost- und Westdeutschland verfaßt wurden, stellen den Versuch dar, sich der Vergangenheit der Pädagogik und des Er ziehungsalltages in der DDR zu nähern, mit der Absicht aus der Vergangen-

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